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BGH - Entscheidung vom 12.07.2007

StB 5/07

Normen:
StPO § 111b Abs. 1, Abs. 3

Fundstellen:
wistra 2007, 431

BGH, Beschluß vom 12.07.2007 - Aktenzeichen StB 5/07

DRsp Nr. 2007/14696

Berechnung der Sechs-Monats-Frist

Die Sechs-Monats-Frist des § 111 b Abs. 3 Satz 1 StPO wird nicht durch jede Ingewahrsamnahme eines Gegenstandes seitens der Strafverfolgungsbehörden in Gang gesetzt, insbesondere nicht schon durch dessen Sicherstellung zu Beweiszwecken gemäß § 94 Abs. 1 StPO ; vielmehr läuft sie erst ab Anordnung der Beschlagnahme nach § 111 b Abs. 1 StPO .

Normenkette:

StPO § 111b Abs. 1 , Abs. 3 ;

Gründe:

1. Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit, des mehrfachen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz und der Geldwäsche. Gestützt auf einen Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 25. Oktober 2006 führten im Zuge der Ermittlungen Beamte des Bundeskriminalamtes und des Zollfahndungsamtes Stuttgart am 6. November 2006 eine Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten durch. Hierbei stellten sie verschiedene Gegenstände des Beschuldigten sicher, da sie als Beweismittel in Betracht kämen, unter anderem ein Notebook und ein Mobiltelefon jeweils mit Zubehör.

Mit Schriftsatz vom 17. März 2007 hat der Verteidiger des Beschuldigten, Rechtsanwalt B. , die Herausgabe mehrerer der sichergestellten Gegenstände beantragt, unter anderem des Notebooks und des Mobiltelefons. Diesem Antrag hat sich die weitere Verteidigerin des Beschuldigten, Rechtsanwältin M. , mit Schriftsatz vom 26. April 2007 hinsichtlich des Notebooks angeschlossen; hilfsweise hat sie zumindest die Aushändigung einer kompletten Kopie der Festplatte verlangt. Der Generalbundesanwalt hat daraufhin verschiedene der sichergestellten Gegenstände herausgegeben und eine Kopie der auf der Festplatte des Notebooks gespeicherten Buchhaltungsdaten an Rechtsanwältin M. ausgehändigt. Die weitergehenden Anträge auf Herausgabe des Notebooks und des Mobiltelefons hat er dagegen abgelehnt und beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs beantragt, die Beschlagnahme dieser Gegenstände anzuordnen, weil sie zum einen als Beweismittel in Betracht kämen und zum anderen als Tatmittel der Einziehung unterlägen. Diesem Antrag hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 21. Mai 2007 entsprochen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beschuldigten, der der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs nicht abgeholfen hat.

2. Das zulässige Rechtsmittel (§ 304 Abs. 5 StPO ) bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Der Beschlagnahmebeschluss vom 21. Mai 2007 erweist sich schon deswegen als rechtmäßig, weil Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Voraussetzungen für die Einziehung des Notebooks und des Mobiltelefons vorliegen (§ 111 b Abs. 1 StPO ); darauf, ob sie auch noch als Beweismittel von Bedeutung sein können (§ 94 Abs. 1 StPO ) oder die auf ihnen vorhandenen Daten für das weitere Verfahren nicht auch in anderer Weise als durch die Beschlagnahme der Geräte wirksam gesichert werden könnten, kommt es danach nicht an. Im Einzelnen:

Die Anforderungen an die Beschlagnahme des Notebooks und des Mobiltelefons zur Sicherung ihrer etwaigen Einziehung sind § 111 b Abs. 1 StPO zu entnehmen; es genügt, dass tatsächliche Gründe die Annahme rechtfertigen, die Voraussetzungen der Einziehung lägen vor. Nicht etwa bedarf es deswegen im Sinne des § 111 b Abs. 3 Satz 1 StPO dringender Gründe für diese Annahme, weil nunmehr seit der Sicherstellung dieser Gegenstände anlässlich der Durchsuchung vom 6. November 2006 mehr als sechs Monate verstrichen sind. Die Sechs-Monats-Frist des § 111 b Abs. 3 Satz 1 StPO wird nicht durch jede Ingewahrsamnahme eines Gegenstandes seitens der Strafverfolgungsbehörden in Gang gesetzt, insbesondere nicht schon durch dessen Sicherstellung zu Beweiszwecken gemäß § 94 Abs. 1 StPO ; vielmehr läuft sie erst ab Anordnung der Beschlagnahme nach § 111 b Abs. 1 StPO (Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 111 b Rdn. 42; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 111 b Rdn. 8). Dies ist hier erst durch den angefochtenen Beschluss vom 21. Mai 2007 geschehen. Gründe, die im Sinne des § 111 b Abs. 1 StPO die Beschlagnahme einer Sache zur Sicherung der Einziehung rechtfertigen sind vorhanden, wenn gegen den Beschuldigten der Anfangsverdacht (§ 152 Abs. 1 StPO ) strafbaren Handelns gegeben ist (Schäfer aaO. Rdn. 15; Meyer-Goßner aaO. m. w. N.) und auf dieser Grundlage eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die zu beschlagnahmende Sache nach den Vorschriften der §§ 74 ff. StGB der Einziehung unterliegen (Schäfer aaO. Rdn. 16).

