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BGH - Entscheidung vom 13.07.2017

I ZR 42/15

Normen:
UrhG a.F. § 54 Abs. 1
GG Art. 103 Abs. 1
ZPO § 321a

BGH, Beschluss vom 13.07.2017 - Aktenzeichen I ZR 42/15

DRsp Nr. 2017/15457

Kenntnisnahme des Vorbringens der Partei durch das Gericht; Bewerbung der Multimediafähigkeiten von Geräten hinsichtlich Verkaufs von PCs an gewerbliche Nutzer; Erhebung der Privatkopievergütung

Versucht eine Partei, ihre abweichende Rechtsansicht an die Stelle der Auffassung des Senats zu setzen, so kann sie im Rahmen der Anhörungsrüge damit keinen Erfolg haben, da lediglich ein Anspruch darauf besteht, dass das Gericht sich mit dem Parteivorbringen befasst. Die Partei hat indes keinen Anspruch darauf, dass das Gericht sich in dem von ihr für richtig erachteten Sinn mit ihrem Vorbringen befasst.

Tenor

Die Anhörungsrüge gegen das Senatsurteil vom 16. März 2017 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Normenkette:

UrhG a.F. § 54 Abs. 1 ; GG Art. 103 Abs. 1 ; ZPO § 321a;

Gründe

I. Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist nicht begründet. Der Senat hat das gesamte Vorbringen der Revision zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen.

1. Die Anhörungsrüge macht ohne Erfolg geltend, der Senat habe den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt, weil er den Vortrag der Revision nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen habe, dass es sich bei den PCs der Beklagten nicht um "handelsübliche PCs", sondern um Geräte gehandelt habe, die aufgrund ihrer speziellen (hardware- und softwaremäßigen) technischen Ausstattung erkennbar nur und gerade für die geschäftliche Nutzung konzipiert gewesen seien.

Der Senat hat sich umfassend mit dem Vorbringen der Beklagten befasst, ihre PCs seien für den Einsatz in Unternehmen und Behörden konzipiert und ausgestattet gewesen (BGH, Urteil vom 16. März 2017 - I ZR 42/15, GRUR 2017, 716 Rn. 54 ff. - PC mit Festplatte II). Er hat diese Frage allerdings abweichend von der Rechtsansicht der Beklagten für die im Streitfall maßgebliche Frage der Vergütungspflicht gemäß § 54 Abs. 1 UrhG aF für rechtlich unerheblich angesehen. Darin liegt keine Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör.

Die Bestimmung des Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern, und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (BVerfGE 86, 133 , 144; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710 , 1712). Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivortrags ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205 , 216 f.; BGH, Beschluss vom 24. Februar 2005 - III ZR 263/04, NJW 2005, 1432 f.). Die Partei hat auch keinen Anspruch darauf, dass das Gericht sich in dem von ihr für richtig erachteten Sinn mit ihrem Vorbringen befasst (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 2011 - I ZB 68/10, GRUR 2012, 314 Rn. 12 - Medicus.log; Beschluss vom 17. November 2014 - I ZR 120/13, [...] Rn. 2; Beschluss vom 7. April 2014 - I ZR 174/14, ZUM-RD 2016, 501 Rn. 10).

2. Soweit die Anhörungsrüge geltend macht, es handele sich bei den PCs der Beklagten nicht um "handelsübliche PCs", sondern um "Business-PCs", hat sie ebenfalls keinen Gehörsverstoß des Senats dargelegt. Soweit der Senat den Begriff "handelsüblicher PC" verwendet hat, ist er - was sich aus seinen Entscheidungsgründen zweifelsfrei ergibt - davon ausgegangen, dass dieser Begriff auch die von der Beklagten so genannten "Business-PCs" umfasst (vgl. BGH, GRUR 2017, 716 Rn. 55 - PC mit Festplatte II).

