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BGH - Entscheidung vom 23.11.2005

XII ZR 155/03

Normen:
BGB § 1601

Fundstellen:
BGHReport 2006, 974
DNotZ 2006, 625
FamRZ 2006, 935
MDR 2006, 1237
NJW 2006, 2037
ZEV 2006, 321

BGH, Urteil vom 23.11.2005 - Aktenzeichen XII ZR 155/03

DRsp Nr. 2006/16093

Unterhaltsbedürftigkeit eines Elternteils als Teilhaber an einer ungeteilten Erbengemeinschaft

»Ein Elternteil ist nicht unterhaltsbedürftig, solange er eigenes Vermögen in Form der Teilhabe an einer ungeteilten Erbengemeinschaft hat und dieses als Kreditunterlage nutzen kann, um seinen Pflegebedarf kreditieren zu lassen.«

Normenkette:

BGB § 1601 ;

Tatbestand:

Der Kläger nimmt als Rechtsnachfolger seiner am 19. März 2004 verstorbenen Mutter den Beklagten auf Zahlung von Elternunterhalt in Anspruch.

Die Parteien sind Geschwister. Ihre 1914 geborene und seit dem 7. März 2000 verwitwete Mutter, die noch einen weiteren Sohn hat, lebte im Haushalt des (jetzigen) Klägers und seiner Ehefrau in Frankreich und wurde dort aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit betreut. Der Ehemann der Mutter ist von dieser und den drei Söhnen zu je 1/4 beerbt worden. Zu dem Nachlass gehörte ein Hausgrundstück, das von den Erben zu einem Kaufpreis von 250.000 DM veräußert wurde. Der Betrag wurde beim Amtsgericht hinterlegt, da die Erbengemeinschaft noch nicht auseinandergesetzt ist und über eine Teilauseinandersetzung kein Einvernehmen erzielen konnte. Der Nachlass umfasst außerdem Ansprüche gegen den Kläger in streitiger Höhe sowie ein Kontoguthaben von (gerundet) 6.769 DM. Die Erbteile des Klägers und seines Bruders W.Z. wurden von dem Finanzamt gepfändet.

Die Mutter, die Rentenleistungen, Wohn- und Pflegegeld bezog, errechnete ihren monatlichen Unterhaltsbedarf mit insgesamt 3.466 DM, der sich aus Kosten für Unterkunft und Verpflegung im Haus ihrer Schwiegertochter in Höhe von monatlich 1.200 DM und Kosten für eine Vollzeitbetreuung in Höhe von 1.868 DM sowie der Miete für ihre in Deutschland beibehaltene Wohnung zusammensetzt. Unter Berücksichtigung ihrer eigenen Einkünfte hat sie beantragt, den Beklagten zur Zahlung monatlichen Unterhalts von 2.743 DM (= 1.402,47 EUR) zuzüglich Zinsen für die Zeit ab 8. März 2000 sowie eines Sonderbedarfs von 4.823,50 DM zuzüglich Zinsen zu verurteilen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei nach seinen eigenen Angaben uneingeschränkt leistungsfähig, während ihre beiden anderen Söhne zu Unterhaltszahlungen nicht in der Lage seien. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat den geltend gemachten Bedarf der Höhe nach bestritten und im Übrigen darauf verwiesen, dass die Mutter ihren Unterhalt aus ihrem Einkommen und Vermögen bestreiten könne.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Mutter, mit der sie ihren Anspruch auf laufenden Unterhalt in vollem Umfang und denjenigen auf Zahlung von Sonderbedarf in Höhe von 2.264,50 DM (= 1.157,82 EUR) - jeweils zuzüglich Zinsen - weiterverfolgt hat, ist zurückgewiesen worden. Dagegen richtet sich die Revision der Mutter, mit der sie die Verurteilung des Beklagten entsprechend ihrem in der Berufungsinstanz gestellten Antrag begehrt hat. Nach dem Tod der Mutter hat ihr Sohn R.Z., der die Mutter ausweislich des vorgelegten Erbscheins allein beerbt hat, das - ausgesetzte - Verfahren als Rechtsnachfolger aufgenommen und beantragt, den Beklagten mit der Maßgabe zu verurteilen, dass die Zahlung aufgrund erfolgter Abtretung der streitigen Unterhaltsforderungen an seine Ehefrau zu erfolgen habe.

