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BGH - Entscheidung vom 10.03.2014

AnwZ (Brfg) 67/12

Normen:
BBiG § 34 Abs. 2
DSG NRW § 11
GVG § 17a Abs. 5
VwGO § 43 Abs. 1

Fundstellen:
DStR 2014, 14
NJW-RR 2014, 943

BGH, Urteil vom 10.03.2014 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 67/12

DRsp Nr. 2014/6469

Zulässigkeit der Zuhilfenahme von Anwaltsvereinen durch die Rechtsanwaltskammer bei der Organisation der Berufsbildung

1. Die Rechtsanwaltskammern sind nicht berechtigt, für die Erledigung von Verwaltungsaufgaben im Zuge der beruflichen Bildung privatrechtlich organisierte Anwaltvereine heranzuziehen. 2. In Anlehnung an die in § 29 VwVfG bezeichneten Voraussetzungen besteht ein Anspruch auf Einsicht in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse im Sinne der §§ 34 ff. BBiG und der Auskunftserteilung hieraus, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse darzulegen vermag. Entsprechendes gilt für die von der Rechtsanwaltskammer zumindest teilweise zu denselben Zwecken wie das Ausbildungsverzeichnis geführten Ausbildungsakten.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 7. September 2012 wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die Beklagte unter Abänderung des genannten Urteils und unter Aufhebung der die Akteneinsicht ablehnenden Bescheide der Beklagten verurteilt, dem Kläger Einsicht in die von ihr geführte Ausbildungsakte J. W. für den Zeitraum des Bestehens des Ausbildungsverhältnisses vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2011 zu gewähren, soweit nicht schutzwürdige Interessen der Betroffenen entgegenstehen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Von den im ersten Rechtszug entstandenen Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte 90 %, der Kläger 10 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BBiG § 34 Abs. 2 ; DSG NRW § 11; GVG § 17a Abs. 5 ; VwGO § 43 Abs. 1 ;

Tatbestand

1. Der Kläger ist seit 2004 Mitglied der Beklagten. In den Jahren 2008 bis 2013 bildete er in seiner Einzelkanzlei drei Frauen zu Rechtsanwaltsfachangestellten aus. Die für die Berufsbildung der Fachangestellten in ihrem Bereich zuständige Beklagte nahm zur Organisation der Berufsbildung in diesem Zeitraum - wie schon die Jahre zuvor und seit 15. November 1997 durch Vertrag - die Unterstützung der Anwaltvereine A. , B. und K. in Anspruch. Sie hatte für die Bezirke der genannten Anwaltvereine jeweils eines ihrer Mitglieder zum "Ausbildungsbeauftragten" bestellt und mit der Führung der Ausbildungsakten beauftragt. Bei den Anwaltvereinen waren Geschäftsstellen gebildet, deren Mitarbeiter dem jeweiligen Ausbildungsbeauftragten der Rechtsanwaltskammer als Hilfskräfte für die Organisation und Abwicklung der Ausbildungsangelegenheiten zur Verfügung standen. Gleiches galt in Bezug auf den Prüfungsausschuss und dessen Vorsitzenden für die Organisation und Abwicklung der Zwischen- und Abschlussprüfungen. Die Ausbildungsakten wurden für den Ausbildungsbeauftragten in den Geschäftsstellen aufbewahrt und unter Verschluss gehalten. Die Korrespondenz im Zusammenhang mit dem Ausbildungsverhältnis wurde in der Ausbildungsakte geführt.

Gegen diese Praxis wendet sich der Kläger mit seiner Feststellungsklage. Er erhebt unter anderem den Einwand, dass für eine Übertragung der Verwaltungsaufgaben auf die Anwaltvereine keine Rechtsgrundlage vorhanden sei und Datenschutzbelange sowohl des Klägers in seiner Funktion als Ausbilder als auch der Auszubildenden beeinträchtigt seien, weil die Angehörigen der Anwaltvereine keiner gesetzlichen Schweigepflicht unterlägen. Zudem erhielten die Anwaltvereine K. und B. , mit denen er als Ausbilder zu tun gehabt habe, unter Umständen Einblicke in Interna seiner Kanzlei.

Auf Antrag des Klägers hat der Anwaltsgerichtshof festgestellt, dass die Beklagte nicht befugt sei, die "Administration" von Ausbildungsverhältnissen der Rechtsanwaltsfachangestellten, an denen der Kläger beteiligt sei, auf die Anwaltvereine B. und/oder K. zu übertragen. Die Beklagte greift das Urteil mit ihrer vom Anwaltsgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung an. Vorsorglich kündigte sie den mit den drei Anwaltvereinen geschlossenen Vertrag und organisiert die Ausbildung seither selbst. Im Falle eines Obsiegens will sie die vorherige Verfahrensweise indessen wieder aufnehmen.

