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BGH - Entscheidung vom 30.10.2018

2 BJs 51/18-8

Normen:
StGB § 89a Abs. 1
StGB § 89a Abs. 2 Nr. 2
StGB § 310 Abs. 1 Nr. 2
StPO § 112 Abs. 2 Nr. 2

BGH, Beschluss vom 30.10.2018 - Aktenzeichen 2 BJs 51/18-8

DRsp Nr. 2018/17867

Anordnung und Fortdauer der Untersuchungshaft wegen des dringenden Tatverdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und Vorbereitung eines Explosionsverbrechens

Tenor

Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 9. August 2018 - 5 BGs 163/18 - wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Normenkette:

StGB § 89a Abs. 1 ; StGB § 89a Abs. 2 Nr. 2 ; StGB § 310 Abs. 1 Nr. 2 ; StPO § 112 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe

I.

Der Beschuldigte wurde am 11. August 2018 aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 9. August 2018 ( 5 BGs 163/18) festgenommen und befindet sich seither ununterbrochen in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe jedenfalls am 26. Oktober 2016 in seiner Wohnung in Be. eine nicht unerhebliche Menge Sprengstoff (Triacetontriperoxid - TATP) verwahrt, den er zusammen mit dem gesondert Verfolgten, in Frankreich inhaftierten B. zu einem unbekannten Zeitpunkt und an einem unbekannten Ort in Deutschland für einen islamistisch motivierten Anschlag nutzen wollte, wobei es ihm darauf ankam, dass durch eine Explosion eine große Anzahl von Menschen getötet und verletzt würde, strafbar als gemeinschaftliche Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in Tateinheit mit der Vorbereitung eines Explosionsverbrechens (§ 89a Abs. 1, 2 Nr. 2, § 310 Abs. 1 Nr. 2 , § 25 Abs. 2 , § 52 StGB ).

Der Verteidiger des Beschuldigten hat mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2018 Beschwerde gegen den Haftbefehl eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass ein dringender Verdacht nicht vorliege. Die bisherigen Ermittlungen belegten schon nicht den Verdacht, dass der Sprengstoff in der Wohnung des Beschuldigten aufbewahrt worden sei. Selbst wenn das bisherige Ermittlungsergebnis zur Begründung eines solchen Verdachts ausreichen sollte, beziehe sich dieser lediglich darauf, dass der gesondert verfolgte B. den Sprengstoff in der Wohnung des Beschuldigten verwahrt habe, nicht jedoch, dass der Beschuldigte in dessen Vorgehen verstrickt gewesen sei.

Der Ermittlungsrichter hat dem Rechtsmittel mit Vermerk vom 5. Oktober 2018 nicht abgeholfen.

II.

Das gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel erweist sich als unbegründet.

1. Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Beschuldigte kennt den gesondert verfolgten B. , einen französischen Staatsbürger, seit vielen Jahren. Beide verbindet ein Vertrauensverhältnis und ihre islamistische Einstellung. Ende Oktober 2016 hielt sich der gesondert Verfolgte in Be. auf, wo auch der Beschuldigte lebte. Spätestens kurz vor dem 26. Oktober 2016 verschafften sich die beiden - möglicherweise in eigener Herstellung - größere Mengen des Sprengstoffs TATP, die sie in der Wohnung des Beschuldigten verwahrten. Sie waren fest entschlossen, hieraus einen Sprengsatz herzustellen, den sie an einem unbekannten Ort in Deutschland zu einem unbekannten Zeitpunkt zünden wollten, um so eine möglichst große Anzahl von Personen zu töten und zu verletzen und damit ein Klima der Angst und Verunsicherung bei der hier lebenden Bevölkerung zu schaffen. Am 26. Oktober 2016 suchten im Rahmen einer präventivpolizeilichen Maßnahme Beamte des Landeskriminalamtes Be. das Wohnhaus des Beschuldigten auf. Dieser öffnete zwar die Tür, so dass die Beamten seine Personalien feststellen konnten. Jedoch verweigerte er den nicht über eine Durchsuchungsanordnung verfügenden Polizeibeamten, die bemerkten, dass sich mindestens eine weitere Person in der Wohnung aufhielt, den Eintritt. Da er - wie auch der gesondert Verfolgte - jedoch in der Folge eine Durchsuchung befürchtete, beschlossen sie, ihr Unternehmen abzubrechen. Der gesondert Verfolgte setzte sich mit Hilfe des Beschuldigten am 30. Oktober 2016 nach Frankreich ab, wo er zusammen mit dem anderweitig verfolgten M. im Frühjahr 2017 in Ma. einen Anschlag plante, der durch einen Polizeieinsatz verhindert werden konnte. Dabei wurden - neben mehreren Waffen - drei Kilogramm TATP sowie Grundstoffe zur Herstellung dieses Sprengstoffes sichergestellt.

