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BGH - Entscheidung vom 10.07.2018

XI ZR 674/16

Normen:
BGB § 355 Abs. 1
BGB § 355 Abs. 2
ZPO § 256 Abs. 1

BGH, Urteil vom 10.07.2018 - Aktenzeichen XI ZR 674/16

DRsp Nr. 2019/1354

Umwandlung des Darlehensvertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf der auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung

Einer Feststellungsklage des Inhalts, der Darlehensvertrag habe sich aufgrund des Widerrufs der Kläger in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, ist insoweit unzulässig. Den Kläger fehlt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

Tenor

Auf die Revision der Kläger und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 24. Oktober 2016 mit Ausnahme der Entscheidung über die Zahlung von vorgerichtlichen Anwaltskosten nebst Zinsen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

BGB § 355 Abs. 1 ; BGB § 355 Abs. 2 ; ZPO § 256 Abs. 1 ;

Tatbestand

Die Kläger nehmen die Beklagte auf Feststellung und Zahlung nach Widerruf ihrer auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen in Anspruch.

Die Parteien - die Kläger zwecks Finanzierung einer Immobilie - schlossen im Juni 2008 in den Geschäftsräumen der Beklagten einen Darlehensvertrag über ein grundpfandrechtlich gesichertes Darlehen in Höhe von 252.000 € zu einem auf zehn Jahre festen Nominalzinssatz von 4,83% p.a. Bei Vertragsschluss belehrte die Beklagte die Kläger über das ihnen zustehende Widerrufsrecht anhand einer Widerrufsbelehrung, die im Wesentlichen der entsprach, die Gegenstand des Senatsurteils vom 16. Mai 2017 ( XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rn. 2) war, und wie folgt lautete:

Die Kläger erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Zum 1. August 2012 führten die Kläger das Darlehen gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung vollständig zurück. Mit Schreiben des vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 6. August 2014 verlieh der Kläger zu 2 seiner Überzeugung Ausdruck, die von der Beklagten verwandte Widerrufsbelehrung genüge den gesetzlichen Anforderungen nicht. Die Beklagte wies die Beanstandungen zurück.

Ihre der Beklagten am 28. November 2014 zugestellte Klage, mit der sie den Widerruf ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen erklärt haben, weiter die Feststellung begehrt haben, dass sie "ihre Willenserklärung zum Abschluss des Darlehensvertrags [...] wirksam widerrufen haben", sowie beantragt haben die Beklagte zu verurteilen, an sie den zu ihren Gunsten berechneten Saldo aus dem Rückgewährschuldverhältnis zu zahlen und vorgerichtlich verauslagte Anwaltskosten zu erstatten, hat das Landgericht abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger, mit der sie ihre Klageanträge vollumfänglich weiterverfolgen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger hat teilweise Erfolg. Sie führt in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Im Übrigen ist die Revision der Kläger zurückzuweisen.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:

Bei der Feststellungsklage der Kläger handele es sich um eine Zwischenfeststellungsklage, die - so vom Berufungsgericht ohne weitere Begründung unterstellt - zulässig sei. Das Begehren der Kläger sei indessen in Gänze unbegründet. Ein Rückgewährschuldverhältnis sei mangels eines wirksamen Widerrufs nicht entstanden, weil die von der Beklagten erteilte Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist in Anbetracht des konkreten Ablaufs der Vertragsverhandlungen nicht zu beanstanden gewesen sei. Auch die Angaben zur Fristlänge, zur Form der erteilten Widerrufsbelehrung und zu den Widerrufsfolgen seien hinreichend deutlich gewesen.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Rechtsfehlerhaft ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, die Feststellungsklage sei zulässig.

Ein Antrag im Wortsinne festzustellen, die Kläger hätten ihre "Willenserklärung zum Abschluss des Darlehensvertrags [...] wirksam widerrufen", wäre nicht nur mangels Angabe der maßgeblichen Widerrufserklärung unbestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ), sondern auch als auf die Klärung einer nicht feststellungsfähigen bloßen Vorfrage und nicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses gerichtet unzulässig (Senatsurteile vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 12 und vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 457/16, WM 2017, 2256 Rn. 18; Senatsbeschlüsse vom 14. Oktober 2008 - XI ZR 173/07, - XI ZR 248/07 und - XI ZR 260/07, juris). Für Zwischenfeststellungsklagen gilt insoweit nichts anderes (BGH, Urteile vom 3. Mai 1977 - VI ZR 36/74, BGHZ 68, 331 , 332, vom 9. Oktober 1991 - XII ZR 170/90, NJW 1992, 364 , 366 und vom 15. Juni 2005 - XII ZR 82/02, NZM 2005, 704 ).

