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BGH - Entscheidung vom 21.08.2014

1 StR 209/14

Normen:
UStG § 14 Abs. 2 S. 2
UStG § 14c Abs. 2 S. 2
AO § 35

Fundstellen:
AO-StB 2015, 126
NStZ 2015, 282
NStZ
wistra 2015, 33

BGH, Beschluss vom 21.08.2014 - Aktenzeichen 1 StR 209/14

DRsp Nr. 2014/16254

Erstellung und Verwendung von Scheingutschriften i.R.d. Umsatzsteuerberechnung als Steuerhinterziehung

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19. Dezember 2013 aufgehoben

a)

hinsichtlich der Einzelstrafen im Tatkomplex B.III der Urteilsgründe,

b)

im Gesamtstrafausspruch.

2.

Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.

Normenkette:

UStG § 14 Abs. 2 S. 2; UStG § 14c Abs. 2 S. 2; AO § 35 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 15 Fällen, davon in neun Fällen jeweils in Tateinheit mit mehreren Fällen der Urkundenfälschung, sowie wegen falscher Versicherung an Eides statt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Der Angeklagte beanstandet mit der Revision die Verletzung sachlichen Rechts. Die Revision hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO ), im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

I. Der Schuldspruch hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung stand.

Dies gilt auch, soweit das Landgericht den Angeklagten im Tatkomplex B.III der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung in neun Fällen in Tateinheit mit jeweils mehreren tateinheitlich begangenen Fällen der Urkundenfälschung verurteilt hat. Die anhand der Urteilsfeststellungen nicht nachvollziehbare Annahme des Landgerichts, die Steuerhinterziehungen stünden auch, soweit das Landgericht Hinterziehungstaten nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO zu Grunde gelegt hat, in natürlicher Handlungseinheit mit den Urkundenfälschungen, beschwert den Angeklagten jedenfalls nicht.

II. In den Tatkomplexen B.I und B.II der Urteilsgründe sind die Einzelstrafen revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Demgegenüber haben die Einzelstrafen im Tatkomplex B.III keinen Bestand; dies zieht die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs nach sich.

1. Der Erörterung bedürfen lediglich die Tatkomplexe B.I und B.III der Urteilsgründe. Diesen liegt im Kern zu Grunde, dass der Angeklagte zunächst im eigenen Namen (Tatkomplex B.I der Urteilsgründe) und nachfolgend im Namen und auf Rechnung von K. (Tatkomplex B.III der Urteilsgründe) mit Branntwein handelte. Die Geschäfte wurden im sog. Gutschriftverfahren (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG ) abgewickelt, d.h. die Branntweinlieferungen wurden von dem Leistungsempfänger unter Umsatzsteuerausweis gegenüber dem leistenden Unternehmer abgerechnet. Im Rahmen des Branntweinhandels im Tatkomplex B.III der Urteilsgründe wurden auch Scheinrechnungen und Scheingutschriften über tatsächlich nicht erfolgte Branntweinankäufe und -verkäufe des Unternehmens der K. ("Branntweinhandel K. ") ausgestellt und verwendet.

Nach den Feststellungen und Wertungen des Landgerichts hinterzog der Angeklagte in diesem Zusammenhang durch die nicht rechtzeitige Abgabe von Steuererklärungen in insgesamt zehn Fällen und durch die Abgabe unrichtiger Steuererklärungen in weiteren fünf Fällen Steuern in einer Gesamthöhe von 4.780.373,51 Euro.

2. Soweit der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift bei den Steuerschadensberechnungen für die Jahre 2003 und 2004 im Tatkomplex B.I der Urteilsgründe auf einzelne Unstimmigkeiten innerhalb der Umsatzsteuerberechnungen hingewiesen hat, wird hiermit kein Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgezeigt:

Das Landgericht hat ausweislich der Urteilsgründe die im jeweiligen Jahr verkürzte Umsatzsteuer bestimmt, indem es zunächst die Nettoverkaufspreise, wie sie sich aus den Gutschriften der Kunden über Branntweinankäufe beim Angeklagten ergaben, addiert und sodann mit dem zutreffenden Steuersatz multipliziert hat. Die vom Landgericht daneben rechtsfehlerhaft vorgenommene Zuordnung der Umsatzsteuerbeträge zu den einzelnen Käufern beschwert den Angeklagten nicht. Der Strafzumessung wurden allein die rechtsfehlerfrei bestimmten Jahresbeträge zugrunde gelegt.

