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BGH - Entscheidung vom 31.08.2010

X ZB 9/09

Normen:
PatG §§ 14, 34 Abs. 3 Nr. 3; EPÜ Art. 69 Abs. 1, Art. 78 Abs. 1 lit. c
PatG § 2a Abs. 1 Nr. 2, § 5; EPÜ 2000 Art. 53 lit. c, Art. 57
PatG § 2a Abs. 1 Nr. 2
PatG § 14
PatG § 34 Abs. 3 Nr. 3
EPÜ Art. 69 Abs. 1
EPÜ Art. 78 Abs. 1 Buchst. c

Fundstellen:
GRUR 2010, 1081
GRURInt 2011, 336

BGH, Beschluss vom 31.08.2010 - Aktenzeichen X ZB 9/09

DRsp Nr. 2010/19156

Erwähnung einer in einem Patentanspruch enthaltenen Zweckangabe, Wirkungsangabe oder Funktionsangabe eines Erfindungsgegenstands als Orientierungshilfe für einen Fachmann bei der technisch-gegenständlichen Erfassung und Einordnung des Gegenstands der Lehre; Erfassung eines Verfahrens zur Bildunterstützung bei der gezielten Navigation eines in ein Hohlraumorgan des menschlichen oder tierischen Körpers invasiv eingeführten Katheters an einen pathologischen Ort im Hohlraumorgan von dem Patentierungsausschluss für Verfahren zur chirurgischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers; Ausschluss des Verfahrens zur Bildunterstützung bei Katheternavigation unter dem Gesichtspunkt fehlender Gewerblichkeit von der Patentierung

In einem Patentanspruch enthaltene Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben müssen sich nicht zwangsläufig auf den Gegenstand des Anspruchs oder auf dessen einzelne Merkmale beziehen. Sie können den Erfindungsgegenstand auch sprachlich zu solchen Gegenständen oder Verfahren in Beziehung setzen, die zur beanspruchten Lehre nur in einem bestimmten Sachzusammenhang stehen und deren Erwähnung dem Fachmann eine Orientierungshilfe bei der technisch-gegenständlichen Erfassung und Einordnung des Gegenstands der Lehre sein kann (hier: Bezeichnung eines Verfahrens als Verfahren bei der gezielten Navigation eines Katheters an einen pathologischen Ort in einem menschlichen oder tierischen Hohlraumorgan). Ein Verfahren zur Bildunterstützung bei der gezielten Navigation eines in ein Hohlraumorgan des menschlichen oder tierischen Körpers invasiv eingeführten Katheters an einen pathologischen Ort im Hohlraumorgan unterfällt nicht dem Patentierungsausschluss für Verfahren zur chirurgischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers, weil dieser nicht die Patentierung von Verfahren einschließt, die im Zusammenhang mit der Durchführung eines chirurgischen Verfahrens verwendet werden können (vgl. EPA, Große Beschwerdekammer, Entscheidung vom 15. Februar 2010 - G 1/07, Gliederungspunkt 5). Ein solches Verfahren ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt fehlender Gewerblichkeit von der Patentierung ausgeschlossen.

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 21. Senats des Bundespatentgerichts (Technischen Beschwerdesenats) vom 26. Mai 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

PatG § 2a Abs. 1 Nr. 2 ; PatG § 14 ; PatG § 34 Abs. 3 Nr. 3 ; EPÜ Art. 69 Abs. 1; EPÜ Art. 78 Abs. 1 Buchst. c;

Gründe:

A.

Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin (im Folgenden: S.) bezieht sich auf ihre am 17. Dezember 2003 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingegangene Patentanmeldung (DE 103 59 317), in deren Rahmen S. zuletzt die folgenden Patentansprüche formuliert hat:

"1. Verfahren zur Bildunterstützung bei der gezielten Navigation eines in ein Hohlraumorgan des menschlichen oder tierischen Körpers invasiv eingeführten medizinischen Instruments (5) als Katheter an einen pathologischen Ort (4) im Hohlraumorgan (2), bei welchem Verfahren anhand einer vorab mittels einer nicht-invasiven Untersuchungsmodalität aufgenommenen ersten Bilddarstellung zumindest eines Teils des Hohlraumorgans (2) die Position eines oder mehrerer pathologischer Orte (4) lokalisiert und die Bilddarstellung während der nachfolgenden Navigation des Instruments (5) zusammen mit einer zweiten kontinuierlichen angiografisch aufgenommenen Bilddarstellung zumindest eines Teils des Hohlraumorgans (2), in dem sich die Spitze des Instruments (5) befindet, wiedergegeben wird, wobei in der ersten Bilddarstellung der oder die pathologischen Orte (4) markiert und hervorgehoben dargestellt werden, wobei der oder die pathologischen Orte (4) in der ersten Bilddarstellung manuell durch den Benutzer oder automatisch unter Verwendung eines Bildanalysesystems lokalisiert und markiert werden und wobei die Angiografiebilder derart aufgenommen werden, dass sie die Katheterspitze des Instruments zeigen.

2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die mehrdimensionale Art der ersten Bilddarstellung der der Angiografie-Bilddarstellung entspricht.

3. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t, dass die erste Bilddarstellung und die Angiografie-Bilddarstellung miteinander registriert sind und miteinander fusioniert dargestellt werden.

4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Registrierung anhand anatomischer Landmarken, die in beiden Bilddarstellungen vorhanden sind, erfolgt.

5. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass kontinuierlich zu jeder aufgenommenen Angiografie-Bilddarstellung die Position/und oder Orientierung des Instruments (5) im Koordinatensystem eines Positionserfassungssystems erfasst wird, anhand welcher Positionsdaten die Registrierung mit zu der ersten Bilddarstellung im Koordinatensystem der Untersuchungsmodalität (1) erfassten vorhandenen Positionsdaten erfolgt."

Das DPMA hat die Anmeldung ebenso zurückgewiesen, wie das Bundespatentgericht die dagegen eingelegte Beschwerde (veröffentlicht in Mitt. 2009, 469 - Katheternavigation; CIPR 2009, 166). Dagegen richtet sich die vom Bundespatentgericht zugelassene Rechtsbeschwerde von S.

B.

Die kraft Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg und führt zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Patentgericht.

I. Den Anmeldungsunterlagen zufolge ist die koronare Herzerkrankung das Ergebnis der zugrunde liegenden koronaren Arteriosklerose und zeigt sich in Symptomen wie stabile oder instabile Angina und Herzinfarkt bis hin zum plötzlichen Herztod. In 85 % der Fälle sei für die akuten Symptome eine bestimmte Form der Arteriosklerose verantwortlich, und zwar die "Vulnerable Plaques". Dabei - und im Unterschied zu stabilen, kalzifizierenden Stenosen - sei der Blutfluss in den Koronararterien nur unwesentlich, meist gar nicht behindert. Dies sei auf das sogenannte positive Remodelling zurückzuführen. Dabei vergrößere sich der Plaque zunächst nicht in das Lumen des Gefäßes, sondern in die Gefäßwand selbst. Dadurch seien die Vulnerable Plaques in der konventionellen Angiografie weder zu detektieren noch zu diagnostizieren und eine Differenzierung der verschiedenen Plaquepathologien nicht möglich. Zu diesem Zweck seien verschiedene bildgebende invasive Methoden entwickelt worden, die verschiedene Eigenschaften der Vulnerable Plaques zur Diagnose ausnutzten bzw. die Morphologie hochauflösend darstellten. Als bildgebende invasive Untersuchungsverfahren seien z. B. die intravaskuläre Ultraschalluntersuchung (IVUS) oder die optische Kohärenztomografie (OCT), als nicht-invasive Methoden die Magnetresonanz- und Computertomografie zu nennen.

