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BGH - Entscheidung vom 26.01.2007

V ZR 137/06

Normen:
VermG § 3 Abs. 3 S. 4 § 34 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1
VwVfG § 43 Abs. 1 S. 2

Fundstellen:
BGHReport 2007, 548
MDR 2007, 769
NJ 2007, 333
ZfIR 2007, 554

BGH, Versäumnisurteil vom 26.01.2007 - Aktenzeichen V ZR 137/06

DRsp Nr. 2007/6317

Umfang der Tatbestandswirkung eines Rückübertragungsbescheides; Rechtsfolgen fehlerhafter Verwaltungspraxis

»a) Die Tatbestandswirkung eines bestandskräftigen Rückübertragungsbescheids nach dem Vermögensgesetz erstreckt sich auch darauf, wer durch den Bescheid originär Eigentümer des zurückübertragenen Grundstücks geworden ist. Auch dieser Teil der privatrechtsgestaltenden Wirkung der behördlichen Entscheidung ist für die Zivilgerichte bindend.b) Eine möglicherweise fehlerhafte Verwaltungspraxis einiger Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen, von den bestandskräftigen Bescheiden abweichende Eintragungsersuchen an die Grundbuchämter zu richten, die einen anderen, als den im Bescheid benannten Berechtigten als neuen Eigentümer benennen, beseitigt die Wirkung der bestandskräftigen Entscheidung nicht, sondern führt allenfalls zu unrichtigen Eintragungen in den Grundbüchern.«

Normenkette:

VermG § 3 Abs. 3 S. 4 § 34 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 ; VwVfG § 43 Abs. 1 S. 2 ;

Tatbestand:

Die Klägerin macht an sie abgetretene Kostenerstattungsansprüche für Instandsetzungsmaßnahmen des Verfügungsberechtigten an einem nach dem Vermögensgesetz zurückübertragenen Wohnhausgrundstück geltend.

Die Beklagte hatte 1993 durch Abtretung von der Alteigentümerin deren Anspruch auf Rückübertragung nach dem Vermögensgesetz erworben und diesen in dem Verfahren vor dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen (im Folgenden: ARoV) geltend gemacht. Das ARoV erließ am 18. November 1996 einen Bescheid mit dem Inhalt, dass das Eigentum an dem Grundstück nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheids unter der Bedingung der Zahlung eines Ablösebetrages von 15.796,82 DM an die Beklagte zurückübertragen werde.

Mit notarieller Urkunde vom 4. Dezember 1996 nahm die Beklagte ein notarielles Angebot der Alteigentümerin (im Folgenden: Zessionarin) vom 13. Mai 1996 zur Rückabtretung des Restitutionsanspruchs nach dem Vermögensgesetz an.

Der Rückübertragungsbescheid wurde nicht angefochten. Die Zessionarin zahlte im Sommer 1997 den im Bescheid festgesetzten Ablösebetrag. Auf ein Fax der Beklagten teilte das ARoV mit Schreiben vom 22. Juli 1997 mit, dass durch den Rückabtretungsvertrag der durch den bestandskräftigen Bescheid gefestigte Anspruch auf Rückübertragung auf die Zessionarin übergegangen sei, ohne dass es einer Änderung des Bescheides bedürfe. Das ARoV habe von Amts wegen das Grundbuchamt um Berichtigung des Grundbuchs zugunsten der Zessionarin ersucht.

Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung der von dem Verfügungsberechtigten aufgewendeten Kosten für bauliche Maßnahmen auf dem zurückübertragenen Grundstück in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass die Beklagte für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch nicht passivlegitimiert sei.

Der Kostenerstattungsanspruch aus § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG richte sich gegen den Berechtigten. Berechtigter sei indes nicht die Beklagte, sondern die Zessionarin. Diese habe durch die Abtretung die Rechtsposition erlangt, die der Beklagten zugestanden habe. Das folge aus der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 1 VermG, nach der mit dem Wirksamwerden der Abtretung die Zessionarin als Rechtsnachfolgerin der Beklagten Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes geworden sei.

An dieser Rechtslage vermöge auch die Tatbestandswirkung des Restitutionsbescheids nichts zu ändern. Sie erfasse nur die getroffene Regelung als solche, mithin nur die Bestimmung, dass der Berechtigte einen Anspruch auf Übertragung des Eigentums habe. Diese Regelung binde andere Behörden und Gerichte, woraus aber nicht folge, dass das Zivilgericht in einem bürgerlichen Rechtsstreit nicht mehr selbständig die Frage klären könne, wer Berechtigter im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG sei, sondern auch insoweit an den Restitutionsbescheid gebunden sei.

II. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Die Beklagte ist nach § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG passivlegitimiert. Das Eigentum an dem Hausgrundstück ist durch den bestandskräftigen Rückübertragungsbescheid auf sie als Berechtigte übergegangen.

1. Das Berufungsgericht hat - was die Revision zu Recht rügt - den Umfang der Tatbestandswirkung des bestandskräftigen Rückübertragungsbescheids verkannt. Der Eigentumsübergang erfolgt nach § 34 Abs. 1 Satz 1 VermG unmittelbar durch die behördliche Entscheidung. Diese privatrechtsgestaltende Wirkung des Verwaltungsaktes hat Tatbestandswirkung und muss von den Zivilgerichten beachtet werden (Senat, Urt. v. 19. Juni 1998, V ZR 43/97, NJW 1998, 3055 , 3056; BGHZ 132, 306 , 308).

