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BGH - Entscheidung vom 17.03.2011

IX ZR 162/08

Normen:
BGB § 675 Abs. 1, § 254 Abs. 2 Dc
BGB § 254 Abs. 2
BGB § 675 Abs. 1

BGH, Urteil vom 17.03.2011 - Aktenzeichen IX ZR 162/08

DRsp Nr. 2011/12683

Verpflichtung eines durch eine steuerliche Fehlberatung geschädigten Mandanten zum Ausgleich des entstandenen Steuerschadens durch ein mit neuen Risiken ausgestattetes Kompensationsgeschäft; Anrechnung des Mitverschuldens eines Mandanten i.R.e. Steuerberatervertrages im Falle des Vorliegens steuerrechtlicher Kenntnisse seitens des Mandanten

Der durch eine steuerliche Fehlberatung geschädigte Mandant ist nicht gehalten, den entstandenen Steuerschaden durch ein teures, mit neuen Risiken ausgestattetes Kompensationsgeschäft auszugleichen.

Auf die Revision des Klägers wird das Grund- und Teilurteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 24. Juli 2008, berichtigt durch Beschluss vom 29. Juli 2010, teilweise aufgehoben.

Der Klageanspruch wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Die Beklagte bleibt verurteilt, an den Kläger 190.283,85 € nebst 4 v.H. Zinsen seit dem 13. Juli 2000 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den künftigen Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entsteht, dass die Auszahlung seiner mit Datum vom 23. Dezember 1984 abgeschlossenen Kapitallebensversicherung bei der T. AG im Jahre 1997 eine Versteuerung der darin enthaltenen Zinsen zur Folge hatte.

Die auf Feststellung gerichtete Klage bleibt im Übrigen abgewiesen.

Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens und des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Normenkette:

BGB § 254 Abs. 2 ; BGB § 675 Abs. 1 ;

Tatbestand

Der Kläger ist niedergelassener Arzt und hatte über viele Jahre hinweg eine Steuerberaterkanzlei mit der Wahrnehmung seiner steuerlichen Angelegenheiten betraut. Im Jahre 1984 schloss er mit einem Versicherungsunternehmen einen Lebensversicherungsvertrag über eine Versicherungssumme von 3.000.000 DM ab. Der Vertrag sollte bis zum 1. Dezember 2000 gelten. Der Kläger erhielt in den Jahren 1985 bis 1997 von diesem Unternehmen zahlreiche Darlehen, die als so genannte Policedarlehen vereinbarungsgemäß nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses durch Verrechnung mit der auszuzahlenden Versicherungssumme getilgt werden sollten. Der Kläger beantragte die Darlehen jeweils zum Jahresende und sprach zuvor hierüber mit der Beklagten, die 1991 die Steuerberaterkanzlei übernommen hatte.

Um eine Besteuerung der Erträge aus der Lebensversicherung zu vermeiden, investierte der Kläger die Darlehensbeträge ab dem Jahre 1992 teilweise in die Ausstattung seiner Praxis und im übrigen in Beteiligungen an verschiedenen gewerblichen Anlagen. Zum 1. Dezember 1997 kündigte der Kläger den Lebensversicherungsvertrag. Hierauf stellte das Finanzamt mit Bescheid vom 16. März 1998 die Steuerpflicht der Zinsen aus der Versicherungssumme fest, weil die einzelnen Investitionen nicht, wie steuerrechtlich geboten, in der engen zeitlichen Nähe zum Zeitpunkt der Darlehensauszahlungen vorgenommen worden waren. Am 25. Juni 1998 erging gegen den Kläger ein Vorauszahlungsbescheid in Höhe von insgesamt 629.163 DM.

Um eine steuerliche Inanspruchnahme abzuwenden, kaufte der Kläger im Dezember 1998 mit Hilfe eines Bankkredits zwei Windkraftanlagen sowie eine Beteiligung an einer weiteren Anlage zum Preis von insgesamt 3.860.000 DM. Hierdurch erzielte der Kläger einen Verlustrücktrag, durch den seine Steuerlast, die sich für das Jahr 1997 infolge der Erträge aus der Lebensversicherung ergeben hatte, kompensiert wurde.

