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BSG - Entscheidung vom 21.01.2015

B 13 R 237/14 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3

BSG, Beschluss vom 21.01.2015 - Aktenzeichen B 13 R 237/14 B

DRsp Nr. 2015/3043

Verfassungswidrigkeit eines Rentenbescheids Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache Notwendiger Inhalt einer Beschwerdebegründung Breitenwirkung der angestrebten Entscheidung

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfragen erwarten lässt. 3. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss die Beschwerdebegründung mithin eine konkrete Rechtsfrage aufwerfen, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 4. Juni 2014 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 ;

Gründe:

I

Der Kläger begehrt die abschlagsfreie Zahlung seiner Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit. Diese wird ihm vom beklagten Rentenversicherungsträger antragsgemäß seit April 2008 gewährt, wobei sich der Zugangsfaktor von 1,0 wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente für 43 Monate um 0,129 (= 12,9 %) auf 0,871 minderte (Bescheid vom 5.3.2008; Widerspruchsbescheid vom 10.6.2008). Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 18.12.2013), weil die Abschlagsregelung bei vorzeitigem Bezug der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verfassungsgemäß sei. Das Landessozialgericht (LSG) hat die auf nicht näher umschriebene europarechtliche Bedenken gegen § 77 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch ( SGB VI ) gestützte Berufung des Klägers zurückgewiesen, ihm Verschuldenskosten auferlegt und die Revision nicht zugelassen (Urteil vom 4.6.2014).

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger einen Verfahrensmangel bzw eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Er wirft Rechtsfragen dazu auf, inwieweit § 77 SGB VI gegen die Verordnung 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit für den EWA und die Schweiz bzw gegen Art 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention ( EMRK ) verstoße und ob sein mit versicherungsmathematischen Abschlägen versehener Rentenbescheid durch das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) vom 23.6.2014 verfassungswidrig geworden sei. Diese Fragen seien klärungsbedürftig, weil sich entgegen der Auffassung des BVerfG die EMRK nicht "innerhalb der Auslegungskriterien zum Grundgesetz zu bewegen" habe; für die Auslegung der EMRK sei ausschließlich der "Europäische Gerichtshof" (EuGH) zuständig. Es gebe auch keinen sachlichen Grund, warum "Neurentner nunmehr eine ungekürzte Rente erhalten" sollten. Die Fragen seien "natürlich" klärungsfähig; denn davon hänge der Ausgang des Rechtsstreits ab. Vor dem Hintergrund des Umgangs des LSG mit dieser Rechtsproblematik gehe es darum, inwieweit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliege.

II

Die Beschwerde ist unzulässig. Die geltend gemachten Zulassungsgründe einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und eines Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) sind nicht in der nach § 160a Abs 2 S 3 SGG gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden.

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfragen erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss die Beschwerdebegründung mithin eine konkrete Rechtsfrage aufwerfen, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung vom 15.9.2014 nicht.

Soweit der Kläger die Frage nach der Verfassungswidrigkeit seines Rentenbescheids aufwirft, stellt er bereits keine Rechtsfrage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung. Sie ist zudem nicht aus sich heraus verständlich, weil ein im Mai 2014 verabschiedetes Gesetz den Bescheiderlass im Jahre 2008 nicht beeinflusst haben kann. Die weiteren die vermeintliche Europarechtswidrigkeit betreffenden Fragen sind zwar grundsätzlicher Art; insoweit zeigt der Kläger aber nicht auf, dass sie klärungsbedürftig sind. Hierzu hätte es einer Auseinandersetzung mit der lediglich pauschal in Bezug genommenen "Rechtsfindung" durch das BVerfG "in zahlreichen Entscheidungen" bedurft; dass der Kläger die Rechtsprechung des BVerfG dazu, inwieweit sich die EMRK "innerhalb der Auslegungskriterien zum Grundgesetz zu bewegen" habe, nicht teilt, reicht insoweit nicht aus.

Überdies hat der Kläger die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen nicht hinreichend dargetan. Denn ob die Beantwortung der Fragen für den Ausgang des Rechtsstreits erheblich wäre, könnte der Senat nur sicher beurteilen, wenn der Kläger den entscheidungserheblichen Sachverhalt vollständig geschildert hätte. Hieran fehlt es. Seine allenfalls fragmentarischen Angaben lassen lediglich erkennen, dass er "Bestandsrentner" ist (und sich gegen eine angebliche Besserstellung von "Neurentnern" wendet, die nunmehr eine ungekürzte Rente erhalten sollten) und dass er Kürzungen hat hinnehmen müssen. Warum die Beklagte die nicht näher umschriebenen Rentenkürzungen vorgenommen hat und die Vorinstanzen deren Entscheidung bestätigt haben, lässt der Kläger nicht erkennen.

2. Einen Verfahrensfehler des LSG hat der Kläger nicht näher bezeichnet. Soweit er meint, das LSG hätte den Rechtsstreit zu seinen Gunsten entscheiden müssen, die Entscheidung sei also in der Sache falsch, eröffnet dies den Revisionsrechtszug nicht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 67). Dass das LSG der Rechtsansicht des Klägers nicht gefolgt ist, begründet keinen Gehörsverstoß. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass der Kläger "gehört", nicht jedoch "erhört" wird (Senatsbeschlüsse vom 4.1.2013 - B 13 R 357/11 B - Juris RdNr 13, und vom 9.5.2011 - B 13 R 112/11 B - Juris RdNr 9; s auch BVerfG [Kammer] NZS 2010, 497 RdNr 17).

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

4. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 04.06.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 13 R 270/14
Vorinstanz: SG Freiburg, - Vorinstanzaktenzeichen 15 R 6461/12