An der invasiven optischen Kohärenztomographie wird in den Anmeldungsunterlagen bemängelt, dass jeder Gefäßast abgefahren werden müsse, da mittels einer parallel durchgeführten Röntgenangiografieüberwachung zwar die Katheterbewegungen, nicht aber die Vulnerable Plaques lokalisiert werden könnten. Dies führe zu verlängerten Untersuchungszeiten sowie zu einer Erhöhung von Risiko und Strahlenbelastung für den Patienten. Hauptnachteil der nicht-invasiven Methoden der Magnetresonanz- und Computertomografieuntersuchung sei demgegenüber die mangelnde Ortsauflösung, derzufolge eine Aussage über die Dicke der fibrösen Plaquekappe, die ein wesentliches Kriterium zur Risikoabschätzung darstelle, nicht möglich sei.

Die Erfindung solle ein Verfahren angeben, das zur Verringerung des Patientenrisikos und zur Herabsetzung der Strahlenbelastung während der zur Untersuchung des Hohlraumorgans zwingend durchzuführenden invasiven Methode ein einfaches Navigieren und damit schnelles Auffinden und Lokalisieren der relevanten pathologischen Orte, insbesondere der Vulnerable Plaques zulasse. Dazu wird mit dem im Erteilungsverfahren zuletzt formulierten Patentanspruch 1 (Gliederungspunkte M1 bis M6 des Bundespatentgerichts in eckigen Klammern) ein Verfahren zur Bildunterstützung bei der gezielten Navigation eines in ein Hohlraumorgan des menschlichen oder tierischen Körpers invasiv eingeführten medizinischen Instruments als Katheter an einen pathologischen Ort im Hohlraumorgan [M1] vorgeschlagen, bei welchem

1. anhand einer vorab mittels einer nicht-invasiven Untersuchungsmodalität aufgenommenen ersten Bilddarstellung zumindest eines Teils des Hohlraumorgans die Position eines oder mehrerer pathologischer Orte manuell durch den Benutzer oder automatisch unter Verwendung eines Bildanalysesystems

a) lokalisiert [M2, M5],

b) markiert [M4, M5], und

c) hervorgehoben dargestellt werden [M4, M5] und

2. die Bilddarstellung während der nachfolgenden Navigation des Instruments zusammen mit einer zweiten kontinuierlichen angiografisch aufgenommenen Bilddarstellung zumindest eines Teils des Hohlraumorgans, in dem sich die Spitze des Instruments befindet, wiedergegeben wird [M3],

3. wobei die Angiografiebilder derart aufgenommen werden, dass sie die Katheterspitze des Instruments zeigen [M6].

Die den Anmeldungsunterlagen beigefügte Zeichnung illustriert das Verfahren schematisch. Das rechte obere Bild (3) veranschaulicht die erste und das linke obere Bild (8) die zweite, kontinuierliche angiografisch aufgenommene Bilddarstellung, während das untere Bild (10) zeigt, wie beide Bilddarstellungen entsprechend Patentanspruch 3 miteinander registriert und fusioniert sind:

II. 1. Das Patentgericht hat das beanspruchte Verfahren als ein solches zur chirurgischen Behandlung des menschlichen Körpers eingeordnet, das nach § 5 Abs. 2 PatG a.F. als nicht gewerblich gelte bzw. das nach dem Patentierungsausschluss in § 2a Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 PatG nicht patentierbar sei. Zu dem beanspruchten Verfahren gehöre als ein Verfahrensschritt, dass chirurgisch zur Untersuchung eines Organs bzw. zum Auffinden von pathologischen Orten in den lebenden Körper eines Menschen oder eines Tieres eingegriffen und ein Katheter in ein Hohlraumorgan invasiv eingeführt und gezielt an einen pathologischen Ort navigiert werde. Beim Legen eines Katheters handle es sich um eine als Verfahren zur chirurgischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers einzustufende Intensivtechnik. Um den Katheter sichtbar zu machen und seine Bewegung zu verfolgen werde er kontinuierlich aufgenommen und dargestellt (Merkmalsgruppe M3 und M6). Die weiteren Schritte gemäß den Merkmalsgruppen M2 bis M5 seien nicht dazu geeignet, den chirurgischen Charakter des gesamten Verfahrens in Frage zu stellen. Bei dem beanspruchten Eingriff handle es sich weder um ein vom Patentierungsverbot nicht berührtes Hilfsverfahren auf dem Gebiet der Chirurgie (z. B. Verfahren zur Desinfektion), noch um einen dem Stechen von Ohrlöchern oder Verabreichen von Injektionen vergleichbaren, mangels Erheblichkeit nicht als chirurgisch einzustufenden Eingriff. Vielmehr könne das Verfahren ohne das Legen eines Katheters nicht durchgeführt werden, da dessen gezielte Navigation ohne invasive Einführung in den Körper gar nicht möglich sei. Demgegenüber könne das Argument von S., dass es zwar in den Tätigkeitsbereich des Arztes falle, den Katheter zu den lokalisierten und markierten pathologischen Orten zu navigieren, diese Navigation jedoch gar nicht Teil des Verfahrens sei, nicht überzeugen, denn die Tätigkeit des Arztes ende nicht mit dem Beginn der Kathetereinführung, sondern umfasse den gesamten Navigationsvorgang des Katheters vom Einbringen der Katheterspitze (z. B. in der Leistengegend) bis zur Navigation an den endgültigen Zielort, da die fortlaufende Bewegung des Katheters während der "gezielten Navigation" einen erheblichen chirurgischen Eingriff bedeute. Dem widerspreche auch nicht, dass die pathologischen Orte bereits vorher möglicherweise von einem anderen Benutzer lokalisiert und markiert worden seien, denn ein an sich chirurgisches Verfahren verliere diesen Charakter nicht dadurch, dass es in nicht-chirurgische Teilschritte eingebettet sei. Vielmehr komme mehrstufigen Verfahren, bei denen ein chirurgisches (Teil-)Verfahren ein notwendiger Teil des Gesamtverfahrens sei, als Ganzes ein chirurgischer Charakter zu, demzufolge sie insgesamt nicht patentierbar seien.

III. Das greift die Rechtsbeschwerde mit Erfolg an.

1. Das Verfahren, dessen Patentierung S. erstrebt, unterfällt nicht dem Patentierungsverbot des § 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG . Die Ansicht des Patentgerichts, dass die gezielte Navigation eines invasiv an einen pathologischen Ort in einem menschlichen Hohlraumorgan geführten Katheters mit zum Gegenstand der Anmeldung gehören und dieser das Gepräge einer von der Patentierung auszuschließenden chirurgischen Behandlung geben soll, beruht auf einer unzutreffenden Auslegung von Patentanspruch 1.

