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BGH - Entscheidung vom 20.12.2005

VI ZR 307/04

Normen:
ZPO § 285 Abs. 1 § 279 Abs. 3
GG Art. 103 Abs. 1

Fundstellen:
BGHReport 2006, 529

BGH, Beschluß vom 20.12.2005 - Aktenzeichen VI ZR 307/04

DRsp Nr. 2006/1382

Umfang des rechtlichen Gehörs im Zivilverfahren

Wird nach Ende der Beweisaufnahme nicht über deren Ergebnis verhandelt und der Sach- und Streitstand erneut mit den Parteien erörtert, so ist das rechtliche Gehör verletzt.

Normenkette:

ZPO § 285 Abs. 1 § 279 Abs. 3 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe:

I. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 , 544 ZPO ; § 26 Nr. 8 EGZPO ). Dem Kläger ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren, weil er nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe die Wiedereinsetzung innerhalb der zweiwöchigen Frist beantragt und zugleich die Nichtzulassungsbeschwerde begründet hat (§§ 233 , 234 ZPO ).

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht sein Verfahrensgrundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG ) verletzt hat. Deshalb verweist der Senat den Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Nach §§ 285 Abs. 1 , 279 Abs. 3 ZPO ist über das Ergebnis der Beweisaufnahme zu verhandeln und der Sach- und Streitstand erneut mit den Parteien zu erörtern. Findet sich im Protokoll kein Hinweis darauf, dass die Parteien zum Beweisergebnis verhandelt haben, steht ein Verstoß gegen §§ 285 Abs. 1 , 279 Abs. 3 ZPO fest (§§ 165 , 160 Abs. 2 ZPO ). Dies ist - schon im Hinblick auf die damit regelmäßig verbundene Verletzung des rechtlichen Gehörs - grundsätzlich als Verfahrensfehler anzusehen (vgl. BGH, Urteile vom 24. Januar 2001 - IV ZR 264/99 - MDR 2001, 830 ; vom 26. April 1989 - I ZR 220/87 - NJW 1990, 121 , 122). Ein solcher Verstoß liegt hier vor. Im Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2004 findet sich kein Hinweis darauf, dass die Parteien nach Anhörung des Gerichtssachverständigen zum Beweisergebnis verhandelt haben.

Dieser Verfahrensfehler stellt zugleich eine Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör dar, weil nicht auszuschließen ist, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf ihm beruht. Eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zum Beweisergebnis hätte nämlich zu einer für ihn günstigeren Entscheidung führen können (vgl. BVerfG NJW 1994, 1210 ). Der Beschwerdeführer hat mit der Nichtzulassungsbeschwerde und in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 29. Oktober 2004 und vom 5. November 2004 Umstände vorgetragen, die die Ausführungen des Gerichtssachverständigen, auf die sich das Berufungsgericht gestützt hat, in Frage stellen, soweit dieses die hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Befund verneint hat, der am 23. März 1995 bereits in der Zeit vor 10.20 Uhr ein sofortiges Handeln erforderlich gemacht hätte. Wenn dem Kläger Gelegenheit zu einer Stellungnahme zum Beweisergebnis gegeben worden wäre und er diese Gesichtspunkte vorgetragen hätte, hätte sich das Berufungsgericht damit auseinandersetzen und die Beweisaufnahme ergänzen müssen. Es ist nicht auszuschließen, dass es in diesem Fall unter Berücksichtigung der hierfür geltenden Kriterien (vgl. Senatsurteile vom 28. Mai 2002 - VI ZR 42/01 - VersR 2002, 1026 , 1027 f.; vom 3. Juli 2001 - VI ZR 418/99 - VersR 2001, 1116 , 1117; vom 19. Juni 2001 - VI ZR 286/00 - VersR 2001, 1115 , 1116 und vom 29. Mai 2001 - VI ZR 120/00 - VersR 2001, 1030 , jeweils m.w.N.) einen etwaigen Behandlungsfehler als grob fehlerhaft bewertet hätte und damit zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich der Ursächlichkeit des Fehlers für die Behinderung des Klägers gekommen wäre.

Das Berufungsgericht wird nach einer Zurückverweisung Gelegenheit haben, auch die im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde vorgebrachten Einwände des Klägers zu berücksichtigen und in seine Entscheidung einzubeziehen.

Hinweise:

Anmerkung Peter Fölsch BGHReport 2006, 529

Vorinstanz: OLG Celle, vom 08.11.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 1 U 51/04
Vorinstanz: LG Hildesheim, vom 28.05.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 4 O 31/02
Fundstellen
BGHReport 2006, 529