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BGH - Entscheidung vom 12.12.2007

VIII ZR 190/06

Normen:
BGB § 556 Abs. 3 S. 3

Fundstellen:
BGHReport 2008, 479
MDR 2008, 379
MietR 2008, 98
NJW 2008, 1150
NZM 2008, 204
WuM 2008, 150

BGH, Urteil vom 12.12.2007 - Aktenzeichen VIII ZR 190/06

DRsp Nr. 2008/3870

Begriff der Nachforderung von Mietnebenkosten

»Eine nach § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB ausgeschlossene Nachforderung liegt nicht nur dann vor, wenn der Vermieter nach Ablauf der in § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB genannten Frist einen die geleisteten Vorauszahlungen des Mieters übersteigenden Betrag fordert. Eine solche Nachforderung ist vielmehr auch dann anzunehmen, wenn der Vermieter nach Fristablauf einen Betrag fordert, der das Ergebnis einer bereits erteilten Abrechnung übersteigt. Das gilt namentlich auch dann, wenn dieses Ergebnis ein Guthaben des Mieters ist.«

Normenkette:

BGB § 556 Abs. 3 S. 3 ;

Tatbestand:

Die Klägerin ist Vermieterin, die Beklagten sind Mieter einer Wohnung in D.. Am 1. Dezember 2004 erstellte die Klägerin die Abrechnung für das Jahr 2003 über die von den Beklagten übernommenen Nebenkosten. Nach der den Beklagten übersandten Abrechnung stand diesen unter Berücksichtigung der geleisteten Vorauszahlungen ein Guthaben in Höhe von 208,73 EUR zu. Mit Schreiben vom 23. Februar 2005 korrigierte die Klägerin in einigen Positionen ihre Abrechnung, die nunmehr einen Nachzahlungsbetrag von 115,06 EUR zu Lasten der Beklagten auswies.

Die Beklagten erklärten gegen den Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Miete für Mai 2005 die (Teil-)Aufrechnung mit dem ursprünglich ausgewiesenen Guthaben in Höhe von 208,37 EUR und behielten die Miete in entsprechender Höhe ein.

Die Klägerin hat den einbehaltenen Differenzbetrag sowie die Kosten für die Rücklastschrift in Höhe von 8,66 EUR gerichtlich geltend gemacht. Das Amtsgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsforderung stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht hingegen die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht (LG Dortmund, WuM 2007, 447) hat zur Begründung ausgeführt:

Der ursprünglich aus § 535 Abs. 2 BGB begründete Mietzinsanspruch der Klägerin sei durch Aufrechnung erloschen. Den Beklagten habe zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung eine wirksame Gegenforderung in Höhe von 208,37 EUR zugestanden. Durch die Abrechnung vom 1. Dezember 2004 hätten die Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung des ausgewiesenen Guthabens erworben. Die erst am 23. Februar 2005 erfolgte Korrektur der Nebenkostenabrechnung habe sich nicht mehr zum Nachteil der Beklagten auswirken können, weil Nachforderungen des Vermieters nach Ablauf der Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB auch dann ausgeschlossen seien, wenn sich aus der fristgerechten Abrechnung ein Guthaben zugunsten des Mieters ergebe. Dies folge aus einer sach- und interessengerechten Auslegung des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB .

Nach dem Wortlauf der Vorschrift seien sämtliche Nachforderungen ausgeschlossen. Dies umfasse der Wortbedeutung nach nicht nur den die Summe der Vorauszahlungen übersteigenden Betrag, sondern alle zum Zeitpunkt des Fristablaufs nicht geforderten Beträge. Dazu gehöre auch die bei Fristablauf als Guthaben ausgewiesene Summe, die der Vermieter erst mit der nachträglichen Korrektur als - weiteren - Teil seines mietvertraglichen Anspruchs auf Erstattung der Nebenkosten geltend mache. Dies werde besonders deutlich, wenn der Guthabensbetrag dem Mieter nach fristgerechter Abrechnung bereits zurückgewährt worden sei. Dann könne kein Zweifel daran bestehen, dass jede über den innerhalb der dafür vorgesehenen Frist abgewickelten Status hinausgehende Forderung als "Nachforderung" aufzufassen sei. Nichts anderes könne gelten, wenn der Vermieter den Guthabenbetrag nicht umgehend zurückgezahlt habe, obwohl der Mieter dies sogleich mit der Erteilung der Abrechnung habe beanspruchen können.

