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BGH - Entscheidung vom 06.05.2014

X ZR 61/11

BGH, Urteil vom 06.05.2014 - Aktenzeichen X ZR 61/11

DRsp Nr. 2014/14230

Neuheit eines Verfahrens auf dem Gebiet der berührungsfreien Winkelmessung

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9. Dezember 2010 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des am 28. Mai 1998 unter Inanspruchnahme der Priorität einer US-Patentanmeldung vom 29. Mai 1997 international angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 916 074 (Streitpatents), das ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Bestimmung der Drehstellung eines um eine Rotationsachse drehbaren Rotors betrifft und 15 Patentansprüche umfasst. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache:

"Method for determining the rotation position of a rotor (2) being rotatable around a rotation axis (1) and carrying a magnetic source (2.1, 8/9) creating a magnetic field without a rotational symmetry relative to the rotation axis (1), the method comprising the steps of measuring local components of the magnetic field using stationary sensor means and determining the rotational position of the rotor (2) by comparing quantities measured by the sensor means with a predetermined function of said field component versus the rotation position of the rotor (2),

characterized in that for reducing the influence of external magnetic fields and of sensitivity and offset variations of the sensor means on the accuracy of the determination of the rotation position,

the sensor means are designed as at least three sensors (4, 5, 6, 7) constituting at least two sensor pairs (4/5, 6/7) wherein the sensors of each sensor pair are sensitive to substantially parallel components of the magnetic field and wherein connecting lines each connecting two sensors of one sensor pair have projections in a plane perpendicular to the rotation axis (1) which are angled relative to each other,

and differences of the quantities measured by the two sensors of each sensor pair (4/5, 6/7) and at least one ratio of the differences of two pairs are calculated and the at least one ratio of differences is compared with a corresponding predetermined function."

Wegen der auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2, 3 und 5 sowie des nebengeordneten Anspruchs 6 und der auf ihn unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Ansprüche 7 bis 14 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.

Die Klägerin hat das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 3 und 5 bis 14 mit der Nichtigkeitsklage angegriffen und geltend gemacht, ihr Gegenstand sei nicht patentfähig; außerdem sei der Gegenstand der Ansprüche 1 und 6 nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass der Fachmann die Erfindung ausführen könne. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat das Streitpatent hilfsweise in beschränkten Fassungen der Patentansprüche verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent im angegriffenen Umfang für nichtig erklärt.

Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr. S. , Institut für Elektrische Messtechnik der Technischen Universität B. , ein schriftliches Gutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Klägerin hat eine Stellungnahme von Prof. Dr.-Ing. G. , Professor für Elektronik an der Hochschule K. , vorgelegt, die Beklagte gutachterliche Stellungnahmen von Prof. Dr.-Ing. T. , Institut für Technik der Universität M. , und Prof. Dr. W. , Lehrstuhl für technische Elektrophysik, Technische Universität M. .

Entscheidungsgründe

I. Der Gegenstand des Streitpatents liegt auf dem Gebiet der berührungsfreien Winkelmessung.

1. Die Streitpatentschrift erläutert, dass in verschiedenen Anwendungs bereichen wie bei handbetätigten elektrischen Schaltern oder der Positionsbestimmung eines Motors die Messung eines Drehwinkels erforderlich sei. Dies könne, je nach Kostenaufwand und Genauigkeitsanforderungen, mittels mechanischer Kontakte oder optischer bzw. magnetischer Dekodierer erfolgen. Die moderne Technologie auf dem Gebiet der integrierten Schaltkreise gestatte es, magnetische Sensoren und ihre Auslese- und Winkelberechnungs-Elektronik auf einem Chip zu integrieren. Dies ermögliche Ausführungen von Detektoren für mechanische Drehungen, die aus einem an dem Rotor befestigten Permanentmagneten und monolithisch integrierten, an einem Stator befestigten Sensormitteln bestehen.

2. Vor diesem Hintergrund liegt dem Gegenstand des Streitpatents das Problem zugrunde, ein Verfahren und eine Vorrichtung mit gesteigerter Robustheit gegen Empfindlichkeits- und Drift-Schwankungen der Sensormittel, gegen äußere magnetische Felder und gegen mechanische Toleranzen im Hinblick auf die Relativpositionen von Sensormitteln und Magnetfeldquelle bereitzustellen.