Auch eine Feststellungsklage des vom Landgericht im Wege der Auslegung ermittelten, im Berufungsverfahren indessen nicht in diesem Sinne klargestellten Inhalts, der Darlehensvertrag habe sich aufgrund des Widerrufs der Kläger in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, wäre unzulässig. Insoweit fehlte den Klägern, wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils näher ausgeführt hat (Senatsurteile vom 24. Januar 2017 - XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rn. 11 ff., vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 13 ff., vom 14. März 2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rn. 19, vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rn. 16 und vom 4. Juli 2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rn. 16 f.), das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Eine Feststellungsklage dieses Inhalts wäre nicht nach den Maßgaben des Senatsurteils vom 24. Januar 2017 (aaO, Rn. 16) abweichend von der Regel ausnahmsweise zulässig, weil nicht feststeht, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten der Parteien endgültig bereinigt. Im Gegenteil haben sich die Parteien in den Vorinstanzen auch über die Höhe der von den Klägern geltend gemachten Ansprüche auseinander gesetzt. Eine mangels Feststellungsinteresses unzulässige Klage auf Feststellung der Umwandlung des Darlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann, wie der Senat ebenfalls nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat (Senatsurteil vom 17. April 2018 - XI ZR 446/16, n.n.v.), nicht in eine zulässige Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO umgedeutet werden.

2. Außerdem weisen die Ausführungen des Berufungsgerichts revisionsrechtlich erhebliche Rechtsfehler auf, soweit es auf der Grundlage des nach Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2 , § 32 Abs. 1 , § 38 Abs. 1 EGBGB maßgeblichen Rechts davon ausgegangen ist, die Beklagte habe die Kläger hinreichend deutlich über das ihnen zukommende Widerrufsrecht belehrt. Wie der Senat mit Urteil vom 16. Mai 2017 ( XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rn. 20 ff.; vgl. auch Senatsurteil vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 450/16, juris Rn. 17) ausgeführt hat, waren sowohl die Wendung "der schriftliche Vertragsantrag" als auch die außerhalb des Anwendungsbereichs fernabsatzrechtlicher Vorschriften gebrauchte Wendung "aber nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses" - schon jeweils für sich, aber auch in ihrer Kombination - bei der Umschreibung der Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist unklar und widersprachen den Vorgaben des § 355 Abs. 1 und 2 BGB in der hier maßgeblichen, bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung. Auf die Umstände der Erteilung der Widerrufsbelehrung kommt es, anders als das Berufungsgericht gemeint hat, nicht an (Senatsurteile vom 21. Februar 2017 - XI ZR 381/16, WM 2017, 806 Rn. 16 ff., vom 21. November 2017 - XI ZR 106/16, WM 2018, 51 Rn. 14 und vom 20. Februar 2018 - XI ZR 127/16, juris Rn. 17).

III.

Das Berufungsurteil stellt sich nur insoweit aus anderen Gründen als richtig dar, als das Berufungsgericht im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteile vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 31, 34 f., vom 25. April 2017 - XI ZR 314/16, BKR 2017, 373 Rn. 15 und vom 23. Januar 2018 - XI ZR 397/16, juris Rn. 13) einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten versagt hat (§ 561 ZPO ). Diese Kosten können die Kläger weder aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes noch aus Verzug beanspruchen.

Im Übrigen unterliegt das Berufungsurteil der Aufhebung (§ 562 ZPO ), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO ). Insbesondere kann der Senat einer Subsumtion des Tatrichters unter § 242 BGB nicht vorgreifen.

IV.

Da die Sache, soweit das Berufungsurteil der Aufhebung unterliegt, nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO ), verweist sie der Senat zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).

Das Berufungsgericht wird den Klägern zunächst Gelegenheit zu geben haben, zu einem zulässigen Antrag überzugehen (Senatsurteile vom 4. Juli 2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rn. 34 und vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 456/16, WM 2017, 2254 Rn. 15).

Es wird sodann als dazu zuvörderst berufener Tatrichter anhand der vom Senat präzisierten Maßstäbe der Frage nachzugehen haben, ob sich die Kläger unter Verstoß gegen § 242 BGB auf ihr Widerrufsrecht berufen (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15, BGHZ 211, 105 Rn. 14 ff., 38 ff. und - XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 Rn. 31 ff.; Senatsbeschluss vom 23. Januar 2018 - XI ZR 298/17, WM 2018, 614 Rn. 10 ff.).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 10. Juli 2018

Vorinstanz: LG Nürnberg-Fürth, vom 30.04.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 10 O 7630/14
Vorinstanz: OLG Nürnberg, vom 24.10.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 14 U 1009/15