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BGH - Entscheidung vom 27.01.2011

VII ZB 44/09

Normen:
ZPO §§ 233 B, Fd, Ff, 85 Abs. 2
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 233

Fundstellen:
AnwBL 2011, 400
FamRZ 2011, 560
MDR 2011, 381
NJW 2011, 1971

BGH, Beschluss vom 27.01.2011 - Aktenzeichen VII ZB 44/09

DRsp Nr. 2011/2827

Vermerkung einer beantragten Fristverlängerung in Form einer Eintragung des Endpunkts der Frist im Kalender bereits mit der Antragstellung; Weisung zur Erkundigung bei Gericht über die Bewilligung einer beantragten Fristverlängerung

Die Weisung, vor Ablauf einer Frist, deren Verlängerung beantragt worden ist, bei dem zur Entscheidung berufenen Gericht anzurufen und nachzufragen, ob die Fristverlängerung gewährt worden sei, reicht nicht aus, um im Fristenkalender den beantragten neuen Fristablauf als endgültig notieren zu dürfen.

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 3. März 2009 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 14.314,04 €

Normenkette:

ZPO § 85 Abs. 2 ; ZPO § 233 ;

Gründe

I.

Die Klägerin hat vom Beklagten restlichen Werklohn begehrt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen die seiner Prozessbevollmächtigten am 4. September 2008 zugestellte Entscheidung hat der Beklagte fristgerecht Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2008 hat er beantragt, "die Frist zur Berufungsbegründung, die wir hier auf den 6. November 2008 notiert haben, bis einschließlich 6. Dezember 2008 zu verlängern". Die Senatsvorsitzende hat hierauf die Berufungsbegründungsfrist bis zum 4. Dezember 2008, einem Donnerstag, verlängert. Auf telefonischen Hinweis vom 5. Dezember 2008, dass eine Begründung nicht vorliege, hat der Beklagte an diesem Tage die Berufungsbegründung eingereicht und am 18. Dezember 2008 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gestellt.

Das Berufungsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und seine Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Wiedereinsetzung im Ergebnis zu Recht abgelehnt, weil nach dem vom Beklagten vorgetragenen Sachverhalt die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem dem Beklagten zuzurechnenden Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten beruht (§§ 233 , 85 Abs. 2 ZPO ).

1.

Das Berufungsgericht hat die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung verweigert, der Prozessbevollmächtigten des Beklagten sei aus mehreren Gründen ein Verschulden an der Versäumung der Frist anzulasten. Ihr habe nicht entgehen dürfen, dass die Büroleiterin einen von ihr erkannten Fehler bei der Eintragung der Frist nicht korrigiert, sondern im Verlängerungsantrag entgegen ihrer zuvor erteilten Weisung fortgeschrieben habe. Auch sei der Prozessbevollmächtigten des Beklagten eine mangelhafte Büroorganisation anzulasten. So dürfe eine beantragte Fristverlängerung nicht in der Weise vorgemerkt werden, dass schon mit der Antragstellung der Endpunkt der Frist im Kalender eingetragen werde, als ob sie bereits zu diesem Zeitpunkt bewilligt worden sei. Dabei handele es sich nämlich zunächst um eine hypothetische Frist, da der Vorsitzende die Frist auch auf einen kürzeren Zeitraum als beantragt bewilligen könne. Der Eintrag des endgültigen Fristablaufs sei deshalb erst dann zulässig, wenn die Verlängerung tatsächlich gewährt worden sei. Dass entsprechende Vorkehrungen getroffen worden wären, lasse der geschilderte und nach der Aktenlage objektivierbare Geschehensablauf nicht erkennen. Anstatt nach Eingang der abschriftlich mitgeteilten Verlängerungsverfügung vom 29. Oktober 2008 das daraus ersichtliche Datum des Ablaufs der verlängerten Frist zu notieren, seien vorab vermutete Fristabläufe eingetragen worden, die den Blick für die wirklichen Gegebenheiten verstellt hätten.

2.

Das hält im Ergebnis der rechtlichen Überprüfung stand.

a)

Es kann dahinstehen, ob die Prozessbevollmächtigte des Beklagten schon deshalb ein Verschulden trifft, weil ihr nicht aufgefallen ist, dass der Fehler in der Fristennotierung von ihrer Büroleiterin nicht korrigiert worden ist. Auch kommt es nicht darauf an, dass das Berufungsgericht nicht ohne weiteres davon hätte ausgehen dürfen, die Fristenkontrolle sei im Büro der Prozessbevollmächtigten des Beklagten so organisiert, dass vorab vermutete Fristabläufe eingetragen worden seien, statt den endgültigen Fristablauf erst nach tatsächlicher Gewährung der Fristverlängerung einzutragen. Mit dieser Erwägung hat das Berufungsgericht den glaubhaft gemachten Vortrag des Beklagten übergangen, dass im Büro seiner Prozessbevollmächtigten die Weisung bestehe, im Fall eines noch nicht beschiedenen Fristverlängerungsantrages vor Ablauf der Frist bei dem zur Entscheidung berufenen Gericht anzurufen und nachzufragen, ob die Fristverlängerung gewährt worden sei; genau so sei auch in diesem Fall verfahren worden.

