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BGH - Entscheidung vom 12.06.2014

X ZR 104/133

Normen:
VO (EG) Nr. 261/2004 Art. 5 Abs. 1 Buchst. c)

BGH, Urteil vom 12.06.2014 - Aktenzeichen X ZR 104/133

DRsp Nr. 2014/13423

Ausgleichszahlung bei Streik von Fluglotsen oder Radarausfällen

Tenor

Die Revision gegen das am 17. Juli 2013 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Normenkette:

VO (EG) Nr. 261/2004 Art. 5 Abs. 1 Buchst. c);

Tatbestand

Die Kläger verlangen die Leistung von Ausgleichzahlungen in Höhe von 500 € pro Person nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. EU L 46 vom 17. Februar 2004, S. 1 ff.; nachfolgend: Fluggastrechteverordnung oder Verordnung).

Die Kläger buchten bei der Beklagten eine Flugreise von Frankfurt am Main nach Mahón (Menorca) und zurück. Der Hinflug sollte am 6. Oktober 2011 um 19.50 Uhr starten, planmäßige Ankunft war 21.55 Uhr. Tatsächlich startete die Maschine erst nach 23.00 Uhr und landete am folgenden Tag nach 1.00 Uhr. Der Rückflug sollte am 13. Oktober 2011 um 22.50 Uhr beginnen; die Landung in Frankfurt war für 0.55 Uhr vorgesehen. Der Flug startete jedoch erst am 14. Oktober 2011 gegen 2.00 Uhr und traf nach 4.00 Uhr in Frankfurt ein. Ursache der Verspätung waren beim Hinflug eine Überlastung des griechischen Luftraums wegen infolge eines Streiks oder krankheitsbedingt fehlender Fluglotsen und beim Rückflug Radarausfälle im griechischen Luftraum. Diese Störungen betrafen den dem Hinflug der Kläger vorangegangenen Flug des eingesetzten Flugzeugs von Rhodos nach Frankfurt und die dem Rückflug vorangegangenen Flüge des eingesetzten Flugzeugs von Frankfurt nach Rhodos und zurück.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger, mit der sie die geltend gemachten Ansprüche weiterverfolgen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision bleibt in der Sache ohne Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, den Klägern stehe kein Anspruch auf die begehrte Ausgleichszahlung zu.

Die Verspätung beider Flüge sei auf außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung zurückzuführen, die die Beklagte nicht habe beeinflussen können. Sie habe sich im Rahmen des Zumutbaren bemüht, ein Subcharterunternehmen zu verpflichten. Infolge des Bedarfs auch anderer Fluggesellschaften nach Ersatzmaschinen sei der Markt für Subcharterflüge ausgeschöpft gewesen. Bei Überprüfung der Zumutbarkeit der zu treffenden Maßnahmen seien auch die vorangegangenen Flüge des eingesetzten Flugzeugs zu berücksichtigen. Ersatzmaschinen habe die Beklagte nicht vorhalten müssen. Ein derartiger Aufwand sei unverhältnismäßig und führe zu einer wirtschaftlich nicht nachvollziehbaren Verteuerung der Flugpreise.

II. Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

Den Klägern steht kein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung zu. Zwar mussten die Reisenden sowohl beim Hinflug als auch beim Rückflug eine Ankunftsverspätung von mehr als drei Stunden hinnehmen, was grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung begründet (EuGH, Urteil vom 19. November 2009 - C-402/07, Slg. 2009, I-10923 = NJW 2010, 43 = RRa 2009, 282 - Sturgeon/Condor; Urteil vom 23. Oktober 2012 - C-581/10, NJW 2013, 671 = RRa 2012, 272 - Nelson/Lufthansa; BGH, Urteil vom 18. Februar 2010 - Xa ZR 95/06, NJW 2010, 2281 = RRa 2010, 93; Urteil vom 7. Mai 2013 - X ZR 127/11, RRa 2013, 237 = NJW-RR 2013, 1065). Die Verspätung ist jedoch durch von der Beklagten nicht zu vermeidende außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung verursacht worden, die diesen Anspruch ausschließen.

