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BSG - Entscheidung vom 20.12.2018

B 9 V 13/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 20.12.2018 - Aktenzeichen B 9 V 13/18 B

DRsp Nr. 2019/2347

Berufsschadensausgleich nach dem SVG und dem BVG wegen der Folgen einer anerkannten Wehrdienstbeschädigung Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Keine grundsätzliche Bedeutung ausgelaufenen Rechts Erhebliche Zahl von Altfällen

1. Außer Kraft getretene Vorschriften haben regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung.2. Bei ausgelaufenem oder auslaufendem Recht ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ausnahmsweise dann gegeben, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des alten Rechts zu entscheiden sind oder wenn die Überprüfung der Rechtsnorm bzw. ihre Auslegung aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung hat, namentlich wegen einer weitgehenden Übereinstimmung mit dem neuen Recht.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. Januar 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Der Kläger begehrt einen höheren Berufsschadensausgleich (BSA) nach dem Soldatenversorgungsgesetz ( SVG ) iVm dem Bundesversorgungsgesetz ( BVG ) wegen der Folgen einer anerkannten Wehrdienstbeschädigung.

Der Kläger diente zwischen 1981 und 2001 ua als Flugzeugführer und Waffensystemoffizier in strahlgetriebenen Kampfflugzeugen, zuletzt im Dienstgrad eines Oberstleutnants. Er bezieht seit 2001 Versorgungsbezüge der Bundeswehr.

Seit 2009 ist bei ihm eine sekundär chronisch progredient verlaufende Ezephalomyelitis disseminata ("multiple Sklerose") ab Juli 1998 als Wehrdienstbeschädigung anerkannt, zuletzt mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 (Bescheid vom 22.4.2015). Dem Kläger wurden Beschädigtenrente und ein BSA sowie weitere Versorgungsleistungen gewährt. Ab dem 1.8.2013 belief sich sein BSA als Teil der Beschädigtenversorgung von insgesamt Euro auf Euro (Bescheide vom 19.6.2013, Widerspruchsbescheid vom 27.3.2015). Während des anschließenden Klageverfahrens erhöhte der Beklagte den BSA rückwirkend auf 1412 bzw 1463 Euro (Änderungsbescheid vom 18.11.2015).

Die auf Gewährung höherer Versorgungsbezüge gerichtete Klage ist erfolglos geblieben ( SG -Urteil vom 10.11.2016, LSG-Beschluss vom 26.1.2018). Das LSG hat ausgeführt, dem Kläger stehe für die Zeit seit dem 1.7.2013 kein höherer BSA zu. Das maßgebliche Vergleichseinkommen sei nach § 30 Abs 5 BVG in der bis zum 30.6.2011 geltenden Fassung zutreffend bestimmt worden. Der Anspruch des Klägers auf BSA sei nach §§ 56 Abs 1 , 87 Abs 1 BVG ab dem 30.6.2011 nur noch entsprechend den Erhöhungen der gesetzlichen Renten und nicht denjenigen der Bundesbesoldungsordnung anzupassen gewesen. Amtszulagen wie die Fliegerstellenzulage seien nach der für den Kläger maßgeblichen Fassung der Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV) beim Vergleichseinkommen nicht zu berücksichtigen. Im Übrigen sei der BSA des Klägers zutreffend und teilweise sogar zu hoch berechnet worden.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt, mit der er geltend macht, die Missachtung seiner Grundrechte durch den Beschluss des LSG stelle einen Revisionsgrund dar und verleihe der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung.

II

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die allein behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG ).

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen Senatsbeschluss vom 25.10.2016 - B 10 ÜG 24/16 B - Juris RdNr 7 mwN). Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer eine entsprechende Rechtsfrage klar und eindeutig zu bezeichnen; sie ist abstrakt-generell und aus sich heraus verständlich zu formulieren und darf weder auf die Person des Beschwerdeführers noch auf seine individuelle Situation zugeschnitten sein (Karmanski in Roos/Wahrendorf, SGG , 1. Aufl 2014, RdNr 46 f mwN).

Diese Anforderungen verfehlt die vorliegende Beschwerdebegründung.

Soweit der Beschwerdeführer pauschal behauptet, die Missachtung seiner Rechte aus dem GG stelle einen Revisionsgrund dar, hat er bereits keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung eines konkreten Tatbestandsmerkmals einer gesetzlichen Norm formuliert.

Nichts anderes gilt für die Behauptung, die Nichtberücksichtigung der von ihm als Soldat bezogenen Fliegerstellenzulage nach § 6 Abs 2 S 4 BSchAV (idF vom 13.12.2007) beim Vergleichseinkommen sowie die Übergangsvorschrift des § 87 Abs 1 BVG verstießen gegen Art 3 Abs 1 GG sowie gegen das Gebot amtsangemessener Besoldung und Fürsorge aus Art 33 Abs 5 GG . Insoweit formuliert die Beschwerde schon keine Rechtsfragen zu konkret bezeichneten Tatbestandsmerkmalen entscheidungserheblicher Vorschriften. Darüber hinaus darf sich, wer zur Begründung der Klärungsbedürftigkeit einen Verfassungsverstoß geltend macht oder sich auf die Verfassungswidrigkeit der höchstrichterlichen Auslegung einer Vorschrift beruft, nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien in substantieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe der jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des GG im Einzelnen dargelegt werden. Es ist aufzuzeigen, dass der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten und in willkürlicher Weise verletzt hat ( BSG Beschluss vom 8.9.2016 - B 9 V 13/16 B - Juris RdNr 7).

