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BSG - Entscheidung vom 27.12.2017

B 14 AS 20/17 BH

Normen:
SGG § 177
SGG § 202 S. 1
ZPO § 557 Abs. 2
GG Art. 101 Abs. 1 S. 2

BSG, Beschluss vom 27.12.2017 - Aktenzeichen B 14 AS 20/17 BH

DRsp Nr. 2018/2565

Übernahme weiterer Reisekosten für auswärtige Vorstellungstermine nach dem SGB II Ablehnung eines Befangenheitsantrags Ausnahmen von der Unanfechtbarkeit

1. Grundsätzlich unterliegen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind und - wie im Falle einer Ablehnung eines Befangenheitsantrags durch ein LSG - unanfechtbar sind, nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts. 2. Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG kommt insoweit nur in Betracht, wenn die Auslegung einer Zuständigkeitsnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar ist oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt.

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts für das Saarland vom 20. Februar 2017 - L 9 AS 51/12 - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt Jacob, Schwalbach, beizuordnen, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 177 ; SGG § 202 S. 1; ZPO § 557 Abs. 2 ; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2;

Gründe:

Dem Antrag auf Bewilligung von PKH kann nicht stattgegeben werden. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG ) in der Lage wäre, die angestrebte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung erfolgreich zu begründen. Da kein Anspruch auf Bewilligung von PKH besteht, ist auch der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO ).

Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder nach dem Vorbringen der Klägerin noch nach summarischer Prüfung des Inhalts der beigezogenen Verfahrensakte ersichtlich.

Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass erfolgreich ein Verfahrensmangel geltend gemacht werden könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ). Anhaltspunkte dafür ergeben sich weder aus der Entscheidung des LSG selbst noch bei Durchsicht der Verfahrensakte. Keinen Fehler lässt vor allem erkennen, dass das LSG die Berufung im Verfahren um die Übernahme weiterer Reisekosten für auswärtige Vorstellungstermine nach dem SGB II als unzulässig verworfen hat, nachdem die Differenz zwischen dem der Klägerin zuerkannten und dem von ihr geltend gemachten Betrag auch nach ihrem eigenen Vorbringen den Berufungsstreitwert von 750 Euro nicht erreicht (Vorsingen Theater Regensburg 264,20 Euro - 162,00 Euro; Vorsingen Staatstheater Nürnberg 245,80 Euro - 130,00 Euro; Vorsingen Staatstheater Mainz 72,60 Euro + 7,50 Euro + Tagegeld + Übernachtungspauschale - 64,40 Euro; Vorsingen Stadttheater Trier 45,56 Euro - 40,00 Euro; Vorsingen München 232,00 Euro - 130,00 Euro) und die Berufung auch keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und Satz 2 SGG ). Zutreffend ist das LSG weiter davon ausgegangen, dass die Berufung vom SG ausweislich des Tenors im Urteil vom 29.8.2012 nicht nach § 144 Abs 2 SGG zugelassen worden ist und der insoweit abweichenden Rechtsmittelbelehrung zulassungsbegründende Wirkung nicht zukommt (vgl nur BSG vom 20.5.2003 - B 1 KR 25/01 R - SozR 4-1500 § 158 Nr 1, juris RdNr 18 [insoweit in SozR nicht abgedruckt]; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 144 RdNr 40 mwN).