1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass ein überlasteter Luftraum aufgrund Fluglotsenmangels sowie Radarausfälle geeignet waren, außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung zu begründen.

a) Der Begriff der außergewöhnlichen Umstände, der weder in Art. 2 noch in sonstigen Vorschriften der Verordnung definiert ist, bedeutet nach seinem Wortlaut, dass die gegebenenfalls zu einem Wegfall der Ausgleichspflicht führenden Umstände außergewöhnlich sind, das heißt nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechen, sondern außerhalb dessen liegen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann. Es sollen Ereignisse erfasst werden, die nicht zum Luftverkehr gehören, sondern als jedenfalls in der Regel von außen kommende besondere Umstände seine ordnungs- und planmäßige Durchführung beeinträchtigen oder unmöglich machen können. Umstände, die im Zusammenhang mit einem dem Luftverkehr störenden Vorfall wie einem technischen Defekt auftreten, können nur dann als außergewöhnlich im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung qualifiziert werden, wenn sie auf ein Vorkommnis zurückgehen, das wie die in Erwägungsgrund 14 der Verordnung aufgezählten nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens und aufgrund seiner Natur oder Ursache von diesem tatsächlich nicht zu beherrschen ist (EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2008 - C-549/09, NJW 2009, 347 = RRa 2009, 35 Rn. 23 - Wallentin-Hermann/Alitalia; Urteil Sturgeon/Condor, aaO; Urteil vom 31. Januar 2013 - C-12/11, NJW 2013, 921 = RRa 2013, 81 - McDonagh/Ryanair). Der Bundesgerichtshof hat hieraus abgeleitet, dass technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs typischerweise auftreten, grundsätzlich keine außergewöhnliche Umstände begründen, sondern Teil der normalen Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind (BGH, Urteil vom 12. November 2009 - X ZR 76/07, NJW 2010, 1070 = RRa 2010, 34 Rn. 23; Urteil vom 21. August 2012 - X ZR 138/11, BGHZ 194, 258 Rn. 16; Urteil vom 24. September 2013 - X ZR 160/12, NJW 2014, 861 = RRa 2014, 25 Rn. 10). Dabei unterliegt die Prüfung, ob ein technisches Problem auf ein Vorkommnis zurückzuführen ist, das nicht Teil der normalen Ausführung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen ist, dem nationalen Richter (EuGH - Wallentin-Hermann/Alitalia, aaO Rn. 27); sie ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters (BGHZ 194, 258 Rn. 17; BGH, NJW 2014, 861 Rn. 11).

Die für technische Defekte entwickelten Maßstäbe sind auch dann heranzuziehen, wenn Vorkommnisse wie etwa die in Erwägungsgrund 14 beispielhaft genannten Fälle politischer Instabilität, mit der Durchführung eines Flugs nicht zu vereinbarende Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken und den Betrieb eines Luftfahrtunternehmens beeinträchtigende Streiks als Ursache außergewöhnlicher Umstände in Betracht kommen (zum Fall der Ankündigung eines Pilotenstreiks als Ursache außergewöhnlicher Umstände vgl. BGHZ 194, 258 Rn. 17).

b) Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass sowohl eine Überlastung des Luftraums als auch ein weitreichender Radarausfall in diesem Sinne außergewöhnliche Umstände begründen konnten.

(1) Bei der Überlastung des griechischen Luftraums wegen fehlender Fluglotsen und den eingetretenen Radarausfällen, die zu Verspätungen bei den Griechenlandflügen und infolgedessen auch zu Verzögerungen bei nachfolgend vorgesehenen Umläufen führten, handelt es sich um Umstände, die die Luftverkehrsabläufe im europäischen Luftraum beeinträchtigten, da die Sicherheit des Luftverkehrs trotz der gegebenen widrigen Umstände aufrechterhalten werden musste und Verspätungen bei den unmittelbar betroffenen Flügen mithin jedenfalls von den Luftverkehrsunternehmen nicht verhindert werden konnten. (Primäre) Ursache der Verspätungen waren folglich von außen auf den gesamten Flugbetrieb und auf die normale Tätigkeit der Luftverkehrsunternehmen einwirkende Umstände. Wie sonstige Ausfälle und Beeinträchtigungen bei der Überwachungs- und Sicherungstätigkeit der Fluglotsen und bei dem für den sicheren Flugbetrieb unerlässlichen Einsatz der Radaranlage konnten die ausfallbedingten Gegebenheiten von dem einzelnen Luftverkehrsunternehmen weder beherrscht noch beeinflusst werden (vgl. grundsätzlich zu den Auswirkungen eines Streiks BGHZ 194, 258 Rn. 19, 20).

