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BGH - Entscheidung vom 11.12.2014

III ZR 169/14

Normen:
BJagdG § 29 Abs. 1 Satz 1 und 3
BJagdG § 29 Abs. 1 S. 1
BJagdG § 29 Abs. 1 S. 3

Fundstellen:
AUR 2015, 295
NJW-RR 2015, 434
NZM 2015, 345
NZM
VersR 2015, 850

BGH, Versäumnisurteil vom 11.12.2014 - Aktenzeichen III ZR 169/14

DRsp Nr. 2015/976

Haftungsfolgen bei nur eingeschränkter Übernahme der Haftung für Wildschäden durch den Pächter eines Jagdbezirks im Vertrag mit der Jagdgenossenschaft

Übernimmt der Pächter eines Jagdbezirks im Vertrag mit der Jagdgenossenschaft die Haftung für Wildschäden nur eingeschränkt - indem etwa im Vertrag nach der Art der geschädigten Pflanzen oder nach der Art des schadensverursachenden Wildes differenziert, die Haftung durch Höchstbeträge oder Quoten begrenzt, vom Verschulden des Pächters, der Erstellung von Schutzvorrichtungen durch den Eigentümer oder von sonstigen Bedingungen abhängig gemacht wird verbleibt es im nicht übernommenen Umfang bei der Haftung der Jagdgenossenschaft gegenüber dem geschädigten Eigentümer.

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Traunstein vom 9. Mai 2014 im Kostenpunkt - ausgenommen die Entscheidung über die von den Beklagten zu 1 und 2 zu tragenden Gerichtskosten sowie deren außergerichtliche Kosten - und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Laufen vom 23. April 2013 in Richtung auf die Beklagte zu 3 zurückgewiesen sowie die in der Berufungsinstanz erweiterte Klage gegenüber der Beklagten zu 3 abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

BJagdG § 29 Abs. 1 S. 1; BJagdG § 29 Abs. 1 S. 3;

Tatbestand

Die Kläger sind Eigentümer mehrerer in der Gemarkung A. bei B. liegender Waldgrundstücke, die Teil des gemeinschaftlichen Jagdbezirks der beklagten Jagdgenossenschaft (Beklagte zu 3) sind. Diese hatte den Jagdbezirk mit Vertrag vom 4. Februar 2000 vom 1. April 2000 bis 31. März 2012 an den Beklagten zu 1 verpachtet. Zum Wildschadensersatz enthält der Vertrag und die diesem beigefügte Anlage Nr. 2 folgende Regelungen:

"§ 7 Wildschadensersatz

(1) Der Pächter ist zum Wildschadensersatz verpflichtet.

...

§ 13 Zusätzliche Vereinbarungen

vergleiche hierzu Anlage Nr. 2 zum Jagdpachtvertrag vom 04. Februar 2000"

"Jagdgenossenschaft A. Anlage Nr. 2 zum Jagdpachtvertrag vom 04. Februar 2000

§ 13 - Zusätzliche Vereinbarungen zum Jagdpachtvertrag

...

2. In Verbindung mit § 7 des oben angeführten Jagdpachtvertrages (Wildschadensersatz) verpflichtet sich der Jagdpächter, eine im Abschußplan vorgegebene Schwerpunktbejagung vorrangig durchzuführen. Durch den Grundstückseigentümer, den Jagdvorstand und Jagdpächter festgestellte Wildschäden sind nachfolgend zu erstatten: 2.1 Erstattung der Pflanzen - Gestehungskosten 2.2 pro 100 Stück Forstpflanzen werden zusätzlich DM 50,00 Arbeitslohn für die Pflanzung erstattet."

Ab 1. April 2012 hatte die Beklagte zu 3 den Jagdbezirk mit Vertrag vom 20. Juni 2011 an den Beklagten zu 2 verpachtet. Der Vertrag enthielt zum Wildschadensersatz eine identische Regelung; lediglich der Arbeitslohn für die Pflanzung war mit 30 € festgelegt.

Die Kläger haben die Beklagten - in unterschiedlicher Höhe - nach Durchführung eines Vorverfahrens auf (weiteren) Ersatz von in den Monaten Oktober 2011 bis einschließlich April 2012 entstandener Wildschäden in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen haben die Kläger Berufung eingelegt und in zweiter Instanz die Klage erweitert. Die Berufung und die erweiterte Klage gegen die Beklagten zu 1 und 2 haben Erfolg gehabt. Bezüglich der Beklagten zu 3 hat das Landgericht die Berufung zurückgewiesen und die erweiterte Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, soweit es um die Haftung der Beklagten zu 3 geht.

Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu befinden. Die Entscheidung beruht aber inhaltlich nicht auf der Säumnis der Beklagten zu 3, sondern auf der Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstands (vgl. Senat, Versäumnisurteil vom 22. Januar 2009 - III ZR 192/08, NJW-RR 2009, 601 Rn. 8; BGH, Versäumnisurteil vom 19. Juli 2011 - II ZR 246/09, BGHZ 190, 291 Rn. 7 mwN).

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht den Klägern bereits dem Grunde nach kein Anspruch gegen die beklagte Jagdgenossenschaft zu. Denn die Beklagten zu 1 und 2 hätten die nach § 29 Abs. 1 Satz 1 BJagdG die Beklagte zu 3 treffende Verpflichtung zum Wildschadensersatz nach § 29 Abs. 1 Satz 3 BJagdG übernommen. Zwar bleibe bei nur teilweiser Übertragung der Ersatzpflicht auf den Pächter im Übrigen die Haftung der Jagdgenossenschaft bestehen. Die Beklagten zu 1 und 2 hätten die Ersatzpflicht jedoch in § 7 Abs. 1 der Pachtverträge uneingeschränkt übernommen. Daran ändere der Umstand nichts, dass durch § 13 der Pachtverträge in Verbindung mit der dort jeweils in Bezug genommenen Anlage diese Ersatzpflicht inhaltlich eingeschränkt worden sei. Denn danach sei vom Pächter Wildschadensersatz nicht für alle geschädigten, sondern lediglich für diejenigen Pflanzen zu leisten, die nach den Grundsätzen einer ordentlichen Wirtschaft schadensbedingt ersetzt werden müssten. Dies folge daraus, dass nur die Kosten einer Ersatzpflanzung - und diese dann auch nur in der angegebenen (eingeschränkten) Höhe - zu erstatten seien. Diese beschränkte Ersatzpflicht, die auch der Verurteilung der Beklagten zu 1 und 2 zugrunde liege, könne aber nicht mit einer nur teilweisen Übernahme der Ersatzpflicht gleichgesetzt werden. Auch aus § 29 Abs. 1 Satz 4 BJagdG folge keine Haftung der Beklagten zu 3. Zwar bleibe die Ersatzpflicht der Jagdgenossenschaft bestehen, soweit der Geschädigte Ersatz vom Pächter nicht erlangen könne. Hiermit sei aber lediglich eine Ausfallhaftung für den Fall gemeint, dass der Pächter nicht leistungsfähig sei. Dazu hätten die Kläger aber nichts vorgetragen. Soweit sich die haftungsbeschränkende Regelung im Pachtvertrag damit im Ergebnis zu Lasten der Kläger auswirke, bestünden hiergegen keine rechtlichen Bedenken. Die Kläger seien nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BJagdG selbst Mitglieder der Beklagten zu 3 und hätten in der Versammlung der Jagdgenossen, die nach der Satzung der Beklagten zu 3 über die Pachtverträge zu entscheiden habe, auf die Willensbildung der Versammlung Einfluss nehmen können. Dass es insoweit um Mehrheitsbeschlüsse (§ 9 Abs. 3 BJagdG ) gehe und den Klägern kein Vetorecht zugestanden habe, sei dagegen nicht entscheidungserheblich. Die Kläger könnten jedenfalls nicht wie ein außerhalb des Vertrags stehender Dritter behandelt werden, sodass nicht von einem unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter gesprochen werden könne.

II.

Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Landgerichts haftet die Beklagte zu 3 nach § 29 Abs. 1 Satz 1 BJagdG , soweit in den streitgegenständlichen Pachtverträgen inhaltliche Einschränkungen der Haftung der Pächter vereinbart worden sind.

Die Ersatzpflicht für Wildschäden ist in § 29 Abs. 1 BJagdG wie folgt geregelt:

"1Wird ein Grundstück, das zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehört oder einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk angegliedert ist (§ 5 Abs. 1), durch Schalenwild, Wildkaninchen oder Fasanen beschädigt, so hat die Jagdgenossenschaft dem Geschädigten den Wildschaden zu ersetzen. ... 3Hat der Jagdpächter den Ersatz des Wildschadens ganz oder teilweise übernommen, so trifft die Ersatzpflicht den Jagdpächter. 4Die Ersatzpflicht der Jagdgenossenschaft bleibt bestehen, soweit der Geschädigte Ersatz von dem Pächter nicht erlangen kann."

