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BGH - Entscheidung vom 17.07.2018

VIII ZR 127/17

Normen:
ZPO § 42 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 17.07.2018 - Aktenzeichen VIII ZR 127/17

DRsp Nr. 2018/9902

Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit; Rechtfertigung von Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters

Tenor

Die Ablehnungsgesuche des Klägers gegen den Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Achilles und den Richter am Bundesgerichtshof Hoffmann werden als unzulässig verworfen.

Die Ablehnungsgesuche des Klägers gegen die Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Milger, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fetzer sowie die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bünger und Kosziol werden zurückgewiesen.

Normenkette:

ZPO § 42 Abs. 2 ;

Gründe

I.

Im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, der auf die Widerklage der Beklagten zur Räumung der von ihm gemieteten Doppelhaushälfte verurteilt worden ist, hat der Senat durch Beschluss vom 4. Juli 2017 (VIII ZR 127/17, WuM 2017, 542 ) die beantragte Einstellung der Zwangsvollstreckung mangels Erfolgsaussicht abgelehnt.

Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers sein Mandat niedergelegt hatte, hat der Kläger die Beiordnung eines Notanwalts beantragt. Dies hat der Senat durch Beschluss vom 26. September 2017, an dem auch der dem Senat damals zugehörige Richter H. mitgewirkt hat, unter anderem wegen Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung ebenfalls abgelehnt.

Mit einem am 21. Januar 2018 bei dem Bundesgerichtshof eingegangenen Ablehnungsgesuch hat sich der Kläger gegen die Mitwirkung des Richters Dr. S. , dem die vorbereitende Bearbeitung der Sache als Berichterstatter zugewiesen war, an den vorgenannten Beschlüssen gewandt. Der Antrag war im Wesentlichen auf vermeintliche Rechtsanwendungsfehler bei der Beschlussfassung sowie auf die Herkunft des Richters aus der Stadt der vorinstanzlichen Gerichte gestützt.

Mit Beschluss vom 10. April 2018 (VIII ZR 127/17, juris) hat der Senat das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Richter Dr. S. zurückgewiesen. Der Kläger hat daraufhin vier der an dem vorgenannten Senatsbeschluss mitwirkenden Richter (die Vorsitzende Richterin Dr. M. , die Richterin Dr. F. sowie die Richter Prof. Dr. A. und Dr. B. ) wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, ebenso ein früheres Senatsmitglied, den Richter H. .

Zu diesen Ablehnungsgesuchen ist eine dienstliche Äußerung der abgelehnten Richterinnen und Richter vom 15. Mai 2018 eingeholt worden, ausgenommen des bereits in den Ruhestand getretenen Richters Prof. Dr. A. und des dem Senat nicht mehr angehörenden Richters H. .

Der Kläger, der Gelegenheit hatte zu der dienstlichen Äußerung Stellung zu nehmen, hat mit einer am 11. Juni 2018 eingegangenen Eingabe auch den am Senatsbeschluss vom 10. April 2018 mitwirkenden fünften Richter (Richter K. ) als befangen abgelehnt.

II.

Die Ablehnungsgesuche bleiben ohne Erfolg.

Sie sind unzulässig, soweit sie sich gegen den an dem Senatsbeschluss vom 10. April 2018 beteiligten Richter Prof. Dr. A. und gegen den an dem vorbezeichneten Senatsbeschluss nicht beteiligten Richter H. richten. Die Ablehnungsanträge gegen die Vorsitzende Richterin Dr. M. , die Richterin Dr. F. sowie gegen die Richter Dr. B. und K. sind unbegründet.

1. Das Ablehnungsgesuch gegen den Richter Prof. Dr. A. ist als unzulässig zu verwerfen, weil der abgelehnte Richter mit dem Ablauf des 31. Mai 2018 infolge des Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand getreten ist. Das Recht einer Partei, einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen (§ 42 Abs. 1 ZPO ), ist darauf gerichtet, eine weitere Mitwirkung des befangenen Richters zu verhindern. Für ein Ablehnungsgesuch, das gegen einen Richter gerichtet ist, dessen weitere Mitwirkung durch Eintritt in den Ruhestand ohnehin nicht mehr in Betracht kommt, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. April 2014 - VI ZR 243/10, juris Rn. 4; vom 18. Februar 2014 - VIII ZR 271/13, juris Rn. 6; vom 21. Februar 2011 - II ZB 2/10, NJW 2011, 1358 Rn. 10 mwN).