3. Dazu schlägt Patentanspruch 1 ein Verfahren vor, dessen Merkmale sich folgt gliedern lassen (in eckigen Klammern die Gliederungspunkte des patentgerichtlichen Urteils):

1.

Das Verfahren dient der Bestimmung der Drehstellung eines Rotors [1].

2.

Der Rotor

2.1

ist um eine Rotationsachse drehbar [2.1] und

2.2

trägt eine Magnetfeldquelle [2.2], die ein Magnetfeld ohne Rotationssymmetrie bezüglich der Drehachse erzeugt [3].

3.

Es sind ortsfeste Sensormittel vorhanden [aus 4.1],

3.1

die aus mindestens drei Sensoren bestehen [5.1],

3.2

die mindestens zwei Sensorpaare bilden [5.2],

3.3

wobei Verbindungslinien, die jeweils zwei Sensoren eines Sensorpaares verbinden [5.4], Projektionen in einer Ebene senkrecht zu der Drehachse [5.4.1] haben, die zueinander einen Winkel bilden [5.4.2].

4.

Die Sensoren eines jeden Sensorpaares

4.1

messen lokale Komponenten des Magnetfeldes [aus 4.1],

4.2

erfassen im Wesentlichen parallele Komponenten [5.3],

4.3

derart, dass der Einfluss von äußeren Magnetfeldern und von Empfindlichkeits- und Driftschwankungen der Sensormittel auf die Genauigkeit der Bestimmung der Drehstellung verringert werden kann [5: "... for reducing the influence of external magnetic fields and of sensitivity and offset variations of the sensor means on the accuracy of the determination of the rotation position,..."].

5.

Aus den durch die Sensormittel gemessenen Größen wird die Drehstellung des Rotors bestimmt [aus 4.2], indem

5.1

jeweils die Differenz der von den Sensoren eines Sensorpaares gemessenen Größen berechnet wird [6.1],

5.2

die Differenzgrößen mindestens zweier Sensorpaare ins Verhältnis gesetzt werden [6.2] und

5.3

das mindestens eine Differenzverhältnis mit einer entsprechenden vorgegebenen Funktion der Feldkomponente bezüglich der Drehstellung des Rotors verglichen wird [aus 4.2 und 7].

II. Das Patentgericht hat den Gegenstand des Patentanspruchs 1 für 10 10 nicht patentfähig erachtet. Es hat den angesprochenen Fachmann in einem berufserfahrenen, mit der Integration von Sensorelementen vertrauten DiplomPhysiker mit Hochschulausbildung gesehen und seiner Entscheidung folgendes Verständnis vom Sinngehalt des Patentanspruchs zugrunde gelegt:

Die im Streitpatent offenbarte erfindungsgemäße Vorrichtung zur berüh11 rungsfreien Winkelmessung weise eine Magnetfeldquelle auf, die so auf dem um eine Drehachse drehbaren Rotor befestigt sei, dass das Magnetfeld hinsichtlich der Drehachse nicht rotationssymmetrisch sei, und eine auf dem Stator angebrachte Anordnung von Magnetfeldsensoren. Die Sensormittel, die eine nicht elektrische Größe - das ortsabhängige Magnetfeld - in eine elektrische Größe umwandelten, bestünden aus wenigstens drei (im Ausführungsbeispiel vier) Sensoren, die als wenigstens zwei Sensorpaare so angeordnet seien, dass die beiden Sensoren eines Sensorpaars parallele Komponenten des magnetischen Felds erfassten, wobei Verbindungslinien, die die Sensoren eines Sensorpaars verbänden, Projektionen in einer Ebene senkrecht zur Drehachse hätten, die zueinander einen Winkel bildeten. Die Drehstellung des Rotors werde dadurch bestimmt, dass wenigstens ein Verhältnis zweier Differenzsignale von jeweils einem Sensorpaar berechnet und das berechnete Verhältnis mit einer vorgegebenen Funktion verglichen werde. Das Differenzsignal eines Sensorpaars sei dabei die Differenz zwischen den Signalen der beiden Sensoren. Dieses Verfahren ermögliche eine Winkelbestimmung, die unempfindlich sei gegenüber beiden Sensoren eines jeden Paars gemeinsamen Schwankungen (z.B. Drift) und gegenüber Empfindlichkeitsschwankungen, die allen zu einem Verhältnis beitragenden Sensoren gemeinsam seien, und die außerdem gegenüber äußeren Magnetfeldern unempfindlich sei. Ein gegebenenfalls in allen Messpunkten gleichermaßen vorhandener Offset, beispielsweise durch ein externes Störfeld, werde durch die Differenzbildung eliminiert. Der Grundgedanke des Streitpatents bestehe darin, dass je ein Sensorpaar die drehzyklische Änderung des Sinus- bzw. des Kosinusverlaufs der Magnetfeldkomponenten in der jeweiligen Anordnungsebene durch Differenzbildung der am Sensorelement gemessenen Größen erfasse. Anschließend werde durch eine entsprechende Verhältnisbildung die zugehörige Tangensfunktion gebildet, deren Wert eine Winkelstellung des Rotors eindeutig zugeordnet werden könne.