a) In den einer Patentanmeldung beigefügten Patentansprüchen ist zwar anzugeben, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll (§ 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG ), und gemäß § 14 PatG ist alles, was im Wortlaut eines Patentanspruchs Ausdruck gefunden hat, bei der Auslegung, wie dieser nach objektiven Kriterien aus fachlicher Sicht zu bewerten ist (Senat, Beschluss vom 29. Juni 2010 - X ZR 193/03 Tz. 13 - Crimpwerkzeug III, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen), zu berücksichtigen (BGHZ 160, 204 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung), da für die Feststellung des Offenbarungsgehalts einer Patentanmeldung nichts anderes als für die Auslegung der Lehre eines erteilten Patentanspruchs gilt (Senat, Beschluss vom 8. Juli 2008 - X ZB 13/06, GRUR 2008, 887 - Momentanpol II). Aus diesen gesetzlichen Vorgaben folgt aber nicht, dass alle sprachlichen Elemente eines formulierten Patentanspruchs Merkmale des Gegenstands beschreiben, der mit dem Anspruch unter Schutz gestellt werden soll. So können Sach- bzw. Vorrichtungsansprüche Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben enthalten, die nur unter besonderen Voraussetzungen als Bestandteile des Patentanspruchs an dessen Aufgabe teilnehmen, den geschützten Gegenstand zu bestimmen und damit zugleich zu begrenzen etwa im Hinblick auf dessen vorausgesetzte Eignung. Im Allgemeinen wird die Sache oder Vorrichtung aber unabhängig von dem Zweck, zu dem sie nach den Angaben im Patentanspruch verwendet werden soll, durch räumlichkörperlich umschriebene Merkmale als Schutzgegenstand definiert (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 2006 - X ZR 105/04, GRUR 2006, 923 Rn. 15; Urteil vom 28. Mai 2009 - Xa ZR 140/05, GRUR 2009, 837 Rn. 15 - Bauschalungsstütze). In solchen Fällen benennen Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben keine Merkmale des unter Schutz gestellten Gegenstands. Entsprechendes gilt grundsätzlich auch für gegebenenfalls in Verfahrensansprüchen enthaltene Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben (vgl. Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz , 6. Aufl., § 14 Rn. 52). Zweck-, Wirkungs- bzw. Funktionsangaben müssen sich des Weiteren nicht zwangsläufig auf den Gegenstand des Anspruchs bzw. einzelne seiner Merkmale beziehen. Es ist einem Anmelder vielmehr unbenommen, den Erfindungsgegenstand im Patentanspruch sprachlich auch zu solchen Erzeugnissen oder Verfahren in Beziehung zu setzen, die zur beanspruchten Lehre in einem bestimmten Sachzusammenhang stehen und deren Erwähnung dem Fachmann eine Orientierungshilfe bei der technischgegenständlichen Erfassung und Einordnung des Gegenstands der Lehre sein kann.

Ob die einzelnen Angaben in einem formulierten Patentanspruch als Merkmale definierend oder beispielsweise als Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben den Erfindungsgegenstand im zuletzt dargestellten Sinne charakterisierende Daten zu verstehen sind, ist daher als Teil der Auslegung des Patentanspruchs nach den hierfür geltenden Grundsätzen zu bestimmen.

b) Hiernach gehört im vorliegenden Fall die gezielte Navigation des invasiv eingeführten medizinischen Elements als Katheter an einen pathologischen Ort in einem menschlichen Hohlraumorgan nicht zu den Merkmalen der beanspruchten Lehre.

aa) Weder die formulierten Ansprüche noch die gesamten Anmeldungsunterlagen widmen sich in irgendeiner Weise den Modalitäten der Katheteruntersuchung selbst - etwa der Steuerung des Einsatzes oder sonst der Arbeitsweise dieses Instruments -, sondern setzen die Durchführung der Katheteruntersuchung als außerhalb des beanspruchten Verfahrensgegenstands liegenden Ablauf voraus, über den zu disponieren allein der die Untersuchung vornehmenden Person obliegt.

