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BSG - Entscheidung vom 09.02.2017

B 12 R 42/16 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGG § 162

BSG, Beschluss vom 09.02.2017 - Aktenzeichen B 12 R 42/16 B

DRsp Nr. 2017/10075

Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen Grundsatzrüge Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken Formulierung einer Rechtsfrage

1. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG ) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. 2. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll. 3. Zur Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen Regelungen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung stützt, genügt die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht; vielmehr muss unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG , im Einzelnen aufgezeigt werden, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. 4. Die Formulierung einer Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl. § 162 SGG ) mit höherrangigem Recht ist für die Zulässigkeit einer auf die Grundsatzrüge gestützten Nichtzulassungsbeschwerde unverzichtbar, weil das Beschwerdegericht nur an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Februar 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 19 432,19 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGG § 162 ;

Gründe:

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die Klägerin gegen die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen durch die Beklagte.

Die Klägerin ist ein Bauunternehmen in der Rechtsform einer GmbH. Im Anschluss an Ermittlungen eines Hauptzollamts ua wegen illegaler Arbeitnehmerüberlassung führte der beklagte Regionalträger der Rentenversicherung bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Nach Anhörung der Klägerin setzte die Beklagte gegen die Klägerin eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum 2.2.2004 bis 30.11.2004 in Höhe von 19 432,19 Euro fest.

Das SG hat die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 16.12.2013). Die insbesondere auf unzureichende Ermittlungen zum Beweis einer Eingliederung der vermeintlich überlassenen Fremdarbeitnehmer gestützte Berufung der Klägerin hat das LSG zurückgewiesen. Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 17.2.2016.

II

Die Beschwerde der Klägerin ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

1. Die Klägerin beruft sich in ihrer Beschwerdebegründung vom 9.9.2016 ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Die Beschwerdebegründung genügt jedoch nicht den Anforderungen an die Darlegung dieses Zulassungsgrundes.

Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Zur Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen Regelungen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung stützt, genügt die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht. Vielmehr muss unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG , im Einzelnen aufgezeigt werden, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; vgl auch BSG Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin formuliert schon keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG ) mit höherrangigem Recht. Diese ist jedoch für die Zulässigkeit einer auf die Grundsatzrüge gestützten Nichtzulassungsbeschwerde unverzichtbar, weil das Beschwerdegericht nur an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261 , 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX, RdNr 181).

Statt eine konkrete Rechtsfrage zu formulieren, beruft sich die Klägerin darauf, dass "sofern die Argumentation des Landessozialgerichts uneingeschränkt Platz greifen sollte, [...] durch die Vorgehensweise des Gerichts ein wesentlicher, je nach Höhe der Abgabenlast existenzvernichtender Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG für den redlich agierenden Werkverpflichteten, der sich selbständiger Subunternehmer bedient, der sodann ohne einen einzigen, nachweislichen Rechtsverstoß zu Sozialabgaben verpflichtet werden kann, obwohl der Nachweis einer angeblichen Arbeitnehmerüberlassung zu dem Zeitpunkt, an dem fremde Dritte in die Unternehmensabläufe integriert worden sein, allein auf rein indizieller Basis ohne jede Kenntnis der tatsächlichen Umstände erfolgt". Die weiteren Ausführungen der insgesamt achtseitigen Beschwerdebegründung zielen sodann insbesondere darauf, die Beweiswürdigung des LSG zu widerlegen bzw deren Basis als nicht tragfähig darzustellen. Zugleich beanstandet die Klägerin "die Subsumption des Ergebnisses der Beweisaufnahme unter diese Definition", nämlich der Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV . Damit wendet sich die Klägerin ausschließlich gegen die Beweiswürdigung und die Rechtsanwendung durch das LSG Nordrhein-Westfalen im Einzelfall, also gegen die inhaltliche Richtigkeit des angegriffenen Urteils. Hierauf kann die Beschwerde - wie oben bereits dargelegt - jedoch nicht zulässig gestützt werden.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 , § 162 Abs 3 VwGO .

4. Der Streitwert war für das Beschwerdeverfahren gemäß § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3 , § 47 Abs 1 und 3 GKG in Höhe des Betrags der im angefochtenen Bescheid ausgewiesenen Beitragsforderung festzusetzen.

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 17.02.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 8 R 66/14
Vorinstanz: SG Düsseldorf, - Vorinstanzaktenzeichen S 45 (40) R 213/09