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BGH - Entscheidung vom 30.10.2013

V ZB 33/13

Normen:
FamFG § 23 Abs. 2
WÜK Art. 36 Abs. 1 Buchst. b)

BGH, Beschluss vom 30.10.2013 - Aktenzeichen V ZB 33/13

DRsp Nr. 2013/24461

Bekanntgabe und Belehrung eines Asylsuchenden über die Haftanordnung und die Aufrechterhaltung der Haft zur Sicherung der Abschiebung

1. Eine Haftanordnung ist bereits dann rechtswidrig, wenn dem Betroffenen vor der Anhörung durch den Haftrichter keine Ablichtung des Haftantrags ausgehändigt wurde und eine erforderliche (mündliche) Übersetzung nicht erfolgte; lediglich eine Bekanntgabe des Haftantrags genügt nicht. 2. Eine Haftanordnung bzw. eine Aufrechterhaltung der Haft ist bereits dann rechtswidrig, wenn der Betroffene nicht über seine Rechte nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b WÜK belehrt worden ist.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Gotha vom 11. Januar 2013 und der Beschluss des Landgerichts Erfurt vom 20. März 2013 ihn in seinen Rechten verletzt haben.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Landkreis Gotha auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Normenkette:

FamFG § 23 Abs. 2 ; WÜK Art. 36 Abs. 1 Buchst. b);

Gründe

I.

Der Betroffene, ein armenischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben erstmals am 9. Mai 2000 gemeinsam mit seiner Ehefrau in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ein Asylantrag wurde rechtskräftig zurückgewiesen. Eine Abschiebung scheiterte an fehlenden Passersatzpapieren. Seit dem 2. September 2006 war der beteiligten Behörde der Aufenthalt des Betroffenen nicht bekannt.

Auf Antrag der beteiligten Behörde vom 10. Januar 2013 hat das Amtsgericht - nach Anhörung des Betroffenen - an demselben Tag die Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen bis zum 10. April 2013 angeordnet. Die Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 20. März 2013 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er nach dem Ablauf der Haftzeit die Feststellung erreichen will, dass die Haftanordnung und die Aufrechterhaltung der Haft ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.

Nach Ansicht des Beschwerdegerichts hat das Amtsgericht zutreffend die Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungshaft bejaht. Dass der Betroffene sich der Abschiebung nicht habe entziehen wollen, habe er nicht glaubhaft gemacht, ebenso nicht, dass er im Jahr 2006 freiwillig nach Armenien ausgereist sei. Ein geeignetes milderes Mittel als die Haftanordnung habe nicht zur Verfügung gestanden. Die Stellung des Asylfolgeantrags habe der Haftanordnung nicht entgegengestanden. Die Haftdauer sei auch verhältnismäßig gewesen.

III.

Die nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 , Satz 2 FamFG mit dem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG statthafte (siehe nur Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151 Rn. 9) und auch sonst zulässige (§ 71 FamFG ) Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Betroffene ist durch die Haftanordnung und ihre Aufrechterhaltung in seinen Rechten verletzt worden.

1. Die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung ergibt sich bereits daraus, dass der Haftantrag dem Betroffenen nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist (§ 23 Abs. 2 FamFG ). Denn diesem muss vor der Anhörung durch den Haftrichter eine Ablichtung des Antrags ausgehändigt und erforderlichenfalls (mündlich) übersetzt werden; dies muss in dem Anhörungsprotokoll oder an einer anderen Aktenstelle schriftlich dokumentiert werden (st. Rspr., siehe nur Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 284/11, InfAuslR 2012, 369 Rn. 9 mwN). Hieran fehlte es. Nach dem Protokoll über die Anhörung wurde der Haftantrag dem Betroffenen lediglich bekannt gegeben.

2. Die Haftanordnung und die Aufrechterhaltung der Haft durch das Beschwerdegericht waren rechtswidrig, weil der Betroffene weder vom Amtsgericht noch von dem Beschwerdegericht über seine Rechte nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b WÜK belehrt worden ist. Dies stellt einen grundlegenden Verfahrensmangel dar (Senat, Beschluss vom 18. November 2010 - V ZB 165/10, FGPrax 2011, 99 Rn. 4).

3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG ).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 , § 83 Abs. 2 , § 430 FamFG , Art. 5 Abs. 5 EMRK analog.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO .

Vorinstanz: AG Gotha, vom 11.01.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 15 XIV 2/13
Vorinstanz: LG Erfurt, vom 20.03.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 3 T 24/13