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BGH - Entscheidung vom 20.01.2011

RiZ(R) 1/10

Normen:
DRiG § 26 Abs. 3

BGH, Urteil vom 20.01.2011 - Aktenzeichen RiZ(R) 1/10

DRsp Nr. 2011/3480

Vorliegen einer Maßnahme der Dienstaufsicht im Falle eines Schreibens eines Amtsgerichtspräsidenten mit der Bitte um Einhaltung des Dienstweges bei Eingaben an die Staatsanwaltschaft; Enthaltung hinsichtlich jeglicher Einflussnahme eines Dienstvorgesetzten im Kernbereich richterlicher Tätigkeit aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit; Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit durch den Hinweis eines Dienstvorgesetzten an einen Richter bei Bezug dieses Hinweises auf prozessleitende Verfügungen des Richters in einem anhängigen Verfahren

Die Revision des Antragstellers gegen den Beschluss des Dienstgerichtshofs für Richter bei dem Oberlandesgericht Hamm vom 1. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Normenkette:

DRiG § 26 Abs. 3 ;

Tatbestand

Der Antragsteller ist Richter am Amtsgericht D. . Er ist dort in Familiensachen tätig, leistet aber auch gelegentlich Eil- und Bereitschaftsdienst am Wochenende in Strafsachen. Dabei hat er unter anderem bereits erlassene Haftbefehle des Amtsgerichts D. zu eröffnen; diese betreffen zum Einen Strafsachen, die sich noch im Ermittlungsstadium befinden, zum Anderen Strafsachen, in denen bereits Anklage erhoben worden ist.

Der Antragsteller hatte sich in der Vergangenheit bereits verschiedentlich an die Leitende Oberstaatsanwältin in D. gewandt und unter Bezugnahme auf einen durchgeführten oder bevorstehenden Eildienst die Verfahrensweise der Staatsanwaltschaft beanstandet, dem Eildienstrichter bei Vorführungen von Beschuldigten gemäß § 115 StPO nur eine Abschrift des Haftbefehls, nicht aber die Akte der Staatsanwaltschaft vorzulegen. Mit einem weiteren Schreiben folgenden Inhalts wandte er sich am 19. September 2006 wieder auf direktem Weg an die Leitende Oberstaatsanwältin: Sein Eildienst am 28. Oktober 2006 gebe ihm erneut Anlass, sich an sie wegen der Vorführungen gemäß § 115 StPO zu wenden. Er bitte dringend, dafür Sorge zu tragen, dass sich die diensttuenden Staatsanwälte anhand der Akten vom aktuellen Stand der Ermittlungen überzeugen könnten und überzeugten, die Haftvoraussetzungen eigenverantwortlich überprüften und unter Weiterleitung der kompletten Akten an den Haftrichter sachgerechte Anträge stellten. Ohne Kenntnis der Akten könne er gezwungen sein, Beschuldigte freizulassen. Die Leitende Oberstaatsanwältin teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 10. Oktober 2006 mit, sie habe seine Eingabe zuständigkeitshalber an den Präsidenten des Amtsgerichts D. weitergeleitet und sie bitte den Antragsteller, künftig den Dienstweg einzuhalten. Hierauf wandte sich der Antragsteller an den Generalstaatsanwalt in H. und beanstandete, das Verhalten der Staatsanwaltschaft D. bei den Vorführungen sei seines Erachtens nicht mit den gesetzlichen Vorschriften zu vereinbaren. Er korrespondiere in dieser Angelegenheit in Ausübung unabhängiger richterlicher Tätigkeit auch unmittelbar mit der Staatsanwaltschaft und nicht über irgendeinen Dienstweg.

