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BGH - Entscheidung vom 25.09.2018

II ZR 200/17

Normen:
BGB § 241 Abs. 2
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 280 Abs. 3
BGB § 311 Abs. 2

BGH, Urteil vom 25.09.2018 - Aktenzeichen II ZR 200/17

DRsp Nr. 2018/17236

Haftung des Vermittlers aus Prospekthaftung im weiteren Sinne als Anwendungsfall der Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss wegen der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens i.R.d. Anlageberatung

Aus Prospekthaftung im weiteren Sinne haftet nur derjenige, der Vertragspartner des Anlegers geworden ist oder hätte werden sollen. Gesellschaftsrechtliche Beteiligungen und eine hierdurch begründete "Schlüsselstellung" können Umstände sein, die im Rahmen der Prospekthaftung im engeren Sinne zu berücksichtigen sind. Eine Prospekthaftung im weiteren Sinne vermögen sie jedoch nicht zu begründen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten zu 2 wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 22. Mai 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten zu 2 gegen das Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 25. November 2016 zurückgewiesen worden ist.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

BGB § 241 Abs. 2 ; BGB § 280 Abs. 1 ; BGB § 280 Abs. 3 ; BGB § 311 Abs. 2 ;

Tatbestand

Die Klägerin beteiligte sich mit Beitrittsvereinbarung vom 20. Januar 2009 in Höhe von 50.000 € zuzüglich 5 % Agio an der H.GmbH & Co. KG (im Folgenden: Fondsgesellschaft). Die Klägerin erhielt Ausschüttungen in einer Höhe von 17.259,35 €.

Gegenstand der Fondsgesellschaft war der unmittelbare oder mittelbare Erwerb, die Bebauung, die Herstellung, die langfristige Verwaltung, Bewirtschaftung und Vermietung von langlebigen Wirtschafts- und Investitionsgütern, sowie das langfristige Eingehen von Beteiligungen zu diesem Zweck, insbesondere die Beteiligung an der H. GmbH & Co. Beteiligungs-KG. Diese war mittelbar über die Eigentümerin beteiligt an dem Grundstück "A. ", C. Luxemburg, einem Bürokomplex mit ca. 75.000 m2 Mietfläche bestehend aus fünf Gebäudeflügeln und dazugehörigen Tiefgaragen- und Außenstellplätzen. Der Komplex war zum Zeitpunkt der Prospekterstellung im November 2008 zum Teil fertiggestellt und zum Teil noch im Bau. Die Klägerin war Kundin der ehemaligen Beklagten zu 1. Das vor der Anlage von Mitarbeitern der Beklagten zu 1 geführte Beratungsgespräch fand mit dem Ehemann der Klägerin statt. Die Beklagte zu 2 war Initiatorin, Anbieterin, Eigen- und Fremdkapitalvermittlerin des Fonds, sie hatte die Konzeption entwickelt, ihr oblag die Geschäftsbesorgung. Im Prospekt vom 28. November 2008 hieß es:

-

im Kapitel "Investitionsobjekt" unter "Anzahl Pkw-Stellplätze":

"Rund 600 Tiefgaragen-Stellplätze ..., rund 50 Außenstellplätze ..., weitere Stellplätze in Planung.",

-

im Kapitel "Anlageziel und Anlagepolitik":

"Behördliche Genehmigung

Sämtliche zur Erreichung der Anlageziele und der Anlagepolitik erforderlichen behördlichen Genehmigungen, liegen vor."

Bei Prospekterstellung waren bereits 760 Stellplatzflächen vermietet, wobei 566 Tiefgaragenstellplätze genehmigt waren und weitere 84 Tiefgaragenstellplätze später genehmigt wurden. Baurechtlich genehmigungsfähig waren insgesamt nur 650 Stellplätze. Tatsächlich wurden 1200 Tiefgaragenstellplätze und 500 Außenstellplätze errichtet. Die weiteren über die genehmigungsfähigen Stellplätze hinausgehenden Bauanträge wurden abgelehnt.

Das Landgericht hat die Beklagte zu 2 neben den ehemaligen Beklagten zu 1 und 3 unter anderem verurteilt, an die Klägerin 35.240,66 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus dem Treuhandvertrag mit der H. GmbH über die Beteiligung der Klägerin an der Fondsgesellschaft sowie außergerichtliche Kosten zu zahlen.

Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten zu 2 die Klage hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten abgewiesen und im Übrigen ihre Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte zu 2 ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter, auch nachdem die Klägerin im Revisionsverfahren die Klage hinsichtlich des Zahlungsantrags nebst Zinsen für erledigt erklärt hat, weil die ehemalige Beklagte zu 1 diese Forderung erfüllt habe.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten zu 2 hat Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass die Beklagte zu 2 aus Prospekthaftung im weiteren Sinne hafte. Sie habe besonderes persönliches Vertrauen für sich in Anspruch genommen. Sie sei maßgebliche Initiatorin und Prospektherausgeberin, der die Geschäftsbesorgung oblegen habe und die ausweislich des Prospekts über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehend eine persönliche Gewähr für die Seriosität und ordnungsgemäße Vertragserfüllung übernommen habe. Sie habe auch ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Zeichnung durch die Anleger gehabt. Insbesondere habe sie im Prospekt gegenüber allen Anlageinteressenten die Verantwortung für den Inhalt des Prospekts übernommen und unter anderem erklärt, dass ihres Wissens die Angaben im Prospekt richtig seien und keine wesentlichen Umstände ausgelassen worden seien. Daran müsse sie sich festhalten lassen. Soweit die Beklagte zu 2 darauf abhebe, die Klägerin habe den Prospekt nicht erhalten, greife dies nicht durch. Es reiche aus, dass der Prospekt entsprechend dem Vertriebskonzept der Fondsgesellschaft vom Berater und Anlagevermittler als Arbeitsgrundlage verwendet werde. Es könne offenbleiben, ob die Beklagte zu 2 daneben auch aus unerlaubter Handlung hafte.

II. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes hält den Angriffen der Revision nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht angeführten Begründung kann eine Haftung der Beklagten zu 2 aus Prospekthaftung im weiteren Sinne als Anwendungsfall der Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1, Abs. 3, §§ 282 , 241 Abs. 2 , § 311 Abs. 2 und Abs. 3 BGB nicht angenommen und die Erledigung des Zahlungsantrags nicht festgestellt werden.

1. Eine Haftung der Beklagten zu 2 aus Verschulden bei Vertragsschluss als Vertreter, Dritter oder Sachwalter wegen der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens kommt nicht in Betracht.

a) Aus Prospekthaftung im weiteren Sinne haftet nur derjenige, der Vertragspartner des Anlegers geworden ist oder hätte werden sollen. Ausnahmsweise kann daneben der für den Vertragspartner auftretende Vertreter, Vermittler oder Sachwalter in Anspruch genommen werden, wenn er im besonderen Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat (BGH, Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 23; Beschluss vom 25. Juni 2009 - III ZR 222/08, juris Rn. 8; Urteil vom 22. Oktober 2015 - III ZR 265/14, juris Rn. 15). Für die Annahme eines besonderen persönlichen Vertrauens ist dabei erforderlich, dass der Anspruchsgegner eine über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehende persönliche Gewähr für die Seriosität und ordnungsgemäße Erfüllung des Vertrags übernommen hat. Anknüpfungspunkt der Prospekthaftung im weiteren Sinne ist dementsprechend nicht die Verantwortlichkeit für einen fehlerhaften Prospekt, sondern eine selbständige Aufklärungspflicht als Vertragspartner oder Sachwalter aufgrund persönlich in Anspruch genommenen - eben nicht nur typisierten - besonderen Vertrauens, zu deren Erfüllung er sich des Prospekts bedient (BGH, Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 23; Urteil vom 22. Oktober 2015 - III ZR 265/14, juris Rn. 15). Die Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens kann auch dann vorliegen, wenn der Vertreter die Verhandlungen nicht selbst führt, sondern von einem anderen für sich führen lässt und dem Vertragspartner gegenüber als die Person erscheint, von deren Entscheidung der Abschluss des Vertrages abhängt (BGH, Urteil vom 4. Mai 2004 - XI ZR 41/03, NJW-RR 2005, 23 , 25 mwN).

Gesellschaftsrechtliche Beteiligungen und eine hierdurch begründete "Schlüsselstellung" können Umstände sein, die im Rahmen der Prospekthaftung im engeren Sinne zu berücksichtigen sind. Eine Prospekthaftung im weiteren Sinne vermögen sie jedoch nicht zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2015 - III ZR 265/14, juris Rn. 16). Zur Annahme einer Prospekthaftung im weiteren Sinne reicht es auch nicht aus, dass der Name des in Anspruch Genommenen in einem Prospekt mehrfach an prominenter Stelle (zum Beispiel auf dem Deckblatt) genannt wird. Eine werbemäßige Nennung des Namens genügt nicht für eine Prospekthaftung im weiteren Sinne (BGH, Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 26).

b) Die Beklagte zu 2 ist nicht als Vertreterin aufgetreten und hat keinen unmittelbaren Kontakt zur Klägerin oder ihrem Ehemann gehabt. Neben dem fehlenden persönlichen Kontakt hatte die Beklagten zu 2 auch keine Stellung, nach der sie in eine Vertragsbeziehung zum Anleger trat, weil sie dessen Beitritt im Namen der Fondsgesellschaft zu bewirken gehabt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2009 - III ZR 222/08, juris Rn. 8). Es hätte auch zu einer Beeinflussung der Vertragsverhandlungen aufgrund des persönlichen in Anspruch genommenen Vertrauens gekommen sein müssen (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 1978 - II ZR 172/76, BGHZ 71, 284 , 287), woran es ebenfalls fehlt.