2. Mit seiner Anschlussberufung wollte der Kläger erreichen, dass ihm Einsicht in die Ausbildungsakte seiner ehemaligen Auszubildenden W . und O. gewährt wird, die ihm durch die Beklagte unter Hinweis auf deren fehlendes Einverständnis versagt worden war. Insoweit hatte der Anwaltsgerichtshof die Klage teils wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses, teils mangels Zulässigkeit des Rechtswegs zur Anwaltsgerichtsbarkeit (§ 112a Abs. 1 BRAO ) und teils (Ausbildungsakte O. ) wegen Unzulässigkeit nach § 44a VwGO abgewiesen. Nachdem die (vormalige) Auszubildende O. im Lauf des Berufungsverfahrens ihre Zustimmung zur Erteilung der Akteneinsicht erteilt hatte, wurde sie von der Beklagten gewährt. Insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt und widerstreitende Kostenanträge gestellt. Das Akteneinsichtsbegehren betreffend Frau W. verfolgt der Kläger mit seiner Anschlussberufung weiter.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zutreffend hat der Anwaltsgerichtshof festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, für die Erledigung von Verwaltungsaufgaben im Zuge der beruflichen Bildung privatrechtlich organisierte Anwaltvereine heranzuziehen.

1. Der Senat hat im Hinblick auf die in § 17a Abs. 5 GVG getroffene Bestimmung nicht zu prüfen, ob der durch den Kläger beschrittene Rechtsweg entsprechend der Annahme des Anwaltsgerichtshofs zulässig ist. Er sieht sich jedoch zu der Bemerkung veranlasst, dass erhebliche Zweifel bestehen, ob Streitigkeiten über den Ablauf und die Organisation der Berufsbildung von Rechtsanwaltsfachangestellten solche nach der Bundesrechtsanwaltsordnung oder daraus abgeleitetem Recht im Sinne des § 112a Abs. 1 BRAO darstellen.

2. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klage im Übrigen zulässig.

a) Der Kläger berühmt sich zumindest auch aufgrund seiner Funktion als Ausbilder von Rechtsanwaltsfachangestellten des subjektiven Rechts, von der Beklagten zu verlangen, die Organisation der Berufsbildung ohne Zuhilfenahme der betroffenen Anwaltvereine vorzunehmen. Damit begehrt er hinreichend bestimmt die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO (vgl. dazu etwa BVerwG, NJW 1985, 1302, 1303; BVerwGE 100, 83 , 90; Eyermann/Happ, VwGO , 13. Aufl., § 43 Rn. 13). Was der Beklagten verboten werden soll, ergibt sich aus dem von ihm vorgetragenen und von der Vorinstanz gewürdigten Sachverhalt.

b) Auch das erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor. Es ergibt sich jedenfalls daraus, dass der Kläger durch die Verfahrensweise der Beklagten in seiner Funktion als Ausbilder unmittelbar betroffen war. Dass er derzeit kein Ausbildungsverhältnis eingegangen ist, stellt das Feststellungsinteresse dabei ebenso wenig in Frage wie der Umstand, dass die Beklagte die Ausbildung nach der Kündigung des genannten Vertrags selbst organisiert. Denn der Kläger will auch künftig als Ausbilder tätig werden, wobei die Beklagte bei ihr positivem Ausgang des Rechtsstreits wieder zu den früheren Gepflogenheiten zurückkehren will. Damit muss der Senat nicht entscheiden, ob der Kläger, wie vom Anwaltsgerichtshof angenommen, allein wegen seiner Stellung als Kammermitglied (vgl. allgemein BVerwGE 64, 298 , 301 f.; Hartung in Henssler/Prütting, BRAO , 3. Aufl., § 73 Rn. 61 m.w.N.) hinsichtlich einer unter Umständen fehlerhaften Organisation der der Rechtsanwaltskammer durch das Berufsbildungsgesetz zugewiesenen Aufgabe der Berufsbildung (Über- bzw. Unterschreitung des Aufgabenbereichs) klageberechtigt wäre. Gleichfalls offenbleiben kann, ob er - was kaum naheliegt - unter Hinweis auf seine Fürsorgepflicht als Ausbilder (vgl. § 28 BORA ) ein Feststellungsinteresse aus einer behaupteten Verletzung von Rechten der ihm anvertrauten Auszubildenden ableiten könnte.