Gegenstand der Tatbestandswirkung ist indes auch die Feststellung, wer durch den Bescheid originär Eigentümer des zurückübertragenen Grundstücks geworden ist. Inhalt der Rückübertragungsentscheidung ist nicht nur der Übergang des Eigentums als solcher, sondern auch die Bestimmung, wer als Berechtigter nunmehr Eigentümer ist. Diese Rechtsfolge ergibt sich schon aus der Erwägung, dass es eine Enteignung oder Rückübereignung an denjenigen, den es angeht, nicht gibt (vgl. Weimar/Alfes, DNotZ 1992, 619, 636).

Diese Wirkung des Bescheids über eine Rückübertragung nach dem Vermögensgesetz ist durch die - allerdings erst nach dem Berufungsurteil ergangene - Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Urt. v. 22. März 2006, IV ZR 6/04, WM 2006, 1237 , 1240) nunmehr ausdrücklich klargestellt worden. In diesem Urteil, das restituierte dingliche Rechte betraf, ist ausgeführt worden, dass infolge der Verweisung für die wieder begründeten Rechte in § 34 Abs. 1 Satz 7 VermG auf die Regelung für den Eigentumsübergang in § 34 Abs. 1 Satz 1 VermG auch die Inhaberschaft an den Rechten Gegenstand des Bescheids und damit von dessen Tatbestandswirkung erfasst sei. Das hat für das nach dem Vermögensgesetz zurückübertragene Eigentum erst recht zu gelten.

2. Der Rückübertragungsbescheid vom 18. November 1996 kann auch nicht dahin ausgelegt werden, dass nicht die Beklagte, sondern die Zedentin Eigentümerin des zurückübertragenen Grundstücks sein sollte. Der Inhalt einer behördlichen Entscheidung ist zwar auch vom Revisionsgericht in entsprechender Anwendung des § 133 BGB selbständig auszulegen (BGHZ 32, 76, 84; BGH, Urt. v. 28. Mai 1984, III ZR 100/83, NVwZ 1986, 506). Die gebotene Auslegung führt hier indes zu keinem vom Wortlaut des Bescheids abweichenden Ergebnis.

Gegenstand der Auslegung kann allein der Bescheid mit dem Inhalt sein, wie er den Beteiligten bekannt gegeben worden ist. Das folgt daraus, dass gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 VwVfG ein Verwaltungsakt mit diesem Inhalt wirksam wird. Die Auslegung eines Verwaltungsaktes richtet sich nach dem erklärten Willen der erlassenden Behörde, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen musste (BVerwGE 123, 292 , 299). Der Rückübertragungsbescheid weist indes nur die Beklagte als Berechtigte aus.

Diesem Auslegungsergebnis steht auch nicht entgegen, dass das ARoV das Eintragungsersuchen nach § 34 Abs. 2 Satz 1 VermG auf den Namen der Zessionarin gestellt hat. Diesem Ersuchen kommt für die Auslegung des Bescheids keine ausschlaggebende Bedeutung zu, da die Eintragung in das Grundbuch hier nur deklaratorisch ist und lediglich den neuen Rechtszustand dokumentiert, der auf Grund der bestandskräftigen behördlichen Entscheidung bereits eingetreten ist. Bei der Erfüllung der Pflicht, ihre Entscheidung zu vollziehen, steht dem ARoV kein eigener Gestaltungsspielraum mehr zu (vgl. OLG Dresden, VIZ 2001, 489, 491). Eine möglicherweise fehlerhafte Verwaltungspraxis der Ämter dahin, in solchen Fällen das Eintragungsersuchen abweichend von dem nicht geänderten Bescheid auf den Zessionar zu stellen, beseitigt die Wirkung der bestandskräftigen Entscheidung nicht, sondern führt allenfalls zu unrichtigen Eintragungen in den Grundbüchern.

3. Insoweit war es bereits im Ansatz rechtsfehlerhaft, wenn das Berufungsgericht selbständig die Rechtfrage geprüft und entschieden hat, ob nach der (Rück-)Abtretung des Anspruchs aus § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG die Beklagte oder die Zessionarin Berechtigte nach § 2 Abs. 1 VermG ist und damit der Klägerin nach den in § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG bestimmten Voraussetzungen zur Kostenerstattung verpflichtet ist. Hierauf kommt es nicht an, da in dem Bescheid über die Rückübertragung zu Gunsten der Beklagten bestandskräftig entschieden worden ist.

III. Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Berufungsurteils insgesamt und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, da das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zum Anspruchsgrund und zu dessen Höhe getroffen hat.

Vorinstanz: OLG Brandenburg, vom 08.12.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 12 U 97/05
Vorinstanz: LG Potsdam, vom 18.05.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 4 O 700/04
Fundstellen
BGHReport 2007, 548
MDR 2007, 769
NJ 2007, 333
ZfIR 2007, 554