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BGH - Entscheidung vom 20.01.2005

V ZB 37/04

Normen:
VermG § 30a Abs. 1 § 1 Abs. 6

BGH, Beschluß vom 20.01.2005 - Aktenzeichen V ZB 37/04

DRsp Nr. 2005/2402

Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts durch das VermG

Für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen eines Zuschlagsbeschlusses in der Zeit des Nationalsozialismus ist der Rechtsweg zu den Zivilgerichten wegen des Vorrangs des VermG nicht gegeben.

Normenkette:

VermG § 30a Abs. 1 § 1 Abs. 6 ;

Gründe:

I. Die Antragstellerin, eine GmbH in Liquidation, beabsichtigt, gegen die Bundesrepublik Deutschland Klage mit dem Antrag zu erheben, festzustellen, daß der Zuschlagsbeschluß des Amtsgerichts Berlin vom 9. Juli 1935, durch den ein im späteren Ostteil von Berlin gelegenes Grundstück übertragen wurde, unwirksam sei. Sie hat die Gewährung von Prozeßkostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.

Zur Begründung macht sie geltend, sie habe das Grundstück 1913 erworben. Ihre Gesellschafter R. B. und C. M. seien jüdischer Abstammung und ab 1930 nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen. C. M. sei 1933 ausgebürgert worden, R. B. sei seit 1934 auf der Flucht gewesen. Am 9. Juli 1935 sei das Grundstück zwangsversteigert und H. W. aufgrund eines Gebots, das noch nicht einmal 5 % des Verkehrswerts erreicht habe, zugeschlagen worden. Verfolgungsbedingt sei ihr ein Rechtsmittel gegen den Zuschlagsbeschluß nicht möglich gewesen. Die Erben der zwischenzeitlich verstorbenen R. B. und C. M. hätten Ansprüche wegen des Vermögensverlustes der Verfolgten nach dem Vermögensgesetz angemeldet, sie selbst jedoch nicht. 1997 hätten die Erben von H. W. das Grundstück der Antragsgegnerin aufgelassen. Hierdurch sei es zu deren Eintragung in das Grundbuch gekommen.

Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen, weil die Voraussetzungen von § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht dargelegt seien. Die Beschwerde der Antragstellerin ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Kammergericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag weiter.

II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, obwohl die Zulassung der Rechtsbeschwerde im Prozeßkostenhilfeverfahren nicht in Betracht kommt, um offene Rechtsfragen zu klären, die ihre Grundlage außerhalb des Verfahrensrechts oder der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der Gewährung von Prozeßkostenhilfe finden (st. Rechtspr., vgl. Senat, Beschl. v. 21. November 2002, V ZB 40/02, NJW 2003, 1126 ; BGH, Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 92/97, NJW 1998, 82 ; v. 27. Februar 2003, III ZB 29/02, AGS 2003, 213 , u. v. 17. März 2004, XII ZB 122/02, NJW 2004, 2022 ). Die unter Verstoß hiergegen erfolgte Zulassung bindet jedoch den Senat, § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO .

III. Entgegen der Meinung der Antragstellerin führt die zu Unrecht erfolgte Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht zur Gewährung von Prozeßkostenhilfe, ohne daß es auf weiteres ankäme. Bietet eine Klage keine Aussicht auf Erfolg, scheidet die Gewährung von Prozeßkostenhilfe aus, § 114 ZPO . Das ist nicht deshalb anders zu entscheiden, weil das Beschwerdegericht rechtsirrig meint, bei der Entscheidung des Rechtsstreits komme es auf eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung an. So verhält es sich hier.

1. Das Beschwerdegericht hat die Frage offen gelassen, ob die Voraussetzungen von § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO erfüllt sind. Es meint, die Gewährung von Prozeßkostenhilfe scheide schon deshalb aus, weil der Antragstellerin das Feststellungsinteresse fehle. Die Frage nach der Wirksamkeit des Zuschlagsbeschlusses vom 9. Juli 1935 bilde eine Vorfrage der von der Antragstellerin erstrebten Rückgabe des Grundstücks. Hierüber sei in einem Verfahren nach dem Vermögensgesetz zu entscheiden. Daß die Antragstellerin die Frist von § 30a Abs. 1 VermG versäumt habe, sei insoweit ohne Bedeutung.

2. Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Gewährung von Prozeßkostenhilfe kommt schon deshalb nicht Betracht, weil die beabsichtigte Klage unzulässig ist. Der Rechtsverfolgung steht der Vorrang des Vermögensgesetzes entgegen. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt sich nicht.

Das Vermögensgesetz dient dazu, Vermögensverluste aufgrund unlauterer Machenschaften der Organe der früheren DDR und Verluste, die aufgrund derartiger Machenschaften der nationalsozialistischen Machthaber eingetreten sind, rückgängig zu machen, soweit solche Maßnahmen in der späteren DDR belegenes Vermögen betroffen haben, § 1 Abs. 6 VermG. Soweit das Vermögensgesetz die Rückübertragung von aufgrund von Verfolgungsmaßnahmen verlorenem Vermögen regelt, können Ansprüche auf Rückgewähr allein auf dem hierfür bestimmten Weg eines Verwaltungsverfahrens nach §§ 30 ff. VermG geltend gemacht werden. Der Rechtsweg zu den Zivilgerichten ist ausgeschlossen (st. Rspr., vgl. Senat, BGHZ 118, 34 , 44; 130, 231, 236). Maßgeblich ist dabei die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (GemSOGB, BGHZ 97, 312 , 314). Wird der Zivilrechtsweg beschritten, kommt es darauf an, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die geltend gemachte Rechtsfolge von den Rechtssätzen des Zivilrechts geprägt ist (BGHZ 103, 255 , 257). Hierbei hat es der Kläger nicht in der Hand, sich allein durch die Anführung von Klagegründen Zugang zum Zivilrechtsweg zu verschaffen (BGHZ 14, 294, 297; 24, 302, 305). Die öffentlich-rechtliche Regelung der Rückgewähr durch unlautere Machenschaften entzogenen Vermögens schließt die isolierte Prüfung der zivilrechtlichen Wirksamkeit von Verfolgungsakten vielmehr aus, soweit die geltend gemachte Unwirksamkeit Ausdruck solcher Maßnahmen ist (Senat, BGHZ 130, 231 , 236 f.).

So liegt der Fall hier. Nach dem Vorbringen der Antragstellerin ist es durch Maßnahmen nationalsozialistischen Unrechts zur Versteigerung des Grundstücks gekommen. Diese Maßnahmen haben sich nach ihrem Vorbringen in einem rechtswidrigen Zuschlag fortgesetzt. Die Folgen dieser Maßnahmen können nicht durch eine Entscheidung der Zivilgerichte beseitigt werden. Der Rechtsweg zu den Zivilgerichten ist daher auch insoweit nicht gegeben, als die beabsichtigte Klage auf diese Frage beschränkt werden soll.

Hieran ändert sich nicht dadurch etwas, daß die in § 30a Abs. 1 VermG für die Anmeldung von Ansprüchen nach dem Vermögensgesetz bestimmte Frist verstrichen ist. Der Vorrang des Vermögensgesetzes gewährleistet den Grundsatz des sozialverträglichen Ausgleichs zwischen den Interessen der von einem Vermögensverlust Betroffenen einerseits und den Interessen derjenigen, die ein Recht an dem verlorenen Gegenstand erworben haben (Senat, BGHZ 118, 34 , 37; 120, 204, 210 f.). Er wird davon nicht berührt, ob die von dem Vermögensgesetz zur Anmeldung eines Anspruchs bestimmte Frist eingehalten oder versäumt worden ist oder aufgrund besonderer Umstände zurückzutreten hat.

IV. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt (vgl. Musielak/Fischer, ZPO , 4. Aufl., § 127 Rdn. 27).

Vorinstanz: KG, vom 19.08.2004