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung in Anspruch. Für die ihm zusätzlich entstandene Steuerlast in Höhe von 902.349 DM, finanzgerichtliche Kosten in Höhe von 21.529,57 DM und 13.440 DM sowie für die vorgerichtliche Schadensermittlung notwendige Steuerberaterkosten von weiteren 15.113,41 DM müsse die Beklagte aufkommen. Durch den Erwerb der Windkraftanlagen sei der Schaden nicht verringert worden. Jedenfalls könnten die Auswirkungen seiner Investitionen nicht zu Gunsten der Beklagten berücksichtigt werden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht im Wege eines Grund- und Teilurteils den Klageanspruch dem Grunde nach unter Abzug einer auf den Kläger entfallenden Quote von einem Drittel für gerechtfertigt erklärt. Ferner wurde die Beklagte zur Zahlung von 190.283,85 € an den Kläger verurteilt und festgestellt, dass die Beklagte 2/3 des zukünftigen Schadens zu ersetzen hat. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag, ausgenommen die Abweisung des Feststellungsantrags hinsichtlich des bereits entstandenen Schadens, vollumfänglich weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte hätte den Kläger über eine steuerunschädliche Verwendung der Policendarlehen umfassend beraten müssen. Dieser Verpflichtung sei sie nicht nachgekommen, insbesondere habe sie den Kläger nicht darüber aufgeklärt, dass die Steuerpflicht nur dann hätte vermieden werden können, wenn die von der Versicherung gewährten Darlehen binnen 30 Tagen seit Gutschrift auf dem Konto zur Bezahlung angeschaffter Wirtschaftsgüter oder hierfür aufgenommener Finanzierungskosten verwendet worden wären. Bei der Feststellung der tatsächlichen Vermögenslage sei nicht von der durch den Vorauszahlungsbescheid zunächst eingetretenen steuerlichen Belastung auszugehen, sondern von der Vermögenslage nach Erwerb der Windkraftanlagen. Die (teilweise) Abwendung des Steuerschadens durch den Erwerb der Anlagen habe der Kläger im Hinblick auf seine Schadensabwendungs- und -minderungspflicht vornehmen müssen; eine überpflichtgemäße Anstrengung liege nicht vor. Da dem Kläger anderenfalls die Insolvenz gedroht habe, sei es vernünftig und zumutbar gewesen, die außergewöhnliche Gefahr durch die Übernahme eines entsprechend hohen Risikos abzuwenden.

Der Kläger müsse sich ein Mitverschulden in Höhe von einem Drittel anrechnen lassen. Indem er die Policendarlehen so verwendet habe, wie geschehen, habe er nicht unerheblich gegen die ihm selbst obliegende Sorgfaltspflicht verstoßen. Angesichts der jeweils nur sehr knappen Beratung durch die Beklagte habe der Kläger in Betracht ziehen müssen, dass diese Auskunft unvollständig sein könne. Aufgrund der ihm zugeleiteten Hinweise bezüglich der neuen Rechtslage nach Änderung des Einkommensteuergesetzes habe ihm nicht verborgen bleiben können, dass deutliche Schwierigkeiten bei der Anwendung des Gesetzes bestünden. Da die Beklagte ihn darauf hingewiesen habe, die Policendarlehen seien unmittelbar in begünstigte Wirtschaftsgüter zu investieren, hätte er sich fragen müssen, wann eine Investition als "unmittelbar" und "zeitnah" anzusehen sei.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht in allen Punkten stand. Mit Recht ist das Berufungsgericht von einer Pflichtverletzung der Beklagten ausgegangen. Demgegenüber kann den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Frage des Mitverschuldens und zur Schadenshöhe nicht zugestimmt werden.

1.

Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte sei dem Kläger zur ordnungsgemäßen und umfassenden Beratung über eine steuerunschädliche Verwendung der Policendarlehen verpflichtet gewesen und habe ihn nicht darüber aufgeklärt, dass die Steuerpflicht nur dann hätte vermieden werden können, wenn die von der Versicherung gewährten Darlehen binnen 30 Tagen seit Gutschrift auf dem Konto zur Bezahlung angeschaffter Wirtschaftsgüter oder hierfür aufgenommener Finanzierungskosten verwendet würden, ist rechtlich zutreffend. Auch die Beklagte wendet sich hiergegen nicht.

2.