2. Der dringende Tatverdacht beruht insbesondere auf Äußerungen, die der inhaftierte B. gegenüber seinem Vater gemacht hat, sowie seinen Einlassungen gegenüber den französischen Ermittlungsbehörden. Hinzu kommt eine Reihe weiterer verdachtsbegründender Beweismittel und -anzeichen. Im Einzelnen:

a) Die Gespräche des in Frankreich inhaftierten gesondert verfolgten B. während der Besuchskontakte in der Justizvollzugsanstalt werden audiovisuell überwacht. Anlässlich eines Besuches im Juli 2017 erzählte der gesondert Verfolgte seinem Vater, dass sie in Deutschland in einer Wohnung TATP versteckt gehabt hätten. Dann seien Polizisten gekommen, die sie nicht eingelassen hätten. Da diese über keinen Durchsuchungsbefehl verfügt hätten, seien sie wieder abgezogen. Danach seien sie von dort weggegangen. Im Juni 2018 kam er - wiederum in einem Gespräch mit seinem Vater - auf diesen Vorfall zurück und äußerte, dass er es oft bedauere, dass sie es damals in Deutschland nicht hätten "knallen" lassen und sie sich nicht in die Luft gejagt hätten. Daraus ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts zu schließen, dass der gesondert verfolgte B. - wie auch später in Frankreich - zusammen mit mindestens einem anderen in Be. über den Sprengstoff verfügte, mit dem in Deutschland ein Anschlag hätte verübt werden sollen.

b) Der dringende Tatverdacht, dass es sich bei diesem Mittäter um den Beschuldigten handelt, folgt insbesondere daraus, dass tatsächlich wenige Tage vor der Ausreise des anderweitig Verfolgten aus Deutschland am 26. Oktober 2016 eine präventivpolizeiliche Maßnahme an der Wohnung des Beschuldigten stattfand, bei der dieser zwar öffnete, die Beamten aber nicht einließ. Zwar wollte der gesondert Verfolgte, der diesen Vorfall bei Vernehmungen gegenüber den französischen Ermittlungsorganen bestätigt hat, den Namen des Wohnungsinhabers nicht preisgeben. Doch liegen eine Reihe von Anhaltspunkten - u.a. aus der zwischen dem Beschuldigten und B. geführten Telekommunikation - vor, die darauf hindeuten, dass dieser nach seiner Einreise nach Deutschland im Jahr 2015 zunächst beim Beschuldigten unterkam. Gegenüber den französischen Vernehmungsbeamten hat er auch angegeben, dass die mehrfach geschilderte Polizeikontrolle in der Wohnung des Freundes stattfand, bei dem er nach seiner Ankunft in Deutschland vorübergehend gewohnt habe. Am 30. Oktober 2016 verließ der gesondert Verfolgte - mit Unterstützung des Beschuldigten - Deutschland. Der dringende Verdacht, dass es die Wohnung des Beschuldigten war, in der sich am 26. Oktober 2016 der von B. erwähnte Sprengstoff befand, findet auch eine Bestätigung darin, dass der Beschuldigte und B. sich seit mehreren Jahren kannten, einen vertrauten Umgang miteinander pflegten und ihre islamistische Grundeinstellung teilten. Nach Angaben der ehemaligen Lebensgefährtin des Beschuldigten hat dieser sich mehrfach positiv zu terroristischen Anschlägen geäußert; zudem habe sich der gesondert Verfolgte im Tatzeitraum häufig bei dem Beschuldigten aufgehalten und teilweise sogar bei ihm übernachtet. Diese Umstände, die darauf hinweisen, dass der Beschuldigte zusammen mit dem gesondert verfolgten B. in seiner Wohnung eine für einen Anschlag ausreichende Menge an TATP verwahrte, werden auch nicht dadurch entkräftet, dass B. in dem Gespräch mit seinem Vater im Juli 2017 berichtet hat, "er" - damit meinte er ersichtlich den Mittäter - sei zwei Tage später vorübergehend festgenommen worden, was auf den Beschuldigten nicht zutrifft. Es liegen Erkenntnisse vor, dass die Schilderungen der Umstände der Ergreifung des Beschuldigten auf eine im Jahr 2015 vollzogene Festnahme zutreffen, so dass anzunehmen ist, dass der gesondert Verfolgte bei der Erwähnung dieses Umstandes in zeitlicher Hinsicht einem Irrtum unterlegen ist. Auch weitere kleinere Abweichungen in den Schilderungen der Details des Polizeieinsatzes - so etwa, dass die Beamten vermummt gewesen seien, was tatsächlich nicht zutraf - stehen der Annahme eines dringenden Verdachts nicht entgegen.

