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BGH - Entscheidung vom 04.06.2014

AnwZ (Brfg) 9/14

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
BRAO § 112e S. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5

BGH, Beschluss vom 04.06.2014 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 9/14

DRsp Nr. 2014/10756

Anspruch eines Anwalts auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung eines Antrags auf Zulassung der Berufung; Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Anwaltschaft wegen Vermögensverfalls

1. Soweit die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls eines Rechtsanwalt auch an die Eintragung im Schuldnerverzeichnis anknüpft, kommt es nicht auf die Höhe der zugrundeliegenden Forderung an. 2. Soweit der Anwalt zur Widerlegung des Vermögensverfalls behauptet, er habe zum maßgeblichen Zeitpunkt über Honoraraußenstände in seine Verbindlichkeiten übersteigender Höhe verfügt, kommt es entscheidend auf die Liquidität entsprechender Vermögenswerte an. 3. Eine als fehlerhaft gerügte Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch kann nach § 112c Abs. 1 BRAO , § 146 Abs. 2 VwGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden und ist folglich nach § 112c Abs. 1 BRAO , § 173 S. 1 VwGO , § 512 ZPO einer inhaltlichen Überprüfung durch das Berufungsgericht entzogen.

Tenor

Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung gewährt.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das ihm am 15. Januar 2014 an Verkündungs statt zugestellte Urteil des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 ; BRAO § 112e S. 2; VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 ;

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ). Seine Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.

II.

Dem Kläger war gemäß § 112e Satz 2 BRAO , §§ 60 , 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Zulassungsantrags zu gewähren, da er krankheitsbedingt zur Einhaltung der Frist nicht in der Lage war.

III.

Der nach § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag hat keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5 VwGO ) liegen nicht vor.

1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn sich der Rechtsanwalt in ungeordneten, schlechten finanziellen Verhältnisse befindet, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 4 und vom 10. März 2014 - AnwZ (Brfg) 77/13 [...] Rn. 3, jeweils m.w.N.). Der Vermögensverfall wird gesetzlich vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO ; § 882b ZPO , vormals § 915 ZPO ) eingetragen ist. Hierbei ist nach der ständigen Senatsrechtsprechung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Widerrufs infolge des ab 1. September 2009 geltenden Verfahrensrechts auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens - hier Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2013 - abzustellen; danach eingetretene Entwicklungen bleiben der Beurteilung in einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011, a.a.O. Rn. 9 ff. und vom 10. März 2014, a.a.O. Rn. 3).

Der Kläger war zum maßgeblichen Zeitpunkt mit mehreren Haftbefehlen im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Die daraus resultierende gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls hat der Kläger, wie der Anwaltsgerichthof, auf dessen Begründung der Senat zunächst Bezug nimmt, zutreffend ausgeführt hat, nicht widerlegt. Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen in der Zulassungsbegründung folgendes anzumerken:

Es reicht nicht aus, wenn der Kläger lediglich zu einigen der Haftbefehle Stellung nimmt und im Übrigen vorträgt, dass alle anderen Haftbefehle "auf Kleinkram im Vergleich zum Finanzamt beruhen und keinen Schluss auf einen Vermögensverfall zulassen". Die gesetzliche Vermutung knüpft an die Eintragung im Schuldnerverzeichnis an, ohne dass es auf die Höhe der zugrundeliegenden Forderung ankommt. Insoweit verdeutlicht im Übrigen gerade der Umstand, dass der Kläger nicht einmal mehr kleinere Forderungen hat bezahlen können und es insoweit zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sowie dem Erlass von Haftbefehlen hat kommen lassen, die wahre wirtschaftliche Situation des Klägers. Soweit dieser zu einigen Haftbefehlen Stellung genommen hat, genügt es auch nicht, wenn ohne Nachweise pauschal behauptet wird, die zugrundeliegenden Forderungen seien getilgt oder es seien Ratenzahlungsvereinbarungen geschlossen worden. Was den Haftbefehl in der Forderungsangelegenheit des Finanzamts anbetrifft, ändert im Übrigen weder der behauptete Umstand, dass der Kläger bei dem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung entschuldigt gefehlt haben soll, noch die pauschale Behauptung, die Forderung des Finanzamts von mehr als 100.000 EUR sei "weit überhöht", etwas daran, dass der Kläger selbst nach seiner eigenen Einschätzung in erheblichem Umfang Steuerrückstände hat.

Nach der ständigen Senatsrechtsprechung (vgl. zuletzt Beschluss vom 6. Februar 2014 - AnwZ (Brfg) 83/13, [...] Rn. 5 m.w.N.) muss ein Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, zur Widerlegung der Vermutung ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und dartun, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind. Dies hat der Kläger, obwohl ihn bereits die Beklagte zur umfassenden Darlegung seiner Vermögensverhältnisse und zur Vorlage einer Vermögensaufstellung aufgefordert hatte, nicht getan.