3. Entgegen der Ansicht der Anhörungsrüge hat der Senat ferner nicht das Vorbringen der Beklagten übergangen, dass der Verkaufspreis ihrer PCs deutlich über dem Preis von solchen PCs gelegen habe, die von Endverbrauchern für die private Nutzung erworben worden seien. Auf die Frage des unterschiedlichen Verkaufspreises von "Business-PCs" und "Consumer-PCs" kommt es nicht an, weil nach der Rechtsprechung des Senats auch "Business-PCs" unter die Vergütungspflicht gemäß § 54 Abs. 1 UrhG aF fallen. Im Übrigen hat der Senat den Gesichtspunkt des Verkaufspreises behandelt (vgl. BGH, GRUR 2017, 716 Rn. 53 - PC mit Festplatte II).

4. Ohne Erfolg beanstandet die Anhörungsrüge, der Senat habe den Vortrag der Beklagten außer Acht gelassen, dass ihre PCs nur über spezielle für den Vertrieb an gewerbliche Nutzer vorgesehene Vertriebswege in den Verkehr gebracht worden seien. Übergangen habe der Senat ferner, dass im fraglichen Zeitraum die von der Beklagten vertriebenen Geräte tatsächlich nahezu ausschließlich (99,4%) an gewerbliche oder behördliche Abnehmer (juristische Personen) veräußert worden seien. Mit diesem Vorbringen hat sich der Senat auseinandergesetzt (vgl. BGH, GRUR 2017, 716 Rn. 56 ff. - PC mit Festplatte II).

5. Entgegen der Anhörungsrüge hat der Senat auch nicht den Vortrag der Beklagten übergangen, ihre Geräte seien nicht wie "handelsübliche PCs", sondern ausschließlich als "Business-PCs" beworben worden. Dieses Vorbringen hat der Senat ebenfalls behandelt (vgl. BGH, GRUR 2017, 716 Rn. 53 - PC mit Festplatte II). Der Senat hat - anders als die Anhörungsrüge geltend macht - ferner nicht das Vorbringen der Beklagten übergangen, dass die Werbung anderer Hersteller und die Presseberichterstattung ausschließlich sogenannte "Consumer-PCs" betroffen habe und dass eine Bewerbung der Multimediafähigkeiten von Geräten der Beklagten nicht die streitgegenständlichen, nur für den professionellen Einsatz beworbenen "Business-PCs" betroffen habe, sondern solche PCs, die im streitgegenständlichen Zeitraum noch nicht auf dem Markt gewesen seien. Der Senat hat sich in der Entscheidung auch mit diesem Vorbringen auseinandergesetzt (vgl. BGH, GRUR 2017, 716 Rn. 42, 48 ff., 53 - PC mit Festplatte II).

6. Die Anhörungsrüge ist weiter der Ansicht, der Senat habe sich gehörswidrig nicht mit dem Vorbringen der Beklagten befasst, ihre PCs seien so, wie sie von ihr in den Verkehr gebracht worden seien, zur Anfertigung von Privatkopien nicht geeignet gewesen; "Home-Entertainment" und multimediale Anwendungen seien teilweise gar nicht und im Übrigen nur nach kostenintensivem Umbau oder Aufrüstung möglich. Derartiges könne bei von Behörden und Unternehmen angeschafften Geräten nach der Lebenserfahrung ausgeschlossen werden, zumal nach dem Vortrag der Beklagten dies nicht nur verboten, sondern aufgrund entsprechender IT-Richtlinien und technischer Maßnahmen ausgeschlossen gewesen sei.

Damit kann die Anhörungsrüge keinen Erfolg haben. Der Senat hat sich mit diesem Vortrag befasst (vgl. BGH, GRUR 2017, 716 Rn. 39, 44 , 53, 54 - PC mit Festplatte II).

7. Die Anhörungsrüge beanstandet außerdem zu Unrecht, es sei nicht nachvollziehbar und nur mit einer Gehörsverletzung erklärbar, dass der Senat im Zusammenhang mit dem Vorbringen der Beklagten eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union abgelehnt habe.