Auch bei einer systematischen Betrachtung könne sich der Ausschluss von Nachforderungen im Fall einer fristgemäß erteilten Abrechnung nur auf deren Ergebnis - und nicht auf die geleisteten Vorauszahlungen - beziehen. Dies unterliege keinem Zweifel im Fall einer fristgerechten Abrechnung, deren Ergebnis die Summe der geleisteten Vorauszahlungen übersteige. Warum sich der Bezugspunkt für den Ausschluss von "Nachforderungen" (Ergebnis der fristgerechten Abrechnung) allein durch den Inhalt der Abrechnung (ober- oder unterhalb der Summe der Vorauszahlungen) ändern solle, sei nicht ersichtlich. Eine Ausnahme bestehe nur dann, wenn noch keine Abrechnung erteilt worden sei. Dann liege ein Abrechnungsergebnis als Bezugsgröße für den Nachforderungsausschluss nicht vor, so dass auf einen Vergleich mit der Summe der Vorauszahlungen zurückgegriffen werden müsse.

Für diese Auslegung des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB spreche insbesondere auch der Sinn und Zweck der Norm. Die Ausschlussfrist diene der Abrechnungssicherheit für den Mieter und solle Streit vermeiden. Spätestens nach einem Jahr solle der Mieter zuverlässig erfahren, ob und inwieweit er die Vorauszahlungen zurückverlangen könne oder eine Nachzahlung zu leisten habe. Dieser Zweck, zeitnah Gewissheit über die Höhe des Guthabens bzw. der Nachzahlung zu erlangen, werde konterkariert, wenn dem Mieter das ausgewiesene Guthaben auch weit nach Ablauf der Abrechnungsfrist durch eine Korrektur wieder entzogen werden könne.

II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

1. Die Restmietforderung der Klägerin für den Monat Mai 2005 ist gemäß wirksamer Aufrechnung seitens der Beklagten mit ihrer Forderung auf Auszahlung ihres Guthabens aus der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2003 vom 1. Dezember 2004 nach § 389 BGB erloschen. Der Senat schließt sich der eingehenden und insgesamt überzeugenden Begründung des Berufungsgerichts an. Lediglich ergänzend ist auszuführen:

Zwischen den Parteien ist allein streitig, ob der Vermieter eine Betriebskostenabrechnung nach Ablauf der in § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB geregelten Frist bis zur Höhe der vom Mieter geleisteten Vorauszahlungen wirksam korrigieren kann. Das hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Eine nach § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB ausgeschlossene Nachforderung liegt nicht nur dann vor, wenn - wie die Klägerin meint - nach Ablauf der in § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB genannten Frist ein die geleisteten Vorauszahlungen übersteigender Betrag gefordert wird. Eine solche Nachforderung ist vielmehr auch dann anzunehmen, wenn der Vermieter nach Fristablauf einen Betrag fordert, der das Ergebnis einer bereits erteilten Abrechnung übersteigt. Das gilt namentlich auch dann, wenn dieses Ergebnis ein Guthaben des Mieters ist.