Die vom Berufungsgericht angesprochenen Erklärungen der Beklagten zu 2 im Fondsprospekt können hier schon deshalb nicht für die Begründung eines besonderen persönlichen Vertrauens als Dritter oder Sachwalter herangezogen werden, da diese nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Klägerin nicht bekannt geworden sind. Die Klägerin oder ihr Ehemann haben danach den Prospekt vor der Anlageentscheidung nicht zur Kenntnis genommen. Dass die Erklärungen der Beklagten zu 2 im Prospekt im Gespräch des Ehemanns der Klägerin mit den Mitarbeitern der ehemaligen Beklagten zu 1 erwähnt wurden, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und macht die Revisionserwiderung nicht geltend. Die Klägerin ist jedoch für die Voraussetzungen einer Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss darlegungs- und beweisbelastet (BGH, Urteil vom 19. September 2006 - XI ZR 204/04, BGHZ 169, 109 Rn. 43; Urteil vom 17. Oktober 1983 - II ZR 146/82, NJW 1984, 866 , 867).

Die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens kann auch nicht darauf gestützt werden, dass der Fondsprospekt Grundlage des Beratungsgesprächs mit der ehemaligen Beklagten zu 1 gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entspricht es der Lebenserfahrung, dass ein Prospektfehler für die Anlageentscheidung ursächlich wird. Diese Rechtsprechung bezieht sich jedoch nur auf Prospektfehler (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2007 - II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 Rn. 16; Urteil vom 14. Juli 2003 - II ZR 202/02, DStR 2003, 1760 , 1762; Urteil vom 29. Mai 2000 - II ZR 280/98, ZIP 2000, 1296 , 1298). In diesen Fällen reicht es für die haftungsbegründende Kausalität aus, dass der Prospekt entsprechend dem Vertriebskonzept der Fondsgesellschaft von den Anlagevermittlern als Arbeitsgrundlage verwendet wird, weil dann die Anleger auf andere als die im Prospekt genannten Risiken nicht hingewiesen werden konnten (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2007 - II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 Rn. 17). Die Grundsätze über die Beeinflussung der Anlageentscheidung aufgrund von Prospektfehlern, auch wenn dieser nicht zur Kenntnis genommen worden ist, können nicht auf Ausführungen im Prospekt übertragen werden, die unter dem Gesichtspunkt der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens zu bewerten sind (BGH, Urteil vom 17. Juli 2018 - II ZR 13/17, juris Rn. 16). Es kann deshalb nach der Lebenserfahrung nicht davon ausgegangen werden, dass die Erklärungen der Beklagten zu 2, die das Berufungsgericht als Garantieerklärung bewertet hat, in das Aufklärungsgespräch eingeflossen sind und die Anlageentscheidung der Klägerin beeinflusst haben.

2. Eine Haftung der Beklagten zu 2 als Dritte wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen, die nicht Vertragspartner selbst werden sollte, wegen eines eigenen wirtschaftlichen Interesses am Vertragsschluss scheidet auch aus. Eine solche Haftung kann in Betracht kommen, wenn der Dritte als Vertreter aufgetreten ist, er der eigentliche Vertragsinteressent war und somit nur aus formalen Gründen nicht selbst als Vertragspartner, sondern als Vertreter aufgetreten ist. Nicht ausreichend ist dabei ein lediglich mittelbares wirtschaftliches Interesse, das sich nur in der Allein- oder Mehrheitsgesellschafterstellung des Vertreters oder Dritten erschöpft (BGH, Urteil vom 7. November 1994 - II ZR 108/93, ZIP 1995, 211 , 212; Urteil vom 6. Juni 1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 , 183 f.; Urteil vom 23. Oktober 1985 - VIII ZR 210/84, ZIP 1986, 26 , 28; Urteil vom 4. Mai 1981 - III ZR 193/80, ZIP 1981, 1076 , 1077). Unbeschadet des Umstands, dass die Beklagte zu 2 nicht gegenüber der Klägerin oder ihrem Ehemann als Vertreterin aufgetreten ist, reicht insoweit ihre Stellung als Alleingesellschafterin der Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaft zur Begründung einer Haftung nach § 311 Abs. 2 oder Abs. 3 BGB wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses nicht aus.

III. Das Berufungsurteil ist aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 562 Abs. 1 , § 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO ). Das Berufungsgericht hat die im Verfahren angesprochene deliktische Haftung der Beklagten zu 2 bislang offengelassen und wird deren Prüfung nachzuholen haben.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 25. September 2018

Vorinstanz: LG München I, vom 25.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 27 O 19360/15
Vorinstanz: OLG München, vom 22.05.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 19 U 4741/16