Entscheidungsgründe:

A. Die Revision ist zulässig.

Das Berufungsgericht hat die Revision in der Urteilsformel ohne Einschränkung zugelassen. In den Gründen seiner Entscheidung hat es hierzu ausgeführt, die Revision werde zugelassen, weil die Rechtssache "hinsichtlich der Berücksichtigung der von einem mit dem auf Barunterhalt allein in Anspruch genommenen gleich nahen Verwandten tatsächlich erbrachten Naturalleistungen grundsätzliche Bedeutung" habe. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung folgt hieraus keine Beschränkung auf die Beträge, die das Berufungsgericht für die erbrachten Naturalunterhaltsleistungen angesetzt hat. Eine Beschränkung der Revisionszulassung muss sich klar und eindeutig aus dem Berufungsurteil ergeben. Die Beschränkung muss zwar nicht in der Urteilsformel ausgesprochen werden; sie muss aber wenigstens aus den Urteilsgründen klar ersichtlich sein (BGHZ 48, 134, 136; BGH Urteil vom 16. März 1988 - VIII ZR 184/87 - BGHR ZPO § 546 Abs. 1 Satz 1 Revisionszulassung, beschränkte 4; Senatsurteil vom 13. Dezember 1989 - IVb ZR 19/89 - BGHR aaO. Revisionszulassung, beschränkte 8). Das ist hier nicht der Fall. Mit den Ausführungen zur grundsätzlichen Rechtsfrage in den Entscheidungsgründen gibt das Berufungsgericht nur - wie häufig bei Revisionszulassungen - eine Begründung für die Zulassung, ohne das Rechtsmittel selbst auf die als rechtsgrundsätzlich angesehene Frage zu beschränken (vgl. Senatsurteil vom 26. Mai 1982 - IVb ZR 675/80 - FamRZ 1982, 795). Allein aus dem Umstand, dass aus den Entscheidungsgründen ersichtlich ist, in welchem Umfang Naturalunterhaltsleistungen bedarfsdeckend berücksichtigt wurden, lässt sich im vorliegenden Fall eine Beschränkung der Zulassung nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnehmen, insbesondere fehlen hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, eine abweichende Beurteilung scheide auch der Höhe nach aus.

B. Die Revision hat in der Sache aber keinen Erfolg.

I. Zu der in jeder Lage des Verfahrens im Hinblick auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Mutter in Frankreich von Amts wegen zu prüfenden internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte hat das Kammergericht ausgeführt:

Die internationale Zuständigkeit folge vorrangig aus Art. 2 Abs. 1 des Brüsseler EWG-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

(EuGVÜ) vom 27. September 1998 i.d.F. des 4. Beitrittsabkommens vom 29. November 1996 (BGBl. 1998 II 1412). Danach seien Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hätten, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen. Der Beklagte habe seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland, in deren Hoheitsgebiet das Übereinkommen seit dem 1. Februar 1973 gelte.

Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und gilt auch mit Rücksicht darauf, dass der - ebenfalls in Frankreich lebende - Kläger den Rechtsstreit aufgenommen hat. Zwar ist das EuGVÜ durch die Verordnung Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) in deren Anwendungsbereich ersetzt worden. Nach deren Art. 66 Abs. 1 sind die Vorschriften aber nur auf solche Klagen anzuwenden, die erhoben worden sind, nachdem die Verordnung in Kraft getreten ist. Da die vorliegende Klage im Jahr 2000 erhoben worden ist, während die EuGVVO erst zum 1. März 2002 in den Mitgliedsstaaten in Kraft getreten ist, verbleibt es für den vorliegenden Fall bei der Anwendbarkeit des EuGVÜ.