Das Patentgericht hat angenommen, der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei durch die Offenbarung in der Arbeit von Häberli et al., TwoDimensional Magnetic Microsensor with On-Chip Signal Processing for Contactless Angle Measurement, in: IEEE Journal of Solid-State Circuits 1996, 1902 (NK6), neuheitsschädlich getroffen. Dies hat das Patentgericht im Wesentlichen wie folgt begründet: Bei dem in NK6 offenbarten Verfahren, in der Diktion des Streitpatents ein Verfahren zur Bestimmung der Drehstellung eines Rotors, bei dem der Rotor ebenfalls um eine Drehachse drehbar sei und eine Magnetfeldquelle trage, die ein bezüglich der Drehachse nicht rotationssymmetrisches Magnetfeld erzeuge, würden lokale Komponenten dieses Magnetfelds unter Verwendung ortsfester Sensormittel gemessen, und die Drehstellung des Rotors werde durch Vergleichen von durch die Sensormittel gemessenen Größen mit einer vorgegebenen Funktion der Feldkomponente von der Drehstellung des Rotors bestimmt. Das Sensormittel sei in Übereinstimmung mit einer vorteilhaften Ausführungsform des Streitpatents als Mikrosystem ausgebildet und bestehe aus zwei senkrecht zueinander stehenden lateralen bipolaren Magnetotransistoren (LMT) mit vier Kollektoren (C1 bis C4) und einem weiteren Substratkollektor S. Die Lorentz-Kraft, die von einer magnetischen Induktion parallel zur Chip-Ebene erzeugt werde, lenke die Minoritätsladungsträger in der Basisregion ab, und diese würden über einen vertikalen parasitären pnpTransistor zum Substrat hin abgeführt, so dass sich entsprechend den im Basisbereich vorherrschenden Magnetfeldern die jeweiligen Basisströme und damit die Kollektorströme IC1 bis IC4 abhängig von den am jeweiligen Ort anliegenden magnetischen Feldkomponenten änderten. Die Stromänderung werde über einen Substratstrom IS abgeführt, so dass beim offenbarten Schaltungsaufbau nicht lediglich Ladungen in abhängiger Weise zwischen den Einzeltransistoren verschoben würden, sondern jedem Transistorast abhängig vom anstehenden Magnetfeld eine für diesen Ast charakteristische Stromänderung eingeprägt werde. Die einzelnen Transistoren seien dabei, wie in Figur 4 der NK6 gezeigt, unabhängig voneinander, besäßen jedoch einen gemeinsamen Emitter- und Basisanschluss. Die technische Lehre von NK6 beinhalte mithin vier Einzelsensoren im Sinne von Elementarsensoren; es würden somit die kennzeichnenden Merkmale offenbart, dass das Sensormittel als wenigstens drei (Elementar-)Sensoren ausgelegt sei, die wenigstens zwei (Elementar-) Sensorpaare (Emitter-Basis-Kollektoren 1 und 3 sowie 2 und 4) bildeten, wobei die (Elementar-)Sensoren eines jeden Sensorpaars im Wesentlichen parallele Komponenten des Magnetfelds erfassten. Das entspreche der Lehre des Streitpatents; soweit die Komponenten dort als senkrecht beschrieben seien, sei dies lediglich beispielhaft genannt, ohne den Gegenstand des erteilten Anspruchs einzuschränken.