Ebenfalls ohne Fehler hat das LSG ferner angenommen, dass die von der - zu diesem Zeitpunkt anwaltlich nicht vertretenen - Klägerin eingelegte Berufung auch im Hinblick auf ihre fehlende Rechtskunde nicht in eine Nichtzulassungsbeschwerde umzudeuten war (vgl nur BSG vom 20.5.2003 - B 1 KR 25/01 R - SozR 4-1500 § 158 Nr 1, juris RdNr 18 [insoweit in SozR nicht abgedruckt]; BSG vom 10.11.2011 - B 8 SO 12/11 B - juris RdNr 7; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 144 RdNr 40 mwN). Anders wäre für das hier im Streit stehende Berufungsverfahren auch dann nicht zu entscheiden gewesen, wenn - was auch im Hinblick auf die erst spät vorgelegte Berufungsbegründung (Einlegung der Berufung mit Tatbestandsberichtigungsanträgen 15.10.2012, Vorlage der Berufungsbegründung 20.9.2015) nicht zweifelsfrei erscheint - die Fehlerhaftigkeit der Rechtsmittelbelehrung für das LSG ohne Weiteres erkennbar gewesen und die Klägerin von ihm im Rahmen seiner prozessualen Fürsorgepflicht auf das korrekte Rechtsmittel hingewiesen worden wäre (vgl nur BSG vom 10.11.2011 - B 8 SO 12/11 B - juris, RdNr 8).

Nicht zu erkennen ist schließlich, dass im Hinblick auf die beanstandete Zurückweisung des von der Klägerin erhobenen Befangenheitsgesuchs durch Beschluss des LSG vom 21.10.2016 erfolgreich eine Verletzung von § 60 SGG iVm § 42 ZPO sowie des Rechts auf den gesetzlichen Richter nach Art 101 Abs 1 Satz 2 GG gerügt werden könnte. Grundsätzlich unterliegen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind und - wie im Falle einer Ablehnung eines Befangenheitsantrags durch ein LSG - unanfechtbar sind (§ 177 SGG ), nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 557 Abs 2 ZPO ). Ein Verstoß gegen Art 101 Abs 1 Satz 2 GG kommt insoweit nur in Betracht, wenn die Auslegung einer Zuständigkeitsnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar ist oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt (stRspr, vgl etwa: BVerfG vom 10.7.1990 - 1 BvR 984/87 ua - BVerfGE 82, 286 , 299; BVerfG [Kammer] vom 11.3.2013 - 1 BvR 2853/11 - juris RdNr 26 mwN; BSG vom 2.11.2007 - B 1 KR 72/07 B - SozR 4-1100 Art 101 Nr 3 RdNr 5 mwN). Das kann indes weder dem Beschluss über das Befangenheitsgesuch vom 21.10.2016 selbst noch dem Vorbringen der Klägerin entnommen werden; soweit sie das Vorgehen der abgelehnten Richter als fehlerhaft rügt, vermag das die Besorgnis der Befangenheit schon im Ansatz nicht zu begründen, soweit nicht besondere weitere Umstände hinzutreten (vgl nur BSG vom 8.1.2010 - B 1 KR 119/09 B - juris, RdNr 8; BSG vom 31.8.2015 - B 9 V 26/15 B - juris, RdNr 15; BSG vom 21.9.2017 - B 13 R 230/17 B - juris, RdNr 13; ebenso BFH vom 27.6.1996 - X B 84/96 - BFH/NV 1997, 122 ; Jung in Roos/Wahrendorf, SGG , 2014, § 60 RdNr 32), die hier indes nicht erkennbar sind. Unzutreffend ist schließlich, dass das LSG mit dem hier im Streit stehenden Beschluss vom 20.2.2017 nicht bis zur Entscheidung über ihre Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 21.10.2016 zugewartet hätte; sie ist durch Beschluss vom 27.1.2017 verworfen worden.

Nicht ersichtlich ist weiter, dass mit Erfolg die Grundsatzrüge nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG erhoben werden könnte. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nur dann anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Davon ist bei dem Streit hier um die Ermittlung des Werts des Beschwerdegegenstands und die davon abhängende Statthaftigkeit der Berufung (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG ) nicht auszugehen. Grundsätzliche Bedeutung wegen der Bemessung von Reisekosten für Bewerbungen als Leistungen nach dem SGB II kommt dem Verfahren mangels Statthaftigkeit der Berufung nicht zu.

Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ).

Vorinstanz: LSG Saarland, vom 20.02.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 9 AS 51/12
Vorinstanz: SG Saarbrücken, vom 29.08.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 12 AS 664/09