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BGH - Entscheidung vom 22.01.2014

I ZR 111/12

Normen:
GEMA A-VPA 2006 Abschn. 4 Nr. 4 Abs. 5 S. 1-2

Fundstellen:
ZUM 2014, 800

BGH, Urteil vom 22.01.2014 - Aktenzeichen I ZR 111/12

DRsp Nr. 2014/11002

Anspruch eines privaten Musikverlegers gegenüber der GEMA auf Abrechnung u. Ausschüttung von Wertungszuschlägen; Antrag auf Feststellung der (Nicht-)Genehmigung der GEMA zum Ausschluss der Abrechnung oder der Zurückstellung bestimmter Musikfolgen

1. Soweit ein Programm nicht den Tatsachen entspricht, ist die GEMA nach Abschnitt IV Ziff. 4 Abs. 5 S. 1 A-VPA (2006) berechtigt, andere von diesem Veranstalter bzw. Bezugsberechtigten eingereichte Programme von der Verrechnung eines Geschäftsjahrs zurückzustellen, bis der Veranstalter bzw. der Bezugsberechtigte die Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben nachgewiesen hat. 2. Der Nachweis der Richtigkeit der in den zurückgehaltenen Programmen gemachten Angaben nach Abschnitt IV Ziff. 4 Abs. 5 S. 4 A-VPA (2006) kann nur innerhalb von sechs Monaten erbracht werden, nachdem die GEMA den Veranstalter von der Zurückstellung der Programme benachrichtigt hat. 3. Die Berechtigten sind nicht gehindert, wegen Werkaufführungen, die in von der Verrechnung zurückgestellten oder ausgeschlossenen Programmen genannt sind, einen Anspruch auf Beteiligung am Vergütungsaufkommen geltend zu machen und das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen anderweitig nachzuweisen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Kammergerichts vom 25. April 2012 - 24 U 173/10 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage hinsichtlich der Anträge, die Abrechnungen für das Kalenderjahr 2006 zum 1. April 2007 vorzunehmen (Klageantrag zu 4), die Wertungszuschläge für das Kalenderjahr 2006 auszuschütten (Klageantrag zu 5) und vorgerichtliche Anwaltskosten zu erstatten (Klageantrag zu 3) abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Normenkette:

GEMA A-VPA 2006 Abschn. 4 Nr. 4 Abs. 5 S. 1-2;

Tatbestand

Die Beklagte ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Sie nimmt die ihr von Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern aufgrund von Berechtigungsverträgen eingeräumten urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Musikwerken wahr und verteilt die Einnahmen aus der Verwertung der ihr eingeräumten Rechte auf der Grundlage von Verteilungsplänen an die Berechtigten. Die Verteilungspläne werden von der Mitgliederversammlung der Beklagten beschlossen und bilden nach § 6 Buchst. a des Berechtigungsvertrages auch mit künftigen Änderungen dessen Bestandteil.

Die Klägerin betreibt als Einzelkauffrau einen Musikverlag. Sie hat unter der Firmierung ihres Verlags mit der Beklagten im Jahr 2006 einen Berechtigungsvertrag geschlossen und der Beklagten darin die Nutzungsrechte an den von ihr verlegten Musikwerken zur Auswertung eingeräumt.

Die J. Konzertdirektion, deren Inhaberin gleichfalls die Klägerin ist, hat bei der Beklagten für das Geschäftsjahr 2006 insgesamt 130 Musikfolgen (Programme) von in Hotels und anderen Restaurationsbetrieben als Hintergrundmusik aufgeführter Klaviermusik zur Verrechnung eingereicht. Jedes dieser Programme enthält auch Klavierstücke, die im Musikverlag der Klägerin erschienen sind.

