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BGH - Entscheidung vom 15.07.2005

2 StR 131/05

Normen:
StGB § 232 § 181a Abs. 1 Nr. 1

BGH, Urteil vom 15.07.2005 - Aktenzeichen 2 StR 131/05

DRsp Nr. 2005/12480

Verhältnis zwischen § 232 StGB und § 180b StGB a.F.; Ausbeutung bei der Zuhälterei

1. § 232 StGB (Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung) stellt im Sinne notwendiger Unrechtskontinuität eine Nachfolgeregelung zu § 180 b StGB dar.2. Ausbeutung liegt vor, wenn dem Opfer in objektiver Hinsicht ein erheblicher Teil der Einnahmen entzogen wird und dies zu einer gravierenden Beschränkung der persönlichen und wirtschaftlichen Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit führt, die geeignet ist, dem Opfer die Lösung aus der Prostitution zu erschweren. 3. Hat eine Prostituierte allein 60 % ihrer Einnahmen an den Bordellbetreiber zu zahlen, von den verbleibenden 40 % noch einmal die Hälfte an ihren Zuhälter abzuführen und von den ihr damit nur noch zur Verfügung stehenden 20 % die Mietkosten zu bestreiten und hohe Strafgelder für jegliches Fehlverhalten zu entrichten, so ist ohne weiteres von einer Ausbeutung im Sinne des § 181 a Abs. 1 Nr. 1 StGB auszugehen.

Normenkette:

StGB § 232 § 181a Abs. 1 Nr. 1 ;

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagten - unter Freisprechung im übrigen - wie folgt verurteilt:

1. den Angeklagten L. wegen "der gemeinschaftlichen Ausbeutung von Prostituierten in Tateinheit mit ausbeuterischer und dirigierender Zuhälterei und dem Einschleusen von Ausländern in drei Fällen, in zwei Fällen in Tateinheit mit Menschenhandel, der ausbeuterischen Zuhälterei in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit dirigierender Zuhälterei sowie des Menschenhandels in Tateinheit mit ausbeuterischer und dirigierender Zuhälterei und dem Einschleusen von Ausländern, des Menschenhandels in Tateinheit mit ausbeuterischer und dirigierender Zuhälterei, der gemeinschaftlichen Ausbeutung von Prostituierten in Tateinheit mit Menschenhandel sowie dirigierender Zuhälterei, des schweren Menschenhandels sowie der Urkundenfälschung in zwei weiteren Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten,

2. den Angeklagten S. wegen "der gemeinschaftlichen Ausbeutung von Prostituierten in Tateinheit mit Menschenhandel, dirigierender Zuhälterei und dem Einschleusen von Ausländern in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit ausbeuterischer Zuhälterei sowie der Beihilfe zur ausbeuterischen Zuhälterei, der gemeinschaftlichen Ausbeutung von Prostituierten in Tateinheit mit Menschenhandel und dirigierender Zuhälterei, der gemeinschaftlichen Ausbeutung von Prostituierten in Tateinheit mit ausbeuterischer und dirigierender Zuhälterei sowie dem Einschleusen von Ausländern" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten,

3. den Angeklagten Z. wegen "der Beihilfe zur gemeinschaftlichen Ausbeutung von Prostituierten, zum Menschenhandel und zur dirigierenden Zuhälterei, der Beihilfe zur gemeinschaftlichen Ausbeutung von Prostituierten, zum Menschenhandel, zur ausbeuterischen und dirigierenden Zuhälterei, der Beihilfe zur ausbeuterischen und dirigierenden Zuhälterei" zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten.