3. Der Anwaltsgerichtshof hat dem Feststellungsantrag in der Sache letztlich mit Recht entsprochen.

a) Das Berufsbildungsgesetz ( BBiG ) weist den Rechtsanwaltskammern in § 71 Abs. 4 die Ausbildung der Rechtsanwaltsfachangestellten als hoheitliche Aufgabe zu (vgl. Leinemann/Taubert, Berufsbildungsgesetz , 2. Aufl., § 34 Rn. 5; Natzel, Berufsbildungsrecht, 3. Aufl., S. 353 f.; ders., DB 1981, 1407). Spezifische Regelungen über die Aktenführung enthält das Gesetz nicht. Allerdings erlegt § 34 Abs. 1 Satz 1 BBiG - ohne dass eine Öffnungsmöglichkeit normiert wäre - gerade der zuständigen Stelle die Einrichtung und Führung des Verzeichnisses der Berufsausbildungsverhältnisse mit in § 34 Abs. 2 BBiG zwingend umschriebenem Inhalt auf. Einzutragen ist gemäß § 35 Abs. 1 BBiG bei Vorliegen der Voraussetzungen, zu denen nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 BBiG auch die persönliche und fachliche Eignung des Ausbilders sowie die Eignung der Ausbildungsstätte gehören, der Berufsausbildungsvertrag nebst Änderungen seines wesentlichen Inhalts. Schon daraus ist ersichtlich, dass neben den Belangen der Auszubildenden auch schützenswerte Interessen des Ausbilders berührt sein können. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Pflichtenzuweisung an die in § 71 BBiG aufgeführten zuständigen Stellen gerade im Blick auf deren Charakter als Körperschaften des öffentlichen Rechts (vgl. für die Rechtsanwaltskammer § 62 Abs. 1 BRAO ; s. auch BGH, Beschluss vom 10. Juli 1961 - AnwZ (B) 18/61, BGHZ 35, 292, 293) auch angesichts dort gegebener besonderer Schweigepflichten (vgl. für die Rechtsanwaltskammer § 76 Abs. 1 Satz 1 und 2 BRAO ) erfolgt ist.

b) Die von der Beklagten vormals gewählte Konstruktion der Bestellung von "Ausbildungsbeauftragten" mit diese unterstützenden Geschäftsstellen bei den Anwaltvereinen ist mit den aus §§ 34 , 35 BBiG ersichtlichen Wertentscheidungen des Berufsbildungsgesetzes nicht vereinbar. Zwar betrifft die durch die Beklagte mit den Anwaltvereinen getroffene Vereinbarung nicht die Führung des Verzeichnisses über die Berufsausbildungsverhältnisse im Sinne des § 34 BBiG , sondern die Führung von personalisierten "Ausbildungsakten" der einzelnen Auszubildenden. Die Ausbildungsakte weist jedoch sämtliche Eintragungen aus, die auch das Ausbildungsverzeichnis enthält. Sie beginnt nach Nummer 2 des Vertrags vom 15. November 1997 mit dem Ausbildungsvertrag, wobei die (gesamte) "Korrespondenz im Zusammenhang mit dem Ausbildungsverhältnis ... in der Ausbildungsakte geführt " wird. Ferner werden in die Ausbildungsakte unter anderem Prüfungsarbeiten und Prüfungsergebnisse aufgenommen. Demgemäß war zumindest die gesamte aktenmäßige Betreuung aller Ausbildungsverhältnisse im Bereich der Beklagten den verselbständigten Geschäftsstellen bei den privatrechtlich organisierten Anwaltvereinen übertragen.