bb) Wie im Laufe des Erteilungsverfahrens durch Einfügung der Worte "...Bildunterstützung bei der..." in dem Anspruch klargestellt worden ist, - ohne damit über die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen hinauszugehen -, ist Gegenstand der beanspruchten Lehre ein Bildunterstützungsverfahren. Dieses steht zwar ausweislich der Präposition "bei" in einer engen sachlichtechnischen und räumlich-zeitlichen Beziehung zu einer Katheternavigation, weil der Einsatz des Bildgebungsverfahrens durch die Vornahme einer solchen Untersuchung in einem Blutgefäß bedingt ist und sich darauf bezieht. Gleichwohl wird in dem Anspruch sachlich zwischen dem Bildgebungsverfahren und der Katheternavigation unterschieden. Dass Letztere entsprechend der Spruchpraxis der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts als Verfahren zur chirurgischen Behandlung zu bewerten ist (vgl. EPA, Entscheidung vom 30. Juli 1993 - T 182/90 unter 2.3 der Entscheidungsgründe; Entscheidung vom 29. September 1999 - T 35/99, Ziffern 2 und 10 der Entscheidungsgründe), ist vorliegend ohne Einfluss auf die Beurteilung des Anmeldungsgegenstands und kann unterstellt werden, weil die Navigation selbst kein Abschnitt des beanspruchten Verfahrens ist. Dieses ist vielmehr als ein Verfahren konzipiert, dessen erster Schritt einer solchen Untersuchung vorausgeht, indem zunächst anhand einer ersten Bilddarstellung pathologische Orte am Hohlraumorgan lokalisiert, markiert und hervorgehoben dargestellt werden (Merkmalsgruppe 1). Diese Darstellung erfolgt mittels eines nicht-invasiven Verfahrens, das ersichtlich nicht als chirurgische Behandlung einzuordnen ist. Der zweite Verfahrensschritt findet dann zwar zeitgleich mit der Katheternavigation statt. Denn es werden dabei die gemäß der Merkmalsgruppe 1 erstellte und eine zweite, kontinuierliche angiografisch aufgenommene Bilddarstellung zumindest des Teils des Hohlraumorgans, in dem sich während der Navigation des Instruments dessen Spitze befindet, gleichzeitig wiedergegeben (Merkmale 2 und 3). Der damit sicherlich gegebene enge medizinisch-technische Bezug zu der durchgeführten Katheternavigation ändert aber nichts daran, dass der beanspruchte Patentanspruch zwischen dem Bildgebungsverfahren und der Katheternavigation unterscheidet und auch die Patentanmeldung nur erkennen lässt, für das Bildgebungsverfahren eine Lehre zum technischen Handeln zu geben.

dd) In diesem Punkt unterscheidet sich das von S. vorgeschlagene Verfahren von demjenigen, auf das sich Leitsatz 1 der Entscheidung G 1/07 der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts vom 15. Februar 2010 bezieht. Dort ging es um ein Bildgebungsverfahren zur Magnetresonanzdarstellung der Lungen- und/oder Herzgefäße, bei dem polarisiertes Xenon, das eine gelöste Bildgebungsphase umfasst, verabreicht wird, und zwar unter anderem durch Injektion in eine Herzregion. Diese Maßnahme, in der die Große Beschwerdekammer ein Verfahren zur chirurgischen Behandlung des menschlichen Körpers gesehen hat, war konstitutiver Bestandteil des dort beanspruchten Bildgebungsverfahrens, und nicht, wie vorliegend, ein außerhalb eines solchen Verfahrens liegender Vorgang.

2. Dafür, den Ausschlusstatbestand von § 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG wegen des engen sachlich-technischen und räumlich-zeitlichen Zusammenhangs zueiner Katheteruntersuchung auf das beanspruchte Bildgebungsverfahren anzuwenden, besteht kein Raum. Insoweit teilt der Senat die Auffassung der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts, dass Art. 53 lit. c EPÜ die Patentierung von chirurgischen Verfahren verbietet, nicht aber die Patentierung von Verfahren, die im Zusammenhang mit der Durchführung eines solchen Verfahrens verwendet werden können. Die Große Beschwerdekammer hat deshalb angenommen, dass etwa ein Bildgebungsverfahren, welches einen Chirurgen in den Stand versetzt, während eines operativen Eingriffs aufgrund der von dem Verfahren gelieferten Bilddaten zu entscheiden, welche Maßnahmen er zur Weiterführung des chirurgischen Eingriffs ergreift, nicht vom Patentierungsausschluss umfasst ist (vgl. Entscheidung vom 15. Februar 2010 - G 1/07, Gliederungspunkt 5).

In Übereinstimmung mit dieser Sicht kommt im vorliegenden Fall eine Ausweitung des Patentierungsausschlusses für Verfahren zur chirurgischen Behandlung auf Verfahren, die, wie das von S. beanspruchte, lediglich mit einer solchen Behandlung eng verbunden sind, nicht in Betracht.