Entsprechendes gilt auch im Hinblick auf das Ablehnungsgesuch gegen den Richter H. , der mit Wirkung zum 1. Januar 2018 wieder einem anderen Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zugewiesen worden ist. Für ein Ablehnungsgesuch, das gegen einen Richter gerichtet ist, der aus dem zuständigen Spruchkörper wegen Wechsels in einen anderen Spruchkörper des Gerichts ausgeschieden ist, besteht ebenfalls kein Rechtsschutzbedürfnis (BGH, Beschluss vom 21. Februar 2011 - II ZB 2/10, aaO).

2. Die Ablehnungsgesuche gegen die Vorsitzende Richterin Dr. M. , die Richterin Dr. F. sowie gegen den Richter Dr. B. sind unbegründet. Auch das nachträgliche Ablehnungsgesuch gegen den Richter K. , welches der Kläger erst gestellt hat, nachdem er durch die dienstliche Äußerung vom 15. Mai 2018 bereits eingehend darüber in Kenntnis gesetzt worden war, dass die Senatsbesetzung am 26. September 2017 im Hinblick auf die Mitwirkung des Richters H. auf einem Versehen beruhte, ist - die Zulässigkeit dieses Ablehnungsantrags unterstellt - jedenfalls unbegründet.

a) Nach § 42 Abs. 2 ZPO kann ein Richter von den Parteien wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters vermögen nur objektive Gründe zu rechtfertigen, die vom Standpunkt des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtung aller Umstände die Befürchtung wecken könnten, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit unparteiisch gegenüber (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 20. November 2017 - IX ZR 80/15, juris Rn. 3; vom 10. Oktober 2017 - III ZA 12/17, juris Rn. 3; vom 2. April 2014 - VIII ZB 4/14, juris Rn. 4; jeweils mwN). Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge des Ablehnenden scheiden dagegen als Ablehnungsgründe aus (BGH, Beschlüsse vom 18. Februar 2014 - VIII ZR 271/13, juris Rn. 7; vom 14. März 2003 - IXa ZB 27/03, NJW-RR 2003, 1220 unter II 2 a, mwN).

b) Nach dieser Maßgabe konnte der Kläger bei vernünftiger Würdigung aller Umstände keinen Anlass haben, an der Unvoreingenommenheit der abgelehnten Richter zu zweifeln. Der Kläger hat zur Begründung seines Ablehnungsgesuchs ausgeführt, die Besetzung des Senats in seinem Beschluss vom 26. September 2017 sei "manipuliert" gewesen, weil anstelle des urlaubsbedingt verhinderten Richters Prof. Dr. A. nicht der eigentlich zuständige Richter K. , sondern der Richter H. mitgewirkt habe.

aa) Dazu haben die abgelehnten Richterinnen Dr. M. und Dr. F. und der Richter Dr. B. sich am 15. Mai 2018 dienstlich dahingehend geäußert, dass bei dem Senatsbeschluss vom 26. September 2017 zwar für den Richter Prof. Dr. A. nicht der eigentlich zur Vertretung berufene Richter K. , sondern der Richter H. mitgewirkt habe. Dies habe auf einem im Rahmen der dienstlichen Äußerung eingehend und im Detail dargestellten Versehen beruht.

bb) Der Kläger stützt den Vorwurf der "Manipulation" der Senatsbesetzung damit lediglich auf rein subjektive Mutmaßungen, die keine objektive Grundlage haben. Denn die Mitwirkung von Richter H. am Beschluss vom 26. September 2017 beruhte auf einem Versehen, das als solches nicht geeignet ist, den Anschein der Befangenheit zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. September 2012 - 2 StR 122/12, juris Rn. 18). Insbesondere darf der Kläger bei objektiver und vernünftiger Betrachtung nicht davon ausgehen, dass der Besetzungsfehler auf einer unsachlichen Einstellung des Senats gegenüber dem Ablehnenden oder gar auf Willkür beruht.