Nach Ansicht der Beklagten entsprechen die eingereichten Programme nicht den Tatsachen oder bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit von wesentlichen Programbestandteilen. Sie hat die Musikfolgen daher gemäß Abschnitt IV Ziffer 4 der Ausführungsbestimmungen zum Verteilungsplan für das Aufführungs- und Senderecht (Verteilungsplan A) in der auf der Mitgliederversammlung der Beklagten vom 27./28. Juni 2006 beschlossenen Fassung (A-VPA 2006) von der Abrechnung ausgeschlossen oder zurückgestellt.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die - näher bezeichneten - Musikfolgen für das Kalenderjahr 2006 aus den Abrechnungen für ihn auszuschließen (Klageantrag zu 2) oder zurückzustellen (Klageantrag zu 1). Weiter will sie festgestellt haben, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Abrechnungen für das Kalenderjahr 2006 zum 1. April 2007 vorzunehmen (Klageantrag zu 4) und die Wertungszuschläge für das Kalenderjahr 2006 auszuschütten (Klageantrag zu 5). Schließlich beansprucht sie den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten (Klageantrag zu 3).

Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Abmahnkosten und der im Rahmen der Klageanträge zu 3 bis 5 geltend gemachten Zinsansprüche stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage vollständig abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat die geltend gemachten Ansprüche als unbegründet angesehen, weil die Beklagte die von der J. Konzertdirektion eingereichten Musikfolgen mit Musikstücken aus dem Verlag der Klägerin mit Recht von der Verrechnung zugunsten der Klägerin ausgeschlossen oder zurückgestellt habe. Dazu hat es ausgeführt:

Die Beklagte sei berechtigt gewesen, die von der J. Konzertdirektion eingereichten Musikfolgen von den Abrechnungen für die Klägerin auszuschließen oder zurückzustellen, weil die eingereichten Programme nicht den Tatsachen entsprochen hätten oder begründete Zweifel an der Richtigkeit von wesentlichen Programbestandteilen bestanden hätten. Der Ausschluss oder die Zurückstellung der Musikfolgen führe dazu, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin auch nicht zur Vornahme von Abrechnungen und zur Ausschüttung von Wertungszuschlägen verpflichtet sei. Da die Abmahnung der Beklagten durch die Klägerin demnach nicht berechtigt gewesen sei, bestehe auch kein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat teilweise Erfolg. Das Berufungsgericht hat zwar ohne Rechtsfehler entschieden, dass die Klageanträge zu 1 und zu 2 unbegründet sind, weil die Beklagte berechtigt war, die - näher bezeichneten - Musikfolgen für das Kalenderjahr 2006 von den Abrechnungen für die Klägerin auszuschließen (dazu II 1) oder zurückzustellen (dazu II 2). Zu Unrecht hat es aber angenommen, der Ausschluss oder die Zurückstellung der Musikfolgen führe dazu, dass die Beklagte auch nicht zur Vornahme von Abrechnungen und zur Ausschüttung von Wertungszuschlägen verpflichtet ist und die Klageanträge zu 4 und zu 5 daher unbegründet sind (dazu II 3). Auch der Klageantrag zu 3 auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten kann daher mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht abgewiesen werden (dazu II 4).

1. Der Klageantrag zu 2 auf Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die in diesem Antrag genannten Musikfolgen für das Kalenderjahr 2006 aus den Abrechnungen für die Klägerin auszuschließen, ist - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - unbegründet. Die Beklagte war gemäß Abschnitt IV Ziffer 4 Abs. 2 und 5 Satz 4 A-VPA (2006) berechtigt, die von der J. Konzertdirektion eingereichten Programme von der Verrechnung auszuschließen.

a) Abschnitt IV Ziffer 4 Abs. 2 A-VPA (2006) lautet:

Von der Verrechnung ausgeschlossen sind Programme, die den Tatsachen nicht entsprechen.