(2) Dem steht auch nicht entgegen, dass die von den Klägern gebuchten Flüge von dem Ausfall der Fluglotsen und der Radarkontrolle nicht unmittelbar betroffen waren. Entgegen der Auffassung der Revision sind jedenfalls Störungen, die am selben Tag bei vorangegangenen Flügen des eingesetzten Flugzeugs auftreten, bei der Annahme außergewöhnlicher Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung zu berücksichtigen.

Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift rechtfertigen die Annahme, außergewöhnliche Umstände müssten unmittelbar (auch) denjenigen Flug betreffen, bei dem sich die außergewöhnlichen Umstände in Gestalt einer notwendig werdenden Annullierung oder einer großen Verspätung auswirken. Denn bei Flugzeugen, die auf Kurz- und Mittelstrecken eingesetzt werden, sind mehrere Umläufe an demselben Tag üblich, um eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung des Flugzeugs zu ermöglichen. Die Fluggastrechteverordnung setzt diese wie andere übliche wirtschaftliche und technische Gegebenheiten des Luftverkehrs voraus und will sie weder unterbinden noch steuern. Wenn daher auch bei Aufbietung aller zumutbaren Maßnahmen nicht verhindert werden kann, dass außergewöhnliche Umstände eine Annullierung erforderlich machen oder die erhebliche Verspätung von Flügen verursachen, kann es nicht darauf ankommen, ob die betreffenden Umstände unmittelbar auf den betroffenen Flug einwirken oder sich als Auswirkung einer Beeinträchtigung bei einem der vorangegangenen Umläufe darstellen.

Dieses Normverständnis wird durch Erwägungsgrund 15 der Verordnung gestützt. Danach soll von außergewöhnlichen Umständen ausgegangen werden, wenn eine Entscheidung des "Flugverkehrsmanagements" zu einem einzelnen Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es bei einem oder mehreren Flügen des betreffenden Flugzeugs zu einer großen Verspätung, einer Verspätung bis zum nächsten Tag oder zu einer Annullierung kommt. Danach legt auch der Verordnungsgeber zugrunde, dass ein Flugzeug üblicherweise an einem Tag bei mehreren Flügen eingesetzt wird und dass sich außergewöhnliche Umstände in einem solchen Fall auch auf Folgeflüge auswirken können.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache Finnair/Lassooy (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2012 - C-22/11, NJW 2013, 361 = RRa 2012, 281 Abs. 37 - Finnair/ Lassooy). In dem dort entschiedenen Fall hatte das Luftverkehrsunternehmen mehrere Flüge an mehreren, einem bereits beendeten Streik nachfolgenden Tagen umorganisiert und dem Kläger die Beförderung verweigert, weil es an seiner Stelle einen von dem Streik betroffenen Fluggast befördern wollte. Der Gerichtshof hat hierin keine Rechtfertigung für die Beförderungsverweigerung gesehen und ausgesprochen, dass einem Luftverkehrsunternehmen nicht erlaubt werden könne, unter Berufung auf das Interesse anderer Fluggäste, in angemessener Zeit befördert zu werden, den Kreis der Fälle, in denen es berechtigt wäre, einem Fluggast die Beförderung zu verweigern, erheblich zu erweitern (Rn. 34). Abgesehen davon, dass Art. 4 der Verordnung ohnehin eine Beförderungsverweigerung aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht vorsieht, war der von dem Kläger Lassooy gebuchte Flug von den außergewöhnlichen Umständen auch nicht betroffen.