Die Verbindungslinien, die jeweils zwei (Elementar-)Sensoren eines (Elementar-)Sensorpaars verbänden, hätten auch Projektionen in einer Ebene senkrecht zu der Drehachse und bildeten relativ zueinander einen Winkel.

Zur Ermittlung des Drehwinkels würden Differenzen der von den zwei (Elementar-)Sensoren eines jeden (Elementar-)Sensorpaars gemessenen Größen gebildet und wenigstens ein Verhältnis der Differenzen zweier Paare berechnet. Aus dem wenigstens einen Differenzverhältnis werde die Drehstellung des Rotors durch Vergleichen von durch die Sensormittel gemessenen Größen mit einer vorgegebenen Funktion der Feldkomponente von der Drehstellung des Rotors bestimmt (NK6, Figur 13 mit zugehörigen Ausführungen). NK6 benenne auch die Zweckangabe im Merkmal 5; es heiße dort, das vorgeschlagene Mikrosystem ermögliche eine exakte Winkelmessung, unabhängig von Änderungen der absoluten Empfindlichkeit des Sensorelements und von anderen Abweichungen, die von der Temperaturabhängigkeit des Permanentmagneten und den mechanischen Ungenauigkeiten des Sensor-MagnetSystems bewirkt würden. Die Verringerung des Einflusses von äußeren Magnetfeldern auf die Genauigkeit der Bestimmung der Drehstellung sei in NK6 zwar nicht ausdrücklich angegeben, diese Wirkung stelle sich jedoch, für den Fachmann selbstverständlich, beim Verfahren nach dieser Schrift zwingend ein, da ihre Lehre ebenfalls eine Differenzbildung der jeweils gemessenen Größen der Elementarsensoren umfasse.

III. Dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren nicht stand.

1. Das Patentgericht hat die Auslegung von Anspruch 1 des Streitpatents in einem entscheidenden Punkt vernachlässigt, indem es den Sinngehalt des Merkmals 4.3 [5] nicht näher bestimmt und nicht in der rechtlich gebotenen Weise zu den übrigen Merkmalen des Anspruchs in Beziehung gesetzt hat.

a) Der Fachmann - der nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen auch ein berufserfahrener diplomierter Diplomingenieur auf dem Gebiet der Elektrotechnik sein kann - erkennt infolge seines Bestrebens, einem Patent einen sinnvollen Gehalt zu entnehmen (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2009 - X ZR 95/05, BGHZ 180, 215 Rn. 16 - Straßenbaumaschine) - dass der mit der Zweckangabe "for reducing the influence of external magnetic fields" eingeleitete Anfang des Kennzeichens von Patentanspruch 1 der Sache nach und auch äußerlich durch die Trennung in Absätze - auf die beiden kennzeichnenden Merkmale bezogen ist, die in der Gliederung des Patentgerichts die Merkmalsgruppen [5], [6] und [7] bilden. Damit wird der Zweck angegeben, der mit der in den dortigen Merkmalen [5.1] bis [5.4.2] bezeichneten Ausgestaltung der Sensormittel und der Differenzberechnung und dem Vergleich nach den Merkmalen 6 und 7 erreicht werden soll. Die Sensormittel und ihre erfindungsgemäße Verwendung werden dadurch mittelbar dahin umschrieben, dass die Anordnung der Sensoren und die Verarbeitung der von ihnen gemessenen Größen [Merkmal 6.1] geeignet sein muss, den Einfluss von Empfindlichkeitsund Driftschwankungen der Sensormittel, aber auch von äußeren Magnetfeldern auf die Genauigkeit der Bestimmung der Drehstellung zumindest zu verringern.

b) Eine solche Zweckangabe ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei einem Verfahrensanspruch genauso zulässig wie bei einem Sachanspruch (BGH, Beschluss vom 31. August 2010 - X ZB 9/09, BGHZ 187, 20 Rn. 11 - Bildunterstützung bei Katheternavigation). Sie ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht nur unter der Voraussetzung beachtlich, dass die übrigen Merkmale des Anspruchs die Mittel angeben, mit denen der Zweck zuverlässig erreicht wird. Bezeichnete der Anspruch solche Mittel, bestünde kein Bedarf für zusätzliche Zweckangaben zur mittelbaren Umschreibung der räumlich-körperlichen und funktionalen Beschaffenheit einer Sache oder eines Verfahrens mehr. Umgekehrt kann es einem rechtlich anerkennenswerten Bedürfnis entsprechen, die Ausgestaltung der Mittel durch Zweckangaben mittelbar so festzulegen, dass der Zweck, dem zu dienen sie bestimmt sind, erfüllt werden kann. Zwar kann dies im Einzelfall die Klarheit des Patentanspruchs beeinträchtigen. Die Frage, ob eine solche mittelbare Definition im Streitfall zweckmäßig war oder ob es möglich gewesen wäre, im Rahmen der Ursprungsoffenbarung und ohne sachlich nicht gebotene Einschränkungen den geschützten Gegenstand insoweit durch räumlich-körperliche Merkmale zu beschreiben, stellt sich aber nicht, da das Streitpatent mit Anspruch 1 erteilt ist und dies im Nichtigkeitsverfahren ebenso hingenommen werden muss wie eine sonstige vermeidbare, aber im Prüfungsverfahren nicht beseitigte Unklarheit des Patentanspruchs.

c) Im Lichte der richtig verstandenen Zweckangabe in Merkmal [5] des patentgerichtlichen Urteils sind die Sensormittel, die der Messung lokaler Komponenten des Magnetfelds dienen [4.1], welche für einen Vergleich mit einer vorgegebenen Funktion herangezogen werden [4.2 und 7], als (wenigstens) zwei Sensorpaare ausgebildet, mit denen im Wesentlichen parallele Komponenten des Magnetfelds erfasst werden [5.3 und 5.4]. Es wird die Differenz der von einem Sensorpaar gemessenen Größen (zweier lokaler Komponenten des Magnetfelds) gebildet [6.1] und das Verhältnis der Differenz der beiden Sensorpaare [6.2] errechnet. Dafür müssen die "lokalen Komponenten" des Magnetfelds so gewählt werden, dass die Differenzbildung geeignet ist, (auch) den Einfluss von äußeren Magnetfeldern auf die genaue Bestimmung der Drehstellung auszuschließen oder zumindest zu verringern. Die von den Parteien eingehend schriftsätzlich erörterte, für die Erfüllung dieses Zwecks geeignete Anordnung (insbesondere Schriftsätze der Beklagten vom 26. März 2014, S. 7 f. und der Klägerin vom 27. November 2013, S. 9 Rn. 25 und vom 15. April 2014 S. 9 f. Rn. 34) vermag der Fachmann festzulegen. Auf der Grundlage der ergänzenden Angaben in der Streitpatentschrift versteht er die Anweisungen in Patentanspruch 1 dahin, dass es bei dem patentgemäßen Verfahren und der Vorrichtung darum geht, dass die Sensoren nur eine Komponente des Magnetfelds erfassen und die Sensoren eines Sensorpaares eine Richtungsumkehr einschließen, so dass die "lokalen Komponenten" des Magnetfelds im Wesentlichen in entgegengesetzte Richtungen zeigen. Dies wird dadurch ermöglicht, dass die Magnetfeldquelle so angeordnet wird, dass das Magnetfeld keine Rotationssymmetrie bezüglich der Drehachse aufweist. Außerdem müssen die Sensoren voneinander hinreichend beabstandet sein, um diese unterschiedlichen lokalen Komponenten im Zusammenhang mit der Richtungsumkehr erfassen zu können. Der die korrekte Ermittlung des Drehwinkels beeinträchtigende Einfluss (auch) von magnetischen Störfeldern kann mit dem streitpatentgemäßen Verfahren kompensiert werden, weil diese typischerweise homogen sind und sich ihr Einfluss bei der Differenzbildung der von den Sensorpaaren gelieferten Größen prinzipiell aufhebt, so dass das Verfahren gegen den Einfluss solcher Störfelder wesentlich unempfindlicher ist.