c) Es liegen auch einen dringenden Tatverdacht begründende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschuldigte seinerseits an den Plänen eines Anschlags, der in absehbarer Zeit an einem unbekannten Ort in Deutschland mit dem in seiner Wohnung aufbewahrten Sprengstoff verübt werden sollte, einbezogen war. Dass der gesondert Verfolgte ohne Wissen des Wohnungsinhabers, des ihm vertrauten und ideologisch nahestehenden Beschuldigten, in dessen Wohnung Sprengstoff aufbewahrt hätte, erscheint lebensfremd, zumal es der Beschuldigte war, der den Polizeibeamten den Eintritt in seine Wohnung verweigerte. Hinzu kommt, dass der anderweitig Verfolgte im Juni 2018 gegenüber seinem Vater geäußert hat, dass "wir uns dort (gemeint ist Deutschland) in die Luft gesprengt" hätten sollen. Dies lässt den einen dringenden Verdacht begründenden Schluss zu, dass der Beschuldigte, in dessen Wohnung sich der Sprengstoff befand und der seine Bereitschaft zu Sprengstoffattentaten gegenüber seiner früheren Lebensgefährtin zum Ausdruck gebracht hatte, an der Vorbereitung eines Sprengstoffattentates beteiligt war.

3. Damit hat sich der Beschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in Tateinheit mit Vorbereitung eines Explosionsverbrechens nach § 89a Abs. 1, 2 Nr. 2, § 310 Abs. 1 Nr. 2 , § 52 StGB strafbar gemacht.

4. Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts und damit auch diejenige des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs ist gegeben (§ 142a Abs. 1 Satz 1, § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 , § 74a Abs. 1 Nr. 2 GVG ). Gegen die Annahme der besonderen Bedeutung im Sinne des § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GVG ist mit Blick auf die konkreten Tatumstände aus den in dem Haftbefehl zutreffend dargelegten Gründen, auf die verwiesen wird, nichts zu erinnern.

5. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO ). Der Beschuldigte hat im Fall seiner Verurteilung mit einer hohen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände entgegen. Der Beschuldigte ist russischer Staatsbürger. Seine aufenthaltsrechtliche Situation ist nicht gesichert. Über zureichende persönliche, insbesondere auch familiäre Bindungen im Inland verfügt er nicht. Seine ehemalige Lebensgefährtin, mit der er zwei gemeinsame Kinder hat, hat sich bereits Anfang 2017 von ihm getrennt. Hingegen hat der Beschuldigte, der auch schon in Belgien gelebt und seine Ausreise nach Syrien erwogen hat, zahlreiche Verbindungen ins Ausland. In Anbetracht dessen ist zu erwarten, dass er sich, sollte er in Freiheit gelangen, dem weiteren Strafverfahren durch Flucht entziehen wird. Aus diesen Gründen kann der Zweck der Untersuchungshaft mit weniger einschneidenden Maßnahmen (§ 116 StPO ) auch nicht erreicht werden.

6. Die Fortdauer der Untersuchungshaft steht zur Schwere der dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat und der zu erwartenden Strafe derzeit nicht außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO ).