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BGH - Entscheidung vom 14.07.2005

3 BJs 3/05 - 4

Normen:
StGB § 99 Abs. 1 Nr. 1

Fundstellen:
NStZ 2006, 161
NStZ-RR 2005, 305

BGH, Beschluß vom 14.07.2005 - Aktenzeichen 3 BJs 3/05 - 4 - Aktenzeichen StB 9/05

DRsp Nr. 2005/11449

Erforderlichkeit der Einbindung in den fremden Geheimdienst

§ 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfordert, dass sich der Täter zumindest funktionell durch aktive Mitarbeit in den fremden Dienst und dessen Ausforschungsbestrebungen eingliedert.

Normenkette:

StGB § 99 Abs. 1 Nr. 1 ;

Gründe:

I. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat gegen den Beschuldigten am 20. Mai 2005 Haftbefehl wegen des dringenden Verdachts erlassen, gemeinschaftlich handelnd für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Agententätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausgeübt zu haben, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist (§ 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB ) und durch dieselbe Handlung eine in § 33 Abs. 4 des Außenwirtschaftsgesetzes bezeichnete Handlung begangen zu haben, die geeignet ist, das friedliche Zusammenleben der Völker und die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden (§ 34 Abs. 2 Nr. 2 und 3 AWG). Mit Beschluß vom 27. Mai 2005 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Haftbefehl aufrechterhalten und seinen weiteren Vollzug angeordnet. Gegen diesen Beschluß hat der Beschuldigte Beschwerde eingelegt. Er beantragt die Aufhebung der Entscheidung sowie die des Haftbefehls.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Der Beschwerdeführer ist eines Verstoßes gegen § 34 Abs. 2 Nr. 2 und 3 AWG dringend verdächtig.

a) Nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Geschehen auszugehen:

Der Beschuldigte ist Geschäftsführer der Firma T aus Sch., die im Juli 2001 der Firma S aus Teheran (Iran) auf deren Anfrage ein Angebot über die Lieferung einer sogenannten Vibrationstestanlage einschließlich der erforderlichen Software unterbreitete. Endverwender sollte die Firma B. I. in Teheran sein, die zur M. Group gehört und ein Tochterunternehmen der A (...) ist. Nachdem bei dem Beschuldigten ein anonymes Fax eingegangen war, in dem darauf aufmerksam gemacht wurde, daß die angebotenen Geräte zu Testzwecken im Rahmen des iranischen militärischen Raketenträger-Technologie-Programms eingesetzt werden sollten, brach der Beschuldigte die Verhandlungen zum Schein ab.

Noch im Jahr 2001 brachte er jedoch mit einem in London ansässigen Mittelsmann die Abwicklung der Beschaffungsoperation über eine Tarnfirma in den Vereinigten Arabischen Emiraten auf den Weg. Nach Lieferung der Anlage in den Iran erteilte der Beschuldigte den in den gesamten Sachverhalt weitgehend eingeweihten Mitbeschuldigten K. und Tr. den Auftrag, die Installations- und Schulungsarbeiten an dem Gerät in Teheran bei der Firma B. auszuführen, was auch geschah.

b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus folgendem:

Der Beschuldigte hat den objektiven Sachverhalt sowie seine Kenntnis davon, daß die Anlage in den Iran geliefert werden sollte, zugestanden. Dem entsprechen auch das Ergebnis der Durchsuchung der Geschäftsräume der Firma T und insbesondere die Einlassung des Mitbeschuldigten K.. Soweit der Beschuldigte einwendet, das gelieferte Gerät sei für Tests von Raketen und/oder Raketenbestandteilen nicht geeignet und seine Ausfuhr demgemäß genehmigungsfrei, wird dies durch das eingeholte Sachverständigengutachten widerlegt.

Aus der Einlassung des Mitbeschuldigten K., aus Geschäftsunterlagen und weiteren Urkunden folgt, daß der Beschuldigte auch um die Identität der beiden Exportvorgänge wußte. Diese Beweismittel und zusätzlich die Kenntnis des Beschuldigten von dem Inhalt des anonymen Faxschreibens belegen weiter den dringenden Verdacht, daß er entgegen seiner Einlassung davon Kenntnis hatte, daß die T-Geräte im Rahmen des iranischen militärischen Raketenträger-Technologie-Programms eingesetzt werden sollten. Aus dem Schlußvermerk des Beschuldigten nach Abbruch der ersten Bemühungen um die Anbahnung des Vertrags ergibt sich, daß er auch um das generelle Exportverbot für "dual-use"-Waren in den Iran, die militärische Verwendung finden sollen, wußte.

2. Es besteht der Haftgrund der Flucht- und Verdunkelungsgefahr.

Der Beschuldigte, der mit einer hohen Strafe rechnen muß, verfügt über vielfältige berufliche und private Kontakte ins Ausland, wo ihm erhebliche Vermögenswerte zur Verfügung stehen. Sein auf Konspiration und Heimlichkeit gerichtetes Verhalten und die Verstrickung von drei weiteren Mitbeschuldigten in die Tat legen den Verdacht nahe, daß er sich nicht scheut, auch weiterhin auf diese einzuwirken. Darauf deutet bereits das Aussageverhalten mehrerer Zeugen hin. Auch insofern wird auf die weiteren Einzelheiten des Haftbefehls verwiesen.

III. Demgegenüber begründet das bisherige Ermittlungsergebnis nicht den dringenden Verdacht, daß sich der Beschuldigte durch das Exportgeschäft auch der geheimdienstlichen Agententätigkeit gemäß § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig gemacht hat. Zwar liegt es nicht fern, daß zwischen den auf iranischer Seite an dem Geschäft beteiligten Firmen und iranischen Geheimdienststellen Verbindungen bestehen. Es bestehen jedoch bisher keine tragfähigen Erkenntnisse dahin, daß diese Firmen in einen Geheimdienst integriert sind oder von ihm gesteuert bzw. in ihrer Geschäftstätigkeit in einer Weise beaufsichtigt werden, daß die Lieferung militärisch sensitiver Waren an oder über diese Firmen objektiv ohne weiteres als Tätigwerden für einen iranischen Geheimdienst eingeordnet werden könnte. Allein der Verstoß gegen § 34 Abs. 2 AWG vermag einen derartigen Schluß nicht zu rechtfertigen.

Im übrigen setzt die Ausübung einer Tätigkeit für einen fremden Geheimdienst nach § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB voraus, daß sich der Täter zumindest funktionell durch aktive Mitarbeit in den fremden Dienst und dessen Ausforschungsbestrebungen eingliedert (BGHSt 24, 369). Eine solche Eingliederung mag zwar im Einzelfall auch bei einer nur einmaligen Lieferung von Gegenständen und Erkenntnissen angenommen werden können. Hier ist indessen allein aufgrund des konspirativen Vorgehens des Beschuldigten zur Verdeckung des Verstoßes gegen das Exportverbot kein hinreichend tragfähiger Schluß darauf möglich, daß er sich mit der Lieferung der Vibrationstestanlage nebst zugehöriger Software zugleich in die Ausforschungsbestrebungen eines iranischen Geheimdienstes im Bereich der Militärtechnologie einordnen wollte.

Es besteht daher lediglich ein Anfangsverdacht, daß sich der Beschuldigte auch der geheimdienstlichen Agententätigkeit schuldig gemacht hat. Der Haftbefehl kann dementsprechend nicht auf diesen Tatvorwurf gestützt werden. Dies ändert nichts an der Zuständigkeit des Generalbundesanwalts, weitere Ermittlungen zur Aufklärung auch dieses Tatvorwurfs anzustellen.

Vorinstanz: BGH, vom 27.05.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 3 BGs 81/05
Fundstellen
NStZ 2006, 161
NStZ-RR 2005, 305