2. Die Lehre von Patentanspruch 1 wird von der Entgegenhaltung NK6 entgegen der Auffassung des Patentgerichts nicht vorweggenommen.

a) Nach dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen kann schon das Vorhandensein des von den Parteien eingehend kontrovers erörterten Merkmals 3.1 [5.1] nicht zweifelsfrei bejaht werden. Danach werden bei dem in NK6 offenbarten Verfahren vier Ströme an vier Messstellen ermittelt, die als zwei Differenzströme weiterverarbeitet werden. Der Sachverständige erachtet dieses Verfahren lediglich als mit der Erfassung der vier Ströme in separaten Elementarsensoren gleichwertig. Dass NK6 und das Streitpatent in diesem Merkmal nicht deckungsgleich sind, ergibt sich auch im Rückschluss aus der sich anschließenden Einschätzung des Sachverständigen, in der Aufhebung der Integration des in NK6 integrierten Sensors zu vier Elementarsensoren liege keine "Erfindungshöhe". Demzufolge bedient sich NK6 eines integrierten Sensors, während das Streitpatent vier einzelne Elementarsensoren vorsieht.

b) Es fehlt am Merkmal 4.1 [4.1], soweit dieses - wie ausgeführt - verlangt, dass unterschiedliche lokale Komponenten des Magnetfelds gemessen werden. Charakteristikum der Entgegenhaltung ist es demgegenüber, dass das Sensorelement eine sehr kleine empfindliche Fläche aufweist, die es ermöglicht, die Feldverteilung als homogen zu betrachten, was als für eine exakte Winkelerfassung wichtig bezeichnet wird (S. 1902 rechte Spalte oben).

Vor allem aber ist Merkmal 4.3 [5] nicht erfüllt, soweit es die Unempfindlichkeit gegen den Einfluss äußerer Magnetfelder auf die Genauigkeit der Bestimmung der Drehstellung betrifft. NK6 spricht lediglich davon, dass das vorgeschlagene Mikrosystem eine exakte Winkelmessung unabhängig von Änderungen der absoluten Empfindlichkeit des Sensorelements und von anderen Abweichungen ermögliche, die von der Temperaturabhängigkeit des Permanentmagneten und den mechanischen Ungenauigkeiten des Sensor-MagnetSystems bewirkt würden. Soweit das Patentgericht angenommen hat, für den Fachmann sei "selbstverständlich", dass der Einfluss äußerer Magnetfelder verringert werde , lässt das Urteil eine Auseinandersetzung mit der explizit gegenteiligen Erläuterung im von der Beklagten vorgelegten Gutachten T. (P5) vermissen, derzufolge der Einfluss eines das zu messende Magnetfeld überlagernden homogenen äußeren Magnetfelds auf die Messung der lokalen Komponenten nicht verringert werden kann. Mit dem in NK6 offenbarten Mikrosystem kann, wie die Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen bestätigt hat, entgegen der Ansicht des Patentgerichts der beeinträchtigende Einfluss von magnetischen Störfeldern nicht in der erörterten Weise (oben III 1 c aE) neutralisiert werden.

3. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist auch gegenüber der deutschen Offenlegungsschrift 44 22 868 (NK18) neu.

Bei dieser Entgegenhaltung ist Merkmal 5.1 [6.1] nicht verwirklicht, nach dem aus den durch die Sensoren eines Sensorpaars gemessenen Größen deren Differenz berechnet wird. Denn wie es in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten G. heißt, dient die in der Druckschrift gelehrte Antiparallelschaltung dazu, zwei Hall-Elemente zu einem Sensorpaar zu verbinden, das nur ein einziges Ausgangssignal liefert (NK 20, S. 5 u., ebenso Berufungserwiderung S. 34). Wie der Privatgutachter T. ausgeführt hat, ergibt sich daraus zwar, dass die Potenzialdifferenz am jeweiligen Hall-Element aus der Differenz der Spannungen gegen das Bezugspotenzial resultiert. Dem lässt sich aber nicht entnehmen, dass bei der in NK18 beschriebenen Antiparallelschaltung im Sinne des Vorschlags des Streitpatents die Differenz gemessener Größen, nämlich der (unterschiedlichen) Ausgangssignale der Hall-Elemente, berechnet wird. Im Ergebnis hat auch der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine neuheitsschädliche Vorwegnahme aufzeigen können, sondern als Unterschied zumindest ausgemacht, dass bei NK18 nicht die Differenzen der Sensorpaare berechnet werden. Dass der Sachverständige zugleich zum Ausdruck gebracht hat, die Lehre des Streitpatents sei in NK18 vollständig beschrieben, ist demnach Ergebnis seiner wertenden Betrachtung, die aber nicht mit fehlender Neuheit im patentrechtlichen Sinn gleichgesetzt werden kann.