Mit Schreiben vom 5. Dezember 2006 teilte der Präsident des Amtsgerichts D. dem Antragsteller mit, er sei darüber informiert worden, dass dieser sich ohne Einhaltung des Dienstwegs an die Leitende Oberstaatsanwältin und den Generalstaatsanwalt gewandt habe. Er wies den Antragsteller darauf hin, dass auch Richter bei Anträgen und Beschwerden den Dienstweg einzuhalten hätten; dies gelte auch für den Antragsteller, weil dieser sich nicht, was schon die Nichtverwendung eines Aktenzeichens deutlich mache, in einer konkreten, von ihm zu bearbeitenden Rechtssache an die Staatsanwaltschaft gewandt, sondern in abstrakter Form allgemeine Fragen des Geschäftsbetriebs der Staatsanwaltschaft angesprochen habe. Er bat den Antragsteller dringend, künftig in derlei Angelegenheiten den Dienstweg einzuhalten. Dagegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 5. Januar 2007 Widerspruch, mit dem er geltend machte, seine im Vorfeld des Eildienstes verfassten Schreiben seien der Dienstaufsicht entzogene richterliche Handlungen.

Im Vorfeld seines Eildienstes vom 28. Oktober 2006 hatte sich der Antragsteller mit Schreiben vom 19. September 2006 auch an den Präsidenten des Amtsgerichts D. gewandt und diesen darum gebeten, für die Bereitstellung der Akten des Amtsgerichts D. Sorge zu tragen. Zudem hatte er mit Schreiben vom 12. Oktober 2006 beim Präsidenten des Oberlandesgerichts H. beanstandet, es gebe keine Möglichkeit, im Eildienst an die betreffenden Akten zu gelangen, weil das Gerichtsgebäude verschlossen sei und im Übrigen auch keine Geschäftsstellenkraft für die Herbeischaffung der Akten zur Verfügung stehe. In einem Gespräch am 24. Oktober 2006 sagte ihm der Präsident des Amtsgerichts D. daraufhin zu, eine Öffnung des Gerichtsgebäudes während des Eildienstes zu ermöglichen; der Antragsteller könne am Tag vor seinem Eildienst den Generalschlüssel zum Gericht erhalten. Außerdem wies der Präsident des Amtsgerichts der für den Eildienst eingeteilten Geschäftsstellenkraft die Suche nach den benötigten Akten zu. In einem an den Präsidenten des Oberlandesgerichts gerichteten Schreiben vom 24. November 2006 beanstandete der Antragsteller, dies sei nicht ausreichend, da die Aktensuche wegen der unterschiedlichen Aufbewahrungssysteme in den verschiedenen Geschäftsstellen unabsehbar lang dauere und nicht sicher sei, dass die Akten innerhalb der Eildienstzeit überhaupt aufzufinden seien.

Der Präsident des Oberlandesgerichts H. wies die Widersprüche vom 12. Oktober und 24. November 2006 sowie vom 5. Januar 2007 durch Bescheid vom 23. Januar 2007 zurück.

Mit seiner vor dem Dienstgericht für Richter erhobenen Klage begehrt der Antragsteller, festzustellen, dass das Schreiben des Präsidenten des Amtsgerichts D. vom 5. Dezember 2006 unzulässig ist, soweit ihm darin vorgeworfen wird, er habe bei seinen an die Staatsanwaltschaft wegen seines Eildienstes in Ermittlungssachen gerichteten Schreiben den vorgeschriebenen Dienstweg nicht eingehalten; außerdem begehrt er die Feststellung, dass es unzulässig ist, ihm bei den im Rahmen des Eildienstes zu eröffnenden Haftbefehlen des Amtsgerichts D. , in denen bereits Anklage erhoben ist, die entsprechenden Akten des Amtsgerichts vorzuenthalten.

