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BGH - Entscheidung vom 30.05.2017

3 StR 166/17

Normen:
BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1

BGH, Beschluss vom 30.05.2017 - Aktenzeichen 3 StR 166/17

DRsp Nr. 2017/8378

Abgrenzung zwischen (Mit-)Täterschaft und Beihilfe in Fällen der Depothaltung von Betäubungsmitteln für einen anderen; Rechtfertigung des Aufbewahrens zum gewinnbringenden Umsatz für die Annahme täterschaftlichen Handeltreibens; Aufbewahrung von Rauschgift für einen Dritten

Das Aufbewahren von zum gewinnbringenden Umsatz bestimmten Betäubungsmitteln kann ein Tatbeitrag sein, der die Annahme täterschaftlichen Handeltreibens bereits für sich genommen rechtfertigt. Bei einer solchen Förderung des Umsatzgeschäfts eines anderen ist allerdings stets auch zu prüfen, ob nicht lediglich von Beihilfe zum Handeltreiben auszugehen ist. Die Abgrenzung zwischen (Mit-)Täterschaft und Beihilfe ist auch in Fällen der Depothaltung für einen anderen nach den allgemeinen Grundsätzen vorzunehmen.

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 20. Dezember 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "unerlaubten" Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zehn Fällen sowie "unerlaubten" Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen richtet sich die auf die in allgemeiner Form erhobene Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Beschwerdeführers. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts gestattete der Angeklagte dem gesondert Verfolgten I. , in seiner Wohnung Marihuana zu lagern, das I. sich in jeweils kleineren Portionen abholen wollte, um es anschließend gewinnbringend an Dritte zu verkaufen. Aufgabe des Angeklagten war allein die Lagerung; die Portionierung und den Verkauf übernahm I. selbst. Der Angeklagte sollte als Gegenleistung pro Lieferung fünf bis zehn Gramm Marihuana erhalten. Die Strafkammer hat nicht feststellen können, ob der Angeklagte diese Menge vollständig oder zu einem erheblichen Teil selbst konsumierte oder ob er sie selbst gewinnbringend veräußerte.

Im Zeitraum von Februar bis Juli 2015 lagerte I. in zehn Fällen zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten jeweils 100 Gramm Marihuana mit knapp unter 7,5 % Wirkstoffgehalt in der Wohnung des Angeklagten ein, die er sukzessive dort abholte, um sie zu verkaufen (Fälle eins bis zehn der Urteilsgründe). In einem weiteren Fall lagerte er eine Menge von 200 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von geringfügig über 7,5 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) in der Wohnung, mit der er in gleicher Weise verfuhr (Fall elf der Urteilsgründe). Der Angeklagte erhielt jeweils die versprochenen Betäubungsmittel. Im Tatzeitraum kam es mehrmals vor, dass der Angeklagte selbst auch Mengen von fünf bis zehn Gramm Marihuana an Personen verkaufte, die zu ihm geschickt wurden. Das Landgericht hat indes nicht feststellen können, wie oft dies geschah und wer die Kunden zu ihm schickte.

b) Im Jahr 2016 erklärte sich der Angeklagte sodann gegenüber einem früheren Schulfreund, dem gesondert Verfolgten M. , in gleicher Weise bereit, Betäubungsmittel in seiner Wohnung zu lagern.

In der Zeit vom 1. Juli 2016 bis zum 1. August 2016 lieferte M. in drei Fällen jeweils 500 Gramm Marihuana mit jedenfalls 25 Gramm THC, die der Angeklagte in einem Schrank in seinem Schlafzimmer für ihn aufbewahrte und gemeinsam mit M. in der Küche seiner Wohnung portionierte, bevor M. sie abholte und an Dritte gewinnbringend veräußerte (Fälle zwölf bis 14 der Urteilsgründe). Für seine "Mithilfe beim Weiterverkauf" erhielt der Angeklagte als Gegenleistung zwei bis drei Gramm Marihuana täglich, wobei die Strafkammer wiederum nicht feststellen konnte, ob er die Drogen selbst konsumierte oder mit Gewinn verkaufte. Eine Woche vor dem 10. August 2016 erhielt der Angeklagte von M. gut 2,6 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 17,5 % (knapp 460 Gramm THC) zur Verwahrung geliefert, die sie ebenfalls gemeinsam in der Küche des Angeklagten portionierten (Fall 15 der Urteilsgründe). Die Betäubungsmittel wurden bei einer Wohnungsdurchsuchung am 9. August 2016 von Ermittlungsbeamten gefunden und sichergestellt.

