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BGH - Entscheidung vom 15.12.2005

IX ZA 3/04

Normen:
ZPO § 114 S. 1
InsO § 130 Abs. 1

Fundstellen:
FamRZ 2006, 411

BGH, Beschluß vom 15.12.2005 - Aktenzeichen IX ZA 3/04

DRsp Nr. 2006/392

Begriff der Erfolgsaussicht als Voraussetzung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe; Anfechtung von Verfügungen eines Massegläubigers

1. Ein Rechtsschutzbegehren hat in aller Regel hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt hingegen nicht in Betracht, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder durch die in der Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als schwierig erscheint.2. Die Entnahme der Vergütung des Nachlasspflegers aus der (Nachlass-)Insolvenzmasse ist nicht anfechtbar, da Ansprüche des Nachlasspflegers auf Erstattung einer Aufwendungen und auf Zahlung der durch das Nachlassgericht festgesetzten Vergütung Masse- und nicht Insolvenzschulden sind und § 130 Abs. 1 InsO für den Fall der kongruenten Deckung die Anfechtung nur dann ermöglicht, wenn eine Rechtshandlung einem Insolvenzgläubiger und nicht einem Massegläubiger eine Sicherung oder Befriedigung ermöglicht hat.

Normenkette:

ZPO § 114 S. 1 ; InsO § 130 Abs. 1 ;

Gründe:

Die beantragte Prozesskostenhilfe war zu versagen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Satz 1 ZPO ).

1. Ein Rechtsschutzbegehren hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs in aller Regel dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt. Prozesskostenhilfe braucht hingegen nicht bewilligt zu werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder durch die in der Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als schwierig erscheint (BVerfG NJW 1991, 413, 414; BGH, Beschl. v. 10. Dezember 1997 - IV ZR 238/97, NJW 1998, 1154 ; v. 11. September 2002 - VIII ZR 235/02, NJW-RR 2003, 130 , 131). Auch im Falle einer Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht, die für das Revisionsgericht bindend ist (§ 543 Abs. 1 Nr. 2 , Abs. 2 Satz 2 ZPO ), muss die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels gegeben sein (BGH, Beschl. v. 24. Juni 2003 - VI ZR 130/03, FamRZ 2003, 1378 ). Daran fehlt es hier.

2. Wie der Senat in dem zu § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO ergangenen Urteil vom 19. Juli 2001 allgemein ausgesprochen hat, ist das Vorliegen einer Gläubigerbenachteiligung auf der Grundlage des gesetzlich vorgesehenen, regelmäßigen Ablaufs des Insolvenzverfahrens zu beurteilen. Dagegen wird nicht vorausgesetzt, dass jede einzelne Anfechtung im Ergebnis nur Insolvenzgläubigern, nicht jedoch Massegläubigern zu Gute kommt. Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit ist für die Anfechtung grundsätzlich bedeutungslos (BGH, Urt. v. 19. Juli 2001 - IX ZR 36/99, ZIP 2001, 1641 , 1643).

3. Die Insolvenzanfechtung scheitert vorliegend jedoch daran, dass der Beklagte Massegläubiger ist und § 130 Abs. 1 InsO für den Fall der kongruenten Deckung die Anfechtung nur dann eröffnet, wenn eine Rechtshandlung einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung ermöglicht hat.

a) Bei dem Beklagten handelt es sich, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, nicht um einen Insolvenzgläubiger, sondern um einen Massegläubiger, weil die Vergütung des Nachlasspflegers unter § 324 Abs. 1 Nr. 4 InsO (MünchKomm-InsO/Siegmann, § 324 Rn. 8; Kemper in Kübler/Prütting/Kemper, InsO § 324 Rn. 9; Uhlenbruck/Lüer, InsO 12. Aufl. § 324 Rn. 5) fällt. Die Entnahme hat dem Beklagten auch eine Befriedigung ermöglicht. Der Nachlasspfleger ist berechtigt, die zur Erfüllung seiner Aufwendungsersatzansprüche erforderlichen Geldmittel und die durch das Nachlassgericht festgesetzte Vergütung selbst aus dem Nachlass zu entnehmen bzw. den ihm zustehenden Betrag von dem Nachlassvermögen, das er nach § 1890 BGB herausgeben muss, abzuziehen (OLG Dresden OLGE 35 (1917/II), 373, 374; BayObLG FamRZ 1994, 266, 267; Staudinger/Marotzke, Neubearb. 2000 BGB § 1960 Rn. 61; Tidow, FamRZ 1990, 1060, 1061 ff.; Zimmermann, ZEV 1999, 329, 335).

b) Die Anwendung der Vorschrift des § 130 Abs. 1 InsO auf Massegläubiger wird im Hinblick auf die Legaldefinition in § 38 InsO im Schrifttum zu Recht allgemein verneint (HK-InsO/Kreft, 3. Aufl. § 130 Rn. 9; MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 130 Rn. 17, 20; Uhlenbruck/Hirte, aaO. § 130 Rn. 25 f; Kübler/Prütting/Paulus, aaO. § 130 Rn. 4; Weis in Hess/Weis/Wienberg, InsO 2. Aufl. § 130 Rn. 11; Nerlich in Römermann/Nerlich, InsO § 130 Rn. 44). Auch der Senat hat im Urteil vom 19. Juli 2001 nicht etwa den Begriff des Insolvenzgläubigers abweichend von der Legaldefinition des § 38 InsO ausgelegt und eine Benachteiligung der Massegläubiger ausreichen lassen. Eine solche Auslegungsmöglichkeit eröffnet der Wortlaut des § 130 Abs. 1 InsO nicht. So beziehen sich denn auch die Ausführungen im Senatsurteil vom 19. Juli 2001 ausdrücklich auf anfechtbar begünstigte Insolvenzgläubiger (BGH, Urt. v. 19. Juli 2001 aaO.).

Vorinstanz: LG Düsseldorf, vom 21.01.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 23 S 66/03
Vorinstanz: AG Düsseldorf, vom 22.01.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 28 C 11031/02
Fundstellen
FamRZ 2006, 411