2. Gegebenheiten wie der in Rede stehende Ausfall der Luftverkehrskontrolle begründen nicht zwangsläufig außergewöhnliche Umstände, auf die die Annullierung oder große Verspätung zurückgeht. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn das Luftverkehrsunternehmen trotz Ergreifung aller zumutbaren Maßnahmen die Annullierung oder große Verspätung nicht verhindern kann oder sie auch mit diesen Maßnahmen nicht hätte verhindern können (EuGH, Wallentin-Hermann/Alitalia Rn. 22; BGHZ 194, 258 Rn. 11). Das Luftverkehrsunternehmen muss mithin alles ihm Mögliche und Zumutbare tun, um zu vermeiden, dass es durch Umstände wie den im Streitfall zu beurteilenden Ausfall von Personal oder einer sicherheitsrelevanten Flughafeneinrichtung genötigt ist, einen Flug zu annullieren, oder der Flug nur mit einer großen Verspätung durchgeführt werden kann, deren Folgen für den Fluggast einer Annullierung gleichkommen.

a) Die Vielzahl denkbarer außergewöhnlicher Umstände sowie die Unübersehbarkeit des Ausmaßes und der Dauer der hierdurch verursachten Beeinträchtigungen machen es dabei unmöglich, von den Luftverkehrsunternehmen zu verlangen, für jede denkbare Störung des Luftverkehrs in einer Weise gerüstet zu sein, die es erlaubt, durch den Einsatz zusätzlicher Flugzeuge und gegebenenfalls auch zusätzlichen Personals dafür zu sorgen, dass Annullierungen und diesen in den Folgen gleichkommende große Verspätungen stets vermieden werden können. Denn dies erforderte einen unwirtschaftlichen Aufwand, der von den Luftverkehrsunternehmen zu Lasten der Verbraucher über die Beförderungspreise gedeckt werden müsste und im Übrigen Art. 5 Abs. 3 der Verordnung im Wesentlichen seines Anwendungsbereichs beraubte. Wenn die Fluggastrechteverordnung nach Erwägungsgrund 1 ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherstellen soll und Erwägungsgrund 12 das Ärgernis und die Unannehmlichkeiten anspricht, die durch eine Annullierung - und eine ihr in den Folgen gleichkommende Ankunftsverspätung - entstehen und gegebenenfalls durch eine Ausgleichszahlung verringert werden sollen, will der Verordnungsgeber lediglich sicherstellen, dass die Luftverkehrsunternehmen auch unter außergewöhnlichen Umständen alle ihnen in dieser Situation zur Verfügung stehenden und zumutbaren Möglichkeiten ausschöpfen, um ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Fluggästen möglichst uneingeschränkt nachzukommen und Annullierungen oder große Verspätungen zu vermeiden.

b) Welche Maßnahmen einem Luftverkehrsunternehmen zuzumuten sind, um zu vermeiden, dass außergewöhnliche Umstände zu einer erheblichen Verspätung eines Fluges führen oder Anlass zu seiner Annullierung geben, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls; die Zumutbarkeit ist situationsabhängig zu beurteilen (EuGH, Wallentin-Hermann/Alitalia, aaO Rn. 40, 42; Urteil vom 12. Mai 2011 - C-294/10, NJW 2011, 2865 = RRa 2011, 125 - Eglītis und Ratnieks/Air Baltic Rn. 30). Zum einen kommt es darauf an, welche Vorkehrungen ein Luftverkehrsunternehmen nach guter fachlicher Praxis treffen muss, damit nicht bereits bei gewöhnlichem Ablauf des Luftverkehrs geringfügige Beeinträchtigungen das Luftverkehrsunternehmen außer Stande setzen, seinen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen und den Flugplan im Wesentlichen einzuhalten (nachfolgend zu (1)). Zum anderen muss das Luftverkehrsunternehmen, wenn eine mehr als geringfügige Beeinträchtigung tatsächlich eintritt oder erkennbar einzutreten droht, alle ihm in dieser Situation zu Gebote stehenden Maßnahmen ergreifen, um nach Möglichkeit zu verhindern, dass hieraus eine Annullierung oder große Verspätung resultiert (nachfolgend zu (2)). Hingegen begründet die Fluggastrechteverordnung keine Verpflichtung der Luftverkehrsunternehmen, ohne konkreten Anlass Vorkehrungen wie etwa das Vorhalten von Ersatzflugzeugen zu treffen, um den Folgen außergewöhnlicher Umstände begegnen zu können (nachfolgend zu (3)).