Nach den Feststellungen unterhielt der Angeklagte L. Kontakte zu ausländischen Mittelsmännern, die osteuropäische Frauen zwecks Ausübung der Prostitution nach Deutschland vermittelten. Im Zeitraum Juni 2002 bis März 2003 nahm er nacheinander mehrere, in der Regel mit einem Touristenvisum eingereiste und schon zur Ausübung der Prostitution entschlossene Frauen in Deutschland in Empfang. Die Frauen wurden durch den Angeklagten L., der über Kontakte zu verschiedenen Bordellbetreibern verfügte und an einem Bordell als stiller Teilhaber selbst beteiligt war, unter Mithilfe der Angeklagten S., Z. und des früheren Mitangeklagten K. in unterschiedliche Etablissements im Raum Hessen/Rheinland-Pfalz verbracht, wo sie der Prostitution nachgingen. Von ihren Einnahmen mußten die Frauen 50-60 % an den jeweiligen Bordellbetreiber und von den verbleibenden 40-50 % noch einmal die Hälfte an den Angeklagten L. abführen, der entweder selbst wöchentlich die Zahlungen entgegennahm oder dabei von dem Angeklagten S. vertreten wurde. Darüber hinaus mußten die Frauen für Unterkunft und Verpflegung selbst aufkommen und von dem Angeklagten L. verauslagte Kosten für die Einreise oder für die Verlängerung des Visums "abarbeiten". Während ihrer Tätigkeiten in Deutschland unterlagen die der deutschen Sprache weitgehend unkundigen Frauen strengen Verhaltensregeln. So waren Kontakte mit Kunden außerhalb der jeweiligen Barbetriebe verboten, die Arbeitszeit war exakt vorgegeben, freie Tage wurden nur in Ausnahmefällen von dem Angeklagten L. oder seinem Stellvertreter, dem Angeklagten S., der selbst ein Bordell führte, gewährt. Einkaufen oder Ausgehen durften die Frauen - wenn überhaupt - in der Regel nur in Begleitung. Teilweise wurden ihre Pässe von dem Angeklagten L. einbehalten. Die erforderlich werdenden Aufenthaltsverlängerungen bei Ablauf der Visa wurden durch ihn unter falschen Angaben beim Ausländeramt veranlaßt, zum Teil ließ er auch gefälschte Stempelabdrucke in die Pässe der Frauen einbringen. Bei Regelverstößen sowie Arbeitsverweigerung verhängte der Angeklagte L. Geldstrafen, die die Frauen abarbeiten mußten. Darüber hinaus bestand die Strafandrohung eines sogenannten "Subotniks", worunter in russischen Kreisen verstanden wird, daß eine Frau mehreren Männern gleichzeitig und unentgeltlich nach deren Wünschen sexuell zur Verfügung stehen muß. Immer, wenn es dem Angeklagten L. erfolgversprechend erschien, wurden die Frauen - auch gegen ihren Willen - jeweils in einem anderen Bordell oder auch in wechselnden "Privatwohnungen" untergebracht. Dabei bediente sich der Angeklagte L. u.a. der Mithilfe des Angeklagten Z..

Die Revisionen der Angeklagten L., S. und Z. rügen die Verletzung materiellen Rechts, der Angeklagte L. erhebt darüber hinaus zwei Verfahrensrügen. Die Rechtsmittel der beiden erstgenannten Angeklagten führen zur teilweisen Änderung der Schuldsprüche und zur teilweisen Aufhebung der Strafaussprüche, bleiben im übrigen aber - wie die Revision des Angeklagten Z. insgesamt - ohne Erfolg.

Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision die Schuldsprüche hinsichtlich der Angeklagten L., S. und Z. im Fall II 6 der Urteilsgründe sowie den Schuldspruch nur hinsichtlich des Angeklagten L. in den Fällen II 1 und 7 einschließlich der diesen zugrunde liegenden Einzelstrafen sowie die verhängten Gesamtfreiheitsstrafen. Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat nur hinsichtlich des Falles II 1 sowie des Gesamtstrafenausspruchs Erfolg, ebenso die Revision der Nebenklägerin A., die - gestützt auf die Sachrüge - die Nichtverurteilung des Angeklagten L. auch wegen Menschenhandels im Fall II 1 der Urteilsgründe rügt.

A) Revision des Angeklagten L.

I. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.

1. Erfolglos macht die Revision geltend, der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO sei gegeben. Sie beanstandet, die Strafkammer habe während der Vernehmung der Zeugin Ka. rechtsfehlerhaft den Ausschluß der Öffentlichkeit angeordnet:

Die Zeugin Ka. war in Rußland von Unbekannten zu Hause aufgesucht und in ein Parkhaus verbracht worden, wo ihr "Probleme" angekündigt wurden, sollte sie ihre im Ermittlungsverfahren getätigte Aussage in der in Deutschland bevorstehenden Hauptverhandlung nicht "richtig stellen".