Das Dienstgericht für Richter bei dem Landgericht Düsseldorf hat die Anträge zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Antragstellers hat der Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberlandesgericht Hamm mit einstimmigem Beschluss (§ 130a VwGO ) vom 1. Dezember 2009 zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Das Schreiben des Präsidenten des Amtsgerichts vom 5. Dezember 2006 beeinträchtige die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers nicht. Es betreffe eine Angelegenheit der äußeren Ordnung; die Entschließung des Antragstellers, die Leitende Oberstaatsanwältin in D. sowie den Generalstaatsanwalt in H. im Vorfeld seines anstehenden Eildienstes anzuschreiben und von diesen eine bestimmte Verfahrensweise zu fordern, sei nicht dem Kernbereich richterlicher Tätigkeit zuzuordnen. Mit diesen Schreiben sei der Antragsteller nicht seiner richterlichen Aufgabe nachgekommen, konkrete Verfahren zu fördern und von ihm zu treffende Entscheidungen vorzubereiten; vielmehr seien die Schreiben ohne Bezug auf konkrete Verfahren auf die generelle Klärung allgemeiner Verfahrensfragen gerichtet gewesen und insbesondere auf die aus Sicht des Antragstellers gebotene generelle Herbeiführung eines anderen Verfahrensablaufs bei der Staatsanwaltschaft und intensiverer Mitwirkung der Staatsanwälte bei der Verkündung von Haftbefehlen im Rahmen des Eildienstes. Der Antrag zu 2. sei bereits unzulässig, da es an einer Maßnahme der Dienstaufsicht durch den Präsidenten des Amtsgerichts D. fehle, die allein Gegenstand des Prüfungsverfahrens nach § 26 Abs. 3 DRiG sein könne. Es fehle an der nachvollziehbaren Darlegung konkreter Maßnahmen einer dienstaufsichtsführenden Stelle gegen einen Richter oder eine Gruppe von Richtern. Soweit der Antragsteller geltend mache, dass ihm die einschlägigen Akten im Rahmen seines Eildienstes "vorenthalten" würden, sehe er selbst die "Vorenthaltung" nicht in einer konkreten Maßnahme des Präsidenten des Amtsgerichts; gegen eine solche wende er sich auch nicht, sondern spreche lediglich allgemeine organisatorische Fragen im Hinblick auf die angeblich chaotischen Zustände auf einigen Geschäftsstellen an, die der Präsident des Amtsgerichts seiner Auffassung nach beenden müsse. Soweit der Antragsteller meine, aufgrund der Organisation des Eildienstes sei es ihm nicht zumutbar, nach verfahrensgegenständlichen Akten zu suchen oder suchen zu lassen, weshalb er unter Umständen gezwungen sein könne, Inhaftierte, die ohne Akte nicht zu widerlegende Einlassungen abgäben, freizulassen, werde dieser "Handlungszwang" nicht durch ein bestimmtes Verhalten des Präsidenten des Amtsgerichts D. vorgegeben oder auch nur beeinflusst.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Antragsteller mit seiner - vom Dienstgerichtshof zugelassenen - Revision. Wegen seines Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom 15. Februar und vom 26. Mai 2010 Bezug genommen.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Dienstgerichtshofs für Richter bei dem Oberlandesgericht Hamm vom 1. Dezember 2009 abzuändern und festzustellen,

1.

dass das Schreiben des Präsidenten des Amtsgerichts D. vom 5. Dezember 2006 einen unzulässigen Eingriff in seine richterliche Unabhängigkeit darstellt, soweit dem Antragsteller darin vorgeworfen wird, er habe bei seinen an die Staatsanwaltschaft wegen seines Eildienstes in Ermittlungssachen gerichteten Schreiben den vorgeschriebenen Dienstweg nicht eingehalten,

2.

dass es unzulässig ist, dem Antragsteller einschlägige Akten des Amtsgerichts vorzuenthalten, soweit der Antragssteller im Rahmen seines Eildienstes Haftbefehle des Amtsgerichts D. in Strafsachen zu eröffnen habe (§ 115 Abs. 1 StPO ), in denen bereits Anklage erhoben worden ist.

Der Antragsgegner beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision (§ 79 Abs. 2 , § 80 Abs. 2 DRiG ) ist unbegründet. Das Berufungsgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Prüfungsantrag zu 1. unbegründet und der Prüfungsantrag zu 2. bereits unzulässig ist.

I.

1.