Dies ist hier der Fall. Gegen den Beschuldigten besteht der Anfangsverdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit (§ 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB ) sowie von zumindest 42 strafbaren Zuwiderhandlungen gegen das Außenwirtschaftsgesetz (ein Verstoß gegen § 34 Abs. 1 Nr. 1 AWG, Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Anhang I EG-Dual-Use-VO; 41 Verstöße gegen § 34 Abs. 2 Nr. 3, § 33 Abs. 1 AWG, § 5 c, § 70 Abs. 1 Nr. 3 AWV - in der jeweiligen Tatzeitfassung -). Denn nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschuldigte in den Jahren 2002 bis 2006, handelnd unter der angeblich in Zürich/Schweiz tätigen, tatsächlich dort aber nur als Briefkastenfirma ansässigen "H Ltd.", in 42 Fällen sog. Dual-Use-Güter ohne die erforderliche Genehmigung in den Iran ausführte, indem er den jeweiligen Lieferfirmen einen Export in die Schweiz vorspiegelte, in Wirklichkeit die Waren aber bei der eingeschalteten deutschen Spedition zollrechtlich umdeklarieren und anschließend in den Iran verbringen ließ. In die konspirativ durchgeführten Beschaffungsvorgänge waren nach den vorliegenden Erkenntnissen auf iranischer Seite jeweils Stellen eingeschaltet, die für die oder in der Rüstungsproduktion tätig sind. Dieser Verdacht folgt namentlich aus der (auf dem Notebook gespeicherten) Geschäftskorrespondenz des Beschuldigten, der Auswertung überwachter Telefongespräche, dem Ergebnis von Zeugenvernehmungen und hinsichtlich der dem Beschuldigten angelasteten Verstöße nach § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG zusätzlich aus der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 20. März 2007. Ob er sich nach dem bisherigen Ermittlungsstand zu einem dringenden Tatverdacht verdichtet hat, ist für die zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der Fragen, ob das Zusammenwirken des Beschuldigten mit iranischen Stellen nach den vom Senat insoweit aufgestellten Maßstäben (BGH NStZ-RR 2005, 305 m. Anm. Schmidt/Wolf NStZ 2006, 161 ; BGH NStZ 2007, 93 ff.; 2007, 117, 118) naheliegend als geheimdienstliche Agententätigkeit einzustufen ist und ob - auch unter Berücksichtigung der erwähnten Stellungnahme des Auswärtigen Amtes - die nach Außenwirtschaftsrecht allenfalls gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG strafrechtlich relevanten Exportgeschäfte tatsächlich geeignet waren, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden.

Die Ermittlungen rechtfertigen weiter die Annahme, dass wegen der genannten Taten die Voraussetzungen für die Einziehung des Notebooks und des Mobiltelefons gegeben sind. Bei dem Angeklagten wurde keine Geschäftskorrespondenz über die von ihm unter der Firma "H Ltd." abgewickelten Exporte in Papierform gefunden. Sämtliche dazu vorhandenen Dokumente waren in digitaler Form auf der Festplatte des Notebooks gespeichert. Es liegt daher nahe, dass er das Notebook für die Vorbereitung und Abwicklung dieser Geschäfte nutzte. Gleiches gilt für das beschlagnahmte Mobiltelefon, wie die Auswertung mehrerer überwachter Telefonate des Beschuldigten belegt, die er über die Rufnummer der SIM-Karte geführt hat, die bei der Sicherstellung in das Mobiltelefon eingelegt war. All dies deutet darauf hin, dass Notebook und Mobiltelefon vom Beschuldigten als Tatwerkzeuge im Sinne des § 74 Abs. 1 StGB genutzt worden sind.

Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass eine Einziehung der beiden Geräte gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 74 a Abs. 1 i. V. m. § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB ) verstoßen könnte. Notebooks werden auch in gehobener Ausstattung für Preise zwischen 1.000 und 2.000 EUR angeboten, Mobiltelefone sind für wesentlich geringere Preise erhältlich. Im Hinblick auf die Strafe, die für den Beschuldigten im Falle einer Verurteilung im Raume stünde, kann nicht davon die Rede sein, dass die Einziehung von Gegenständen mit einem solchen, vergleichsweise geringen Wert außer Verhältnis zur Bedeutung der Taten und zu dem gegen den Beschuldigten gerichteten Tatvorwurf stünde; denn wegen der naheliegend gewerbsmäßigen Begehungsweise kommen für die nach dem 7. April 2006 durchgeführten Exportgeschäfte gemäß § 34 Abs. 6 Nr. 2 AWG nF Freiheitsstrafen über zwei Jahre in Betracht und diese Taten könnten auch nicht mehr durch das etwaige Vergehen nach § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB untereinander zu Tateinheit verbunden werden. Soweit sich der Beschuldigte demgegenüber auf den schnellen Wertverlust der Geräte beruft, vermag der Senat hierin kein taugliches Argument für die Unverhältnismäßigkeit einer etwaigen künftigen Einziehung oder auch nur der diese sichernden Beschlagnahme zu erkennen. Der Wertverlust wird durch keine dieser Maßnahmen vergrößert; er entstünde in gleicher Weise, wenn diese sich wieder im Besitz des Beschuldigten befänden.

Auch im Hinblick auf die Daten, die auf den Geräten gespeichert sind, lässt sich eine Unverhältnismäßigkeit der Beschlagnahme zur Sicherung der Einziehung nicht erkennen. Soweit es um die Nutzung der Datenbestände geht, sind diese dem Beschuldigten teilweise über eine ausgehändigte Kopie der Festplatte des Notebooks wieder zugänglich gemacht worden und der Generalbundesanwalt ist bereit, weitere Kopien herauszugeben. Ob auf dem Notebook und dem Mobiltelefon Daten gespeichert sind, die im Strafverfahren nicht verwertet werden dürfen, bedarf keiner näheren Erörterung; denn dies könnte die Beschlagnahme zur Sicherung der Einziehung nicht hindern.

Die Beschwerde des Beschuldigten erweist sich daher als unbegründet.

Fundstellen
wistra 2007, 431