Wenn bei einer solchen Sachlage ein Tatrichter im Rahmen seines Beurteilungsspielraums eine Gefährdung von Leib und Leben einer Zeugin besorgt und - gestützt auf § 172 Nr. 1 a GVG - in Ausübung seines Ermessens (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 116 , 118) für die Dauer der Vernehmung dieses Zeugen die Öffentlichkeit ausschließt, läßt das einen Rechtsfehler nicht erkennen.

2. Auch die gegen die Verwertung von Erkenntnissen aus Telefonüberwachungen gerichtete Verfahrensrüge bleibt ohne Erfolg.

Unbeschadet der Frage, ob die Verfahrensrüge - wie vom Generalbundesanwalt ausgeführt - den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO hier nicht genügt, kommt ein Verwertungsverbot nicht in Betracht, da der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts bei Anordnung der Telefonüberwachung rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des § 100 a StPO für gegeben erachtet hat (BGHSt 41, 30 , 33; 47, 362, 365; 48, 240, 248). Nach dem der ersten Telefonüberwachungsmaßnahme zugrundeliegenden, von der Revision zudem nur unvollständig mitgeteilten, polizeilichen Vermerk vom 31. Januar 2003 gab es konkrete Hinweise, daß mehrere osteuropäischen Frauen mit illegal erlangten Visa von einer noch unbekannten Tätergruppe zwecks Ausübung der Prostitution nach Deutschland eingeschleust wurden. Dies begründete den Verdacht des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern nach § 92 a Abs. 2 Nr. 1 AuslG , einer Katalogtat gemäß § 100 a Nr. 5 StPO .

II. Die Sachrüge hat teilweise Erfolg.

1. Der Schuldspruch gegen den Angeklagten L. wegen Menschenhandels in den Fällen II 3 und 4 (T.), II 5 (Sy.) und II 8 (Ka.) ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Revision hat die Strafkammer in diesen Fällen rechtsfehlerfrei eine auslandsspezifische Hilflosigkeit der Frauen im Sinne des § 180 b Abs. 2 Nr. 1 StGB aF angenommen. Auslandsspezifische Hilflosigkeit setzt voraus, daß die betroffene Person aufgrund der spezifischen Schwierigkeiten des Auslandsaufenthalts nach ihren persönlichen Fähigkeiten nicht oder nur wesentlich eingeschränkt in der Lage ist, sich dem Verlangen nach sexueller Betätigung zu widersetzen. Maßgebliche Entscheidungskriterien sind u.a. mangelhafte bzw. nicht vorhandene Deutschkenntnisse, die Verfügungsmöglichkeit über Barmittel, das Maß der Überwachung durch den und das Ausmaß der persönlichen Abhängigkeit von dem Täter sowie die Möglichkeit, die Bundesrepublik wieder zu verlassen, die dann eingeschränkt sein kann, wenn der Täter die Ausweispapiere der eingereisten Frauen an sich genommen hat (BGH NStZ 1999, 349 , 350; NStZ-RR 2004, 233 ).

Unter Zugrundelegung dieser Kriterien hat der Tatrichter nicht zuletzt unter dem in der Hauptverhandlung gewonnenen Eindruck von der Persönlichkeitsstruktur der jeweiligen Frauen die maßgeblichen Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen und eine Gesamtwürdigung vorzunehmen. Hier hat die Strafkammer in allen von der Revision gerügten Fällen die entscheidungsrelevanten Kriterien herausgearbeitet. Daß sie unter Berücksichtigung der im Rahmen der Hauptverhandlung offenbar gewordenen Persönlichkeitsstruktur der Zeuginnen T., Sy. und Ka. im Rahmen der Gesamtwürdigung von einer auslandsspezifischen Hilflosigkeit zumindest in der maßgeblichen ersten Phase deren Aufenthalts in Deutschland (BGH NStZ-RR 2004, 233 ) ausgegangen ist, läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.