Die vom Antragsteller beanstandete Passage des Schreibens des Präsidenten des Amtsgerichts D. vom 5. Dezember 2006 stellt - wie der Dienstgerichtshof für Richter zu Recht ausgeführt hat - keine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit dar.

a)

Zutreffend hat der Dienstgerichtshof angenommen, dass es sich insoweit um eine Maßnahme der Dienstaufsicht handelt. Maßnahmen der Dienstaufsicht sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht nur unmittelbare Eingriffe, sondern auch Anregungen oder Meinungsäußerungen dienstaufsichtsführender Stellen, die sich in irgendeiner Weise kritisch mit dem dienstlichen Verhalten eines Richters in einem konkreten Fall befassen (BGH, Urteil vom 31. Januar 1984 - RiZ(R) 3/83, BGHZ 90, 41 , 43 mwN) und auf eine direkte oder indirekte Weise nahe legen, wie der Richter in Zukunft verfahren oder entscheiden soll (vgl. etwa BGH, Urteile vom 31. Januar 1984, aaO, S. 43 f. und vom 14. April 1997 - RiZ(R) 3/96, DRiZ 1998, 20, 22). Diese Voraussetzungen erfüllt das angefochtene Schreiben. Der Präsident des Amtsgerichts bittet den Antragsteller dort für die Zukunft, er möge bei künftigen Eingaben an die Staatsanwaltschaft, die keine konkret von ihm zu entscheidenden Fälle betreffen, den Dienstweg einhalten. Dies beinhaltet zumindest einen Hinweis (vgl. hierzu als Maßnahme der Dienstaufsicht: BGH, Urteil vom 3. November 2004 - RiZ(R) 4/03, NJW-RR 2005, 433 , 434 mwN), wie der Antragsteller künftig die Korrespondenz mit anderen Behörden außerhalb konkreter Verfahren führen solle, und damit jedenfalls eine Maßnahme der Dienstaufsicht, weil der Antragsteller erkennbar dazu angehalten werden soll, in Fällen dieser Art nicht wieder unmittelbar an andere Behördenleiter heranzutreten, sondern dies nur auf dem Dienstweg zu tun.

b)

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist nicht zu beanstanden, dass der Dienstgerichtshof in dieser Maßnahme der Dienstaufsicht keinen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit gesehen hat (§ 26 Abs. 3 DRiG ). Wie der Dienstgerichtshof zutreffend ausführt, hat sich der Dienstvorgesetzte aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit im Kernbereich richterlicher Tätigkeit jeglicher Einflussnahme zu enthalten (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 9. März 1967 - RiZ(R) 2/66, BGHZ 47, 275, 282 f. und vom 10. Januar 1985 - RiZ(R) 7/84, BGHZ 93, 238 , 241). Der Dienstaufsicht ist im Interesse eines wirksamen Schutzes der richterlichen Unabhängigkeit nicht nur die eigentliche Rechtsfindung entzogen, sondern zugleich alle ihr auch nur mittelbar dienenden - sie vorbereitenden oder ihr nachfolgenden - Sach- und Verfahrensentscheidungen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 23. Oktober 1963 - RiZ(R) 1/62, BGHZ 42, 163, 169; vom 14. April 1997 - RiZ(R) 1/96, DRiZ 1997, 467, 468 f. und vom 22. Februar 2006 - RiZ(R) 3/05, NJW 2006, 1674 , 1675). Entscheidend ist, dass es jeweils um richterliche Handlungen gehen muss, die in einem konkreten Verfahren mit der Aufgabe des Richters, Recht zu finden und den Rechtsfrieden zu sichern, unmittelbar im Zusammenhang stehen (BGH, Urteil vom 14. April 1997 - RiZ(R) 1/96, DRiZ 1997, 467, 469).

Der Dienstgerichtshof hat zu Recht angenommen, dass das Schreiben des Präsidenten des Amtsgerichts vom 5. Dezember 2006 keine die richterliche Unabhängigkeit verletzende Maßnahme der Dienstaufsicht in diesem Sinn ist.