II. Das Kammergericht hat das deutsche Sachrecht für maßgeblich gehalten und dies wie folgt begründet:

Nach Art. 18 Abs. 5 EGBGB sei deutsches Recht heranzuziehen, wenn - wie hier - sowohl der Berechtigte als auch der Verpflichtete Deutsche seien und der Verpflichtete seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe (starker Inlandsbezug). Die Bestimmung in Art. 4 des als staatsvertragliche Regelung grundsätzlich vorrangigen Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht vom 2. Oktober 1973, derzufolge wegen des gewöhnlichen Aufenthalts der Unterhaltsberechtigten in Frankreich an sich französisches Recht anwendbar wäre, komme vorliegend nicht zum Tragen, weil die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 15 des Übereinkommens bei der Ratifizierung desselben einen Vorbehalt erklärt habe. Demnach sei in den Fällen eines so genannten starken Inlandsbezugs innerstaatliches (deutsches) Recht anzuwenden.

Auch diese Annahme ist frei von Rechtsirrtum (vgl. Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 7 Rdn. 9 a).

III. 1. Das Berufungsgericht hat die dem Grunde nach gemäß § 1601 BGB unterhaltsberechtigte Mutter derzeit nicht für unterhaltsbedürftig gehalten, weil sie imstande sei, ihren Bedarf aus ihren Einkünften und ihrem Vermögen zu decken. Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Mutter müsse sich auf den - als zutreffend unterstellten - Bedarf neben ihren aus Alters- und Erziehungsrente, Wohngeld sowie Pflegegeld bestehenden Einkünften die Pflegeleistungen ihres Sohnes R.Z. - des jetzigen Klägers - anrechnen lassen. Zwar seien die Söhne R.Z. und W.Z. der Klägerin nicht barunterhaltspflichtig, weil insoweit deren mangelnde Leistungsfähigkeit entgegenstehe. Der Sohn R.Z. sei aber zu den von ihm im Einverständnis mit der Klägerin als Naturalunterhalt erbrachten Pflegeleistungen in der Lage. Wenn seine Mutter ihm die Pflege wie einem Dritten vergüten würde - wie sie ihrer Bedarfsberechnung zugrunde gelegt habe -, könne R.Z. auch in gleicher Höhe zum Barunterhalt beitragen, da sein eigener Unterhalt nach dem Vorbringen der Mutter durch seine Ehefrau sichergestellt werde. In einem solchen Fall entspreche es der Billigkeit, wenn die dem Unterhaltsberechtigten gegenüber tatsächlich erbrachten Betreuungsleistungen eines gleichrangig haftenden Verwandten auf den Bedarf angerechnet würden. Bei dem gewährten Naturalunterhalt handele es sich nicht um die freiwillige Leistung eines Dritten, die im Regelfall nicht bedürftigkeitsmindernd anzurechnen sei. Vielmehr komme der Sohn seiner Unterhaltspflicht gegenüber der Mutter dadurch nach, dass er ihr anstelle des Barunterhalts, zu dem er nicht in der Lage sei, mit deren Einverständnis Naturalunterhalt in der genannten Form leiste. Bei der Bemessung der von R.Z. erbrachten Pflegeleistungen sei von den Eintragungen im so genannten Pflegetagebuch der AOK auszugehen. Danach habe der wöchentliche Pflegeaufwand des Sohnes 1.138 Minuten = ca. 2,71 Std. täglich betragen, so dass er etwa 49 % des von der Mutter behaupteten Gesamtpflegeaufwandes geleistet habe. Für den Zeitraum bis zum 31. Mai 2000 müsse sich die Mutter daher weitere 915,32 DM, für den Zeitraum vom 1. Juni 2000 bis 31. Juli 2000 weitere 1.111,32 DM und für den Zeitraum ab 1. August 2001 weitere 1.308,25 DM anrechnen lassen.