Abschnitt IV Ziffer 4 Abs. 5 A-VPA (2006) hat folgenden Wortlaut:

Soweit ein Programm nicht den Tatsachen entspricht, ist die GEMA berechtigt, Programme des betroffenen Veranstalters bzw. des nach Abschnitt III Ziff. 3 b) zur Programmabgabe Befugten von der Verrechnung eines Geschäftsjahrs zurückzustellen, bis der Veranstalter bzw. der Bezugsberechtigte die Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben nachgewiesen hat. Dasselbe gilt, soweit begründete Zweifel an der Richtigkeit von wesentlichen Programmbestandteilen bestehen. Die GEMA benachrichtigt den Veranstalter bzw. Bezugsberechtigten bis zum Abrechnungstermin von der Zurückstellung und fordert ihn auf, den Nachweis zu erbringen. Wird dieser nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Benachrichtigung erbracht, sind die zurückgehaltenen Programme von der Verrechnung ausgeschlossen.

b) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die im Jahr 2006 von der Mitgliederversammlung neu gefasste Bestimmung des Abschnitts IV Ziffer 4 A-VPA (2006) Bestandteil des zwischen den Parteien im Jahr 2006 geschlossenen Berechtigungsvertrags geworden ist. Nach § 6 Buchst. a dieses Vertrags bildet der Verteilungsplan, auch soweit er künftig geändert werden sollte, einen Bestandteil dieses Vertrags. Änderungen der für die Erlösverteilung maßgeblichen Grundsätze des Verteilungsplans nach Abschluss des Berechtigungsvertrags werden danach - anders als Änderungen des Berechtigungsvertrags selbst (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - I ZR 23/06, GRUR 2009, 395 Rn. 38 bis 41 = WRP 2009, 313 - Klingeltöne für Mobiltelefone I) - auch ohne Zustimmung des Berechtigten Bestandteil des Berechtigungsvertrags (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 1988 - KVR 4/87, GRUR 1988, 782, 783 - GEMA-Wertungsverfahren; Urteil vom 19. Mai 2005 - I ZR 299/02, BGHZ 163, 119 , 133 f. - PRO-Verfahren).

c) Die Beklagte war gemäß Abschnitt IV Ziffer 4 Abs. 2 A-VPA (2006) berechtigt, das Programm der im Klageantrag zu 2 genannten Veranstaltung am Vormittag des 7. September 2006 von der Verrechnung auszuschließen.

aa) Nach Abschnitt IV Ziffer 4 Abs. 2 A-VPA (2006) sind Programme, die den Tatsachen nicht entsprechen, von der Verrechnung ausgeschlossen. Danach ist die Beklagte berechtigt, ein Programm von der Verrechnung auszuschließen, wenn begründete Zweifel an der Richtigkeit sämtlicher Bestandteile dieses Programms bestehen. Das folgt aus dem Regelungszusammenhang mit Abschnitt IV Ziffer 4 Abs. 5 Satz 2 A-VPA (2006). Danach ist die Beklagte, wenn lediglich begründete Zweifel an der Richtigkeit wesentlicher Bestandteile eines Programms bestehen, zunächst nur berechtigt, dieses Programm von der Verrechnung zurückzustellen.

bb) Die Beklagte hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts dargelegt, dass das Programm der Veranstaltung am Vormittag des 7. September 2006 nach den Berichten ihres Kontrolleurs nicht den Tatsachen entsprach, weil diese Veranstaltung gar nicht stattgefunden hatte. Die Zweifel der Beklagten an der Richtigkeit des Programms waren im Blick auf den Bericht ihres Kontrolleurs begründet. Die Beklagte durfte dieses Programm daher nach Abschnitt IV Ziffer 4 Abs. 2 A-VPA (2006) von der Verrechnung ausschließen.

d) Die Beklagte war ferner gemäß Abschnitt IV Ziffer 4 Abs. 5 Satz 4 A-VPA (2006) berechtigt, die Programme der übrigen im Klageantrag zu 2 genannten Veranstaltungen von der Verrechnung auszuschließen.