Der Schuldspruch ist auch angesichts des § 2 Abs. 3 StGB nicht zu beanstanden. Der Tatrichter durfte hinsichtlich des Menschenhandels das Tatzeitrecht (§ 180 b Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. StGB ) zugrunde legen. Durch das 37. Strafrechtsänderungsgesetz (vom 11. Februar 2005; in Kraft seit dem 19. Februar 2005) wurde § 180 b StGB aufgehoben. Dies ist im Revisionsverfahren gemäß § 354 a StPO ; § 2 Abs. 3 StGB zu beachten. Doch sind die §§ 232 , 233 , 233 a und 233 b StGB neu eingefügt worden, wodurch das Verhalten des Angeklagten jetzt erfaßt wird. § 232 StGB (Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung) stellt im Sinne notwendiger Unrechtskontinuität eine Nachfolgeregelung zu § 180 b StGB dar. Es liegt nahe, daß der Angeklagte hier die Voraussetzungen nicht nur des § 232 Abs. 1 StGB nF, der einen identischen Strafrahmen eröffnet, sondern sogar die Qualifikation des § 232 Abs. 3 Nr. 3 StGB nF (gewerbsmäßig) erfüllt hat. Danach kann ausgeschlossen werden, daß der Tatrichter einen minder schweren Fall gemäß § 232 Abs. 5 StGB nF angenommen hätte. Somit ist das neue Recht nicht das mildere Recht (§ 2 Abs. 3 StGB ) und es bleibt beim Tatzeitrecht.

2. Ebenso ist im Fall II 7 der Urteilsgründe - Verurteilung des Angeklagten L. wegen schweren Menschenhandels zum Nachteil der Zeugin N. - § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB gegenüber dem vom Tatrichter angewandten § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF nicht das mildere Recht.

3. Auch die von der Revision gerügte Verurteilung des Angeklagten L. wegen ausbeuterischer Zuhälterei der Zeugin A. gemäß § 181 a Abs. 1 Nr. 1 StGB im Fall II 2 der Urteilsgründe ist frei von Rechtsfehlern. Ausbeutung liegt vor, wenn dem Opfer in objektiver Hinsicht ein erheblicher Teil der Einnahmen entzogen wird und dies zu einer gravierenden Beschränkung der persönlichen und wirtschaftlichen Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit führt, die geeignet ist, dem Opfer die Lösung aus der Prostitution zu erschweren (Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. § 181 a Rdn. 7). Zwar setzt eine solche Annahme im Regelfall Feststellungen zur Höhe der Einnahmen und Abgaben der Prostituierten voraus (BGH NStZ 1989, 67 ). Allerdings steht das Fehlen exakter Feststellungen zu Einnahmen und Ausgaben einer Verurteilung wegen ausbeuterischer Zuhälterei nicht zwingend entgegen. Wenn - wie hier die Zeugin A. - eine Prostituierte allein 60 % ihrer Einnahmen an den Bordellbetreiber zu zahlen, von den verbleibenden 40 % noch einmal die Hälfte an ihren Zuhälter abzuführen und von den ihr damit nur noch zur Verfügung stehenden 20 % die Mietkosten zu bestreiten und hohe Strafgelder für jegliches Fehlverhalten zu entrichten hat, ist ohne weiteres von einer Ausbeutung im Sinne des § 181 a Abs. 1 Nr. 1 StGB auszugehen (BGH NStZ 1999, 349 , 350; BGH, Beschluß vom 20. April 2004 - 4 StR 67/04).

4. Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer den Angeklagten L. im Fall II 9 der Urteilsgründe wegen Menschenhandels gemäß § 180 b Abs. 2 Nr. 2 StGB zum Nachteil der Prostituierten M. verurteilt. Der Strafkammer war es nicht verwehrt, aus den im Rahmen einer Polizeikontrolle festgestellten Paßeintragungen auf das Alter der Prostituierten von unter 21 Jahren zu schließen. Konkrete Anhaltspunkte für eine Fälschung des Reisepasses sind nicht ersichtlich. Im übrigen hätte selbst bei einer Paßfälschung keine Veranlassung bestanden, das Geburtsdatum vorzudatieren, um so möglicherweise eine Bestrafung wegen Menschenhandels zu riskieren.

5. Ebenso wenig ist die Verurteilung des Angeklagten L. wegen Urkundenfälschung im Fall II 8 der Urteilsgründe zu beanstanden. Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Daß die Strafkammer aufgrund der Aussage der Zeuginnen Ka. und Ks. sowie aufgrund der zum Paß der Zeugin T. getroffenen, durch ein Behördengutachten gestützten Feststellungen (Fall II 4 der Urteilsgründe) den Schluß gezogen hat, auch der Stempel im Paß der Zeugin Ka. sei gefälscht gewesen, ist möglich und im Revisionsverfahren hinzunehmen. Im übrigen haben die Strafkammer und sämtliche Prozeßbeteiligten - anders als die Revision vorträgt - den Paß der Zeugin Ka. im Verlaufe der Hauptverhandlung in Augenschein genommen (Bd. VII Bl. 726 der Hauptakte).