(1) Ein Luftverkehrsunternehmen muss seinen Flugplan so ausgestalten, dass es unter gewöhnlichen Umständen in der Lage ist, seinen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen und seine Fluggäste auf den gebuchten Flügen ohne wesentliche Verzögerungen zu befördern (BGH, NJW 2014, 861 = RRa 2014, 25 Rn. 20, 21). Das Luftverkehrsunternehmen muss mithin eine Flotte vorhalten, mit der es, sofern keine außergewöhnlichen Umstände auftreten, in der Lage ist, den Flugplan einzuhalten. Da mit kleineren Beeinträchtigungen der Betriebsabläufe stets zu rechnen ist, bedarf es dabei einer gewissen Zeitreserve zwischen zwei Flügen (EuGH, Eglītis und Ratnieks/Air Baltic, aaO Rn. 28). Da die Maßnahmen für das betroffene Luftverkehrsunternehmen in persönlicher, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht tragbar sein müssen (EuGH, Wallentin-Hermann/Alitalia, aaO Rn. 40, 42; Eglītis und Ratnieks/Air Baltic, aaO Rn. 29), muss die Zeitreserve indessen nicht so bemessen sein, dass sich mit ihr auch jede außergewöhnliche Beeinträchtigung auffangen lässt (EuGH, Eglītis und Ratnieks/Air Baltic, aaO Rn. 31); dies wäre wirtschaftlich unsinnig, und hierfür gäbe es angesichts der Vielgestaltigkeit möglicher Konstellationen auch keinen praktisch handhabbaren Maßstab.

(2) Treten jedoch außergewöhnliche Umstände auf oder zeichnet sich hinreichend konkret ab, dass solche Umstände demnächst auftreten werden, muss das Luftverkehrsunternehmen versuchen, gravierende Beeinträchtigungen des Flugplans nach Möglichkeit zu vermeiden. Es kann daher in dieser Situation etwa gehalten sein, verfügbare Flugzeuge Dritter zu chartern, um die vorgesehenen Flüge ohne wesentliche Verzögerungen durchführen zu können. Auch insoweit gilt, dass die Maßnahmen zumutbar sein müssen.

(3) Vom Einzelfall losgelöste Vorsorgemaßnahmen für den eventuellen Eintritt außergewöhnlicher Umstände müssen hingegen grundsätzlich nicht ergriffen werden. Wenn der Unionsgerichtshof betont, dass die zu treffenden Maßnahmen der Situation angepasst und zu dem Zeitpunkt, zu dem die außergewöhnlichen Umstände auftreten, für das betroffene Luftverkehrsunternehmen tragbar sein müssen (EuGH, Wallentin-Hermann/Alitalia, aaO Rn. 40, 42; Eglītis und Ratnieks/Air Baltic, aaO Rn. 29), trägt er damit dem Umstand Rechnung, dass sich nur mit Blick auf eine konkrete Situation abschätzen lässt, in welchem Umfang und mit welcher Zielrichtung Maßnahmen erforderlich sind, um trotz außergewöhnlicher Umstände Beeinträchtigungen des Flugplans nach Möglichkeit zu vermeiden oder zumindest zu mildern. Da Art und Umfang der sinnvollen Maßnahmen von der Natur und der Reichweite des eingetretenen oder drohenden außergewöhnlichen Umstands und damit auch von Umfang und Dauer der Betroffenheit der Fluggäste abhängen, lässt sich mit Blick hierauf auch ein deutlich zuverlässigerer Maßstab für die Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit bestimmter Maßnahmen gewinnen. Für postulierte vom Einzelfall unabhängige Vorkehrungen gegen die Folgen außergewöhnlicher Umstände fehlte es hingegen an einem handhabbaren Maßstab. Die Fluggastrechteverordnung enthält hierzu keine Vorgaben, und es stünde im Widerspruch zu der unionsrechtlich gebotenen flexiblen und situationsabhängigen Beurteilung der Zumutbarkeit, würden sie gleichwohl für geboten erachtet.

