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BSG - Entscheidung vom 16.11.2017

B 11 AL 49/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 16.11.2017 - Aktenzeichen B 11 AL 49/17 B

DRsp Nr. 2018/1728

Leistungen für Arbeitgeber nach dem früheren Altersteilzeitgesetz Grundsatzrüge Genügen der Darlegungspflicht Klärungsbedürftigkeit für ausgelaufenes Recht

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung. 3. Eine Rechtsfrage, die sich auf nicht mehr anwendbares Recht bezieht, kann dennoch grundsätzliche Bedeutung (Breitenwirkung) haben, wenn sie noch für eine nicht unerhebliche Anzahl laufender Verfahren von Bedeutung ist.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. Mai 2017 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Die Klägerin begehrt Leistungen für Arbeitgeber nach dem früheren Altersteilzeitgesetz (AltTZG). Sie schloss mit dem Arbeitnehmer W. im April 2008 einen Altersteilzeitvertrag, nach dem dieser sich vom 1.12.2008 bis 30.11.2011 in der Arbeitsphase und vom 1.12.2011 bis 30.11.2014 in der Freistellungsphase befand. Dem Altersteilzeitverhältnis lag ein Firmentarifvertrag zugrunde, der in § 9 Buchst d zum Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses regelt, dieses ende mit Ablauf des Kalendermonats vor dem Kalendermonat, für den der Beschäftigte eine ungeminderte Altersrente beanspruchen könne (Hinweis auf § 5 Abs 1 Nr 2 AltTZG). Im Einzel-Altersteilzeitvertrag zwischen der Klägerin und W. war vereinbart, dass das Altersteilzeitverhältnis am 30.11.2014 endet. W. hätte ab 1.11.2014 abschlagsfreie Rente für schwerbehinderte Menschen in Anspruch nehmen können, was er aber nicht tat.

Die Beklagte hat die Erbringung von Leistungen nach § 4 AltTZG an die Klägerin abgelehnt. Das SG hat der Klage stattgegeben, auf die Berufung hat das LSG die Klage abgewiesen.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Sie formuliert keine ausdrückliche Rechtsfrage, meint aber, das LSG habe den Grundsatz der Arbeitszeithalbierung iS des § 2 Abs 1 Nr 2 AltTZG nicht zutreffend angewandt. Die Frage, ob ein schwerbehinderter Arbeitnehmer eine Altersteilzeitregelung treffen könne, die über das Erreichen der Altersgrenze für die Inanspruchnahme der Rente für schwerbehinderte Menschen hinausgehe, habe grundsätzliche Bedeutung.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da der geltend gemachte Zulassungsgrund nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ).

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung ( BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 12, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

Es ist schon fraglich, welche abstrakt-generellen Rechtsfragen zur Auslegung und Anwendung des AltTZG die Klägerin stellen will. Noch hinreichend deutlich wirft sie die Frage auf, ob das Altersteilzeitverhältnis wirksam ist, weil die Arbeitszeit des W. auf die Hälfte der bisherigen Arbeitszeit vermindert worden ist. Die Klägerin macht geltend, diese Voraussetzung sei erfüllt, weil die Altersteilzeit vereinbarungsgemäß geendet hätte.

Die Klägerin hat aber die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht hinreichend bezeichnet. Das AltTZG vom 23.7.1996 (BGBl I 1078) ist nur noch übergangsweise anwendbar. Gemäß § 16 AltTZG sind Leistungen nach § 4 AltTZG, die hier streitig sind, ab 1.1.2010 nur noch zu erbringen, wenn die Voraussetzungen des § 2 AltTZG erstmals vor diesem Zeitpunkt vorgelegen haben. Da Leistungen an Arbeitgeber (§ 4 Abs 1 AltTZG) zudem auf eine Dauer von höchstens sechs Jahren begrenzt sind, ist die Regelung inzwischen nicht mehr anwendbar.

Eine Rechtsfrage, die sich auf nicht mehr anwendbares Recht bezieht, kann dennoch grundsätzliche Bedeutung (Breitenwirkung) haben, wenn sie noch für eine nicht unerhebliche Anzahl laufender Verfahren von Bedeutung ist ( BSG vom 28.11.1975 - 12 BJ 150/75 - SozR 1500 § 160a Nr 19). Dass dies der Fall ist, hätte die Klägerin aber im Einzelnen darlegen müssen. Dies hat sie nicht hinreichend dargetan. Die schlichte Behauptung, es könne noch weitere Fälle geben, in denen sich die Frage stellt, ersetzt nicht die konkreten Darlegungen, dass und in welchem Umfang noch Streitigkeiten in vergleichbaren Konstellationen geführt werden.

Darüber hinaus hat die Klägerin nicht in der gebotenen Weise aufgezeigt, dass ihre Frage zu § 4 AltTZG klärungsfähig ist. Daran könnte es fehlen, wenn das Altersteilzeitverhältnis mit W. nach § 9 Buchst d des bei der Klägerin geltenden Firmentarifvertrags über die Altersteilzeit vorzeitig geendet hätte. Ob die im Verfahren nach dem SGG nicht revisible Tarifnorm (§ 162 SGG ) maßgeblich ist, oder ob der Einzelvertrag über die Altersteilzeit die maßgebliche Regelung setzt, hätte die Klägerin darlegen müssen. Denn die aufgeworfene Frage kann im späteren Revisionsverfahren nicht geklärt werden, wenn das Alterszeitzeitverhältnis nach arbeitsrechtlichen Bestimmungen vor dem 30.11.2014 endete.

Die nicht formgerecht begründete Beschwerde war daher nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG ( BSG vom 21.3.2007 - B 11a AL 9/06 R - SozR 4-4170 § 2 Nr 1).

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 23.05.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 7/12
Vorinstanz: SG Osnabrück, vom 07.10.2014 - Vorinstanzaktenzeichen S 43 AL 175/12