Es mag dabei sein, dass den in den Anwaltvereinen tätigen Personen entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs nach den getroffenen Vereinbarungen keine hoheitlichen Befugnisse im eigentlichen Sinne zugestanden wurden, diese vielmehr den "Ausbildungsbeauftragten" bzw. der Beklagten selbst vorbehalten waren. Andererseits hat die Beklagte die Anwaltvereine nach ihrem eigenen Vortrag deswegen in die Ausbildung eingebunden, weil sie für "die Überwachung der Eignung der Ausbilder, den Kontakt mit den Berufsschulen bei der Lösung vielfältig auftretender Fragen und vieles andere mehr ... auf die größere Sachnähe der Vereine ... ange wiesen" ist. Mit der Behauptung der Beklagten, es seien lediglich "rein administrative Hilfstätigkeiten" übertragen worden, tritt diese Aussage erheblich in Spannung. Zugleich wird daraus deutlich, dass aufgrund der den Anwaltvereinen zur Verfügung stehenden umfassenden Informationen über den Verlauf der Ausbildungsverhältnisse die durch den Anwaltsgerichtshof angesprochene Gefahr von Interessenkonflikten nicht ausgeschlossen werden kann. Schon deswegen kann die mit der Heranziehung der Anwaltvereine verbundene Betrauung der Geschäftsstellen mit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Informationen auch die Ausbilder betreffend nicht aus deren Funktion als "Verwaltungshelfer" auch in Verbindung mit allgemeinem Datenschutzrecht (vgl. § 11 DSG NRW, § 11 BDSG ) gerechtfertigt werden (vgl. dazu allgemein Gola/Schomerus, BDSG , 11. Aufl., § 11 Rn. 2; Stober in Wolff-Bachof, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl., § 91 Rn. 40 ff., jeweils m.w.N.). Sie bedürfte vielmehr einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage.

c) Dass in der durch den Anwaltsgerichtshof erörterten Bestimmung des § 76 Abs. 1 Satz 2 BBiG die erforderliche Befugnis unmittelbar gefunden werden könnte, behauptet die Beklagte selbst nicht. Nach dieser Regelung bestellt die zuständige Stelle zum Zweck der Beratung und Überwachung der Durchführung der Berufsbildung "Berater". Deren Status ist im Berufsbildungsgesetz nicht näher geregelt (vgl. Pieper in Wohlgemut, Berufsbildungsgesetz , 2011, § 76 Rn. 12). Es existieren lediglich vom Bundesausschuss für Berufsbildung im Jahr 1973 verabschiedete "Grundsätze für die Beratung und Überwachung der Ausbildungsstätten durch Ausbildungsberater" (Zeitschrift für Berufsbildungsforschung 4/1973; abgedruckt etwa bei Herkert/Töltl, Berufsbildungsgesetz , 51. Ergänzungslieferung, Stand September 2005, § 76 Rn. 32). Danach hat der Berater unter anderem durch Besuche der Ausbildungsstätten (IV der Grundsätze) zu überwachen, dass die Regularien der Berufsbildung dort eingehalten werden und die persönliche sowie fachliche Eignung der Ausbildenden gewährleistet ist (III zu 2 der Grundsätze).

Diesem Tätigkeitsbild könnten allenfalls die von der Beklagten bestellten "Ausbildungsbeauftragten" entsprechen. Ob diese trotz der gewählten abweichenden Bezeichnung als "Berater" im Sinne von § 76 Abs. 1 Satz 2 BBiG anzusehen sind, lässt sich dem Vortrag der Beklagten nicht abschließend entnehmen. Die Frage kann jedoch dahingestellt bleiben. Denn aus der Regelung kann weder ausdrücklich noch sinngemäß die Befugnis hergeleitet werden, die Führung der Akten betreffend sämtliche Ausbildungsverhältnisse für einen örtlich bestimmten Bereich und - damit verbunden - die Betreuung dieser Ausbildungsverhältnisse vollständig auf eine bestimmte Person mit einer bei einer privatrechtlich organisierten Vereinigung verselbständigten Geschäftsstelle zu übertragen.

d) Die - hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen ohnehin nicht erfüllte - Bestimmung des § 73 Abs. 4 BRAO (Delegationsbefugnis des Vorstands der Rechtsanwaltskammer für bestimmte Aufgaben) kann für die Entscheidung der hier relevanten Fragen nicht herangezogen werden. Die Regularien zur Organisation der Ausbildung sind bereichsspezifisch dem Berufsbildungsrecht zu entnehmen. Dies erweist etwa gerade die Vorschrift des § 76 Abs. 1 Satz 2 BBiG , wonach die "zuständige Stelle" verpflichtet ist, (haupt- oder nebenamtliche) "Berater" zur Erfüllung der ihr übertragenen Beratungs- und Überwachungsaufgaben zu bestellen. Eine derartige Bestellungspflicht hat in § 73 BRAO keine Entsprechung.

II.

Die Anschlussberufung, mit der der Kläger Einsicht in die Ausbildungsakte seiner ehemaligen Auszubildenden J. W. erreichen will, ist zulässig und begründet.