Ihren durch eigene Einkünfte und die Naturalunterhaltsleistungen des R.Z. nicht gedeckten Bedarf müsse die Mutter aus ihrem Vermögen bestreiten. Es sei auch im Rahmen des Elternunterhalts anerkannt, dass verwertbares Vermögen zunächst zu verbrauchen sei, bevor Unterhalt verlangt werden könne. Die Mutter habe über erhebliches Vermögen in Form des 1/4 Erbanteils nach ihrem verstorbenen Ehemann verfügt. Selbst wenn die Forderung des Nachlasses gegen R.Z., deren Realisierbarkeit fraglich sei, unberücksichtigt bleibe, belaufe sich der Nachlass auf 256.269 DM (Erlös aus dem Grundstücksverkauf 250.000 DM; Kontoguthaben: gerundet 6.769 DM), wovon der Mutter 1/4 = 64.192,25 DM zustehe. Sie habe die Gesamterbauseinandersetzung - auf eine Teilauseinandersetzung habe sie gegen den Willen eines Miterben keinen Rechtsanspruch - betreiben können und müssen. Letztlich komme es darauf aber nicht entscheidend an, weil es dem Unterhaltsberechtigten jedenfalls obliege, ein zur Zeit nicht zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stehendes Vermögen als Kreditgrundlage zu verwenden. Tatsächlich habe die Mutter ihrem Vortrag zufolge auch einen Kredit ihrer Schwiegertochter in Anspruch genommen, indem sie dieser gegenüber eine gestundete Verpflichtung zur Zahlung der Betreuungs- und Pflegekosten eingegangen sei. Dieser Rückzahlungsverpflichtung könne sie aus ihrem nach erfolgter Erbauseinandersetzung zu realisierenden Vermögen nachkommen. Das gelte auch hinsichtlich des von ihr beanspruchten Sonderbedarfs.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung zwar nicht in allen Teilen der Begründung, wohl aber im Ergebnis Stand.

2. Die Revision rügt ohne Erfolg, dass das Berufungsgericht sich mit der Frage, ob der Unterhaltsbedarf der Mutter hinreichend konkret dargelegt worden sei, nicht ausreichend befasst habe. Denn das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Unterhaltsbedarf - bis auf einen Teil der Kosten der in Deutschland unterhaltenen Wohnung - in vollem Umfang als richtig unterstellt. Hinsichtlich der Kosten der Wohnung ist es davon ausgegangen, dass die Miete nur bis zum 30. April 2001 bedarfserhöhend angesetzt werden könne, da es der Mutter oblegen habe, die von ihr nicht mehr genutzte Wohnung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu kündigen. Diese Ausführungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken.

Die Mutter konnte keine doppelten Kosten der Unterkunft beanspruchen. Das Maß des einem Elternteil geschuldeten Unterhalts bestimmt sich gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach dessen Lebensstellung. Diese leitet sich - anders als bei volljährigen, noch in einer Berufsausbildung befindlichen und nicht bei einem Elternteil lebenden Kindern - nicht von derjenigen des Unterhaltspflichtigen ab, sondern ist eigenständig und beurteilt sich in erster Linie nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des betreffenden Elternteils. Nachteilige Veränderungen der Einkommensverhältnisse, wie sie in der Regel etwa mit dem Eintritt in den Ruhestand oder dem Tod eines Ehegatten verbunden sind, haben - evtl. nach einer Übergangszeit - deshalb auch eine Änderung der Lebensstellung zur Folge. Mit Rücksicht darauf können die Eltern von ihren Kindern dann keinen Unterhalt entsprechend ihrem früheren Lebensstandard verlangen (Senatsurteil vom 19. Februar 2003 - XII ZR 67/00 - FamRZ 2003, 860, 861).

Dass es nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Mutter gerechtfertigt gewesen wäre, nach dem Tod ihres Ehemannes noch eine zweite Wohnung zu unterhalten, ist nicht festgestellt worden. Die Revision rügt auch nicht, dass entsprechender Sachvortrag übergangen worden sei. Soweit sie darauf abhebt, die Mutter habe dargelegt, aufgrund ihrer unzureichenden Einkünfte ihren ersten Wohnsitz nicht in Frankreich begründen zu können, verweist die Revisionserwiderung zu Recht darauf, dass die Mutter im Berufungsverfahren selbst angegeben habe, die Wohnung nicht mehr zu benötigen und deshalb aufgeben zu wollen. Warum dies zu einem früheren Zeitpunkt an finanziellen Gründen gescheitert sein soll, ist dann aber nicht ersichtlich.