Solche Ausführungen macht die Beschwerde nicht. Sie beschränkt sich im Kern auf die bloße Behauptung, die von ihr - lediglich überblicksmäßig zitierten - Normen seien verfassungswidrig. Damit verfehlt sie die genannten Darlegungsanforderungen. Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, setzt sich die Beschwerde nicht näher mit konkreten Tatbestandsmerkmalen der anwendbaren Rechtsvorschriften, der einschlägigen Literatur oder höchstrichterlichen Rechtsprechung zum BSA und dem ihm zugrunde liegenden Pauschalisierungsgedanken auseinander. Danach tritt auch beim BSA der Gesichtspunkt einer individuellen Entschädigung zu Gunsten eines generalisierten oder pauschalierten Schadensausgleichs zurück (vgl Senatsurteil vom 28.4.2005 - BSG SozR 4-3100 § 30 Nr 2 RdNr 28 mwN; BSG Urteil vom 12.12.1972 - 8 RV 493/72 - Juris RdNr 24). Der BSA hat nicht durchweg den schadensersatzrechtlichen Sinn, möglichst wirklichkeitsgetreu den Einkommensverlust zu ersetzen ( BSG Urteil vom 15.2.1989 - 9/4b RV 5/87 - BSGE 64, 272 = SozR 3642, Juris RdNr 17). Ebenso wenig legt die Beschwerde substantiiert einen Zusammenhang zwischen den nur für Berufsbeamte und Richter geltenden Grundsätzen aus Art 33 Abs 5 GG und den Vorschriften des BVG über den BSA dar. Zum einen setzt sie sich schon nicht mit der Rechtsprechung des BVerwG auseinander, der zufolge Berufssoldaten keine Beamten iS des § 33 Abs 5 GG sind, dessen Grundsätze daher auf sie allenfalls entsprechend angewendet werden können (vgl BVerwG Beschluss vom 24.11.1987 - 1 WB 105/86; Battis in Sachs, GG , 8. Aufl 2018, Art 33 RdNr 69). Zum anderen haben die Vorschriften des BVG über den BSA insbesondere aufgrund der Verweisung verschiedener Leistungsgesetze mit unterschiedlichen Anspruchsgesetzen einen wesentlich weiteren Anwendungsbereich als der Ausgleich von Schäden von in ihrem beruflichen Fortkommen geschädigten Berufsbeamten und Richtern.

Unabhängig davon lässt die Beschwerde auch die Darlegung vermissen, warum die von ihr aufgeworfenen Fragen über den Fall des Klägers hinaus (weiterhin) grundsätzlichen Klärungsbedarf aufwerfen, obwohl sie nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des LSG den alten Rechtszustand vor den umfassenden Reformen des BSA in zwei Schritten zum 1.1.2008 und zum 1.7.2011 betreffen (vgl dazu allg Dau in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl 2012, § 30 BVG RdNr 26 ff und 49 ff). Außer Kraft (ge)treten(d)e Vorschriften haben nach ständiger Rechtsprechung des BSG in aller Regel keine grundsätzliche Bedeutung ( BSG Beschluss vom 26.3.2010 - B 11 AL 192/09 B - Juris RdNr 10 mwN). Im Falle solchen auslaufenden Rechts ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache allenfalls dann gegeben, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des alten Rechts zu entscheiden sind oder wenn die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihre Auslegung aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung hat, namentlich wegen einer weitgehenden Übereinstimmung mit dem neuen Recht ( BSG Beschluss vom 17.6.2013 - B 10 EG 6/13 B - Juris mwN). Diese Voraussetzungen hat die Beschwerde nicht dargelegt. Sie stellt schon keinerlei inhaltlichen Vergleich zwischen der alten und neuen Rechtslage an. Ebenso wenig legt die Beschwerde näher dar, warum noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des alten Rechts zu entscheiden sein sollte, die eine dem Fall des Klägers vergleichbare Problematik aufwerfen. Soweit die Beschwerde ohne Angabe einer Fundstelle behauptet, der Gesetzgeber führe selber aus, es gebe noch eine nicht unbeachtliche Zahl von Betroffenen, hat sie diese Behauptung ebenfalls nicht substantiiert dargelegt. Die vom LSG zitierte und wohl auch von der Beschwerde gemeinte Passage der Gesetzesbegründung zu § 87 Abs 1 BVG (BT-Drucks 17/5311, S 23) spricht lediglich davon, die Anknüpfung an die Rentenanpassung sei angesichts des hohen Alters der Kriegsopfer sachgerecht, die den Großteil der Bezieher von BSA ausmachten. Eine erhebliche Anzahl von Fällen, die mit demjenigen des 58jährigen Klägers als ehemaligem Militärpiloten der Bundeswehr vergleichbar wären, geht daraus gerade nicht hervor. Damit legt die Beschwerde insgesamt keine fortbestehende grundsätzliche Bedeutung der von ihr ohnehin nur angedeuteten Rechtsfragen dar.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 26.01.2018 - Vorinstanzaktenzeichen L 6 VS 4656/16
Vorinstanz: SG Karlsruhe, vom 10.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 13 VS 1294/15