aa) Soweit ein Programm nicht den Tatsachen entspricht, ist die Beklagte nach Abschnitt IV Ziffer 4 Abs. 5 Satz 1 A-VPA (2006) berechtigt, (andere) von diesem Veranstalter bzw. (ausnahmsweise) Bezugsberechtigten (vgl. Abschnitt III A-VPA [2006]) eingereichte Programme von der Verrechnung eines Geschäftsjahrs zurückzustellen, bis der Veranstalter bzw. der Bezugsberechtigte die Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben nachgewiesen hat. Darüber hinaus ist die Beklagte bei begründeten Zweifeln an der Richtigkeit wesentlicher Bestandteile eines Programms gemäß Abschnitt IV Ziffer 4 Abs. 5 Satz 2 A-VPA (2006) berechtigt, dieses Programm oder andere Programme des Veranstalters bzw. Bezugsberechtigten von der Verrechnung zurückzustellen. In beiden Fällen hat die Beklagte den Veranstalter bzw. Bezugsberechtigten nach Abschnitt IV Ziffer 4 Abs. 5 Satz 3 A-VPA (2006) bis zum Abrechnungstermin von der Zurückstellung zu benachrichtigen und aufzufordern, den Nachweis zu erbringen. Wird der Nachweis nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Benachrichtigung erbracht, sind die zurückgehaltenen Programme nach Abschnitt IV Ziffer 4 Abs. 5 Satz 4 A-VPA (2006) von der Verrechnung ausgeschlossen.

bb) Danach war die Beklagte berechtigt, die Programme der übrigen im Klageantrag zu 2 genannten Veranstaltungen der J. Konzertdirektion von der Verrechnung auszuschließen.

(1) Die Beklagte durfte diese Programme gemäß Abschnitt IV Ziffer 4 Abs. 5 Satz 1 und 2 A-VPA (2006) von der Verrechnung für das Geschäftsjahr 2006 zurückstellen. Zum einen entsprach - wie ausgeführt - ein anderes von diesem Veranstalter für das Geschäftsjahr 2006 eingereichtes Programm nicht den Tatsachen (Abschnitt IV Ziffer 4 Abs. 5 Satz 1 A-VPA [2006]). Zum anderen bestanden begründete Zweifel an der Richtigkeit von wesentlichen Bestandteilen dieser Programme (Abschnitt IV Ziffer 4 Abs. 5 Satz 2 A-VPA [2006]). Die Beklagte hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts dargelegt, dass sich aus den Berichten ihres Kontrolleurs hinsichtlich der weiteren Veranstaltungen konkrete Tatsachen ergaben, die erhebliche Zweifel an der Richtigkeit wesentlicher Bestandteile der eingereichten Programme begründeten. So wurden nach diesen Berichten bei den Veranstaltungen teilweise andere und durchweg weitaus weniger Werke gespielt als in den Programmen angegeben. Darüber hinaus war danach die für die angegebenen Werke registrierten Werkdauer in der Summe jeweils weitaus länger als die Gesamtdauer der Veranstaltung.

(2) Die Beklagte hat die J. Konzertdirektion als Veranstalterin der Programme auch, wie nach Abschnitt IV Ziffer 4 Abs. 5 Satz 3 A-VPA (2006) erforderlich, mit Schreiben vom 28. März 2007 bis zum Abrechnungstermin am 1. April 2007 von der Zurückstellung der Programme benachrichtigt und zum Nachweis der Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben aufgefordert. Zur Benachrichtigung und Aufforderung der Bezugsberechtigten war die Beklagte dagegen nicht verpflichtet. Eine solche Verpflichtung besteht nur in dem - hier nicht vorliegenden - Ausnahmefall, dass die Programme von einem zur Programmabgabe befugten Bezugsberechtigten eingereicht worden sind. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass es zu einem mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot der treuhänderischen Mittelverwaltung nicht zu vereinbarenden Verwaltungsaufwand führte, wenn die Beklagte auch bei von Veranstaltern eingereichten Programmen sämtliche Bezugsberechtigte ermitteln und benachrichtigen müsste.