IV. Die Entscheidung über die Beschwerde von S. gegen die Zurückweisung der Anmeldung kann danach mit der im angefochtenen Beschluss gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Dieser ist deshalb unter Zurückverweisung der Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Bundspatentgericht aufzuheben (§ 108 Abs. 1 PatG ).

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Das Bundespatentgericht hat - auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung folgerichtig - offen gelassen, ob der Gegenstand von Patentanspruch 1 als Diagnostizierverfahren von der Patentierung auszuschließen ist. Auch auf diesen Ausschlussgrund wird die Entscheidung nicht gestützt werden können.

Ein am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommenes, Art. 52 Abs. 4 EPÜ 1973 unterfallendes Diagnostizierverfahren liegt nach der Spruchpraxis des Europäischen Patentamts nur vor, wenn es als Verfahrensschritte die Untersuchungsphase mit der Sammlung von Daten, den Vergleich dieser Daten mit Normwerten, die Feststellung einer signifikanten Abweichung und die Zuordnung der Abweichung zu einem bestimmten Krankheitsbild (Diagnose) umfasst (vgl. EPA, Große Beschwerdekammer, Stellungnahme vom 16. Dezember 2005 - G 1/04, GRUR Int. 2006, 514, insb. Gliederungspunkte 5 und 6.2.2 der Begründung; vgl. auch BPatG, Beschluss vom 6. März 2008 - 21 W(pat) 45/05, GRUR 2008, 981 - Verfahren zur gesundheitlichen Orientierung).

Von dieser Beurteilung abzuweichen bietet der vorliegende Fall keine Veranlassung. Danach erfüllt das beanspruchte Verfahren nicht die Voraussetzungen des mit Art. 52 Abs. 4 EPÜ 2000 sachlich übereinstimmenden (vgl. dazu nachstehend IV 2 a) Patentierungsausschlusses für diagnostische Verfahren in § 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG . Es mag zwar mit der ersten Bilddarstellung (Merkmalsgruppe 1) aufgrund einer am menschlichen Körper vorgenommenen Untersuchung Bilddaten liefern, die der Lokalisierung, Markierung und hervorgehobenen Darstellung pathologischer Orte eines Hohlraumorgans dienen (vgl. Offenlegungsschrift, Tz. 7 der Beschreibung) und damit für die spätere Erstellung einer Diagnose hilfreich sein. Damit stellt dieser Verfahrensschritt aber allenfalls ein für eine Krankheitsbestimmung relevantes Zwischenverfahren dar, was für sich den Patentierungsausschluss indes nicht begründet (vgl. Busse/Keukenschrijver aaO. § 5 Rn. 35 mwN in Fn. 138; Schulte/Moufang, Patentgesetz , 8. Aufl., § 2a Rn. 85). Denn der weitere beanspruchte Verfahrensgang macht deutlich, dass es nicht um eine Diagnose geht. Das zweite Bildgebungsverfahren dient räumlich allein der kontinuierlichen Aufnahme der Katheterspitze; die für die Befunderhebung maßgeblichen Daten dürften nach dem gesamten Inhalt der Anmeldungsunterlagen maßgeblich über den Katheter selbst geliefert werden, dessen Führung, wie ausgeführt, aber nicht Bestandteil des beanspruchten Verfahrens ist.

