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BSG - Entscheidung vom 21.08.2017

B 9 SB 46/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 21.08.2017 - Aktenzeichen B 9 SB 46/17 B

DRsp Nr. 2017/14678

Feststellung eines Grades der Behinderung Grundsatzrüge Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage Genügen der Darlegungspflicht Behauptete Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall

1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, das diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist, und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. 3. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin folgendes aufzeigen: (1.) Eine bestimmte Rechtsfrage, (2.) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3.) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4.) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung. 4. Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall ist nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 27. April 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Mit Urteil vom 27.4.2017 hat das LSG Mecklenburg-Vorpommern einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 anstelle des zuerkannten GdB von 30 für die Zeit vom 1.1.2000 bis 28.2.2007 verneint, weil der Bescheid vom 10.12.2003 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16.1.2012 rechtmäßig sei und nicht nach § 44 Abs 2 S 2 SGB X zurückgenommen werden könne. Bezogen auf den streitigen Zeitraum habe die Klägerin an einer depressiven Störung mit Panikagoraphobie und einer somatoformen Schmerzstörung bei Gleichgewichtsstörungen mit einem GdB von 30 sowie an einer chronischen Nierenerkrankung ohne Einschränkung der Nierenfunktion mit einem GdB von 10 gelitten. Diese bedingten einen Gesamt-GdB von 30. Die Klägerin leide unstrittig seit dem 19./20. Lebensjahr an einer seelischen Störung nach zwei traumatisierenden Erlebnissen, die in einem engen zeitlichen Zusammenhang stünden. Der Sachverständige Dr. med. A. habe in seinem Gutachten vom 9.10.2010 sowie in der ergänzenden Stellungnahme vom 27.9.2013 schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass von Symptomschwankungen ausgegangen werden müsse, die sich an die weiteren Belastungsfaktoren, wie den Tod des Vaters, die Frühgeburt, den Tod der Mutter wie auch die Fremdbeziehungen des Ehemannes knüpften. Derartige traumatisierende Ereignisse seien für den hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht vorgetragen worden, auch lägen keine objektiven Befundberichte zu dem hier streitigen Zeitraum vor. Damit könnten schwere Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, die einen GdB von 50 bedingten, nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Die übrigen dauerhaft bestehenden Auswirkungen der seelischen Störungen, wie zB Angst vor Behördenbesuchen und vor dem Alleinsein, eine Schwindelproblematik, begründeten lediglich die Annahme von leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten im Sinne einer stärker behindernden Störung mit einem GdB von 30. Die Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum ergebe sich auch nicht daraus, dass diese Inhaberin eines Schwerbehindertenausweises der DDR gewesen sei. Denn gemäß Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet E Abschnitt III des Einigungsvertrages gelten Schwer- und Schwerstbeschädigtenausweise, die gemäß der Anordnung über die Anerkennung als Beschädigter und Ausgabe von Beschädigtenausweisen vom 10.6.1971 in dem in Art 3 des Vertrages genannten Gebiet ausgegeben worden seien, bis zum Ablauf ihrer Gültigkeit, längstens bis zum 31.12.1993.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt und macht eine grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache geltend (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ).

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG ).

1. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, das diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist, und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um ihrer Darlegungspflicht zu genügen, muss eine Beschwerdeführerin mithin folgendes aufzeigen: (1.) Eine bestimmte Rechtsfrage, (2.) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3.) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4.) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13 , 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

Die Klägerin hat bereits keine Rechtsfrage formuliert, der sie grundsätzliche Bedeutung beimisst. Bei einer solchen Frage handelt es sich nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG um eine Frage, die allein unter Anwendung juristischer Methodik beantwortet werden kann. Nicht dazu gehören Fragen, die Denkgesetze oder Erfahrungssätze bzw wissenschaftliche Erkenntnisse betreffen, die sich auf die Feststellung und Würdigung von Tatsachen beziehen (vlg dazu BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 9). Sofern die Klägerin dem Umstand grundsätzliche Bedeutung beimisst, dass die Ämter für Gesundheit und Soziales in der DDR bei einer Beantragung bis zum 31.12.1993 kein Neufeststellungsverfahren angeordnet hätten, hat die anwaltlich vertretene Klägerin keine sinngemäß erkennbare Rechtsfrage gestellt. Es ist aber nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers selbst eine Rechtsfrage zu formulieren, der möglicherweise grundsätzliche Bedeutung zukommen könnte (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48). Soweit die Klägerin die beweisrechtliche Würdigung der Ausführungen des Dr. Armbruster in dessen Gutachten bzw ergänzender Stellungnahme durch das LSG kritisiert, weil mit hoher Wahrscheinlichkeit danach auch im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ein Gesamt-GdB von 50 vorgelegen habe, kritisiert sie die Beweiswürdigung des LSG (vgl § 128 Abs 1 S 1 SGG ). Damit kann sie allerdings nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG von vorn herein keine Revisionszulassung erreichen. Soweit die Beschwerde der Ansicht ist, dem LSG sei bei der Anwendung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP) ein Fehler unterlaufen, so genügt dies ebenfalls nicht zur Darlegung eines Verfahrensfehlers; die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall ist nicht Gegenstand der Nichtzulassungseschwerde (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).

2. Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

3. Die Beschwerde ist ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Mecklenburg-Vorpommern, vom 27.04.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 3 SB 9/13
Vorinstanz: SG Stralsund, vom 29.01.2013 - Vorinstanzaktenzeichen S 10 SB 129/12