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BSG - Entscheidung vom 25.09.2017

B 8 SO 49/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 25.09.2017 - Aktenzeichen B 8 SO 49/17 B

DRsp Nr. 2017/15346

Anspruch auf Kraftfahrzeughilfe als Leistung der Sozialhilfe Divergenzrüge Begriff der Abweichung Entwickeln anderer rechtlicher Maßstäbe

Eine Divergenz liegt nur dann vor, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem tragenden abstrakten Rechtssatz des BSG aufgestellt hat; eine Abweichung ist erst dann zu bejahen, wenn das LSG diesen Kriterien - wenn auch unter Umständen unbewusst - widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat,

Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. Mai 2017 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihm einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerden des Klägers und des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil werden als unzulässig verworfen.

Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe:

I

Im Streit ist ein Anspruch auf Kraftfahrzeughilfe (Kfz-Hilfe) als Leistung der Sozialhilfe.

Dem Kläger wurde bis Februar 2005 Kfz-Hilfe in Höhe von monatlich 58,60 Euro bewilligt und nur für diesen Monat ausgezahlt. Anträge vom Juni 2007 und Februar 2009 wurden abgelehnt (Bescheid vom 25.9.2007, Widerspruchsbescheid vom 12.10.2007, das Klageverfahren S 11 SO 130/08 endete durch Rücknahme der Klage; Bescheid vom 2.6.2009 und Widerspruchsbescheid vom 30.6.2009). Die Klage vom 30.12.2013, gerichtet auf Leistungen ab März 2005, ist vor dem SG Kassel insoweit erfolgreich gewesen, als der Beklagte verurteilt wurde, für März 2005 bis Oktober 2007 monatlich 58,60 Euro zu zahlen; auf die Berufung des Klägers hat das Hessische LSG das Urteil des SG abgeändert und den Beklagten verurteilt, an den Kläger unbefristet monatlich 58,60 Euro zu zahlen. Die vom Kläger im Berufungsverfahren zudem geltend gemachte Klage auf Schmerzensgeld in Höhe von 50 000 Euro hat es abgewiesen (Urteil vom 10.5.2017).

Der Kläger hat für die Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Der Beklagte macht mit seiner Beschwerde eine Divergenz der Entscheidung des LSG zu Entscheidungen des BSG geltend. Die Entscheidung des LSG beruhe auf folgenden Rechtssätzen:

"1. Die Bindungswirkung des Bewilligungsbescheides vom 15.02.2005 (vgl. § 77 SGG ) besteht gemäß § 39 Abs. 2 SGB X nach wie vor fort, der Beklagte hat bislang keinen auf § 45 SGB X oder auf § 48 SGB X gestützten Aufhebungsbescheid erlassen, mit dem die laufenden Leistungen herabgesetzt oder vollständig entzogen worden wären, eine solche Entscheidung lasse sich insbesondere auch nicht im Wege der Auslegung den Widerspruchsbescheiden des Beklagten vom 12.10.2007 und 30.06.2009 entnehmen.

2. Der Anspruch des Klägers sei durchsetzbar, insbesondere nicht verjährt, da die Verjährungseinrede in der mündlichen Verhandlung nicht wirksam erhoben wurde.

3. Das Gericht stützt den Anspruch auf künftige Leistungen auf den Verfügungssatz des Bescheides des Beklagten vom 15. Februar 2005 und lässt dabei den weiteren Bescheidtext im Rahmen der Auslegung außen vor.

4. Die tatsächlichen Voraussetzungen einer auflösenden Bedingung seien nicht eingetreten (S. 12 des Urteils)."

II

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO ). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Der Kläger wendet sich mit seiner "Teilbeschwerde", für die er PKH begehrt, lediglich gegen die Kostenentscheidung mit der Begründung, das LSG hätte im Fall seiner Unzuständigkeit den im Berufungsverfahren geltend gemachten Anspruch auf Schmerzensgeld an das zuständige Gericht verweisen müssen, sodass ihm deshalb auch die gesamten Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten seien (und nicht zur zwei Drittel). Eine allein gegen die Kostenentscheidung im LSG-Urteil gerichtete Beschwerde ist aber nicht zulässig (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 54; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 193 RdNr 16 mwN).

Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

Die vom Kläger ohne zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Bevollmächtigten vertreten lassen. Er kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen, folglich auch nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach § 73 Abs 4 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf hat das LSG den Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses hingewiesen. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach § 160 Abs 4 Satz 1 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss zu verwerfen.

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision ist ebenfalls als unzulässig zu verwerfen. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz ist nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend dargelegt.

Eine Divergenz liegt nur dann vor, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem tragenden abstrakten Rechtssatz des BSG aufgestellt hat; eine Abweichung ist erst dann zu bejahen, wenn das LSG diesen Kriterien - wenn auch unter Umständen unbewusst - widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 67). Der Beklagte formuliert schon keine tragenden abstrakten Rechtssätze des LSG, sondern nur die Ergebnisse der Subsumtion des LSG in dem zu entscheidenden Einzelfall, was sich auch aus der Wiedergabe von Bescheiddaten in den mitgeteilten "Rechtssätzen" ergibt. An der Mitteilung abstrakter Rechtssätze des BSG , die diesen Rechtssätzen des LSG entgegenstehen, fehlt es zudem gänzlich. Mit seinem gesamten Vorbringen rügt der Beklagte lediglich die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG, wenn er vorbringt, die Entscheidung des LSG "verstoße" gegen bestimmte Urteile des BSG , oder wenn er eine "unzutreffende Rechtsanwendung" rügt. Fragen der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidung des LSG vermögen jedoch nicht zur Zulassung der Revision zu verhelfen ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Soweit der Beklagte vorbringt, der Kläger verfüge schon seit Langem nicht mehr über ein Kfz, sodass schon deshalb eine Kfz-Hilfe nicht zu gewähren sei, bringt er keine durchgreifende Verfahrensrüge vor, sondern rügt auch insoweit nur die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG ; § 197a SGG findet keine Anwendung, weil sich der Kläger mit seiner "Teilbeschwerde" in der Sache lediglich gegen die Kostenentscheidung des LSG, nicht aber die Abweisung der Schmerzensgeldklage als unzulässig wendet.

Vorinstanz: LSG Hessen, vom 10.05.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 SO 119/14
Vorinstanz: SG Kassel, vom 26.06.2014 - Vorinstanzaktenzeichen S 11 SO 126/13