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BSG - Entscheidung vom 12.04.2017

B 12 KR 118/16 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 12.04.2017 - Aktenzeichen B 12 KR 118/16 B

DRsp Nr. 2017/13539

Beitragspflicht zur Sozialversicherung Grundsatzrüge Klärungsbedürftige Rechtsfrage Berücksichtigung des Stands von Rechtsprechung und Lehre

1. Zur Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG ) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. 2. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. November 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten in dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit darüber, ob der Beigeladene zu 1. in seiner für die Klägerin von Juni 2003 bis Februar 2007 ausgeübten Tätigkeit als "Creative Director" wegen Beschäftigung in allen Zweigen der Sozialversicherung der Versicherungspflicht unterlag. Das LSG Berlin-Brandenburg hat die Berufung der Klägerin gegen das ihre Klage abweisende erstinstanzliche Urteil mit Urteil vom 8.11.2016 zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde.

II

1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 8.11.2016 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Mit der Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, lässt sich die Zulassung der Revision demgegenüber - der Struktur und Ausrichtung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens entsprechend - nicht erreichen.

a) Die Klägerin beruft sich in ihrer Beschwerdebegründung vom 17.2.2017 vor allem auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

Auf den ersten neun Seiten ihrer etwa elf Seiten umfassenden Beschwerdebegründung bezieht sich die Klägerin auf einzelne Passagen des Berufungsurteils (vor allem auf S 8 und 11 des Urteilsabdrucks), setzt sich mit ihnen auseinander, bewertet die darin vom LSG vertretene Auffassung als unzutreffend und stellt dieser ihre eigene - davon abweichende - Beurteilung gegenüber. So sieht sie die berufungsgerichtliche Bewertung der Beweisaufnahme und der E-Mail-Korrespondenz als "nicht nachvollziehbar und unvollständig" an (S 2 der Beschwerdebegründung), meint, dass Feststellungen des LSG nicht zuträfen (S 3 der Beschwerdebegründung), erachtet Aussagen des Zeugen D. als nicht entgegenstehend, weil sie eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in ihre Organisationsstruktur nicht indizierten, vielmehr dessen "Sonderstellung" ergäben (S 4 ff der Beschwerdebegründung) und spricht der Verpflichtung zur Teilnahme an sog Creative Meetings, den Modalitäten des Umgangs ihrer Geschäftsführerin mit dem Beigeladenen zu 1. usw eine Indizwirkung für die Annahme von Beschäftigung, insbesondere das Bestehen von Weisungsrechten, ab (S 6 der Beschwerdebegründung). Als für die Annahme von Beschäftigung nicht indiziell beurteilt die Klägerin - anders als das Berufungsgericht (S 9 ff des Urteilsabdrucks) - auch den Inhalt des zwischen ihrer Geschäftsführerin und dem Beigeladenen zu 1. geführten E-Mail-Verkehrs (S 7 ff der Beschwerdebegründung). Dieser spreche nämlich weder für Beschäftigung noch für Selbstständigkeit (S 8 der Beschwerdebegründung). Schlussfolgerungen hieraus machten gerade eine "rechtliche Bewertung moderner Kommunikations- und Leistungsstrukturen und deren rechtlicher Folgen" notwendig, die das LSG unterlassen habe. Im Anschluss an diese Erläuterungen wirft die Klägerin auf S 9 ihrer Beschwerdebegründung eine "ungeklärte Rechtsfrage" zur

"versicherungs- und beitragsrechtlichen Beurteilung der Tätigkeit als Klein- oder Einzelunternehmer mittels nicht ausschließlicher, aber erheblicher Nutzung elektronischer Kommunikation und elektronischer Medien (Erstellung von Internetseiten, Flyern und vergleichbaren kreativen Inhalten) an wechselnden Orten"

auf.

Auch wenn der Wunsch der Klägerin anzuerkennen ist, dass auch bei infolge technischer Innovation veränderten Arbeitsbedingungen (weiterhin) anhand hinreichend bestimmter Abgrenzungsmerkmale ex ante bewertet werden können muss, ob eine Tätigkeit als Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit zu beurteilen ist, legt die Klägerin den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) hier nicht in der gebotenen Weise dar.

Der Senat kann offenlassen, ob sie mit ihrem Vorbringen überhaupt eine Rechtsfrage hinreichend klar bezeichnet, über die in einem späteren Revisionsverfahren zu entscheiden wäre, oder nur eine (verdeckte) Tatsachenfrage, also eine solche der Subsumtion des individuellen Sachverhalts des Beigeladenen zu 1. unter die hier einschlägige Norm des § 7 Abs 1 SGB IV . Jedenfalls legt die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit mit diesem Themenkreis zusammenhängender Rechtsfragen nicht substantiiert dar. Sie wendet sich mit ihren oben beschriebenen, zahlreichen Angriffen vielmehr nur gegen die materiell-rechtliche Bewertung durch die Vorinstanz. Auf die Behauptung fehlerhafter Anwendung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung erarbeiteter Grundsätze auf den konkreten Fall kann eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache aber nicht gestützt werden.

b) Sollten dem Beschwerdevorbringen der Klägerin auch Rügen zu entnehmen sein, es lägen entscheidungserhebliche Fehler des Berufungsverfahrens (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) vor, hätte die Klägerin diese nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet. Soweit sie vorträgt, sie habe eine "legitime Rechtsansicht" vertreten, mit der sich das LSG habe befassen müssen (S 3 der Beschwerdebegründung), legt sie mangels weiterer Ausführungen hierzu nicht hinreichend dar, dass das LSG ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG ) verletzt habe. Soweit sie die berufungsgerichtliche Bewertung der "Gesamtheit der Bekundungen" des Zeugen D. angreift, kann die Nichtzulassungsbeschwerde auf eine Verletzung des Grundsatzes freier Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG ) von vornherein nicht gestützt werden (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG ).

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 , § 162 Abs 3 VwGO .

4. Der Streitwert war für das Beschwerdeverfahren gemäß § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 2 , § 47 Abs 1 und 3 GKG in Höhe des Auffangstreitwertes festzusetzen.

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 08.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 KR 67/15
Vorinstanz: SG Berlin, vom 20.01.2015 - Vorinstanzaktenzeichen S 76 KR 1448/12