6. Keinen Bedenken unterliegt auch die von der Revision nicht im einzelnen gerügte Verurteilung des Angeklagten L. wegen Einschleusens von Ausländern im Fall II 3 der Urteilsgründe. Indem der Angeklagte - wie auch in den Fällen II 5, 6 und 8 - eine Verlängerung des bereits zwei Wochen nach der Einreise abgelaufenen Visums unter Benennung eines falschen Wohnorts der Zeugin T. bei gleichzeitigem Verschweigen ihres wahren Aufenthaltszwecks beantragte, unterstützte er diese mit falschen Angaben gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG i.V.m. § 13 Abs. 1 AuslG , was seine Strafbarkeit nach § 92 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AuslG begründet. Der am 1. Januar 2005 in Kraft getretene § 96 Abs. 1 AufenthG , der § 92 a Abs. 1 AuslG ersetzt, weist den gleichen Strafrahmen auf und ist kein milderes Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB .

7. Teilweise rechtsfehlerhaft zum Nachteil des Angeklagten L. ist hingegen die tatrichterliche Beurteilung der Konkurrenzen.

Die Strafkammer hat nicht bedacht, daß das von dem Angeklagten L. jeweils verwirklichte Dauerdelikt der Zuhälterei mehrere Handlungen zum Nachteil verschiedener Frauen zur Tateinheit verklammern kann, wenn - wie hier - von demselben Täter zeitgleich auf mehrere Geschädigte in demselben Bordell eingewirkt wird (BGHSt 48, 314 , 322; Tröndle/Fischer aaO. § 181 a Rdn. 27). Das kann auch dann der Fall sein, wenn mehrere Frauen sukzessiv betroffen sind (BGH aaO.). Ebenso kommt eine tateinheitliche Bewertung mehrerer zum Nachteil verschiedener Frauen begangener Straftaten des Menschenhandels in Betracht, allerdings nur dann, wenn die Ausführungshandlungen des § 180 b StGB aF gegenüber mehreren Geschädigten teilidentisch sind (BGH, Beschluß vom 25. August 1999 - 3 StR 290/99; Urteil vom 17. März 2004 - 2 StR 473/03, insoweit nicht abgedruckt in NStZ-RR 2004, 233 ; Tröndle/Fischer aaO. § 180 b Rdn. 25). Bei § 180 b Abs. 2 Nr. 1 und 2 , 1. Alt. StGB - Einwirken mit dem Ziel der Prostitutionsausübung - handelt es sich nämlich um ein Unternehmensdelikt, das mit dem Beginn des Einwirkens bereits vollendet und spätestens mit dem Beginn der Prostitutionsausübung beendet ist (Tröndle/Fischer aaO. § 180 b Rdn. 17 und 23). Demzufolge führt - anders als beim Dauerdelikt der Zuhälterei - nicht schon eine vorübergehend gleichzeitige Anwesenheit mehrerer Frauen in demselben Bordell zum Konkurrenzverhältnis der Tateinheit. Vielmehr müssen sich - was hier nicht der Fall ist - die der Prostitutionsausübung vorgeschalteten Einwirkungshandlungen zeitlich überschneiden. Auch § 181 a StGB kann als minder schweres Delikt die nach alledem selbständigen Taten des Menschenhandels zum Nachteil verschiedener Frauen nicht zur Tateinheit verklammern (vgl. Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. § 52 Rdn. 27 ff.).

Darüber hinaus hat die Strafkammer verkannt, daß es sich in den Fällen II 6 und 7 der Urteilsgründe (Straftaten zum Nachteil der Zeugin N.) um eine Tat handelt. Das Dauerdelikt der Zuhälterei ist nämlich erst mit der Beendigung des rechtswidrigen Zustandes beendet (Laufhütte in LK 11. Aufl. vor § 174 Rdn. 20).

Im Ergebnis zutreffend ist hingegen die rechtliche Behandlung der Fälle II 3 und 4 (Straftaten zum Nachteil der Zeugin T.) als jeweils selbständige Taten. Anders als die Strafkammer meint, lag die das Dauerdelikt der Zuhälterei unterbrechende Zäsur im Fall II 4 allerdings nicht schon in der polizeilichen Kontrolle, sondern erst in der einige Tage später erfolgten Flucht der Zeugin T. zu einem anderen Mann, wodurch sie über einen längeren Zeitraum dem Einflußbereich des Angeklagten L. entzogen war.