Auch der von der Revision als nicht berücksichtigt gerügte Umstand, die Beibehaltung der Wohnung sei erforderlich gewesen, damit die Klägerin ihre Krankenversicherung in Deutschland habe erhalten können, von französischen Krankenkassen würden Behandlungskosten lediglich in Höhe von 80 % übernommen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bleibt Pflichtversicherter in der Krankenversicherung der Rentner, wer als Bezieher ausschließlich deutscher Rente in einen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union verzieht. Sein Anspruch auf Krankenversicherungsleistungen bei vorübergehendem Deutschlandaufenthalt richtet sich nach deutschem Recht (BSGE 84, 98 , 99; für Frankreich: BSG - Urteil vom 5. Juli 2005 - B 1 KR 4/04 R - SOZR 4 - 2400 § 3 Nr. 2). Die Klägerin benötigte deshalb keine Wohnung in Deutschland, um wegen der hier beabsichtigten ärztlichen Behandlung Leistungen der Krankenversicherung in Anspruch nehmen zu können. Danach hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung jedenfalls keinen zu gering bemessenen Bedarf der Mutter zugrunde gelegt.

3. Soweit das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, der Bedarf der Mutter sei teilweise dadurch gedeckt, dass der jetzige Kläger einen Teil der Pflegeleistungen erbracht habe, vermag der Senat dem allerdings nicht zu folgen.

Wie der Wiedergabe des Parteivortrags in dem Berufungsurteil zu entnehmen ist, hat die Mutter geltend gemacht, von R.Z. und dessen Ehefrau aufgrund entgeltlicher Betreuungsverträge gepflegt zu werden. Im Hinblick darauf ist das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang davon ausgegangen, die Mutter sei nach ihrem Vortrag eine gestundete Verpflichtung zur Zahlung der Betreuungs- und Pflegekosten eingegangen. Dann kann auf der Grundlage des Klagevorbringens aber schon deshalb nicht angenommen werden, R.Z. habe in Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht Pflegeleistungen erbracht. Vielmehr erfolgten diese aufgrund der vertraglichen Verpflichtung.

Das stellt die Entscheidung im Ergebnis aber nicht in Frage.

4. Unterhaltsberechtigt war die Mutter nur, soweit sie nicht in der Lage war, ihren Bedarf selbst zu decken.

Ein - nicht minderjähriger - Unterhaltsberechtigter ist im Verhältnis zu dem Unterhaltspflichtigen grundsätzlich gehalten, vorhandenes Vermögen zu verwerten, soweit ihm dies - auch unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten - zumutbar ist. Das schließt es indessen nicht aus, dem Unterhaltsberechtigten eine gewisse Vermögensreserve als so genannten Notgroschen für Fälle plötzlich auftretenden (Sonder-)Bedarfs zu belassen. Auch betagte Eltern können noch Notfallreserven benötigen, deren Auflösung ihnen deshalb nicht angesonnen werden kann. Was die Höhe des so genannten Notgroschens anbelangt, ist nach Auffassung des Senats regelmäßig zumindest der sozialhilferechtliche Schonbetrag anzusetzen (Senatsurteil vom 17. Dezember 2003 - XII ZR 224/00 - FamRZ 2004, 370 , 371).

Als Form der Vermögensverwertung kam im vorliegenden Fall jedenfalls die Nutzung des Erbauseinandersetzungsanspruchs als Kreditunterlage in Betracht, wie sie seitens der Mutter auch tatsächlich erfolgt ist. Sie hat sich nämlich die für sie vorgelegten Kosten und das für die erbrachten Pflegeleistungen geschuldete Entgelt stunden und damit kreditieren lassen. Da die Stundungsabrede bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht aufgehoben worden ist, war das Vermögen der Mutter jedenfalls geeignet, bis dahin als Kreditunterlage zu dienen. Ein Unterhaltsanspruch bestand deshalb nicht.

Hinweise:

Anmerkung Hauß FamRZ 2006, 937

Vorinstanz: KG, vom 16.05.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 3 UF 63/03
Vorinstanz: AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, vom 14.11.2002 - Vorinstanzaktenzeichen F 11856/00
Fundstellen
BGHReport 2006, 974
DNotZ 2006, 625
FamRZ 2006, 935
MDR 2006, 1237
NJW 2006, 2037
ZEV 2006, 321