b)

Denn die vom Beklagten beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist jedenfalls im Ergebnis zu Recht versagt worden. Ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten des Beklagten liegt jedenfalls darin, dass sie organisatorisch nicht ausreichend sichergestellt hat, dass das wirkliche Ende einer verlängerten Frist im Fristenkalender zutreffend eingetragen wird.

Die Eintragung einer nur vorläufig berechneten und noch hypothetischen Frist birgt eine Gefahrenquelle, weil sie leicht darüber hinwegtäuschen kann, dass das wirkliche Fristende auf einen anderen Tag als angenommen fällt. Deshalb darf eine beantragte Fristverlängerung nicht in der Weise vorgemerkt werden, dass schon mit der Antragstellung der Endpunkt der Frist im Kalender eingetragen wird, als ob sie bereits zu diesem Zeitpunkt bewilligt worden sei. Es handelt sich nämlich zunächst um ein hypothetisches Fristende, da der Vorsitzende die Frist auch um einen kürzeren Zeitraum als beantragt verlängern kann (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2007 - VI ZB 65/06, NJW-RR 2008, 367 ff., Rn. 11 m.w.N.).

Um sicherzustellen, dass ein zunächst als vorläufig (hypothetisch) eingetragenes Fristende in einer Weise überprüft wird, dass schließlich die tatsächlich bewilligte Fristverlängerung notiert wird, genügen die vom Beklagten vorgetragenen organisatorischen Vorkehrungen im Büro seiner Prozessbevollmächtigten nicht. Zwar besteht dort die Weisung, vor Ablauf der Frist, deren Verlängerung beantragt worden ist, bei dem zur Entscheidung berufenen Gericht anzurufen und nachzufragen, ob die Fristverlängerung gewährt worden sei. Dies mag auch dafür ausreichen, in Erfahrung zu bringen, ob noch die ursprüngliche Frist gilt und bis zu ihrem Ablauf noch etwas unternommen werden muss oder nicht. Eine derartige Nachfrage reicht jedoch nicht aus, um zuverlässig den genauen neuen Ablauf der verlängerten Frist festzustellen. Die allgemein gehaltene mündliche Nachfrage birgt die Gefahr in sich, die sich hier auch realisiert hat, dass Nachfragender und Auskunftsperson des Gerichtes aneinander vorbei reden. Der Fragende kann unter der Fristverlängerung die erbetene verstehen, während das Gericht lediglich die bloße Tatsache einer Fristverlängerung unabhängig vom genauen Inhalt des zugrunde liegenden Antrages bestätigen möchte. Deshalb ist jedenfalls sicherzustellen, dass bei mündlichen Erkundigungen bei Gericht ausdrücklich und bewusst nach dem genauen Datum des Ablaufs der verlängerten Frist gefragt wird. Anderenfalls muss eine Anweisung bestehen und organisatorisch sichergestellt werden, dass die demnächst schriftlich eingehende Bewilligung der Fristverlängerung mit dem genauen Datum erneut zum Anlass der Kontrolle des bisher eingetragenen und im obigen Sinne noch nicht endgültigen Fristendes genommen und dieses gegebenenfalls korrigiert wird. Es kann dahinstehen, ob Letzteres nicht selbst dann notwendig ist, wenn eine genaue mündliche Abfrage des neuen Endtermins erfolgt ist, weil bei mündlichen Auskünften die Gefahr eines Versehens auch auf Seiten der Auskunftsperson nicht von der Hand zu weisen ist. Jedenfalls bestand nach dem Vortrag des Beklagten in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten weder die eine noch die andere organisatorische Anweisung zur Sicherstellung der Notierung der zutreffenden tatsächlich gewährten Fristverlängerung. Genau dieses Risiko hat sich sodann - nebst weiteren Fehlern der Büroleiterin der Prozessbevollmächtigten - realisiert.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO .

Vorinstanz: LG Köln, vom 29.08.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 18 O 509/05
Vorinstanz: OLG Köln, vom 03.03.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 7 U 170/08
Fundstellen
AnwBL 2011, 400
FamRZ 2011, 560
MDR 2011, 381
NJW 2011, 1971