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BSG - Entscheidung vom 19.07.2017

B 11 AL 29/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 19.07.2017 - Aktenzeichen B 11 AL 29/17 B

DRsp Nr. 2017/13999

Arbeitslosengeld Erfüllung der Anwartschaftszeit Grundsatzrüge Auswertung der höchstrichterlichen Rechtsprechung Genügen der Darlegungspflicht

1. Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG ) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Der Beschwerdeführer muss anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ggf. sogar des Schrifttums, angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. 3. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog. Breitenwirkung) darlegen.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. März 2017 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg durch (ergänzende) Berücksichtigung einer neben dem Studiengang Public Health/Epidemiologie an der Charité Berlin ausgeübten Beschäftigung als teilzeitbeschäftigter Mitarbeiter mit einer Arbeitszeit von 50 Prozent der tariflichen Arbeitszeit beim DRK-Generalsekretariat erfüllt. Das SG hat die ablehnenden Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, dem Kläger Alg zu leisten. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und - als Verfahrensmangel - die Nichtberücksichtigung eines Beweisantrags geltend.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG , § 169 SGG ).

Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ggf sogar des Schrifttums, angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Die Beschwerdebegründung des Klägers wird diesen Darlegungserfordernissen nicht gerecht. Er formuliert zwar Fragestellungen zum Werkstudentenprivileg. So meint er, dass die vom LSG verwendeten "Bestimmungskriterien" weder "rechtlich-aktuell bestimmt, noch rechtlich richtig, praxistauglich und zeitgemäß" seien. Bei der Beurteilung der Versicherungspflicht müsse die spezielle Situation eines Aufbaustudiums berücksichtigt werden, was klare, definitorisch und praxistaugliche Kriterien erfordere. Zudem sei das Merkmal einer "20-Stunden-Grenze" - orientiert am Vorbild der 40-Stunden-Woche - längst kein typisches Leitbild mehr für arbeitsrechtlich relevante Zeitkonzepte und die neue arbeits- und sozialrechtliche Realität.

Es fehlt jedoch an einer Auseinandersetzung mit der zu dem Themenkomplex vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG und ggf kritischer Literatur und Rechtsprechung, anhand derer die Notwendigkeit einer Fortentwicklung der Rechtsprechung hätte dargetan werden müssen. Der umfänglichen Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde lässt sich kein Bezug auf die Rechtsprechung des BSG zu den aufgeworfenen Fragen, sondern allein eine Auseinandersetzung mit den Gründen der zweitinstanzlichen Entscheidung entnehmen. In tatsächlicher Hinsicht zeigt der Kläger auch nicht die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Fragen auf, weil es für die Beurteilung der Versicherungsfreiheit oder -pflicht maßgeblich auf die Ausgestaltung eines Aufbaustudiengangs als Vollzeit- oder Teilzeitstudiengang ankommen dürfte. Dass derartige Umstände bei der Würdigung des Gesamtbildes zu berücksichtigen sind und nicht von einer starren 20-Stunden-Grenze auszugehen ist, hat das BSG bereits in seiner auch vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung ( BSG vom 11.11.2003 - B 12 KR 24/03 R - SozR 4-2500 § 6 Nr 3) betont. Zudem ist nach den tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil davon auszugehen, dass der von dem Kläger gewählte Aufbaustudiengang sowohl in Vollzeit (ein Jahr Regelstudienzeit) als auch Teilzeit (zwei Jahre Regelstudienzeit) angeboten wird, der Kläger aber den Vollzeitstudiengang durchgeführt hat.

Auch einen Verfahrensmangel hat der Kläger mit seinem Vortrag zur Nichtberücksichtigung eines Beweisantrags aus Januar 2014 zur Verifizierung der faktischen Umstellung vom Modus des Vollzeitstudenten auf denjenigen des Teilzeitstudenten in Bezug auf die Anfertigung der Masterarbeit nicht ausreichend dargetan. Nur die Nichtbeachtung eines bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ausdrücklich aufrecht erhaltenen Beweisantrags kann einen Verfahrensfehler begründen (vgl nur BSG vom 29.3.2016 - B 1 KR 126/15 B - SozR 4-1500 § 10 Nr 11).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 15.03.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 18 AL 100/16
Vorinstanz: SG Berlin, vom 26.04.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 120 AL 3730/14