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BGH - Entscheidung vom 29.07.2014

II ZR 276/13

Normen:
ZPO § 561

BGH, Urteil vom 29.07.2014 - Aktenzeichen II ZR 276/13

DRsp Nr. 2014/12980

Schadensersatzanspruch wegen pflichtwidrigen Verhaltens bei der Anlageentscheidung i.R.e. Beitritts als atypisch stiller Gesellschafter

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 11. Juli 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

ZPO § 561 ;

Tatbestand

Der Kläger beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 15. Februar 2001 als atypisch stiller Gesellschafter an der Beklagten in der Beteiligungsvariante "Sprint", bei der die Einlage in Raten bezahlt wird, mit einem Betrag in Höhe von 18.000 DM zuzüglich 1.080 DM Agio.

Mit der Behauptung, die Vermittlerin, deren Verhalten sich die Beklagte zurechnen lassen müsse, habe ihn nicht hinreichend aufgeklärt, ferner weise der für seine Anlageentscheidung maßgebliche Emissionsprospekt zahlreiche, von ihm im Einzelnen dargelegte Fehler auf und die Beklagte sei ihm daher zum Schadensersatz verpflichtet, hat der Kläger von der Beklagten Rückzahlung seiner bisher geleisteten Einlage nebst Agio in Höhe von 6.288,97 € Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte aus der stillen Beteiligung, Ersatz entgangenen Gewinns in Höhe von 1.212,82 € sowie Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt. Ferner hat er die Feststellung begehrt, dass der Beklagten ihm gegenüber aus der Beteiligung keinerlei Ansprüche mehr zustehen. Hilfsweise hat er im Wege der Stufenklage Auszahlung des noch zu berechnenden Auseinandersetzungsguthabens verlangt.

Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich der Hauptanträge abgewiesen und der hilfsweise erhobenen Stufenklage in erster Stufe stattgegeben. Die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seiner Hauptanträge ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger dieses Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg und führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Dem vom Kläger geltend gemachten Ersatz seines Zeichnungsschadens stünden die regelmäßig auch auf eine stille Gesellschaft anwendbaren Grund-sätzen über die fehlerhafte Gesellschaft entgegen. Nach diesen Grundsätzen sei es einem Gesellschafter verwehrt, gegen die in Vollzug gesetzte Gesellschaft im Wege des Schadensersatzes einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Einlage geltend zu machen; vielmehr sei er regelmäßig auf seinen Abfindungsanspruch beschränkt.

Das Gesellschaftsverhältnis sei hier kein zweigliedriges, bei dem die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft einem Anspruch auf Rückgewähr der Einlage dann nicht entgegenstünden, wenn der Inhaber des Handelsgeschäfts verpflichtet sei, den stillen Gesellschafter im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als hätte dieser den Gesellschaftsvertrag nicht geschlossen. Es liege vielmehr eine mehrgliedrige stille Gesellschaft in Form einer Publikumsgesellschaft vor, bei der die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft dem Anspruch auf Rückgewähr der Einlage entgegenstünden.

II. Die Revision des Klägers ist begründet.

1. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass zwischen den Parteien kein bloß zweigliedriges Gesellschaftsverhältnis zustande gekommen ist, sondern der Kläger einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft in Form einer Publikumsgesellschaft beigetreten ist, bei der nach Invollzugsetzung für den Fall etwaiger anfänglicher Mängel die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft Anwendung finden, ist zwar aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wie der Senat in den am 19. November 2013 verkündeten Urteilen in entsprechende Beteiligungen an der Beklagten betreffenden Parallelverfahren im Einzelnen begründet hat (BGH, Urteil vom 19. November 2013 - II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 Rn. 17 ff.; Urteil vom 19. November 2013 - II ZR 320/12, [...], Rn. 14 ff.). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts schließt die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft aber einen Anspruch des Klägers auf Ersatz von Vermögensschäden, die ihm - nach seinem Vorbringen - durch pflichtwidriges Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen im Zusammenhang mit seinem Beitritt zur Gesellschaft entstanden sind, nicht von vornherein aus. Auch bei Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft kann, wie der Senat weiter entschieden hat, der Anleger, der sich an einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft beteiligt hat, das stille Gesellschaftsverhältnis unter Berufung auf den (behaupteten) Vertragsmangel durch sofort wirksame Kündigung beenden und unter Anrechnung des ihm bei Beendigung seines (fehlerhaften) Gesellschaftsverhältnisses gegebenenfalls zustehenden Abfindungsanspruchs von dem Geschäftsinhaber Ersatz eines darüber hinausgehenden Schadens verlangen, wenn dadurch die gleichmäßige Befriedigung etwaiger Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter nicht gefährdet ist (BGH, Urteil vom 19. November 2013 - II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 Rn. 28 ff.).

2. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dem Kläger nach diesen Grundsätzen ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zusteht, hat das Berufungsgericht von seinem abweichenden Rechtsstandpunkt aus nicht geprüft. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann die Abweisung der Klage hinsichtlich der Hauptanträge daher keinen Bestand haben. Sie stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO ).

a) Dass lediglich das auf Schadensersatz gerichtete Hauptbegehren abgewiesen und dem Hilfsantrag des Klägers auf Berechnung und Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens in erster Stufe stattgegeben worden ist, führt nicht etwa dazu, dass die Entscheidung im Einklang mit den oben dargestellten rechtlichen Vorgaben steht. Dem Kläger hätte vielmehr Gelegenheit gegeben werden müssen, seinen Vortrag an die in den Vorinstanzen nicht erörterten, oben dargelegten rechtlichen Vorgaben anzupassen. Ein Geschädigter ist nicht ohne weiteres an eine von ihm ursprünglich gewählte Art der Schadensberechnung gebunden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2011 - VI ZR 17/11, NJW 2012, 50 Rn. 4 mwN). Der Kläger kann insoweit nicht darauf verwiesen werden, dass seinen Hilfsanträgen auf erster Stufe stattgegeben wurde. Mit diesen hat er nämlich lediglich die Verurteilung der Beklagten zur Errechnung und Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens begehrt. Einen daneben eventuell bestehenden Schadensersatzanspruch hat er mit den Hilfsanträgen nicht verfolgt. Diese Möglichkeit muss ihm im Rahmen einer Umstellung seines Hauptantrags eingeräumt werden.

b) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts und des Vorbringens der Parteien kann auch nicht angenommen werden, dass einem über einen Abfindungsanspruch hinausgehenden Schadensersatzbegehren des Klägers zur Sicherung etwaiger Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche der Mitgesellschafter der Erfolg zu versagen wäre. Ob und in welcher Höhe solche (hypothetischen) Ansprüche der anderen stillen Gesellschafter bestehen und aus dem Vermögen der Beklagten befriedigt werden können, steht nicht fest und müsste gegebenenfalls die Beklagte darlegen und beweisen, wenn sie sich einem Schadensersatzanspruch des Klägers gegenüber darauf berufen wollte, dieser sei wegen einer Gefährdung der Abfindungs- und Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter zumindest gegenwärtig nicht oder nicht in voller Höhe durchsetzbar. Im Übrigen wäre selbst für den Fall des Bestehens eines solchen Hindernisses das auf Zahlung eines bestimmten Schadensersatzbetrages gerichtete Leistungsbegehren des Klägers dahin auszulegen, dass jedenfalls die Feststellung des Bestehens eines Schadensersatzanspruchs in dieser Höhe begehrt wird. Sofern die sonstigen Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs gegeben sind, stünde der Umstand, dass das Vermögen der Beklagten im Zeitpunkt der Entscheidung zur Befriedigung etwaiger (hypothetischer) Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche und des Schadensersatzanspruchs nicht ausreichte, einer Feststellung seines Bestehens nicht entgegen.

III. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ), damit der Kläger Gelegenheit hat, seine Hauptanträge umzustellen und das Berufungsgericht die bislang offen gebliebenen Feststellungen zu den tatsächlichen Voraussetzungen des von dem Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruchs treffen kann.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 29. Juli 2014

Vorinstanz: OLG München, vom 11.07.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 8 U 5144/12
Vorinstanz: LG München I, vom 29.11.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 3 O 28636/11