Merkmal 4.3 [5] ist ebenfalls nicht vollständig offenbart. Wie auch der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, ist die Dezimierung des Einflusses magnetischer Störfelder in der Schrift nicht erwähnt.

4. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist auch gegenüber der Veröffentlichung der internationalen Patentanmeldung WO 96/16316 (NK11) und der europäischen Patentschrift 548 391 (NK16) neu. Erstere zeigt keine Sensorpaare, und dementsprechend ist auch keine Auswertung für Sensorpaare offenbart. Letztere offenbart lediglich mehrere Hall-Sensoren zur Offsetkompensation.

5. Nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen einschließlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme kann nicht die Wertung getroffen werden, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt sei. Diese Beurteilung setzte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Fachmann Anlass gehabt oder es im Stand der Technik eine hinreichend konkrete Anregung dafür gegeben hätte, zur Problemlösung gerade den von der Lehre von Patentanspruch 1 eingeschlagenen Weg zu wählen (BGH, Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 92/05, BGHZ 182, 1 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung). Das ist hier nicht der Fall.

a) NK6 gab keine Veranlassung, von dem lateralen bipolaren Magnetotransistor (LMT) abzuweichen. Zwar wird dort eingangs erwähnt, dass im Handel erhältliche berührungslose Winkelmesssysteme entweder auf magnetoresistiven Sensoren oder auf zwei orthogonal angebrachten Hall-Sensoren beruhten. Der Vorteil des vorgestellten Magnetotransistors wird jedoch gerade darin gesehen, dass im Gegensatz zu Hall-Platten nur eine einzige Vorrichtung für die zweidimensionale Erfassung des angelegten Magnetfelds nötig sei, wodurch die nachfolgend genannten überlegenen Leistungsmerkmale ("superior performances") erzielt werden könnten (S. 1902 linke Spalte unten). Eine hinreichend konkrete Anregung dafür, zu Hall-Sensoren zurückzukehren, kann darin nicht gesehen werden, schon gar nicht zur Verwendung von zwei HallSensorpaaren, zumal die Entgegenhaltung selbst den Magnetotransistor als einen Sensor ansieht, was der Einschätzung der Privatgutachter T. (Anl. P5) und W. (P7) entspricht. Aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die Integration der Sensorelemente aufzugeben gibt NK6 jedenfalls keinen Anlass.

b) Zum Gegenstand von Patentanspruch 1 führt auch nicht die von der Klägerin insoweit vorgeschlagene Kombination von NK6 und der US-Patentschrift 4 232 451 (NK10; siehe Berufungserwiderung Rn. 160 ff.). In NK6 werden Hall-Vorrichtungen zwar als Sensoren erwähnt und es wird ausgeführt, dass durch Kombination solcher orthogonal angebrachter Vorrichtungen der volle Messbereich von 360 Grad abgedeckt werden kann. Jedoch wird sogleich im Anschluss an die von der Klägerin für ihre Position angeführte Passage der bereits erwähnte Vorzug der von NK6 präsentierten Lösung herausgestrichen, dass im Gegensatz zu Hall-Platten nur eine einzige Vorrichtung für die zweidimensionale Erfassung des Magnetfelds benötigt werde, wodurch überlegene, im Folgenden näher beschriebene Leistungsmerkmale erzielt werden könnten. Davon mit Blick auf die Lehre von NK10 abzurücken, besteht für den Fachmann kein Anlass. Das gilt umso mehr, als Empfindlichkeits- und Driftschwankungen der Sensormittel und magnetische Störfelder nicht Gegenstand der dortigen Lehre sind.

c) Die als NK7 und NK8 in das Verfahren eingeführten Veröffentlichungen A. Häberli et al., Contactless Angle Measurement by CMOS Magnetic Sensor with On-chip Read-Out Circuit, und Schneider et al., Temperature Calibration of CMOS Magnetic Vector Probe for Contactless Angle Measurement System, beschreiben grundsätzlich den gleichen Aufbau wie NK6 und haben keinen darüber hinausgehenden Offenbarungsgehalt.