3. Die Strafzumessung im Tatkomplex B.III der Urteilsgründe begegnet demgegenüber durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie lässt besorgen, dass das Landgericht außer Acht gelassen hat, dass der vom Angeklagten in Steuererklärungen unrichtig geltend gemachte Vorsteuerabzug sich teilweise aus solchen Scheingutschriften ergab, für die der Angeklagte zugleich Umsatzsteuern hätte anmelden müssen.

a) Das Landgericht ist der Auffassung, die von ihm als strafschärfend berücksichtigte große Höhe der Umsatzsteuerschäden ergäbe sich unter anderem daraus, dass der Angeklagte in den Umsatzsteuererklärungen für das Unternehmen der K. ("Branntweinhandel K. ") Vorsteuern aus insgesamt 158 von ihm gefertigten Gutschriften geltend gemacht habe. Diese Gutschriften seien Scheingutschriften, weil sie über in Wahrheit nicht erfolgte Branntweinankäufe des "Branntweinhandel K. " mit den in den Gutschriften jeweils als Verkäufer genannten Firmen abrechneten. Der Gesamtbetrag der sich aus diesen Gutschriften ergebenden Vorsteuerbeträge belief sich nach den Feststellungen auf 1.112.796,93 Euro. Weitere Steuerverkürzungen in identischer Gesamthöhe erblickt das Landgericht darin, dass der Angeklagte seiner sich aus § 14c Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 4 UStG , § 35 AO ergebenden Verpflichtung, die in diesen 158 Scheingutschriften ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge in Steuererklärungen für das Unternehmen der K. anzumelden, nicht nachgekommen sei. Im Ergebnis fand damit die in den 158 Gutschriften ausgewiesene Umsatzsteuer bei der Strafzumessung des Landgerichts zum Nachteil des Angeklagten in zweifacher Hinsicht Berücksichtigung.

b) Dies wird dem Unrechtsgehalt der von dem Angeklagten begangenen Taten nicht gerecht und ist daher rechtsfehlerhaft.

Das Landgericht hat zwar ohne Rechtsfehler den Vorsteuerabzug aus den 158 Gutschriften, die es rechtsfehlerfrei als Scheingutschriften bewertet hat, bei der Bestimmung des Hinterziehungsumfangs berücksichtigt (BGH, Urteil vom 30. April 2009 - 1 StR 342/08, BGHSt 53, 311; Beschluss vom 20. März 2002 - 5 StR 448/01, NJW 2002, 1963 ).

Es hätte jedoch bei der Strafzumessung in den Blick nehmen müssen, dass die gemäß § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG geschuldete Steuer lediglich das Steueraufkommen vor den Folgen eines unberechtigten Vorsteuerabzugs schützen sollte. Letztlich hat sich hier nämlich lediglich die mit der Ausstellung der Scheingutschriften entstehende Gefahr für das Steueraufkommen, der der Gesetzgeber mit Schaffung des § 14 Abs. 3 UStG aF (§ 14c UStG nF) entgegenwirken wollte (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2002 - 5 StR 516/01, BGHSt 47, 343 ), mit der tatsächlichen Geltendmachung des Vorsteuerabzuges aus ebendiesen Gutschriften realisiert (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2009 - 1 StR 342/08, BGHSt 53, 311). Der dem Fiskus durch die Erstellung und Verwendung von Scheingutschriften entstandene Steuerschaden geht damit in seiner Bedeutung für die Strafzumessung über die Höhe des unberechtigten Vorsteuerabzugs nicht hinaus; der für die Strafzumessung maßgebliche Steuerschaden ist nicht etwa deshalb doppelt so hoch, weil der gemäß § 14c UStG geschuldete Steuerbetrag, der der Möglichkeit eines unberechtigten Vorsteuerabzugs Rechnung tragen sollte, ebenfalls verkürzt wurde. Diesen Zusammenhang zwischen Steuerentstehung gemäß § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG und unberechtigtem Vorsteuerabzug hat das Landgericht bei der Strafzumessung nicht erkennbar zugunsten des Angeklagten berücksichtigt. Dies führt zur Aufhebung der hiervon betroffenen Einzelstrafen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2002 - 5 StR 212/02, wistra 2003, 140 ; BGH, Beschluss vom 20. März 2002 - 5 StR 448/01, BGHR AO § 370 Abs. 1 Strafzumessung 14).

4. Da das Landgericht in diesen Fällen die Höhe der hinterzogenen Steuern als maßgeblichen Strafzumessungsgrund herangezogen hat, können die entsprechenden Einzelstrafen keinen Bestand haben. Dies zieht die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs nach sich.

Demgegenüber haben die von dem Rechtsfehler nicht betroffenen Urteilsfeststellungen Bestand. Das neue Tatgericht ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, sofern diese nicht in Widerspruch zu den bisherigen stehen.

5. Der Senat schließt aus, dass der Rechtsfehler die für die sechs Taten der Steuerhinterziehung im Tatkomplex B.I der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafen beeinflusst hat.

Vorinstanz: LG Nürnberg, vom 19.12.2013
Fundstellen
AO-StB 2015, 126
NStZ 2015, 282
NStZ
wistra 2015, 33