(3) Da der Nachweis der Richtigkeit der in den zurückgehaltenen Programmen gemachten Angaben nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Benachrichtigung erbracht wurde, sind diese Programme nach Abschnitt IV Ziffer 4 Abs. 5 Satz 4 A-VPA (2006) von der Verrechnung ausgeschlossen. Die Klägerin ist dem Vortrag der Beklagten zum tatsächlichen Ablauf der einzelnen Veranstaltungen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht konkret durch eigene Sachdarstellungen entgegengetreten. Vielmehr hat sie sich jeweils auf pauschales Behaupten der Richtigkeit der Programme und des Bestreitens der Durchführung und des Ergebnisses der Kontrollen beschränkt. Sie hat keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Kontrollen gar nicht stattgefunden oder die in den Kontrollberichten niedergelegten Feststellungen nicht den Tatsachen entsprochen haben. Das gilt auch für die Veranstaltung am Vormittag des 7. September 2006, für die die Klägerin sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf das Zeugnis des die Musikstücke aufführenden Pianisten berufen hat, ohne näher darzulegen, dass und wie dieser die angegebenen 155 Werke in 1 Stunde und 50 Minuten gespielt hat.

cc) Die gegen diese Beurteilung gerichteten Einwände der Revision haben keinen Erfolg.

(1) Die Revision rügt vergeblich, das Berufungsgericht habe die Klägerin nicht - wie erforderlich - darauf hingewiesen, dass weitergehender Sachvortrag notwendig sei, um die Voraussetzungen der geltend gemachten Ansprüche darzulegen und unter Beweis zu stellen. Die Klägerin hätte auf einen entsprechenden richterlichen Hinweis zum tatsächlichen Ablauf der einzelnen Veranstaltungen ergänzend vorgetragen und die Richtigkeit der in Rede stehenden Programme bewiesen; darüber hinaus wäre sie dem Vortrag der Beklagten substantiiert entgegengetreten.

Damit kann die Revision schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der Nachweis der Richtigkeit der in den zurückgehaltenen Programmen gemachten Angaben nach Abschnitt IV Ziffer 4 Abs. 5 Satz 4 A-VPA (2006) nur innerhalb von sechs Monaten erbracht werden konnte, nachdem die Beklagte die J.

Konzertdirektion als Veranstalterin mit Schreiben vom 28. März 2007 von der Zurückstellung der Programme benachrichtigt hatte. Da diese Frist bereits Ende September 2007 abgelaufen war und die Klage am 16. April 2008 eingereicht worden ist, konnte die Klägerin diesen Nachweis im vorliegenden Rechtsstreit nicht mehr erbringen, um damit einen Ausschluss der zurückgehaltenen Programme von der Verrechnung zu vermeiden. Das Berufungsgericht musste die Klägerin daher nicht auf seine insoweit bestehende Darlegungs- und Beweislast hinweisen.

(2) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, die Beklagte habe dadurch auf die Einhaltung der Frist des Abschnitts IV Ziffer 4 Abs. 5 Satz 4 A-VPA (2006) verzichtet, dass sie der Klägerin mit Schreiben vom 1. September 2007 einige der teilweise geschwärzten Kontrollberichte übersandt habe.

Zum einen handelt es sich bei diesem Vorbringen der Revision um - in der Revisionsinstanz unzulässigen (§ 559 Abs. 1 ZPO ) - neuen Sachvortrag. Zum anderen kann darin, dass die Beklagte der Klägerin dieses Schreiben übersandt hat, kein Verzicht auf die Einhaltung der Frist gesehen werden. Soweit die Beklagte der Klägerin mit dem Schreiben die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt hat, ist dies vor dem Hintergrund zu sehen, dass es dem Berechtigten stets möglich ist, die Aufführung seiner Werke in anderer Weise als durch Vorlage von Programmen nachzuweisen (dazu unten Rn. 34 f.). Im Übrigen war der verbleibende Zeitraum bis zum Ablauf der sechsmonatigen Frist auch nicht so kurz, dass die Möglichkeit zur Stellungnahme, die die Beklagte der Klägerin in diesem Schreiben einräumte, als Verzicht auf die Einhaltung der Frist aufgefasst werden konnte.