Zwar hat der erkennende Senat bereits entschieden, dass in dem Hinweis eines Dienstvorgesetzten an einen Richter, künftig den Dienstweg einzuhalten, eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit des Richters liegen kann, sofern sich dieser Hinweis auf prozessleitende Verfügungen des Richters in einem anhängigen Verfahren bezieht (Senatsurteil vom 17. April 2008 - RiZ(R) 3/07, BGHZ 176, 162, Rn. 19 ff.). Um einen solchen Fall geht es hier aber nicht. Die Eingaben des Antragstellers an die Leitende Oberstaatsanwältin und den Generalstaatsanwalt waren - wie der Dienstgerichtshof für Richter zutreffend ausgeführt hat - keine verfahrensleitenden Verfügungen in einem anhängigen Verfahren. Der Antragsteller kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass seine Eingaben an die Leitende Oberstaatsanwältin und den Generalstaatsanwalt im Zusammenhang mit seinem bevorstehenden Eildienst standen. Sein Vorgehen war nicht dadurch geprägt, dass er im Rahmen des Eildienstes den dafür zuständigen Staatsanwalt beteiligt, diesem etwa rechtliches Gehör oder einen Hinweis erteilt hätte. Vielmehr hat der Antragsteller mit seinen Eingaben gegenüber den Behördenleitungen der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft - wie schon zuvor - seine Rechtsauffassung zu den generellen prozessualen Abläufen im Rahmen von Eildiensten dargelegt und die aus seiner Sicht angezeigten organisatorischen Maßnahmen durch die Leitende Oberstaatsanwältin angemahnt. Es handelt sich bei seinen Schreiben daher nicht um verfahrensleitende richterliche Verfügungen, sondern um allgemeine Eingaben an die Behördenleitung der Staatsanwaltschaft und an den Generalstaatsanwalt.

Allerdings können - wie der erkennende Senat ebenfalls bereits entschieden hat (BGH, Urteil vom 14. April 1997 - RiZ(R) 1/96, DRiZ 1997, 467, 469 ) - in Ausnahmefällen auch Eingaben eines Richters, mit denen er - wie hier geschehen - seine Rechtsprechungstätigkeit behindernde Missstände rügt, zu dem der Dienstaufsicht entzogenen Kernbereich der richterlichen Amtsausübung gehören. Dies ist nach der Rechtsprechung des Senats allerdings nur der Fall, wenn es sich bei den Eingaben um eine im unmittelbaren Zusammenhang mit einem konkreten Verfahren stehende richterliche Tätigkeit handelt (BGH, Urteil vom 14. April 1997 - RiZ(R) 1/96, aaO).

Das war bei den Eingaben des Antragstellers an die Leitende Oberstaatsanwältin in D. und den Generalstaatsanwalt in H. nicht der Fall. Die Eingaben standen nicht im Zusammenhang mit konkreten Verfahren, in denen der Antragsteller Recht zu finden hatte. Er hatte sie vielmehr nur aus Anlass seines bevorstehenden Eildienstes, und damit losgelöst von einem konkret zu entscheidenden Verfahren, eingereicht, um erneut seine Forderung nach einer seiner Auffassung nach gebotenen generellen Organisationsentscheidung durch die Leitende Oberstaatsanwältin im Hinblick auf die Verfahren zur Eröffnung eines Haftbefehls gemäß § 115 StPO vorzubringen. Die Eingaben dienten damit nicht der Förderung eines konkreten von dem Richter zu bearbeitenden Verfahrens, sondern waren abstrakt auf Maßnahmen gerichtet, die in den Bereich der Organisationshoheit und Dienstaufsicht der leitenden Oberstaatsanwältin fallen (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 1997 - RiZ(R) 1/96, DRiZ 1997, 467, 469). Der von dem Antragsteller zitierte Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (NJW 2006, 3443) zu einer Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 5 FGG (aF) rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob eine Eingabe des Richters dem der Dienstaufsicht entzogenen Kernbereich richterlicher Tätigkeit zugehört, ist allein, ob sie sich -wenngleich weder Teil der eigentlichen Rechtsfindung noch eine Sachoder Verfahrensentscheidung - als Ausdruck der richterlichen Aufgabe, ein konkretes Verfahren zu fördern und eine Entscheidung vorzubereiten, darstellt. Diese Voraussetzung ist bei Eingaben, mit denen der Richter wie hier - losgelöst vom jeweiligen von ihm zu entscheidenden Fall - generelle organisatorische Maßnahmen einer Behörde erstrebt, nicht gegeben.

c)