a) Die Anhörungsrüge macht geltend, die Beklagte habe vorgetragen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union hinsichtlich der Vergütungspflicht eindeutig danach differenziere, wem die Geräte überlassen würden. Aus dem Umstand, dass der Gerichtshof der Europäischen Union im Hinblick auf die praktischen Schwierigkeiten bei der Ermittlung des privaten Zwecks der Nutzung von zur Vervielfältigung geeigneten Geräten unter bestimmten (engen) Voraussetzungen die unterschiedslose Erhebung der Privatkopievergütung für zulässig halte, könne nach dem Vortrag der Beklagten nicht gefolgert werden, der Gerichtshof der Europäischen Union habe die Vermutung einer urheberrechtsrelevanten Nutzung auch auf Business-Geräte anwenden wollen. Hier habe der Senat schlicht nicht zur Kenntnis genommen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union auch in diesem Zusammenhang stets darauf abgestellt habe, von wem das Gerät erworben worden sei. Bei einem Erwerb durch eine Behörde oder ein Unternehmen werde der gerechte Ausgleich nicht geschuldet, also greife insoweit eine Vermutungsregel nicht ein. Insoweit sei bei Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten ein Vorabentscheidungsersuchen mindestens zur Beseitigung etwaiger Unklarheiten geboten gewesen. Diese Rügen haben keinen Erfolg.

Der Senat hat begründet, warum er der Ansicht ist, dass seine Annahmen im Hinblick auf die rechtliche Behandlung von "Business-PCs" mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union vollständig im Einklang stehen. Er ist dabei auch auf die von der Anhörungsrüge angesprochenen Gesichtspunkte eingegangen (vgl. BGH, GRUR 2017, 716 Rn. 58 - PC mit Festplatte II). Der Senat hat zudem darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner jüngsten Entscheidung zur Vereinbarkeit von Vorschriften einzelner Mitgliedstaaten über die Erhebung einer Privatkopieabgabe mit den Vorschriften der Richtlinie 2001/29/EG (vgl. EuGH, Urteil vom 22. September 2016 - C-110/15, GRUR 2017, 155 Rn. 52 - Microsoft Mobile Sales International/MIBAC) die Ausführungen des Generalanwalts beim Gerichtshof der Europäischen Union nicht aufgegriffen hat, soweit diesen zu entnehmen ist, dass bereits eine Lieferung von zur Anfertigung von Privatkopien geeigneten Geräten und Speichermedien an "Geschäftskunden und staatliche Stellen" oder der Erwerb solcher Speichermedien "zur beruflichen Nutzung" dazu führen müsse, dass die Anwendung der Vorschriften über eine Vergütung für Privatkopien ausgeschlossen sei (BGH, GRUR 2017, 716 Rn. 59 - PC mit Festplatte II). Mit ihren Rügen versucht die Beklagte mithin erneut, ihre abweichende Rechtsansicht an die Stelle der Auffassung des Senats zu setzen. Damit kann sie keinen Erfolg haben. Eine Partei hat keinen aus Art. 103 Abs. 1 GG folgenden Anspruch darauf, dass das Gericht sich in dem von ihr für richtig erachteten Sinn mit ihrem Vorbringen befasst (BGH, GRUR 2012, 314 Rn. 12 - Medicus.log; ZUM-RD 2016, 501 Rn. 10).

b) Entsprechendes gilt, soweit die Anhörungsrüge geltend macht, die Beklagte habe ausführlich dargelegt, welche strengen Anforderungen der Gerichtshof der Europäischen Union bei unterschiedsloser Erhebung der Gerätevergütung an ein "ex-ante-Freistellungssystem" bzw. an ein "ex-post-Erstattungssystem" aufgestellt habe und dass es ein diesen Anforderungen genügendes System im deutschen Recht und in der Praxis der Klägerin nicht gegeben habe. Der Senat hat sich auch mit diesem Vortrag auseinandergesetzt, ist allerdings zu einer von der Ansicht der Beklagten abweichenden Bewertung der Rechtslage gekommen (vgl. BGH, GRUR 2017, 716 Rn. 66 ff. - PC mit Festplatte II).