d) Die weiteren von der Klägerin in ihrer Berufungserwiderung (Rn. 159 mit Hinweisen auf frühere Schriftsätze) erörterten Kombinationen von Dokumenten legen den Gegenstand von Patentanspruch 1 ebenfalls nicht nahe. Um den Gegenstand von Patentanspruch 1 als nahegelegt zu bewerten, müsste sich daraus insbesondere ein hinreichend konkreter Anlass für ein Verfahren ergeben, dessen Befolgung gemäß Merkmal 4.3 [5] nicht nur den Einfluss von Empfindlichkeits- und Driftschwankungen der Sensormittel, sondern auch von äußeren Magnetfeldern auf die Genauigkeit der Bestimmung der Drehstellung verringert. Das vermag die Klägerin nicht aufzuzeigen, und das ist auch nicht ersichtlich. Entsprechendes gilt für die britische Patentschrift 1 096 198 aus dem Jahr 1963, die der gerichtliche Sachverständige seiner Begutachtung beigefügt hat und die die Klägerin aufgreift, um aufzuzeigen, dass es seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts bekannt war, Hall-Sensoren zur Bestimmung des Drehwinkels eines rotierenden Teils unter Nutzung der Messung von um 90 Grad versetzten Sensoren einzusetzen. Die bloße Bestimmung des Drehwinkels ist nicht Gegenstand von Patentanspruch 1, sondern wird dort vorausgesetzt. Dass die Anordnung von zwei Magnetfeldsensoren auf einer Achse mit Differenzbildung der Sensorsignale zur Unterdrückung von externen homogenen Störmagnetfeldern (Gradiometer) seit den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts bekannt sein soll, etwa aus der US-Patentschrift 3 064 185 und der britischen Patentschrift 1 033 452, die der gerichtliche Sachverständige ebenfalls herangezogen hat, und die Ausführungen der Klägerin dazu (Schriftsatz vom 24. Juni 2013 Rn. 31) lassen die Patentfähigkeit des Gegenstands von Patentanspruch 1 ebenso wenig in einem anderen Licht erscheinen wie das Postulat, der Fachmann habe lediglich die allgemein bekannte Lehre zur rechtwinkligen Anordnung von Sensoren zur Drehwinkelbestimmung mit der allgemein bekannten Lehre zu magnetischen Gradiometeranordnungen kombinieren müssen, um zum Gegenstand von Patentanspruch 1 zu gelangen. Technische Lösungen stellen sich bei nachträglicher abstrahierender Analyse nicht selten als Anwendung an sich bekannter naturwissenschaftlich-technischer Grundsätze dar, ohne dass es deshalb zwangsläufig im Vermögen eines durchschnittlich ausgebildeten und versierten Fachvertreters liegen muss, ohne weitere Anregungen solche Lösungen auszuarbeiten. So verhält es sich auch hier.

e) Schließlich lag auch eine Umgestaltung der in der NK18 beschriebenen Lösung im Sinne des Streitpatents nicht nahe. Angesichts des Umstands, dass die Reduzierung des Einflusses magnetischer Störfelder in der Schrift nicht erwähnt wird, ist ein Anlass für den Fachmann zur Abweichung von der dort gelehrten und als vorteilhaft angesehenen Antiparallelschaltung nicht erkennbar und wird auch von der Klägerin nicht aufgezeigt.

IV. Die Bejahung der Patentfähigkeit des Gegenstands von Patentanspruch 1 trägt auch die Rechtsbeständigkeit von Patentanspruch 6. Dieser betrifft eine Vorrichtung zur Bestimmung der Rotordrehstellung mit Hilfe des Verfahrens nach Anspruch 1 (with the method according to claim 1), so dass die Anforderungen, die sich aus dessen Merkmalsgruppen 5 und 6 ergeben, auch für Patentanspruch 6 gelten, auch wenn dieser die Zweckangabe des Patentanspruchs 1 (4.3) nicht ausdrücklich enthält.

V. Die jeweiligen mit angegriffenen Unteransprüche zu den nebengeordneten Ansprüchen 1 und 6 haben mit diesen Bestand.

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 6. Mai 2014

Vorinstanz: BPatG, vom 09.12.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 2 Ni 11/09 (EU)