Mit Recht beanstandet die Revision die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger müsse sich ein Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB ) anrechnen lassen.

a)

Im Falle eines Beratungsvertrages kann dem zu Beratenden regelmäßig nicht als mitwirkendes Verschulden vorgehalten werden, er hätte das, worüber ihn sein Berater hätte aufklären oder unterrichten sollen, bei entsprechenden Bemühungen auch ohne fremde Hilfe erkennen können (BGH, Urteil vom 6. Februar 2003 - IX ZR 77/02, WM 2003, 1138, 1141; vom 20. März 2008 - IX ZR 238/06, WM 2008, 950 Rn. 17; Zugehör, in Zugehör/Fischer/Sieg/ Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl. Rn. 1235). Dies gilt namentlich im Verhältnis des steuerlichen Beraters zu seinem Mandanten (BGH, Urteil vom 15. April 2010 - IX ZR 189/09, WM 2010, 993 Rn. 14; vom 23. September 2010 - IX ZR 26/09, WM 2010, 2050 Rn. 43; Zugehör, aaO Rn. 1235; D. Fischer, DB 2010, 2600, 2601). Die steuerliche Bearbeitung eines ihm anvertrauten Mandats obliegt allein dem Steuerberater. Selbst wenn ein Mandant über steuerrechtliche Kenntnisse verfügt, muss er darauf vertrauen können, dass der beauftragte Berater die anstehenden steuerrechtlichen Fragen fehlerfrei bearbeitet, ohne dass eine Kontrolle notwendig ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1993 - IX ZR 216/92, NJW 1993, 2747 , 2750; vom 9. Dezember 1999 - IX ZR 129/99, NJW 2000, 1263 , 1265; vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 12/05, NJW 2009, 1141 , 1143 Rn. 21; vom 23. September 2010 - IX ZR 26/09, aaO). Der Berater, der seine Vertragspflicht zur sachgerechten Beratung verletzt hat, kann deshalb gegenüber dem Schadensersatzanspruch des geschädigten Mandanten nach Treu und Glauben regelmäßig nicht geltend machen, diesen treffe ein Mitverschulden, weil er sich auf die Beratung verlassen und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe (BGH, Urteil vom 4. Mai 2000 - IX ZR 142/99, WM 2000, 1591 , 1595; vom 15. April 2010 - IX ZR 189/09, aaO).

Unter besonderen Umständen kann allerdings ausnahmsweise auch im Rahmen eines Beratungsfehlers ein Mitverschulden des Mandanten in Erwägung zu ziehen sein (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 1987 - IVa ZR 122/85, BGHZ 100, 117 , 125; vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, WM 2010, 1493 Rn. 21, zVb in BGHZ 186, 152). Dies kann beispielsweise in Betracht kommen, wenn Warnungen oder ohne weiteres erkennbare Umstände, die gegen die Richtigkeit des von dem Berater eingenommenen Standpunkts sprechen, nicht genügend beachtet werden (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 1977 - VIII ZR 211/75, WM 1977, 334, 337; vom 25. November 1981 - IVa ZR 286/80, NJW 1982, 1095, 1096; Beschluss vom 23. September 2010 - IX ZR 132/08, Rn. 2, hierzu D. Fischer, aaO, S. 2601). Auch kann ein Mandant nach dem ihm obliegenden Gebot der Wahrung des eigenen Interesses gehalten sein, seinen Berater über eine fundierte abweichende Auskunft, die er von einer sachkundigen Person erhalten hat, zu unterrichten (BGH, Beschluss vom 23. September 2010 - IX ZR 132/08, aaO).

b)

Nach den getroffenen Feststellungen ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kein Raum für die Annahme eines Ausnahmetatbestands im Sinne der vorgenannten Rechtsgrundsätze. Auf die Kürze der Beratung kann nicht abgestellt werden. Da der Mandant sich auf ihren Inhalt verlassen darf, braucht er nicht in Erwägung zu ziehen, die knappe Beratung könne unvollständig sein. Die dem Kläger zugeleiteten schriftlichen Hinweise hat das Berufungsgericht an anderer Stelle zutreffend dahingehend gewertet, dass sie in großen Teilen nur schwer verständlich gewesen waren. Hinreichende Vorkenntnisse des Klägers oder anderweitige, ohne weiteres erkennbare Umstände, um die Auskunft der Beklagten aus der Sicht des Kläger für eindeutig fehlerhaft zu bewerten, sind nicht festgestellt. Damit scheidet ein Mitverschulden bei der Entstehung des Schadens aus.

3.

Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, bei der Feststellung der tatsächlichen Vermögenslage sei nicht von der durch den Vorauszahlungsbescheid zunächst eingetretenen steuerlichen Belastung auszugehen, sondern von der Vermögenslage nach Erwerb der Windkraftanlagen, erweist sich als nicht zutreffend. Die in diesem Zusammenhang vertretene Ansicht, der Kläger müsse sich den Erwerb der Anlagen im Rahmen der ihn obliegenden Schadensminderungspflicht zurechnen lassen, ist mit den zu § 254 Abs. 2 BGB entwickelten Rechtsgrundsätzen nicht vereinbar.

a)

Der rechtliche Berater, der seinem Auftraggeber wegen positiver Vertragsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat diesen durch die Schadensersatzleistung so zu stellen, wie er bei pflichtgemäßem Verhalten des rechtlichen Beraters stünde (BGH, Urteil vom 20. Oktober 1994 - IX ZR 116/93, NJW 1995, 449 , 451; vom 19. Januar 2006 - IX ZR 232/01, WM 2006, 927 Rn. 33; vom 7. Februar 2008 - IX ZR 149/09, WM 2008, 946 Rn. 24). Danach muss im Rahmen der Differenzmethode die tatsächliche Vermögenslage derjenigen gegenübergestellt werden, die sich ohne den Fehler des rechtlichen Beraters ergeben hätte. Das erfordert einen Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst (BGH, Urteil vom 20. November 1997 - IX ZR 286/96, WM 1998, 142 f.; vom 20. Januar 2005 - IX ZR 416/00, WM 2005, 999 , 1000; vom 19. Januar 2006 - IX ZR 232/01, aaO; vom 7. Februar 2008 - IX ZR 149/09, aaO). Hierbei ist grundsätzlich die gesamte Schadensentwicklung bis zur letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen in die Schadensberechnung einzubeziehen. Es geht bei dem Gesamtvermögensvergleich nicht um Einzelpositionen, sondern um eine Gegenüberstellung der hypothetischen und der tatsächlichen Vermögenslage (BGH, Urteil vom 19. Januar 2006 - IX ZR 232/01, aaO; vom 7. Februar 2008 - IX ZR 149/09, aaO). Im Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht diese Rechtsgrundsätze zugrunde gelegt, aber nicht erkannt, dass der Erwerb der Windkraftanlagen nicht in den Gesamtvermögensvergleich einzustellen ist.

b)

Gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB ist der Geschädigte im Interesse des Schädigers gehalten, den entstehenden Schaden zu mindern. Die Schadensminderungsobliegenheit des § 254 Abs. 2 BGB ist ein Anwendungsfall des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben, der dann eingreift, wenn der Geschädigte Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensabwendung oder Minderung ergreifen würde (BGH, Urteil vom 13. Dezember 1951 - III ZR 83/51, BGHZ 4, 170, 174; Palandt/Grüneberg, BGB , 70. Aufl., § 254 Rn. 36). Handelt es sich dagegen um Maßnahmen, die dem Geschädigten zur Schadensminderung nicht zugemutet werden können, führt ihr Unterlassen nicht zum Mitverschulden. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung darf nämlich ein eigenes Verhalten des Geschädigten, zu dem er nicht aufgrund seiner Schadensabwendungs- und -minderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB ) verpflichtet ist, wegen des Grundsatzes, dass überpflichtmäßige Anstrengungen des Geschädigten den Schädiger nicht entlasten sollen, weder in die Schadensberechnungsbilanz eingestellt werden, noch braucht der Geschädigte es sich im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen zu lassen (BGH, Urteil vom 16. Februar 1971 - VI ZR 147/69, BGHZ 55, 329 , 332 ff; vom 11. Januar 2005 - X ZR 118/03, BGHZ 161, 389 , 396; Palandt/Grüneberg, aaO Vorbem v § 249 Rn. 70). Der danach gebotene Abgrenzungsmaßstab ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (BGH, Urteil vom 13. Dezember 1951, aaO, S. 176; Palandt/Grüneberg, aaO, § 254 Rn. 36).

c)

