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BGH - Entscheidung vom 28.05.2014

IV ZR 420/12

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 28.05.2014 - Aktenzeichen IV ZR 420/12

DRsp Nr. 2014/9390

Schadensersatz wegen behaupteter Aufklärungspflichtverletzungen beim Abschluss einer kreditfinanzierten Lebensversicherung

Tenor

1.

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 2. Oktober 2012 wird hinsichtlich der Klageforderung und der Widerklage gegen die Klägerin zurückgewiesen. Insoweit hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO ). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Der Senat hat die auf Art. 103 Abs. 1 GG gestützten Rügen geprüft und für nicht durchgreifend erachtet.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, soweit dieses erfolglos geblieben ist (§ 97 Abs. 1 ZPO ). Insoweit beträgt der Wert des Beschwerdegegenstands 106.726,34 €.

2.

Hinsichtlich der Widerklage gegen die Drittwiderbeklagte wird die Revision auf die Beschwerde des Beklagten zugelassen.

Gemäß § 544 Abs. 7 ZPO wird der vorbezeichnete Beschluss im Kostenpunkt - soweit nicht die außergerichtlichen Kosten der Klägerin betroffen sind - und im Umfang der Revisionszulassung aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert für das Revisionsverfahren: 71.129,18 €

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe zu 2.

I. Mit seiner Widerklage begehrt der Beklagte unter anderem von der Drittwiderbeklagten Schadensersatz wegen behaupteter Aufklärungspflichtverletzungen beim Abschluss einer kreditfinanzierten Lebensversicherung des Typs "Wealthmaster Noble".

Von der für den Vertrag mit einer Laufzeit von zehn Jahren, beginnend am 13. Februar 2001, vereinbarten Einmalprämie von 600.000 DM erbrachte der Beklagte 100.000 DM aus Eigenmitteln. Zur Finanzierung des nicht abgedeckten Prämienanteils nahm er ein Darlehen über nominal 505.000 DM bei der Klägerin auf. Dessen Rückzahlung sollte zusammen mit den bis dahin aufgelaufenen und dem Kreditkonto belasteten Zinsen bei Endfälligkeit der finanzierten Lebensversicherung durch Einlösung der Police erfolgen.

Etwa zwei Jahre nach Abschluss des Darlehensvertrages zahlte der Beklagte an die Klägerin, die wegen der Wertentwicklung der Lebensversicherungspolice von einer Unterdeckung ausging, auf deren Anforderung einen Betrag von 20.000 €.

Bei Laufzeitende der Versicherung ergab sich für den Beklagten ein Auszahlungsbetrag von 321.509,25 €, der mit seinen bestehenden Darlehensverbindlichkeiten bei der Klägerin verrechnet wurde. Es verblieb eine Darlehensrestforderung von 55.597,16 €, die den Gegenstand der Klageforderung bildet.

Mit seiner W iderklage begehrt der Beklagte die Erstattung des in die Lebensversicherung eingezahlten Eigenkapitals von 51.129,18 € und von der Drittwiderbeklagten darüber hinaus die Erstattung der an die Klägerin gezahlten 20.000 €, jeweils nebst Zinsen. Hilfsweise erstrebt er die Verurteilung der Drittwiderbeklagten, ihn von allen Ansprüchen der Klägerin aus dem Darlehensvertrag freizustellen.

Er macht geltend, dass er durch unrealistische Renditeprognosen und unzutreffende Angaben zu Vergangenheitsrenditen seitens der Drittwiderbeklagten zum Vertragsabschluss veranlasst worden sei.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Dagegen richtet sich seine Beschwerde.

II. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde ist die Revision zuzulassen, soweit die Widerklage gegen die Drittwiderbeklagte abgewiesen worden ist. Insoweit ist das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit gemäß § 544 Abs. 7 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Beschwerde beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht es für nicht ausreichend dargelegt erachtet hat, wes halb die Renditeprognosen, die in den von der Drittwiderbeklagten stammenden Anlagen B 7 und B 10 enthalten sind, unvertretbar gewesen sein sollen. Diese Auffassung beruht auf einem entscheidungserheblichen Verstoß des Berufungsgerichts gegen den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG .

Dieses hat sich mit der Behauptung, bei der in den Anlagen B 7 und B 10 zugrunde gelegten angenommenen Wertentwicklung habe es sich nicht um eine realistische Prognose gehandelt, nicht erkennbar inhaltlich auseinandergesetzt. Der diesbezügliche Vortrag des Beklagten ging u.a. dahin, dass einerseits der von der Drittwiderbeklagten deklarierte Wertzuwachs entsprechender Policen in den Jahren 1999 und 2000 nur jeweils 3% betragen habe und andererseits verantwortliche Mitarbeiter von ihr öffentlich erklärt hätten, in den nächsten zehn Jahren sei nur mit einem jährlichen Fälligkeitsbonus von 2% zu rechnen, so dass die realistische Gesamtrendite nach ihrer eigenen Einschätzung nur 5% betragen habe. Dieses Vorbringen hat das Berufu ngsgericht in seiner Begründung nicht erörtert. Hierzu ist lediglich in dem in Bezug genommenen Hinweis des Vorsitzenden des Berufungssenats vom 10. August 2012 unter Zitierung des Senatsurteils vom 11. Juli 2012 ( IV ZR 164/11, BGHZ 194, 39) ausgeführt, die Berufung habe für den vorliegenden Fall nicht dargelegt, dass und warum die Prognose aus damaliger Sicht unvertretbar gewesen sein soll, ohne dass auf das genannte Vorbringen des Beklagten eingegangen wird. Jegliche nähere Begründung dieser Würdigung fehlt sowohl in dem Hinweis als auch in dem Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO .

Das wäre jedoch erforderlich gewesen, weil der Beklagte entsprechenden Vortrag bereits auf Seite 12 seiner Klageerwiderung gehalten, auf Seite 7 der Berufungsbegründung in Bezu g genommen und auf Seite 7-10 seiner Stellungnahme zu dem genannten Hinweis im Einzelnen wiederholt hat. Es handelte sich hierbei um einen wesentlichen Kern seines Sachvortrags, mit dem er die Behauptung einer aus eigener Sicht der Drittwiderbeklagten unrealistischen Renditeprognose von 8%, wie sie beispielsweise als "... -Renditeannahme" in dem für den Beklagten erstellten Berechnungsbeispiel (Anlage B 10) enthalten war, schlüssig ausgefüllt hat. Geht das Gericht auf einen solchen wesentlichen Kern des Parteivorbringens, das für die Entscheidung von zentraler Bedeutung ist, nicht ein, so ist die Annahme gerechtferti gt, dass es dieses Vorbringen bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt hat. Dies begründet einen Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 103 Abs. 1 GG , Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (Senatsbeschluss vom 9. November 2011 - IV ZR 239/09, VersR 2012, 720 Rn. 17 m.w.N.).

Dieser Verstoß ist auch entscheidungserheblich, weil konkrete Aussagen über eine zu erwartende Wertentwicklung ein realistisches Bild zeichnen müssen und deshalb nicht den Eindruck erwecken dürfen, es könne aufgrund einer sachlich gerechtfertigten Prognose mit einer höh e-

ren Rendite gerechnet werden als sie der mit der Prognose Werbende selbst erwartet oder anstrebt (vgl. dazu das ebenfalls die Drittwiderbeklagte betreffende Senatsurteil vom 11. Juli 2012 - IV ZR 164/11, BGHZ 194, 39 Rn. 54), so dass ein Aufklärungsmangel zu bejahen ist, falls der vom Berufungsgericht übergangene Vortrag des Beklagten zutrifft.

Vorinstanz: LG München II, vom 13.02.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 11 O 1834/11
Vorinstanz: OLG München, vom 02.10.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 19 U 1503/12