Die Anhörungsrüge beanstandet zudem zu Unrecht, der Senat habe sich gehörswidrig nicht hinreichend mit dem Revisionsvorbringen der Beklagten befasst, wonach die Gerichte in anderen Mitgliedstaaten aufgrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nationale - der deutschen Rechtslage entsprechende - Regelungen für unionsrechtswidrig bzw. nicht anwendbar gehalten hätten. Der Senat hat dazu ausgeführt, entgegen der Ansicht der Revision könne aus dem Umstand, dass andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ihre Gerichte oder dort tätige Verwertungsgesellschaften nationale Regelungen zur Zahlung einer Privatkopievergütung unter verschiedenen Gesichtspunkten für nicht mit den Vorschriften der Richtlinie 2001/29/EG vereinbar und daher für unanwendbar gehalten haben, für die Auslegung der im Streitfall anwendbaren Vorschriften des deutschen Rechts kein maßgeblicher Gesichtspunkt entnommen werden. Die einschlägigen deutschen Bestimmungen stünden unter Beachtung des Grundsatzes richtlinienkonformer Auslegung mit den Vorschriften der Richtlinie 2001/29/EG in Einklang (vgl. BGH, GRUR 2017, 716 Rn. 70 - PC mit Festplatte II). Damit ist der Senat - anders als die Revision - gerade nicht davon ausgegangen, dass es in diesen Gerichtsentscheidungen um Regelungen ging, die der deutschen Rechtslage entsprechen und dass die Gerichte anderer Mitgliedstaaten die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union anders als der Senat ausgelegt haben.

8. Ohne Erfolg sieht die Anhörungsrüge ferner eine Gehörsverletzung des Senats in Bezug auf die nach ihrer Ansicht ungerechte Verteilungspraxis von Mitgliedern der Klägerin (VG Wort und GEMA).

a) Die Anhörungsrüge macht insoweit geltend, der Senat habe den in der Replik vom 21. Oktober 2016 gehaltenen Vortrag der Beklagten ignoriert, dass ein Ausgleich, der ungerecht verteilt werde, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht gerecht sein könne. Damit kann sie bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil die Revision in der in Bezug genommenen Replik nicht geltend gemacht hat, ein ungerecht verteilter Ausgleich könne nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht gerecht sein. Die Revision hat dort vielmehr geltend gemacht, der Umstand, dass ein Teil der im Streitfall von der Klägerin geltend gemachten Geräteabgabe - entgegen der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union - nicht an die Rechteinhaber, sondern an nicht berechtigte Dritte ausgeschüttet werde, stehe den Klageansprüchen rechtshindernd entgegen, weil die geforderte Geräteabgabe dann jedenfalls teilweise nicht dem gerechten Ausgleich diene. Der Senat hat sich mit diesem Vorbringen befasst, ist der Ansicht der Beklagten allerdings nicht gefolgt, sondern hat angenommen, der Schuldner des Vergütungsanspruchs könne aus dem Rechtsverhältnis zwischen der Verwertungsgesellschaft und den Berechtigten keine Rechte für sich herleiten (BGH, GRUR 2017, 716 Rn. 98 - PC mit Festplatte II). Entgegen der Ansicht der Anhörungsrüge folgt ein Übergehen des Vortrags der Revision auch nicht aus dem Umstand, dass der Senat sich in seinem Urteil vom 16. März 2017 nicht mit dem "Reprobel"-Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 12. November 2015 - C-572/13, GRUR 2016, 55 - Hewlett-Packard/Reprobel) auseinandergesetzt hat. Der Senat hat vorliegend zur Begründung auf seine Entscheidung "Verlegeranteil" Bezug genommen, die sich wiederum umfassend mit dem "Reprobel"-Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie weiteren von der Revision aufgeführten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union auseinandergesetzt hat (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2016 - I ZR 198/13, BGHZ 210, 77 Rn. 45 ff. - Verlegeranteil). Außerdem hat der Senat auf seine Entscheidung "Musik-Handy" verwiesen, in der die entsprechende Problematik ebenfalls abgehandelt ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2016 - I ZR 255/14, GRUR 2017, 172 Rn. 110 ff.).

b) Die Anhörungsrüge macht schließlich erfolglos geltend, der Rechtsstreit hätte vom Senat dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt werden müssen, weil das in dem Fall "Reprobel" vorlegende belgische Gericht offensichtlich einen anderen Standpunkt vertreten habe als der Senat. Diese Rüge ist bereits nicht hinreichend ausgeführt. Sie macht nicht geltend, dass die Revision einen entsprechenden, vom Senat übergangenen Vortrag gehalten hat. Dies ist auch nicht ersichtlich.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO .

Vorinstanz: OLG München, vom 15.01.2015 - Vorinstanzaktenzeichen WG