Damit ergeben sich folgende Konkurrenzen:

Die in den Fällen II 2 und 4 verwirklichten Delikte stehen zueinander im Verhältnis der Tateinheit, weil sich die Zuhälterei des Angeklagten L. gleichzeitig gegen die über einen gewissen Zeitraum gemeinsam im Bordell "C." tätig gewesenen Zeuginnen A. und T. richtete. Das gilt auch für die im Fall II 4 begangene Urkundenfälschung, die unter anderem der Aufrechterhaltung der Zuhälterei diente. Der im Fall II 7 festgestellte schwere Menschenhandel steht in Tateinheit zu den gleichzeitig im Fall II 6 der Urteilsgründe zum Nachteil der Zeugin N. begangenen Straftaten. Die im Fall II 8 verwirklichte Urkundenfälschung steht zu den übrigen in diesem Fall begangenen Delikten in Tateinheit.

Im übrigen bleiben die Fälle II 3, 5 und 9, denen jeweils zumindest auch ein Menschenhandel zugrunde liegt, als selbständige Taten bestehen.

Die Änderung der Konkurrenzverhältnisse und damit des Schuldspruchs in den Fällen II 2, 4, 6, 7 und 8 hat die Aufhebung der zugehörigen Einzelstrafen zur Folge. Dies entzieht auch der Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage. Bestehen bleiben hingegen die Einzelstrafen in den Fällen II 3, 5 und 9.

B) Revision des Angeklagten S.

Die Verurteilung des Angeklagten S. in den Fällen II 5 und 8 wegen tateinheitlich begangenen Einschleusens von Ausländern ist nicht zu beanstanden. Auch wenn die Strafkammer - anders als im Fall II 6 - ein eigenhändiges Handeln des Angeklagten S. bei den Verlängerungen der Visa für die Prostituierten Sy. und Ka. nicht festgestellt hat, muß dieser sich die Handlungen des Angeklagten L., als dessen Stellvertreter er fungierte, nach den Grundsätzen der Mittäterschaft zurechnen lassen. Seine Verurteilung nur wegen Beihilfe zur Zuhälterei im Fall II 2 beschwert ihn nicht.

Jedoch stehen die dem Angeklagten S. zur Last gelegten Taten in den Fällen II 2 und 8 sowie II 5 und 6 im Konkurrenzverhältnis der Tateinheit, weil sich die Zuhälterei jeweils gleichzeitig gegen zwei vorübergehend im selben Bordell gemeinsam tätig gewesene Prostituierte richtete. So gingen die Zeuginnen A. und Ka. im März/April 2003 im "C." (Fälle II 2 und 8, UA S. 17, 26, 62, 63) sowie die Zeuginnen Sy. und N. im Februar/März 2003 im "Ti." (Fälle II 5 und 6, UA S. 40, 45 f.) zeitgleich unter Aufsicht der Angeklagten L. und S. der Prostitution nach. Dies hat zur Folge, daß die diesen Fällen zugrunde liegenden Einzelstrafen aufzuheben und durch eine einheitliche Strafe zu ersetzen sind. Das erfordert auch eine Neufestsetzung der Gesamtstrafe.

C) Revision des Angeklagten Z.

Die Verurteilung des Angeklagten Z. ist frei von Rechtsfehlern.

Insbesondere ist die Annahme von Tatmehrheit zwischen den Fällen II 5, 6 und 9 nicht zu beanstanden. Der Angeklagte Z. hat durch drei nicht zeitgleiche, verschiedenartige Handlungen rechtlich selbständige Haupttaten (Fälle II 5, 6 und 9) unterstützt.

D) Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin A.

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft zeigt, soweit sie eine Nichtverurteilung des Angeklagten L. im Fall II 7 auch wegen Menschenhandels und eine entsprechende Nichtverurteilung aller Angeklagter im Fall II 6 der Urteilsgründe rügt, einen durchgreifenden Rechtsfehler nicht auf. Die Strafkammer hat die eingangs bereits näher skizzierten - weder abschließenden noch zwingenden - maßgeblichen Kriterien für eine auslandsspezifische Hilflosigkeit festgestellt und abgewogen. Daß sie sich unter dem Eindruck des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks von einer auslandsspezifischen Hilflosigkeit der Zeugin N. nicht überzeugen konnte, ist nicht rechtsfehlerhaft.

