Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 09.02.2017

V ZB 166/15

Normen:
FamFG § 74 Abs. 6 S. 2
ZPO § 563 Abs. 4
GBO § 78 Abs. 3
HGB § 15

Fundstellen:
IPRax 2019, 258

BGH, Beschluss vom 09.02.2017 - Aktenzeichen V ZB 166/15

DRsp Nr. 2017/3743

Eintragung einer ausländischen Gesellschaft unter ihrem Namen in das Grundbuch (hier: "einfache Gesellschaft") italienischen Rechts; Ermittlung des ausländischen Rechts von Amts wegen durch den Tatrichter; Heranziehung der maßgeblichen Normen des Codice civile; Verfahrensfehlerhafte Ermittlung das italienischen Rechts durch das Beschwerdegericht

Ein Tatrichter hat ausländisches Recht von Amts wegen zu ermitteln. Die Ermittlung des fremden Rechts darf sich nicht auf die Heranziehung der Rechtsquellen beschränken, sondern muss auch die konkrete Ausgestaltung des Rechts in der ausländischen Rechtspraxis, insbesondere die ausländische Rechtsprechung und deren Entwicklung berücksichtigen. Durch das Rechtsbeschwerdegericht wird insoweit lediglich überprüft, ob der Tatrichter sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, insbesondere sich anbietende Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls hinreichend ausgeschöpft hat.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des 1. Zivilsenats des Kammergerichts vom 20. Oktober 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandwert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 72.000 €.

Normenkette:

FamFG § 74 Abs. 6 S. 2; ZPO § 563 Abs. 4 ; GBO § 78 Abs. 3 ; HGB § 15 ;

Gründe

I.

Mit notariellem Vertrag vom 27. September 2013 verkaufte die als Eigentümerin im Grundbuch eingetragene Beteiligte zu 1 das eingangs bezeichnete Wohnungseigentum an die Beteiligte zu 2, eine società semplice ("einfache Gesellschaft") italienischen Rechts mit Sitz in R. (Italien). Zur Sicherung des Anspruchs auf Eigentumsübertragung bewilligte die Beteiligte zu 1 die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten der Beteiligten zu 2.

Die Beteiligte zu 2 hat die Eintragung der Auflassungsvormerkung unter Vorlage eines Auszugs aus dem Registro delle Imprese (Unternehmensregister) der Camera di Commercio Industria Artigianato e Agricoltura di R. (Industrie- und Handeskammer von R. ) beantragt. Das Grundbuchamt hat den Antrag zurückgewiesen. Mit der Beschwerde hat die Beteiligte zu 2 hilfsweise beantragt, die società semplice mit dem Zusatz "bestehend aus den Gesellschaftern V. und F. s.r.l." einzutragen. Das Kammergericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Beteiligte zu 2 weiterhin ihre Eintragung erreichen.

II.

Nach Auffassung des Beschwerdegerichts setzt die Eintragung einer ausländischen Gesellschaft unter ihrem Namen in das Grundbuch die Rechtsfähigkeit voraus. Hieran fehle es nach dem insoweit maßgeblichen italienischen Recht. Eine società semplice sei keine juristische Person und - trotz Abweichungen bei Geschäftsführung und Haftung - mit einer deutschen Gesellschaft bürgerlichen Rechts vergleichbar. Jedenfalls dann, wenn die società semplice einen Gesellschaftszweck wie die Beteiligte zu 2 verfolge, müsse sie nicht in das italienische Unternehmensregister eingetragen werden. Eine fakultative Eintragung habe lediglich verlautbarenden Charakter und begründe keine mit § 15 HGB vergleichbaren Publizitätswirkungen. Entscheidungen italienischer Gerichte, in denen der società semplice - vergleichbar mit einer deutschen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) - Teilrechtsfähigkeit zuerkannt werde, seien nicht ersichtlich. Gemäß Art. 2659 Abs. 1 Nr. 1 Codice civile sei die società semplice in Ansehung von Rechten an Grundstücken allenfalls dann erwerbsfähig, wenn in der Eintragungsnote in das italienische Immobilienregister auch die Personalien der Personen angegeben würden, die sie nach dem Gründungsvertrag vertreten. Eine solche Eintragung könne nach dem anzuwendenden deutschen Verfahrensrecht (§ 15 GBV) nicht erfolgen. Auch die Voraussetzungen für die mit der Beschwerde beantragte Eintragung der Beteiligten zu 2 unter gleichzeitiger Eintragung ihrer Gesellschafter lägen nicht vor, da § 47 Abs. 2 GBO aufgrund des Bezugs zu § 899a BGB nur für die deutsche GbR gelte.