a) Dies entspricht, wie auch die Revision nicht verkennt, der vom Berufungsgericht zutreffend wiedergegebenen Rechtsprechung des Senats. Danach dienen die Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB und der durch § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB angeordnete Ausschluss von Nachforderungen nach Fristablauf der Abrechnungssicherheit für den Mieter und sollen Streit vermeiden. Sie gewährleisten eine zeitnahe Abrechnung, damit der Mieter in einem überschaubaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Abrechnungszeitraum entweder über ein sich zu seinen Gunsten ergebendes Guthaben verfügen kann oder Gewissheit darüber erlangt, ob und in welcher Höhe er mit einer Nachforderung des Vermieters rechnen muss (Senatsurteil vom 17. November 2004 - VIII ZR 115/04, NJW 2005, 219 , unter II 2; Senatsurteil vom 18. Januar 2006 - VIII ZR 94/05, NJW 2006, 903 , unter II 1 b). Dieser Zweck würde verfehlt, wenn bei Vorlage einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung innerhalb der Frist ein darin enthaltener materieller Fehler auch noch nach Fristablauf zu Lasten des Mieters korrigiert werden könnte. Das gilt sowohl hinsichtlich der Art als auch hinsichtlich der Höhe der abgerechneten Einzelpositionen und unabhängig von dem Ausmaß der Abweichung. Der Ablauf der Abrechnungsfrist hat deshalb zur Folge, dass die Nachforderung nach einer erst später erfolgenden inhaltlichen Korrektur das Ergebnis der fristgemäß vorgelegten Rechnung weder in den Einzelpositionen noch insgesamt überschreiten darf (Senatsurteil vom 17. November 2004, aaO., m.w.N.). Dementsprechend liegt eine nach § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB ausgeschlossene Nachforderung unter anderem dann vor, wenn der Vermieter nach Ablauf der zwölfmonatigen Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB einen Betrag verlangt, der eine bereits erteilte Abrechnung übersteigt (Senatsurteil vom 9. März 2005 - VIII ZR 57/04, NJW 2005, 1499 , unter II 5 c; Senatsurteil vom 31. Oktober 2007 - VIII ZR 261/06, z.V.b., unter II 2 a aa (1)). Das schließt den hier gegebenen Fall ein, dass diese Abrechnung mit einem Guthaben des Mieters endet.

b) Gegen diese Rechtsansicht wendet die Revision ohne Erfolg ein, damit stünde der Vermieter besser, der binnen Jahresfrist überhaupt keine Abrechnung erteile, denn dieser Vermieter könne noch bis zur Höhe der geleisteten Vorauszahlungen nachberechnen, während bei fristgerecht erteilter Abrechnung der Vermieter auf deren Höhe begrenzt werde. Wie das Berufungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, besteht für den Vermieter kein Anreiz, auf eine fristgemäße Abrechnung - die mit einem Guthaben des Mieters enden könnte - zu verzichten. Denn dies würde seine Rechtsposition unter mehreren Gesichtspunkten schwächen und kann zu erheblichen Kosten und Nachteilen führen. So kann der Mieter unmittelbar nach Ablauf der Abrechnungsfrist auf Erteilung einer (formell) ordnungsgemäßen Abrechnung klagen. Bereits die dadurch verursachten und letztlich vom Vermieter zu tragenden Kosten werden vielfach den vermeintlichen Vorteil, noch kein Guthaben ausgewiesen zu haben, übersteigen. Auch steht dem Mieter sogleich nach Fristablauf ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB hinsichtlich der laufenden Nebenkostenvorauszahlungen zu. Wie das Berufungsgericht weiter richtig ausgeführt hat, begibt sich der Vermieter, der nicht fristgemäß abrechnet, ohne Not der Möglichkeit, über die Summe der Vorauszahlungen hinaus gehende Nachforderungen geltend zu machen.

2. Die Klägerin hat hiernach keinen Anspruch auf Ausgleich der Kosten für die Rücklastschrift nach § 280 BGB . Mit ihrem Widerspruch gegen die Abbuchung eines Teils der Miete für Mai 2005 haben die Beklagten keine Pflicht aus dem Mietvertrag verletzt. In der fraglichen Höhe war die Miete bereits durch die vorgenommene Aufrechnung beglichen.

Vorinstanz: LG Dortmund, vom 08.06.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 11 S 26/06
Vorinstanz: AG Dortmund, vom 07.12.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 104 C 7084/05
Fundstellen
BGHReport 2008, 479
MDR 2008, 379
MietR 2008, 98
NJW 2008, 1150
NZM 2008, 204
WuM 2008, 150