Ohne Erfolg beanstandet die Revision, dass der Dienstgerichtshof sich nicht damit befasst hat, ob das Verhalten des Antragstellers eine ordnungswidrige Amtsführung im Sinne des § 26 Abs. 2 DRiG beinhaltet, ob also für ihn - wie es der Präsident des Amtsgerichts angenommen hat - das Dienstweggebot galt. Der Dienstgerichtshof hat vielmehr zu Recht nicht geprüft, ob der Hinweis auf die Einhaltung des Dienstwegs sachlich berechtigt war. Die Entscheidung, ob eine Maßnahme der Dienstaufsicht sachlich berechtigt ist, ist nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des Senats nicht im richterdienstgerichtlichen Verfahren, sondern vom Verwaltungsgericht zu entscheiden (BGH, Urteile vom 5. Oktober 2005 - RiZ(R) 5/04, NJW 2006, 692 Rn. 26 und vom 8. November 2006 - RiZ(R) 2/05, NJW-RR 2007, 281 Rn. 24, jeweils mwN). Im Verfahren vor den Dienstgerichten ist einzig darüber zu befinden, ob der Hinweis des Präsidenten des Amtsgerichts den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit verletzt, was - wie ausgeführt - nicht der Fall ist. Schon damit ist der Prüfungsantrag zu 1. gemäß § 26 Abs. 3 DRiG unbegründet.

2.

Der Prüfungsantrag zu 2. ist - wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben - unzulässig, weil sich der Antragsteller nicht gegen eine Maßnahme der Dienstaufsicht wendet.

Gemäß § 71 DRiG i.V.m. § 54 Abs. 1 BeamtStG ist der Rechtsweg zu den Dienstgerichten nur gegeben, soweit das Deutsche Richtergesetz dies bestimmt (§§ 62 , 78 ff. DRiG ). Nach § 78 Nr. 4 Buchst. e DRiG entscheidet das Dienstgericht bei "Anfechtung einer Maßnahme der Dienstaufsicht aus den Gründen des § 26 Abs. 3". Ein Prüfungsantrag ist deshalb nur zulässig, wenn nachvollziehbar dargelegt ist, dass eine Maßnahme der Dienstaufsicht im Sinne des § 26 Abs. 3 DRiG vorliegt und dass diese Maßnahme die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt (BGH, Urteil vom 3. November 2004 - RiZ(R) 2/03, NJW 2005, 905 mwN). Der Prüfungsantrag zu 2. erweist sich danach als unzulässig, weil das vom Antragsteller zum Gegenstand seines Rechtsschutzbegehrens gemachte Verhalten des Präsidenten des Amtsgerichts D. keine Maßnahme der Dienstaufsicht im Sinne von § 26 Abs. 3 DRiG ist. Zwar hat das Dienstgericht des Bundes den Begriff "Maßnahme der Dienstaufsicht" im Hinblick auf den Zweck des § 26 Abs. 3 DRiG , den Richtern gegenüber den Dienstaufsichtsbehörden einen möglichst umfassenden Rechtsschutz zu gewähren, von jeher weit gefasst. Es genügt jede Einflussnahme der dienstaufsichtsführenden Stelle, die sich auch nur mittelbar auf die Tätigkeit des Richters auswirkt (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 25. September 2002 - RiZ(R) 2/01, NJW 2003, 282 mwN). Notwendig ist aber stets ein gegen einen bestimmten Richter oder eine Gruppe von Richtern gerichtetes Verhalten einer die Dienstaufsicht ausübenden Stelle (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Urteile vom 12. November 1973 - RiZ(R) 1/73, BGHZ 61, 374, 378 und vom 4. Dezember 1989 - RiZ(R) 5/89, NJW 1991, 425 , jeweils mwN). Ein solches Verhalten hat der Antragsteller nicht dargelegt.