III.

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die statthafte (§ 78 Abs. 1 und 3 GBO ) und auch im Übrigen zulässige (§ 71 FamFG ) Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Im Ausgangspunkt zu Recht nimmt das Beschwerdegericht allerdings an, dass eine ausländische Gesellschaft nur dann unter ihrem Namen als Vormerkungsberechtigte in das Grundbuch eingetragen werden kann, wenn sie nach ihrem Personalstatut selbst Eigentum an Grundstücken erwerben kann und ihr damit nach dem deutschen Grundbuchverfahrensrecht als der lex fori die materielle Grundbuchfähigkeit zukommt. Zutreffend sieht es das italienische Recht als Personalstatut an. Denn die Beteiligte zu 2 hat in Italien nicht nur ihren Sitz, sondern ist dort auch gegründet worden (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Juli 2013 - V ZB 197/12, BGHZ 198, 14 Rn. 11; BayObLGZ 2002, 413 , 415 f.; MüKoBGB/Kindler, 6. Aufl., IntGesR Rn. 152 ff.; jeweils mwN).

2. Mit Erfolg beanstandet die Beteiligte zu 2 mit der Verfahrensrüge jedoch, dass das Beschwerdegericht das italienische Recht unzureichend ermittelt hat.

a) Es kann dahinstehen, ob sich das Verfahren zur Ermittlung ausländischen Rechts im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 293 ZPO richtet oder ob die in § 26 FamFG normierte Amtsermittlungspflicht maßgeblich ist (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Juli 2013 - V ZB 197/12, NJW 2013, 3656 Rn. 25 mwN, insoweit in BGHZ 198, 14 nicht abgedruckt). Denn in jedem Fall hat der Tatrichter ausländisches Recht von Amts wegen zu ermitteln. Wie er sich diese Kenntnis verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Jedoch darf sich die Ermittlung des fremden Rechts nicht auf die Heranziehung der Rechtsquellen beschränken, sondern muss auch die konkrete Ausgestaltung des Rechts in der ausländischen Rechtspraxis, insbesondere die ausländische Rechtsprechung, berücksichtigen. Der Tatrichter ist gehalten, das Recht als Ganzes zu ermitteln, wie es sich in Lehre und Rechtsprechung entwickelt hat. Er muss dabei die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ausschöpfen (für § 293 ZPO st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 14. Januar 2014 - II ZR 192/13, NJW 2014, 1244 Rn. 15; Urteil vom 10. September 2015 - IX ZR 304/13, WM 2015, 2248 Rn. 15; Keidel/Meyer-Holz, FamFG , 19. Aufl., § 72 FamFG Rn. 54; dahingehend auch für § 26 FamFG Keidel/Sternal, aaO, § 26 Rn. 27 f.). Durch das Rechtsbeschwerdegericht wird insoweit lediglich überprüft, ob der Tatrichter sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, insbesondere sich anbietende Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls hinreichend ausgeschöpft hat (vgl. für § 293 ZPO BGH, Beschluss vom 30. April 2013 - VII ZB 22/12, WM 2013, 1225 Rn. 39; Urteil vom 14. Januar 2014 - II ZR 192/13, aaO Rn. 15).

b) Daran gemessen hat das Beschwerdegericht das italienische Recht verfahrensfehlerhaft ermittelt.