1. Auch für diesen Klagegegenstand hat der Senat die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht zu prüfen, weil der Anwaltsgerichtshof das Rechtsschutzbegehren durch Urteil und damit in der Hauptsache abgewiesen hat (vgl. Eyermann/Rennert, aaO, § 41/§§ 17-17b GVG Rn. 37; MünchKommZPO/Zimmermann, 4. Aufl., § 17a GVG Rn. 25 f., je m.w.N.).

2. Die auch im Übrigen zulässige Verpflichtungsklage ist begründet.

Anders als die Handwerksordnung (vgl. § 6 Abs. 2 , auch i.V.m. § 19 Satz 2 HwO ) enthält das Berufsbildungsgesetz keine Regelungen zur Erteilung von Auskünften einschließlich der Akteneinsicht. Hinsichtlich der Einsicht in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse im Sinne der §§ 34 ff. BBiG und der Auskunftserteilung hieraus besteht im Schrifttum jedoch Einigkeit, dass beides in Anlehnung an die in § 29 VwVfG bezeichneten Voraussetzungen zulässig ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse darzulegen vermag (vgl. Leinemann/Taubert, aaO, § 34 Rn. 16; Pepping in Wohlgemut, aaO, § 34 Rn. 12; hinsichtlich außenstehender Dritter enger Herkert/Töltl, aaO, § 34 Rn. 17 und wohl auch Knopp/Kraegeloh, Berufsbildungsgesetz , 5. Aufl., § 34 Rn. 3). Entsprechendes muss für die von der Beklagten zumindest teilweise zu denselben Zwecken wie das Ausbildungsverzeichnis geführten Ausbildungsakten gelten.

Berechtigte Interessen hat der Kläger dargetan. Zwar bestehen jedenfalls nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses keine Ansprüche aus etwaigen Fürsorgepflichten gegenüber der vormaligen Auszubildenden wegen der Stellung des Klägers als (vormaliger) Ausbilder. Jedoch ist der Kläger berechtigt zu erfahren, welche Informationen die Beklagte in die "verwaltungstechnisch" bei den betroffenen Anwaltvereinen geführte Ausbildungsakte aufgenommen hat. Schutzwürdige Interessen hat er ferner geltend gemacht hinsichtlich des von ihm geführten Verwaltungsrechtsstreits, der einen auch dieses Ausbildungsverhältnis betreffenden Rückforderungsbescheid der Bezirksregierung K. betrifft, sowie wegen eines Arbeitsrechtsstreits mit der genannten Auszubildenden. Entsprechend der Auffassung des Klägers geht dabei die Annahme des Anwaltsgerichtshofs fehl, diese Interessen dürften aufgrund insoweit gegebener Unzulässigkeit des Rechtswegs nicht berücksichtigt werden. Vielmehr ist über das geltend gemachte Recht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG rechtswegüberschreitend zu entscheiden (vgl. BVerwG, NVwZ 2012, 1563 , 1564; Eyermann/Rennert, aaO, § 41/§§ 17-17b GVG Rn. 18 m.w.N.). Schutzwürdigen Interessen der vormaligen Auszubildenden hat die Beklagte etwa durch Schwärzungen oder Herausnahme von Aktenteilen Rechnung zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 154 Abs. 1 , 2 , § 155 Abs. 2 , § 162 Abs. 3 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 52 Abs. 1 GKG .

Hinsichtlich des erledigten Antrags des Klägers auf Erteilung der Akteneinsicht in die Ausbildungsakte O. war gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Danach hat die Beklagte die Verfahrenskosten zu tragen. Der Anspruch auf Gewährung der Akteneinsicht wäre im Wesentlichen aus denselben Gründen gegeben gewesen wie im Fall der Ausbildungsakte W. . Entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs war die Klage auch nicht nach § 44a Satz 1 VwGO unzulässig. Dies gilt schon deswegen, weil in Bezug auf das hauptsächlich vom Kläger verfolgte Rechtsschutzbegehren (oben I), soweit dort überhaupt eine Sachentscheidung im Sinne der Vorschrift in Frage stand, das "Verwaltungsverfahren" bereits abgeschlossen war; zudem verfolgte der Kläger darüber hinausgehende Interessen (vgl. zum Ganzen Eyermann/Geiger, aaO, § 44a Rn. 1, 3, 8).

Verkündet am: 10. März 2014

Vorinstanz: AGH Nordrhein-Westfalen, vom 07.09.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 2 AGH 24/11
Fundstellen
DStR 2014, 14
NJW-RR 2014, 943