Soweit er darauf verweist, dass der erkennende Senat eine Weigerung des Dienstvorgesetzten, einem Richter die Zugangsmöglichkeit zum Dienstzimmer zu gewähren, als Maßnahme der Dienstaufsicht eingeordnet hat (hierzu Senatsurteil vom 25. September 2002 - RiZ(R) 2/01, NJW 2003, 282 ), ist hiermit die Zulässigkeit seines Prüfungsantrags schon deshalb nicht dargetan, weil der vom Antragsteller unterbreitete Sachverhalt nicht vergleichbar ist. Anders als in dem seinerzeit vom Senat entschiedenen Fall hat sich der Präsident des Amtsgerichts als dienstaufsichtsführende Behörde nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers nicht geweigert, diesem Zugang zu den notwendigen Arbeitsmitteln zu gewähren; er hat dessen Zugang zu den möglicherweise im Eildienst benötigten Akten auch nicht etwa durch irgendwelche Maßnahmen beschränkt. Der Präsident des Amtsgerichts hat ihm vielmehr durch Aushändigung des Generalschlüssels zum Gerichtsgebäude und Weisung an die für den Eildienst eingeteilte Geschäftsstellenkraft, bei Bedarf die jeweiligen Akten herauszusuchen, grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet, auf die Akten bei Bedarf zugreifen zu können. Diese Zusagen des Präsidenten des Amtsgerichts stellt der Antragsteller auch nicht in Abrede; er rügt nur, dass die Aktensuche trotz der eingeräumten Zugangsmöglichkeiten wegen der nach seinem Vortrag chaotischen Aktenablage auf verschiedenen Geschäftsstellen zeitaufwändig und zum Teil erfolglos sei. Damit wendet er sich aber nur gegen die nach seiner Behauptung unzuträgliche Organisation der Aktenverwaltung durch die Geschäftsstellen und erstrebt eine Optimierung der Organisationsstruktur durch den Amtsgerichtspräsidenten. Ein gegen ihn selbst oder eine Gruppe von Richtern gerichtetes Verhalten des die Dienstaufsicht ausübenden Präsidenten des Amtsgerichts - das heißt eine Maßnahme der Dienstaufsicht - ist hiermit nicht dargetan.

Bereits aus diesem Grund greift auch die Rüge des Antragstellers nicht, der Dienstgerichtshof habe verkannt, dass auch ein Unterlassen des Dienstvorgesetzten eine Maßnahme der Dienstaufsicht darstellen könne. Unabhängig von der Frage, ob ein Unterlassen als Maßnahme der Dienstaufsicht zu qualifizieren sein kann, fehlt es auch insoweit an der zwingend notwendigen Darlegung eines gegen einen bestimmten Richter oder eine Gruppe von Richtern gerichteten Verhaltens der Dienstaufsicht.

Ohne Erfolg bleibt schließlich auch der Einwand des Antragstellers, die Zulässigkeit seines Prüfungsantrags folge aus der im Senatsurteil vom 25. September 2002 (RiZ(R) 2/01, NJW 2003, 282 , 283) enthaltenen Aussage, eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit könne vorliegen, wenn dem Richter die für seine richterliche Tätigkeit notwendigen Mittel nicht in dem möglichen Maße zur Verfügung gestellt würden. Hiermit verkennt der Antragsteller den Zusammenhang dieser Aussage in dem Urteil. Dort war -anders als hier -der Weg zu den Dienstgerichten eröffnet, weil der dortige Antragsteller dargelegt hatte, dass der Dienstvorgesetzte durch ein gegen den Richter gerichtetes Verhalten dessen Zugang zum Dienstzimmer beschränkt hatte. Der vom Antragsteller zitierte Satz bezog sich allein auf die im Rahmen der Begründetheit des Antrags zu entscheidende Frage, ob durch diese Maßnahme der Dienstaufsicht der dortige Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit verletzt war, weil er bei der Zuteilung der vorhandenen Mittel in ermessensfehlerhafter Weise nicht berücksichtigt worden war. Der vom Antragsteller aus dem Zusammenhang gerissene Satz beantwortet daher die Frage nach dem Vorliegen einer "Maßnahme der Dienstaufsicht" nicht, sondern setzt vielmehr eine solche voraus.

II.

Die Revision war danach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO .

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 10.000 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 GKG ), da es sich bei den beiden Anträgen um unterschiedliche Streitgegenstände handelt.

Von Rechts wegen

Verkündet am 20. Januar 2011

Vorinstanz: OLG Hamm, vom 01.12.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 1 DGH 3/08
Vorinstanz: LG Hamm, vom 18.09.2008 - Vorinstanzaktenzeichen DG 4/07