(3) Die Revision macht vergeblich geltend, die Beklagte sei jedenfalls unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens gehindert, sich auf den Ablauf dieser Frist zu berufen. Sie habe gegenüber dem Veranstalter in ihrem Schreiben vom 28. März 2007 darauf hingewiesen, der Nachweis könne durch detaillierte Darlegungen von neutralen und unbeteiligten Dritten oder eidesstattliche Versicherungen von Zuhörern oder Vertretern der Veranstaltungsorte erbracht werden; Erklärungen des Veranstalters selbst oder ihm nahestehender Personen könnten nicht akzeptiert werden.

Die Beklagte handelt nicht widersprüchlich, wenn sie einerseits darauf hinweist, dass sie bestimmte Beweismittel nicht als geeignet erachtet, ihre Zweifel an der Richtigkeit der eingereichten Programme auszuräumen, und sich andererseits nach Ablauf einer Frist darauf beruft, dass innerhalb der Frist keine geeigneten Nachweise erbracht worden sind.

2. Der Klageantrag zu 1 auf Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die Musikfolgen für das Kalenderjahr 2006 aus den Abrechnungen für die Klägerin zurückzustellen, ist - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - gleichfalls unbegründet. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, hinsichtlich der im Klageantrag zu 1 angeführten Programme sei die Beklagte berechtigt gewesen, diese von der Verrechnung zurückzustellen.

a) Nachdem die von der Beklagten durchgeführten Sonderkontrollen hinsichtlich der im Klageantrag zu 2 genannten Veranstaltungen nach den Berichten ihres Kontrolleurs ergeben hatten, dass eines dieser Programme nicht den Tatsachen entsprach und an der Richtigkeit wesentlicher Bestandteile der übrigen Programme begründete Zweifel bestanden, war die Beklagte gemäß Abschnitt IV Ziffer 4 Abs. 5 Satz 1 und 2 A-VPA (2006) berechtigt, auch die anderen von diesem Veranstalter eingereichten Programme bis zum Nachweis der Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben von der Verrechnung des Geschäftsjahres 2006 zurückzustellen.

b) Es kommt daher nicht darauf an, ob sich für die Beklagte auch aus anderen Umständen begründete Zweifel an der Richtigkeit der vom Klageantrag zu 1 erfassten Programme ergaben, wie insbesondere aus dem verhältnismäßig hohen Umfang der Aufführung eher unbekannter eigener Werke der Interpreten und ihnen persönlich oder wirtschaftlich verbundener Dritter, der durchschnittlichen Aufführungsdauer von lediglich 50 Sekunden pro Werk und der Frage der zeitlichen Vereinbarkeit von Terminen am selben Tag an weit voneinander entfernten Orten.

c) Die Berechtigung zur Zurückstellung der Programme hängt - anders als die Berechtigung zum Ausschluss von Programmen - nicht davon ab, ob die Beklagte die J. Konzertdirektion bis zum Abrechnungstermin über die Zurückstellung unterrichtet hat (Abschnitt IV Ziffer 4 Abs. 5 Satz 3 A-VPA [2006]) und die Klägerin innerhalb von sechs Monaten nach dieser Benachrichtigung die Richtigkeit der in den Programmen enthaltenen Angaben nachgewiesen hat (Abschnitt IV Ziffer 4 Abs. 5 Satz 4 A-VPA [2006]).