c) Auch die weiter geltend gemachten Ablehnungsgründe rechtfertigen die Besorgnis der Befangenheit nicht.

aa) Entgegen der Ansicht des Klägers haben die abgelehnten Richter nicht gegen die Wartepflicht nach § 47 ZPO verstoßen. Das am 4. November 2017 bei dem Bundesgerichtshof eingegangene Schreiben des Klägers, mit welchem er nicht nur den in der Verwaltungsabteilung des Bundesgerichtshofs als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätigen Richter am Landgericht K. , sondern auch "die zuständigen Gerichtsperson(en)" als befangen abgelehnt hat, stellt mangels hinreichender Individualisierbarkeit (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - V ZR 8/10, NJW-RR 2012, 61 Rn. 8 mwN; BVerwG, NJW 2014, 953 Rn. 5) bereits keine zulässige Ablehnung der zuständigen Richter dar. Vielmehr hat der Kläger die Vorsitzende Richterin Dr. M. , die Richterin Dr. F. sowie den Richter Dr. B. erstmals mit einem am 23. April 2018 eingegangenen Schreiben abgelehnt, den Richter K. überdies erstmals mit einem am 11. Juni 2018 eingegangenen Schreiben.

bb) Ein Ablehnungsgrund ergibt sich auch nicht aus der dienstlichen Äußerung der Vorsitzenden Richterin Dr. M. , der Richterin Dr. F. sowie des Richters Dr. B. . Ohne Erfolg macht der Kläger insoweit geltend, diese verhielte sich nicht oder jedenfalls nicht in ausreichendem Umfang zu sämtlichen von ihm geltend gemachten Ablehnungsgründen. Für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch wesentliche Tatsachenfragen sind in der dienstlichen Äußerung nicht offengeblieben.

Die dienstliche Äußerung eines Richters ist dessen Zeugnis, auf das sich der Ablehnende zur Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Ablehnungsgrundes beziehen darf (§ 44 Abs. 2 Satz 2 ZPO ). Sie muss sich daher nicht auf Vorbringen erstrecken, das keiner Glaubhaftmachung bedarf, weil damit ein Ablehnungsgrund offensichtlich schon nicht hinreichend dargelegt ist (BGH, Beschluss vom 21. Februar 2011 - II ZB 2/10, aaO Rn. 17). Danach waren weitergehende Äußerungen zu den zahlreichen subjektiven Mutmaßungen des Klägers in seinen (mehrere hunderte Seiten umfassenden) Schreiben nicht veranlasst.

d) Die Einholung einer dienstlichen Erklärung auch des - erstmals mit einem am 11. Juni 2018 bei dem Bundesgerichtshof eingegangenen Schreiben abgelehnten - Richters K. war unter den hier gegebenen Umständen entbehrlich. Dass der beanstandete Besetzungsmangel auf einem Versehen beruhte, verdeutlicht bereits die dienstliche Stellungnahme vom 15. Mai 2018 und bedurfte keiner erneuten Bekräftigung. In Anbetracht dessen ist die vom Kläger, der gleichwohl nach wie vor "Manipulationen" unterstellt, weiterhin aufgeworfene Frage, welchen "Anteil und welche Kenntnis" der nunmehr abgelehnte Richter "an den Manipulationen der verantwortlichen Gerichtsperson(en) in den nachfolgenden fehlerhaften Beschlüssen" habe, gegenstandslos.

3. Eine Entscheidung über die nach dem 10. April 2018 eingereichten, erneuten Ablehnungsgesuche gegen den Richter am Bundesgerichtshof Dr. S. , die nunmehr unter anderem auf eine Nebentätigkeit dieses Richters gestützt sind, ist im Rahmen dieses Beschlusses nicht veranlasst, sondern gesondert in der jeweils zuständigen Besetzung zu treffen, weil es sich insoweit nicht um einen dem Vorwurf der Besetzungsmanipulation gleichgelagerten, sondern um einen gänzlich anderen Ablehnungsgrund handelt, der auch Gegenstand einer eigenen dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters ist.

Vorinstanz: AG München, vom 14.12.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 452 C 23314/15
Vorinstanz: LG München I, vom 04.05.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 14 S 22108/16