Für die Frage, ob der Kläger mit dem Erwerb der Windkraftanlagen eine überobligationsmäßige Anstrengung unternommen hat, ist zunächst der von ihm aufgebrachte Kostenaufwand zu würdigen. Mit einem nur durch Bankkredit zu realisierenden Finanzierungsbedarf von 3.860.000 DM hat der Kläger als niedergelassener Arzt in Ansehung seiner Vermögenslage eine weit überdurchschnittliche Investition vorgenommen, die sich auch ganz erheblich von dem durch den Vorauszahlungsbescheid mit insgesamt 629.163 DM bezifferten Steuermehraufwand abhebt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Verlustrücktrag, den der Kläger mit dem Investitionsgeschäft erwarb, auf einer anfänglichen kumulierten Abschreibung des Substanzwertes der Anlage beruht. Ob sich die Investition insgesamt als wirtschaftlich erweist, lässt sich erst am Ende der auf über zwanzig Jahre angelegten Laufzeit beurteilen. So hat auch das Berufungsgericht die Investition in Anlehnung an die Bewertung des von ihm beauftragten Sachverständigen als sehr risikoreich eingestuft. Das von der Revision in diesem Zusammenhang vorgebrachte Argument, es sei für einen Geschädigten unzumutbar, mit einem Schädiger über Jahrzehnte in Form einer ungewollten Schadensgemeinschaft verbunden zu sein, ist unter dem hier maßgeblichen Grundsatz von Treu und Glauben von erheblicher Bedeutung. Der vom Berufungsgericht herangezogene Aspekt, zur Abwendung einer drohenden Insolvenz sei die vom Kläger vorgenommene Investition als vernünftige und zumutbare Maßnahme anzusehen, vernachlässigt die vorstehend angeführten Beurteilungskriterien. Jedenfalls im Rahmen einer Gesamtschau muss unter angemessener Würdigung der vorstehenden Gesichtspunkte die vom Kläger ergriffene Schadensabwendungsmaßnahme als überobligationsmäßige Anstrengung im Sinne von § 254 Abs. 2 BGB bewertet werden. Es entspricht nicht dem Gebot von Treu und Glauben, dem Geschädigten zuzumuten, um der vagen Aussicht willen, auf diese Weise den von anderer Seite verantworteten Steuerschaden zu neutralisieren, ein teures und zudem hoch spekulatives, mit neuen Risiken ausgestattetes Kompensationsgeschäft einzugehen.

4.

Der vom Berufungsgericht auf der Grundlage des Erwerbs der Windkraftanlagen vorgenommene Gesamtvermögensvergleich kann mithin keinen Bestand haben. Die Schadensermittlung ist unabhängig von der durch den Kläger getätigten Investition der Kraftanlagen vorzunehmen, so dass der vom Kläger erzielte Verlustrücktrag nicht der Beklagten zu Gute kommt. Bei der Ermittlung der hypothetischen Vermögenslage des Klägers im Rahmen des neu vorzunehmenden Gesamtvermögensvergleichs sind auch die Finanzierungskosten zu berücksichtigen, die angefallen wären, wenn der Kläger seine Investitionen zwischenfinanziert hätte, bis er die Policendarlehen steuerunschädlich hätte in Anspruch nehmen können. Im Rahmen der Schadensfeststellung besteht für das Berufungsgericht auch die Gelegenheit, die vom Kläger weiter geltend gemachten, bislang allerdings nicht bezifferten Schadensersatzkosten hinsichtlich des Steuerberaters B. , soweit sie sich auf die Betreuung nach Klageerhebung beziehen, auf ihre Erforderlichkeit zu überprüfen. Eine hinreichende Auseinandersetzung mit dem bisherigen Prozessvortrag des Klägers, insbesondere in seinen Schriftsätzen vom 2. März 2006 und vom 20. April 2007, wonach diese Kosten als Aufwand zur Rechtsverfolgung notwendig gewesen seien, lässt sich der knapp gefassten Beurteilung des Berufungsgerichts nicht verlässlich entnehmen. Dem Kläger bleibt es allerdings unbenommen, den geltend gemachten Aufwand im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens weiterzuverfolgen (vgl. hierzu Zöller/Herget, ZPO 28. Aufl. § 91 Rn. 13 Stichwort Privatgutachten). Hinsichtlich der Ausführungen zur Erstattungsfähigkeit der durch das Führen des finanzgerichtlichen Verfahrens entstandenen Kosten besteht gleichfalls Gelegenheit, sich mit den von der Revision dargelegten Gesichtspunkten auseinanderzusetzen. Auch insoweit hat das Berufungsgericht bislang keine Klageabweisung ausgesprochen, so dass über diese Schadensersatzposition noch im Schlussurteil zu befinden ist.

III.

Das Urteil des Berufungsgerichts unterliegt daher - mit Ausnahme der Abweisung des Feststellungsantrags hinsichtlich des bereits entstandenen Schadens - der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO ), soweit es zum Nachteil des Klägers erkannt hat; die Sache ist, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 17. März 2011

Vorinstanz: LG Mainz, vom 22.04.2002 - Vorinstanzaktenzeichen 2 O 266/00
Vorinstanz: OLG Koblenz, vom 24.07.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 6 U 500/02