3. Das Berufungsgericht hat die Klageanträge zu 4 und 5 auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Abrechnungen für das Kalenderjahr 2006 zum 1. April 2007 vorzunehmen und die Wertungszuschläge für das Kalenderjahr 2006 auszuschütten, zu Unrecht als unbegründet angesehen. Es hat angenommen, der Klägerin stehe hinsichtlich der in Rede stehenden Programme kein Anspruch auf Erlösbeteiligung aus § 6 Buchst. a des Berechtigungsvertrags in Verbindung mit den Bestimmungen des Verteilungsplans in Verbindung mit §§ 675 , 667 , 315 Abs. 1 BGB zu, weil die Beklagte die Programme mit Recht von den Abrechnungen der Klägerin für das Geschäftsjahr 2006 ausgeschlossen oder zurückgestellt habe. Mit dieser Begründung können die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Abrechnung und Ausschüttung nicht verneint werden.

Die Revision macht zutreffend geltend, dass der Ausschluss oder die Zurückstellung eines Programms von der Verrechnung einer Durchsetzung von Ansprüchen auf Abrechnung und Ausschüttung auf dem Klagewege nicht entgegensteht. Die Berechtigten sind nicht gehindert, wegen Werkaufführungen, die in von der Verrechnung zurückgestellten oder ausgeschlossenen Programmen genannt sind, einen Anspruch auf Beteiligung am Vergütungsaufkommen geltend zu machen und das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen anderweitig nachzuweisen. Die Zurückstellung oder der Ausschluss eines Programms von der Verrechnung führt lediglich dazu, dass die vereinfachte Form des außergerichtlichen Nachweises von Werknutzungen durch den Berechtigten gegenüber der Beklagten ausgeschlossen ist. Nach diesem vereinfachten Verfahren genügt es zum Nachweis von Werkaufführungen grundsätzlich, dass der zur Programmabgabe befugte Veranstalter oder (ausnahmsweise) Bezugsberechtigte das Programm einreicht, aus dem sich die aufgeführte Musikfolge ergibt. Damit ist es dem Berechtigten aber nicht verwehrt, die seinen Vergütungsanspruch begründenden Werkaufführungen auf andere Weise nachzuweisen. Insbesondere steht es ihm frei, die Richtigkeit der Angaben in von der Verrechnung zurückgestellten oder ausgeschlossenen Programmen unter Beweis zu stellen. Es mag für ihn schwierig sein, diesen Beweis zu führen; unmöglich ist dies aber nicht. Insbesondere kann er die Personen als Zeugen benennen, die nach seiner Darstellung bei der Aufführung als Veranstalter und Darbietende (Musikleiter) mitgewirkt haben; den Zeugen können die Angaben im Programm bei ihrer Vernehmung als Gedächtnisstütze dienen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2012 - I ZR 23/11, GRUR 2013, 375 Rn. 25 bis 31 = WRP 2013, 518 - Missbrauch des Verteilungsplans).

4. Da der Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin habe kein Anspruch auf Erlösbeteiligung zugestanden, die Grundlage entzogen ist, kann auch seine Beurteilung, der Klageantrag zu 3 auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten sei unbegründet, keinen Bestand haben.

III. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels aufzuheben, soweit das Berufungsgericht die Klage hinsichtlich der Anträge, die Abrechnungen für das Kalenderjahr 2006 zum 1. April 2007 vorzunehmen (Klageantrag zu 4), die Wertungszuschläge für das Kalenderjahr 2006 auszuschütten (Klageantrag zu 5) und vorgerichtlicher Anwaltskosten zu erstatten (Klageantrag zu 3), abgewiesen hat. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob und inwieweit die eingereichten Programme den Tatsachen entsprechen und die von der Klägerin erhobenen Ansprüche danach begründet sind. Dabei trägt die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit der Programme.

Verkündet am: 22. Januar 2014

Vorinstanz: KG Berlin, vom 25.04.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 24 U 173/10
Vorinstanz: LG Berlin, vom 05.10.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 16 O 174/08
Fundstellen
ZUM 2014, 800