2. Auch die gewerbliche Anwendbarkeit der Erfindung i. S. von § 1 Abs. 1 , § 5 PatG wird nicht verneint werden können.

a) Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers waren im Patentgesetz ursprünglich, im Gleichklang mit der Regelung in Art. 52 Abs. 4 EPÜ 1973, durch gesetzliche Fiktion als nicht gewerblich anwendbare Erfindungen definiert (vgl. Benkard/Asendorf/Schmidt, PatG , 10. Aufl., § 5 Rn. 18). Wiederum in Übereinstimmung mit der Umformulierung der Regelung in Art. 52 Abs. 4 EPÜ 1973 in den Patentierungsausschluss des Art. 53 lit. c EPÜ 2000, ist § 5 Abs. 2 PatG a.F. in den jetzigen Ausschlusstatbestand in § 2a Abs. 1 Nr. 2 überführt worden (Art. 2 Nr. 3 des Gesetzes zur Umsetzung der Akte vom 29. November 2000 zur Revision des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente vom 25. August 2007, BGBl. I S. 2166). Dabei war es nicht die Absicht des deutschen Gesetzgebers, bei der Angleichung des nationalen Rechts an das EPÜ 2000 die bestehende materielle Rechtslage zu verändern, sondern, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der bisherige Standort der Regelung unter dem Tatbestandsmerkmal "gewerblich anwendbare Erfindung" jedenfalls nach der zuletzt geltenden Systematik der Ausschlusstatbestände nicht mehr stimmig war, weil der Ausschluss der Patentierbarkeit nicht auf mangelnder gewerblicher Anwendbarkeit der Verfahren im eigentlichen Sinne beruht, sondern auf grundsätzlichen rechts- bzw. gesundheitspolitischen Erwägungen, ohne dass damit eine inhaltliche Neuerung verbunden sein sollte (BT-Drucks. 16/4382 S. 11).

Vor diesem Hintergrund verbietet es sich, § 5 PatG nunmehr als Auffangtatbestand auszulegen, mit dem solche Verfahren unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Gewerblichkeit erfasst und von der Patentierung ausgenommen werden könnten, die bisher zwar in den Bereich des Regelungsgegenstands von § 5 Abs. 2 PatG a.F. gehörten, aber im Ergebnis nicht die Voraussetzung der fehlenden gewerblichen Anwendbarkeit erfüllten und nach dem Sinn und Zweck der Neuregelung auch nicht den Ausschlusstatbestand in § 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG erfüllen.

b) Das beanspruchte Verfahren wäre aus denselben Gründen, aus denen es nicht unter den in § 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG geregelten Patentierungsausschluss fällt, nicht nach § 5 Abs. 2 PatG a.F. von der Patentierung ausgeschlossen gewesen. Die gegenteilige Ansicht des Deutschen Patent- und Markenamts, die daran anknüpft, dass der Arzt kein Gewerbe ausübt, beruht auf dem unzutreffenden Verständnis von dem angemeldeten Verfahren als einer Methode, von der die - von einem Arzt vorgenommene - Katheterführung als ein Verfahrensschritt umfasst wäre. Es kann deshalb offenbleiben, ob es überhaupt noch gerechtfertigt ist, den Begriff der gewerblichen Anwendbarkeit danach abzugrenzen, ob der Erfindungsgegenstand im Rahmen der Ausübung eines freien Berufs etwa i. S. von § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG , namentlich des Arzt-, Zahnarzt- oder Tierarztberufs benutzt wird oder ob es nicht ohnehin geboten ist, den in § 5 PatG verwendeten Gewerbebegriff als eine Kategorie des mit dem Europäischen Patentübereinkommen harmonisierten und deshalb autonom zu bestimmenden nationalen Rechts (Keukenschrijver aaO. § 5 Rn. 12) umfassend auszulegen (Keukenschrijver aaO. Rn. 17; Pagenberg in: Münchner Gemeinschaftskommentar zum EPÜ Art. 57 Rn. 8 ff.).

Das Beschwerdegericht wird deshalb nunmehr die weiteren Voraussetzungen der Patentierbarkeit zu prüfen haben, insbesondere auch, ob die erfinderische Tätigkeit für das zwei an sich bekannte Bildgebungsverfahren verknüpfende Verfahren bejaht werden kann.

Vorinstanz: BPatG, vom 26.05.2009 - Vorinstanzaktenzeichen (pat) 45/06
Fundstellen
GRUR 2010, 1081
GRURInt 2011, 336