Die Ersatzpflicht trifft damit grundsätzlich die Jagdgenossenschaft. Hat diese vertraglich die Haftung ganz oder teilweise auf den Pächter übertragen, vermittelt § 29 Abs. 1 Satz 3 BJagdG dem Geschädigten insoweit einen unmittelbaren Anspruch gegen den Pächter (vgl. nur Senat, Urteil vom 5. Mai 2011 - III ZR 91/10, NJW-RR 2011, 1106 Rn. 15 mwN). Hat der Pächter den Ersatz des Wildschadens nur teilweise übernommen, verbleibt es logischerweise in dem nicht übernommenen Umfang bei der Haftung der Jagdgenossenschaft gegenüber dem Geschädigten nach § 29 Abs. 1 Satz 1 BJagdG (vgl. auch Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Bd. 2, Loseblattsammlung, Stand September 2011, § 29 BJagdG Rn. 7; Kopp, Das Jagdrecht in Hessen, § 29 BJagdG Rn. 9 i.V.m. Rn. 11; Leonhardt, Jagdrecht, Loseblattsammlung, Stand September 2014, § 29 BJagdG Erl. 7.1.3; Lorz/Metzger/Stöckel, Jagdrecht, 4. Aufl., § 29 BJagdG Rn. 8; Mitzschke/Schäfer, BJagdG , 4. Aufl., § 29 Rn. 11; Pardey, Jagdrecht in Niedersachsen, Loseblattsammlung, Stand Mai 2014, § 29 BJagdG Anm. 4.1; Schuck/Stamp, BJagdG , § 29 Rn. 24; Thies, Wild- und Jagdschaden, 9. Aufl., S. 37 f; siehe auch LG München II, RdL 1976, 210, 211; OLG Hamm, RdL 1983, 238, 239).

Rechtsfehlerhaft ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass eine inhaltliche Einschränkung der Verpflichtung des Pächters zum Wildschadensersatz im Pachtvertrag keine (nur) teilweise Übernahme des Wildschadens sei. Übernimmt der Pächter den Wildschadensersatz nicht in dem vollen Umfang, wie es der Haftung der Jagdgenossenschaft nach § 29 Abs. 1 Satz 1 BJagdG entspricht, liegt hierin denknotwendig nur eine teilweise Übernahme, die dazu führt, dass die Jagdgenossenschaft weiter insoweit haftet, als keine Haftungsübernahme des Pächters vorliegt. Hierbei spielt es keine Rolle, wie die Beschränkung ausgestaltet ist. Insoweit ist es ohne Bedeutung, ob etwa nach der Art der geschädigten Pflanze oder nach der Art des schadensverursachenden Wildes differenziert wird, die Haftung durch Höchstbeträge oder Quoten begrenzt, vom Verschulden des Pächters, der Erstellung von Schutzvorrichtungen durch den Eigentümer oder von sonstigen Bedingungen abhängig gemacht wird (vgl. zu entsprechenden Einschränkungen nur Leonhardt aaO und - Stand Juli 2013 - Erl. 1.5; Mitzschke/Schäfer aaO Rn. 10; Schuck/Stamp aaO; Thies aaO S. 38). Dementsprechend wird im Schrifttum, soweit sich dieses näher mit der Frage der teilweisen Übernahme des Wildschadensersatzes befasst, zutreffend nicht nach der Art der Haftungsbeschränkung differenziert, sondern in allen Fällen die Jagdgenossenschaft als haftbar angesehen (vgl. nur Kopp aaO Rn. 11; Leonhardt aaO Anm. 7.1.3; Mitzschke/Schäfer aaO Rn. 11; Pardey aaO; Schuck/Stamp aaO; Thies aaO).

Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da sie mangels Feststellungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil zum Umfang des weitergehenden ersatzpflichtigen Wildschadens noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 , 3 ZPO ).

Vorinstanz: AG Laufen, vom 23.04.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 1 C 632/12
Vorinstanz: LG Traunstein, vom 09.05.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 5 S 1918/13
Fundstellen
AUR 2015, 295
NJW-RR 2015, 434
NZM 2015, 345
NZM
VersR 2015, 850