aa) Für die Grundbuchfähigkeit der Beteiligten zu 2 ist - wie auch das Beschwerdegericht im Ausgangspunkt erkennt - nicht entscheidend, ob nach italienischem Recht eine umfassende Rechtsfähigkeit der società semplice besteht. Da das Gesetz auch eine auf bestimmte Bereiche (wie etwa den Erwerb von Grundstücken) beschränkte Teilrechtsfähigkeit vorsehen kann, kommt es vielmehr darauf an, ob die ausländische Gesellschaft selbst Trägerin von Rechten an Grundstücken sein kann (vgl. BeckOK GBO/Zeiser, 28. Edition, Internationale Bezüge Rn. 101 f.). Im Hinblick auf diese Rechtsfrage ist die Ermessenausübung des Beschwerdegerichts bei der Ermittlung des ausländischen Rechts bereits deshalb rechtsfehlerhaft, weil es die ihm vorliegende Literatur zum ausländischen Recht unzureichend ausgewertet hat. Wie die Rechtsbeschwerde zu Recht beanstandet, wird in dem von dem Beschwerdegericht herangezogenen Werk von Kindler zum italienischen Handels- und Wirtschaftsrecht mit Nachweisen aus der Rechtsprechung der Corte di Cassazione erläutert, es sei anerkannt, dass das Eigentum an den Gegenständen des Gesellschaftsvermögens der [Personen-] Gesellschaft selbst - und nicht den Gesellschaftern gemeinsam - zustehe, und dass die durch die Gesellschafter eingebrachten Gegenstände in das Eigentum der Gesellschaft übergingen (Kindler, Italienisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 2. Aufl., § 4 Rn. 21 f.); andererseits würden Gesellschaft und Gesellschafter in der italienischen Rechtsprechung häufig rechtlich gleichgestellt, und es ergebe sich kein einheitliches Bild (Kindler, Italienisches Handels- und Wirtschaftsrecht, aaO Rn. 23). Angesichts dieser Ausführungen zur italienischen Rechtspraxis konnte sich das Beschwerdegericht auch nicht auf zwei Kommentare zur deutschen Grundbuchordnung stützen, in denen die Rechtsfähigkeit der società semplice ohne weitere Begründung verneint wird (Meikel/Hertel, GBO , 11. Aufl., Einl. G Rn. 127; Hügel/Zeiser, GBO , 2. Aufl., Internationale Bezüge Rn. 111.11).

bb) Die Heranziehung der maßgeblichen Normen des Codice civile macht die Ermittlung der italienischen Rechtspraxis anhand von italienischer Rechtsprechung und Rechtsliteratur ebenfalls nicht entbehrlich, zumal die Gesetzesbestimmungen ihrem Wortlaut nach nicht eindeutig gegen die Erwerbsund damit die Grundbuchfähigkeit der società semplice sprechen. Dies gilt insbesondere, soweit das Beschwerdegericht meint, aus Art. 2659 Abs. 1 Nr. 1 Codice Civile ergebe sich eine Erwerbsfähigkeit der società semplice in Ansehung von Rechten an Grundstücken allenfalls dann, wenn in der Eintragungsnote auch die Personalien der Personen angegeben würden, die sie nach dem Gründungsvertrag vertreten. Insoweit beschränkt sich das Beschwerdegericht nämlich auf sein aus dem Wortlaut abgeleitetes Verständnis der Vorschrift, ohne das Recht als Ganzes und die hierauf bezogene italienische Rechtspraxis zu ermitteln. Sollte Art. 2659 Abs. 1 Nr. 1 Codice Civile - wie die Rechtsbeschwerde unter Auswertung von italienischer Literatur ausführt - das Verfahren regeln, mit dem eine lediglich deklaratorische Eintragung des bereits vollzogenen Immobilienerwerbs der Gesellschaft in das Immobilienregister herbeigeführt wird, beträfe die Norm - anders als das Beschwerdegericht meint - gerade nicht die Erwerbsfähigkeit der società semplice.

IV.

Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Da die Sache wegen der fehlenden Feststellungen insbesondere zum Inhalt des italienischen Rechts nicht zur Endentscheidung reif ist, macht der Senat von der auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestehenden Möglichkeit Gebrauch, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 78 Abs. 3 GBO , § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG , § 563 Abs. 4 ZPO analog; vgl. Keidel/Meyer-Holz, FamFG , 19. Aufl., § 74 Rn. 84; Bumiller/Harders/Schwab, FamFG , 11. Aufl., § 74 Rn. 9). Das Beschwerdegericht wird nunmehr die fehlenden Feststellungen zum italienischen Recht nachzuholen und - auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Rechtsbeschwerdebegründung - zu prüfen haben, ob die Beteiligte zu 2 nach italienischem Recht in eigener Rechtsträgerschaft Wohnungseigentum erwerben kann. Dazu dürfte die Einholung eines Rechtsgutachtens bzw. ein Auskunftsersuchen (dazu MüKoZPO/Prütting, 5. Aufl., § 293 Rn. 33 ff.) geboten sein. Sollte die genannte Rechtsfrage zu bejahen sein, könnte zugleich gutachterlich geklärt werden, inwieweit die Eintragung in das italienische Unternehmensregister Existenz und Vertretungsbefugnisse der Beteiligten zu 2 nachweist (vgl. etwa Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 3636b).III.12 Die Wertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 , § 46 Abs. 1 GNotKG .

Vorinstanz: AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, vom 15.04.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 44 FH 7407N-14
Vorinstanz: KG, vom 20.10.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 1 W 400/15
Fundstellen
IPRax 2019, 258