Die Zeugin N. verfügt über eine elfjährige Schulausbildung, hatte bereits ein Hochschulstudium im Bereich Finanzen teilweise absolviert und bei einer Bank gearbeitet. Sie war zwar der deutschen Sprache nicht mächtig, konnte sich aber in Englisch verständigen. Während ihrer Freizeit besuchte sie die ebenfalls in La. im "C." tätig gewesene Zeugin A., ging joggen, später auch einkaufen und in Discos, bzw. fuhr zusammen mit einer Freundin mit dem Zug nach F. zum Friseur. Die vorgegebenen Arbeitszeiten hielt sie nicht ein und nahm sich "eigenmächtig" freie Tage. Gerade während der ersten Phase ihres Aufenthalts verfügte sie durchgängig über ihre Ausweispapiere und wechselte auf eigene Initiative das Bordell, um bessere Verdienstmöglichkeiten zu haben. Darüber hinaus widersetzte sie sich häufig - auch mit Erfolg - den Weisungen des Angeklagten L., bevor sie sich von ihm endgültig löste und seither in Deutschland mit einem anderen Mann zusammenlebt. Angesichts auch dieser von der Strafkammer im Rahmen ihrer Gesamtwürdigung herangezogenen Umstände war es vertretbar, eine auslandsspezifische Hilflosigkeit der Zeugin N. zu verneinen.

2. Hingegen führen die Revisionen der Nebenklägerin A. und der Staatsanwaltschaft, soweit diese die Nichtverurteilung des Angeklagten L. im Fall II 1 der Urteilsgründe auch wegen Menschenhandels rügen, insoweit und hinsichtlich des Gesamtstrafenausspruchs zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Zwar war es für sich genommen nicht rechtsfehlerhaft, dem Umstand, daß die Zeugin A. gegen den Willen des Angeklagten L. vorübergehend in ihr Heimatland zurückgereist war, bei Prüfung der auslandsspezifischen Hilflosigkeit Bedeutung beizumessen. Auch wenn - was die ausländerspezifische Hilflosigkeit anbelangt - grundsätzlich auf den Zeitraum der ersten Phase des Aufenthalts der Prostituierten abzustellen ist (BGH NStZ-RR 2004, 233 ), schließt dies es jedoch nicht aus, auch einem späteren, von Selbstbewußtsein und einer gewissen Selbständigkeit geprägten Verhalten einer Prostituierten indizielle Bedeutung für das Ausmaß ihrer Hilflosigkeit auch zu einem früheren Zeitpunkt beizumessen. Allerdings ist allein dieses spätere Verhalten hier angesichts der sonstigen Umstände - insbesondere fehlende Deutschkenntnisse, Mittellosigkeit, strenge Überwachung durch den Angeklagten L. - nicht geeignet, eine auslandsspezifische Hilflosigkeit zu verneinen. Vielmehr bedarf es insoweit einer - von der Strafkammer nicht mitgeteilten - Abwägung und Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Kriterien.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, daß zu prüfen sein wird, ob sich der Angeklagte L. im Fall II 1 der Urteilsgründe auch wegen Einschleusens von Ausländern gemäß § 92 a Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG aF strafbar gemacht hat, indem er die aus Li. stammende Zeugin A., zum damaligen Zeitpunkt eine sog. Positivstaaterin, die für ihre Einreise zwar kein Visum benötigte, die aber ohne Erlaubnis hier nicht arbeiten durfte, durch Vermittlung in Bordelle bei ihrem damit illegalen Aufenthalt unterstützte (vgl. BGH NStZ 2005, 407 und 408; StV 2005, 330 , 333). Darüber hinaus kommt eine Strafbarkeit des Angeklagten L. wegen Urkundenfälschung dadurch in Betracht, daß er einen falschen Stempel in dem Paß der Zeugin A. anbrachte. Sollte die neu entscheidende Strafkammer schließlich erneut eine auslandsspezifische Hilflosigkeit der Zeugin A. verneinen, wird sie auch eine Strafbarkeit des Angeklagten L. wegen Menschenhandels gemäß § 180 b Abs. 1 StGB aF zu erwägen haben.

Vorinstanz: LG Darmstadt, vom 13.08.2004