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BGH - Entscheidung vom 09.10.2014

4 StR 201/14

Normen:
StGB § 224 Abs. 1 Nr. 4
StPO § 261

Fundstellen:
NStZ-RR 2014, 380

BGH, Urteil vom 09.10.2014 - Aktenzeichen 4 StR 201/14

DRsp Nr. 2014/16245

Beweiswürdigung hinsichtlich Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung (hier: exzessive Gewaltanwendung nach der nicht erfüllten Geldforderung)

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 13. Januar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.

2.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

StGB § 224 Abs. 1 Nr. 4 ; StPO § 261 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB ) und Diebstahl unter Einbeziehung der Einzelgeldstrafen aus einem anderen rechtskräftigen Urteil nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtgeldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision hat Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen suchten der Angeklagte und seine Bekannten B. , S. und G. am Abend des 24. April 2012 den zwischenzeitlich verstorbenen H. in seiner Wohnung auf, in der sich zu dieser Zeit auch noch der ebenfalls inzwischen verstorbene Be. befand. Gemeinsam tranken sie dort jeweils ein bis zwei Flaschen Bier. Nachdem kein Bier mehr verfügbar war, forderte B. sowohl H. als auch Be. dazu auf, ihnen Geld zum Bier holen zu geben. Als beide dies ablehnten, schubsten B. und der Angeklagte zunächst H. herum und schlugen auf ihn ein, um der Forderung nach Geld Nachdruck zu verleihen. Dabei wurde H. mindestens einmal auch von dem Angeklagten geschlagen. Im weiteren Verlauf hielt S. dem Geschädigten Be. eine Schreckschusspistole an den Kopf, während B. auf ihn eintrat und einschlug. Dabei setzte B. auch einen Schlagring ein, den er vor dem Betreten der Wohnung auf seine Bitte hin von dem Angeklagten erhalten hatte. Schließlich wurde H. von B. mit so großer Wucht gegen einen Heizkörper geschleudert, dass er Blut spuckte. Da der inzwischen erheblich verletzte Be. auch weiterhin nicht zur Herausgabe des geforderten Geldes zu bewegen war und der Angeklagte, S. und B. daher einsahen, dass sie mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln das geforderte Geld nicht ausgehändigt bekommen würden, beschlossen sie unter Änderung ihres ursprünglichen Tatplans in der Wohnung nach werthaltigen Gegenständen zu suchen. In der Folge nahmen sie das Mobiltelefon des Geschädigten Be. und die Wii-Spielkonsole des Geschädigten H. an sich und verließen die Wohnung. Ihre Beute verkauften sie später und teilten den Erlös unter sich auf.

2. Das Landgericht stützt seine Überzeugung im Wesentlichen auf die Angaben des Zeugen B. und die Einlassungen des Angeklagten im Ermittlungsverfahren. Der Zeuge B. habe angegeben, den Geschädigten Be. ein- bis zweimal geschlagen zu haben, nachdem "einer" von diesem Geld gewollt habe, um weiteres Bier zu kaufen. Auch habe er die Mitnahme der Wii-Konsole und des Mobiltelefons bestätigt. Der Angeklagte habe sich im Ermittlungsverfahren dahingehend eingelassen, dass B. damit begonnen habe, den Geschädigten H. herumzuschubsen, nachdem dieser seine - des Angeklagten - Frage nach Geld verneint habe. Als H. zu ihm gekommen sei, habe er "aus Reflex zugeschlagen". Be. sei von B. und S. "bearbeitet" worden, als er mit H. im Bad gewesen sei (UA 11). In Bezug auf den Einsatz des Schlagrings und der Schreckschusspistole zum Nachteil des Geschädigten Be. ist das Landgericht zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass es sich jeweils um einen ihm nicht zurechenbaren Mittäterexzess gehandelt habe.

II.

Die der Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung zugrunde liegende Beweiswürdigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand (§ 261 StPO ).

1. Das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen, ist allein Sache des Tatrichters. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind und der Tatrichter von ihrer Richtigkeit überzeugt ist. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht etwa dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung lückenhaft ist, weil sich das Tatgericht nicht mit naheliegenden alternativen Geschehensabläufen befasst, obwohl sich dies nach dem Beweisergebnis aufdrängt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 129/14; Urteil vom 10. Januar 2008 - 3 StR 462/07, NStZ-RR 2009, 12 , 13 mwN).

2. So liegt es hier. Die Strafkammer hat nicht im Einzelnen dargelegt, worauf sie ihre Überzeugung stützt, der Angeklagte und seine Begleiter hätten die Geschädigten misshandelt, um von ihnen Geld zu erpressen. Dieser Beweggrund ergibt sich hier jedoch nicht von selbst. Insbesondere kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass es zu den körperlichen Übergriffen auf die Geschädigten aus Wut über die verweigerte Herausgabe des verlangten Geldes kam. Hierfür könnte sprechen, dass der wegen Körperverletzungsdelikten bereits mehrfach bestrafte Angeklagte und B. am 18. September 2012 - und damit nur wenige Monate nach der verfahrensgegenständlichen Tat - eine räuberische Erpressung begingen, bei der es im Anschluss an eine vom Tatopfer nicht erfüllte Geldforderung zu (weiteren) massiven Gewalthandlungen und Demütigungen kam, die zumindest teilweise auf einem neuen Tatentschluss beruhten und nicht mehr dem ursprünglichen Erpressungsziel dienten (UA 6). Das Landgericht hat diesen Sachverhalt nur als ein Indiz für die Bereitschaft des Angeklagten gewertet, sich an von B. initiierten Gewalttätigkeiten zu beteiligen (UA 11). Die exzessive Gewaltanwendung nach der nicht erfüllten Geldforderung hat es dagegen nicht erkennbar in seine Erwägungen einbezogen, obgleich sich auch insoweit eine Parallele zum verfahrensgegenständlichen Tatgeschehen aufdrängte. Auch eine weitere Vorstrafe lässt erkennen, dass der Angeklagte Gewalt einsetzt (Faustschlag auf den Kopf seiner Schwester), weil er verärgert ist (UA 4). Da die von der Strafkammer als Beweisgrund für ein Erpressungsvorhaben herangezogenen Einlassungen nicht eindeutig belegen, dass es dem Angeklagten und B. bei den von ihnen eingeräumten Schlägen tatsächlich (noch) um eine Durchsetzung ihrer Geldforderung ging, war eine Erörterung möglicher gegen diese Annahme sprechender Indizien hier auch nicht entbehrlich.

III.

Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Da das Landgericht von Tateinheit ausgegangen ist, zieht die Aufhebung der Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung auch die Aufhebung der Verurteilungen wegen gefährlicher Körperverletzung und Diebstahls nach sich (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2014 - 4 StR 163/14, Rn. 21 mwN).

Von Rechts wegen

Vorinstanz: LG Halle, vom 13.01.2014
Fundstellen
NStZ-RR 2014, 380