2. Die Verurteilung wegen - jeweils täterschaftlich begangenen - Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zehn und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Zwar kann das Aufbewahren von zum gewinnbringenden Umsatz bestimmten Betäubungsmitteln ein Tatbeitrag sein, der die Annahme täterschaftlichen Handeltreibens bereits für sich genommen rechtfertigt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 18. März 1981 - 3 StR 68/81, NStZ 1981, 263 ; vom 20. Januar 1982 - 2 StR 593/81, BGHSt 30, 359 , 361; vom 2. Januar 1990 - 1 StR 642/89, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 20; vom 23. September 1992 - 3 StR 275/92, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 35). Dies gilt auch, wenn der Täter das Rauschgift für einen Dritten aufbewahrt (BGH, Beschlüsse vom 25. Mai 1994 - 2 StR 203/94, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 42; vom 29. November 1994 - 4 StR 637/94, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 47; vom 4. Juni 2003 - 2 StR 139/03, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 59; Urteil vom 19. Dezember 2013 - 4 StR 300/13, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 83). Allerdings ist bei einer solchen Förderung des Umsatzgeschäfts eines anderen stets auch zu prüfen, ob nicht lediglich von Beihilfe zum Handeltreiben auszugehen ist. Die Abgrenzung zwischen (Mit-)Täterschaft und Beihilfe ist auch in diesen Fällen der Depothaltung für einen anderen nach den allgemeinen Grundsätzen vorzunehmen (BGH, Beschluss vom 4. Juni 2003 - 2 StR 139/03, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 59 mwN). Danach ist in wertender Betrachtung unter Berücksichtigung des Grades des eigenen Interesses am Erfolg, des Umfangs der Tatbeteiligung und der Tatherrschaft oder doch wenigstens des Willens zur Tatherrschaft zu beurteilen, ob ein Beteiligter, der einen nicht ganz untergeordneten, die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet, auf der Grundlage gemeinsamen Wollens die Tat als eigene oder ob er lediglich fremdes Tun fördern wollte (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 339/10, NStZ-RR 2011, 57 mwN).

b) Nach diesen Grundsätzen wird die Annahme von täterschaftlichem Handeltreiben durch die bisherigen Feststellungen des Landgerichts nicht getragen. Insoweit gilt:

aa) Der Tatbeitrag des Angeklagten erschöpfte sich in den Fällen eins bis elf der Urteilsgründe in der bloßen Aufbewahrung der Betäubungsmittel für den gesondert Verfolgten I. , der die Portionierung und den Verkauf des Marihuanas allein durchführte; dieser war im Verhältnis zu dem Angeklagten auch allein für die Beschaffung der Drogen zuständig und trug das Risiko für das gesamte Gelingen der Rauschgiftgeschäfte. Schon die angesichts dessen nur untergeordnete Beteiligung des Angeklagten lässt hier die Annahme von Beihilfe naheliegend erscheinen (vgl. Körner/Patzak/Volkmer, BtMG , 8. Aufl., § 29 Rn. 241 mwN; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 29. November 1994 - 4 StR 637/94, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 47; vom 4. Juni 2003 - 2 StR 139/03, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 59). Soweit die Strafkammer darauf abgestellt hat, der Angeklagte habe "mehrmals" auch selbst kleinere Mengen Marihuana an Personen verkauft, die zu ihm geschickt worden seien, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn mangels dahingehender Feststellungen können solche Verkäufe keiner der Lieferungen I. s eindeutig zugeordnet werden, so dass sie - nicht zuletzt unter Beachtung des Zweifelssatzes - in keinem der Einzelfälle dafür herangezogen werden können, eine schwer wiegende Tatbeteiligung des Angeklagten zu belegen. Da das Landgericht auch keine genauen Angaben zur Häufigkeit solcher Verkäufe machen konnte, können sie erst recht nicht bei allen elf festgestellten Fällen zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden.

Gegen die Annahme von Täterschaft und für die Einordnung der Tatbeteiligung des Angeklagten als Beihilfe spricht zudem die beschränkte Eigennützigkeit seines Verhaltens: Die Strafkammer hat nicht ausschließen können, dass das ihm als Gegenleistung überlassene Marihuana ausschließlich der Deckung seines Eigenbedarfs diente. Die Gegenleistung war zudem nicht umsatzabhängig und verhältnismäßig gering (vgl. Körner/Patzak/Volkmer aaO, § 29 Rn. 240 mwN; BGH, Beschluss vom 4. März 1993 - 4 StR 69/93, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 36).

bb) In den Fällen zwölf bis 15 der Urteilsgründe kam zu der Verwahrung der Betäubungsmittel als einzige weitere Tatbeteiligung hinzu, dass der Angeklagte das Marihuana gemeinsam mit dem gesondert Verfolgten M. portionierte. Auch eine solche ganz untergeordnete Hilfstätigkeit (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 1990 - 3 StR 395/90, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 25; Körner/Patzak/Volkmer aaO, § 29 Rn. 243) trägt hier angesichts des Umstands, dass der Angeklagte in An- und Verkauf der Betäubungsmittel nicht eingebunden war, und mit Blick auf seine beschränkte Eigennützigkeit - er erhielt wiederum nicht ausschließbar zum Eigenbedarf nur verhältnismäßig geringe Mengen Marihuana - nicht die Wertung, er habe "einen nicht nur unerheblichen Tatbeitrag" erbracht und deshalb täterschaftlich Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge getrieben.

3. Da der Senat angesichts der bislang getroffenen, nur bruchstückhaft erscheinenden Feststellungen nicht auszuschließen vermag, dass ein neues Tatgericht weitergehende Feststellungen treffen kann, aufgrund derer unter Beachtung der oben aufgeführten Grundsätze der Angeklagte wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt werden könnte, scheidet eine Schuldspruchänderung aus. Die Sache bedarf deshalb umfassender neuer Verhandlung und Entscheidung.

4. Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass einzuziehende Gegenstände nach ständiger Rechtsprechung in der Entscheidungsformel so genau angegeben werden müssen, dass bei allen Beteiligten und den Vollstreckungsbehörden Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht (BGH, Beschluss vom 11. Mai 2017 - 5 StR 133/17, [...] Rn. 2 mwN). Diesen Vorgaben genügte die bisherige Einziehungsentscheidung - mit Ausnahme des Ausspruchs über die Einziehung der Betäubungsmittel - nicht.

Vorinstanz: LG Krefeld, vom 20.12.2016