Dies verdeutlicht insbesondere der von den Parteien im Streitfall diskutierte Gesichtspunkt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Luftverkehrsunternehmen Ersatzflugzeuge vorhalten muss. Für die Formulierung von Anforderungen an die Vorhaltung fehlt nicht nur ein aus der Verordnung oder sonstigen Rechtsvorschriften ableitbarer Maßstab. Es müsste vielmehr auch der Versuch scheitern, einen solchen Maßstab aus der betrieblichen Praxis der Luftverkehrsunternehmen abzuleiten, da Art und Umfang der sinnvollen personellen und sachlichen betrieblichen Reserven vom Zuschnitt des einzelnen Betriebs, der Zusammensetzung der Flotte und einer Vielzahl weiterer Umstände abhängen. Eine Beeinträchtigung des von der Fluggastrechteverordnung angestrebten hohen Schutzniveaus ergibt sich hieraus nicht, da dieses nicht durch erhöhte Anforderungen an die Organisation und Zuverlässigkeit des Flugbetriebs erreicht werden soll, sondern dadurch, dass den Fluggästen in den in der Verordnung geregelten Fällen Unterstützungsleistungen und gegebenenfalls Ausgleichszahlungen zustehen. Hat etwa ein technischer Defekt eine Annullierung oder große Verspätung zur Folge, hat das Luftverkehrsunternehmen hierfür unabhängig davon einzustehen, ob es etwa durch größere sachliche Ressourcen die Annullierung oder Verspätung wegen dieses Defekts hätte vermeiden können. Umgekehrt gilt aber auch in den Fällen außergewöhnlicher Umstände, dass allein die vorhandenen oder in der gegebenen Situation erreichbaren Ressourcen den Maßstab für die zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung einer Annullierung oder großen Verspätung bilden.

3. Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe alle zumutbaren Maßnahmen im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung ergriffen, um die Verspätung der von den Klägern gebuchten Flüge zu vermeiden, hält hiernach der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

a) Zu der Möglichkeit, Aushilfsgerät und Aushilfspersonal einzusetzen, hat das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf seinen Hinweisbeschluss vom 16. April 2013 festgestellt, dass die Beklagte den Folgen der beeinträchtigten Kontrolle des Luftverkehrs im griechischen Luftraum durch Beschaffung eines Ersatzflugzeugs zu begegnen versuchte, was jedoch nur für zwei weitere Flüge, nicht aber für die hier in Rede stehenden Flüge gelang, nicht zuletzt deswegen, weil durch die Ausfälle im griechischen Luftraum ein Mangel an verfügbaren Flugzeugen herrschte. Diese Auswirkung des Fluglotsenmangels auf den gesamten Flugverkehr kann der Beklagten nicht angelastet werden. Soweit die Revision beanstandet, die Beklagte habe zu ihren Bemühungen um die Charterung eines Flugzeugs nicht ausreichend vorgetragen, setzt sie sich zu der nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts in Widerspruch, dass der Beklagten die Beschaffung weiterer Ersatzflugzeuge nicht möglich war.

b) Zur Vorhaltung von Ersatzflugzeugen als Reserve für den Störfall war die Beklagte wie ausgeführt nicht verpflichtet.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO .

Meier-Beck Grabinski

Die Richter Dr. Bacher und Hoffmann können wegen Urlaubsabwesenheit nicht unterschreiben. Meier-Beck Schuster

Vorinstanz: AG Hannover, vom 31.01.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 533 C 4600/12
Vorinstanz: LG Hannover, vom 17.07.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 12 S 18/13