Soweit der Kläger - im Übrigen ohne nähere Einzelheiten und ohne jeglichen Nachweis - pauschal behauptet hat, er habe zum maßgeblichen Zeitpunkt über Honoraraußenstände in seine Verbindlichkeiten übersteigender Höhe von rund 134.000 EUR verfügt, ist nicht ersichtlich, dass ihm diese Ansprüche als liquider Vermögenswert zur Tilgung seiner Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden haben. Auf die Liquidität entsprechender Vermögenswerte kommt es aber entscheidend an (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 6. Februar 2014, a.a.O. Rn. 6 und vom 10. Februar 2014 - AnwZ (Brfg) 81/13, [...] Rn. 6 m.w.N.). Der Kläger hat aus diesen angeblichen Altforderungen ersichtlich keine Befriedigung gewinnen können, um die zahlreichen Vollstreckungsmaßnahmen seiner Gläubiger - die bereits für sich den Vermögensverfall belegen - und letztlich den Zulassungswiderruf zu verhindern.

Zwischenzeitlich hat der Kläger auch unter dem 19. Juli 2013 nach Verhaftung die eidesstattliche Versicherung abgegeben und ist durch die AOK B. am 30. Juli 2013 wegen der Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen Insolvenzantrag gestellt worden. Auch dies belegt die zerrütteten Vermögensverhältnisse des Klägers.

b) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden. Hierfür trägt der Rechtsanwalt die Feststellungslast (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. zuletzt nur Beschlüsse vom 6. Februar 2014, a.a.O. Rn. 7; vom 10. Februar 2014, a.a.O. Rn. 8 und vom 10. März 2014, a.a.O. Rn. 5, jeweils m.w.N.). Dass hier ausnahmsweise eine Gefährdung ausgeschlossen ist (vgl. zu den diesbezüglichen Voraussetzungen auch Senatsbeschlüsse vom 24. Mai 2013 - AnwZ (Brfg) 15/13, [...] Rn. 5 und vom 4. Januar 2014 - AnwZ (Brfg) 62/13, [...] Rn. 6, jeweils m.w.N.), hat der Kläger, dessen Zulassungsbegründung sich hierzu nicht verhält, nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich.

2. Es liegt - entgegen der Auffassung des Klägers - auch kein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ).

Die vom Kläger als fehlerhaft gerügte Entscheidung über sein Ablehnungsgesuch gegen den Beisitzer Dr. R. stellt keinen im Zulassungsverfahren zu berücksichtigenden Verfahrensfehler dar. Solche Entscheidungen können nach § 112c Abs. 1 BRAO , § 146 Abs. 2 VwGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden und sind folglich nach § 112c Abs. 1 BRAO , § 173 Satz 1 VwGO , § 512 ZPO einer inhaltlichen Überprüfung durch das Berufungsgericht entzogen. Demgemäß unterliegt auch eine mögliche fehlerhafte Besetzung des Anwaltsgerichtshofs bei der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch nicht der Nachprüfung durch das Berufungsgericht (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 8. Dezember 2011 - AnwZ (Brfg) 46/11, [...] Rn. 7; vom 15. März 2012 - AnwZ (Brfg) 55/11, [...] Rn. 14 und vom 7. Oktober 2013 - AnwZ (Brfg) 34/13, NJW-RR 2014, 317 Rn. 6). Dies gilt unabhängig davon, ob hier - so der Kläger entgegen dem Inhalt des Protokolls - über das Ablehnungsgesuch bereits im Termin am 6. Dezember 2013 oder erst im Zusammenhang mit dem Urteil entschieden worden ist. Im Übrigen teilt der Senat die Auffassung des Anwaltsgerichtshofs, dass der am Morgen des Terminstages gestellte Befangenheitsantrag rechtsmissbräuchlich war und ein Befangenheitsgrund auch nicht hinreichend dargelegt wurde. Da die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO in der Sache ohne jeden Zweifel vorliegen und insoweit die Zulassung des Klägers zwingend zu widerrufen war, fehlt es letztlich auch an einem Zusammenhang zwischen dem angeblichen Verfahrensfehler und der angefochtenen Entscheidung. Dies gilt ebenso, soweit der Kläger Verletzungen seines rechtlichen Gehörs rügt. Abgesehen davon ist Art. 103 Abs. 1 GG nicht verletzt worden. So beklagt der Kläger u.a., dass im Widerspruchsbescheid auf eine Auskunft des Amtsgerichts K. (Schuldnerverzeichnis) vom 23. Mai 2013 abgestellt wurde, obwohl ihm zuvor nur eine frühere Auskunft vom 5. April 2013 zur Stellungnahme übersandt worden sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Haftbefehle, die für den Widerspruchsbescheid entscheidungserheblich waren, alle bereits in der Auskunft vom 5. April 2013 angeführt worden sind. Auch im Übrigen hatte der Kläger sowohl im Verfahren der Beklagten als auch im Gerichtsverfahren ausreichend Gelegenheit, zu den Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO Stellung zu nehmen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 154 Abs. 2 VwGO , die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO .

Vorinstanz: AGH Baden-Württemberg, vom 15.01.2014 - Vorinstanzaktenzeichen AGH 15/13 (I)