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BVerwG - Entscheidung vom 26.06.2023

4 B 2.23

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3
BGB § 133
BGB § 157

BVerwG, Beschluss vom 26.06.2023 - Aktenzeichen 4 B 2.23

DRsp Nr. 2023/10545

Zurückweisung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 6. Dezember 2022 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 ; BGB § 133 ; BGB § 157 ;

Gründe

Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg; sie ist jedenfalls unbegründet.

1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die in dem angestrebten Revisionsverfahren beantwortet werden kann, sofern dies über den Einzelfall hinaus zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts beiträgt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>).

Diese Voraussetzungen legt die Beschwerde mit den als rechtsgrundsätzlich bedeutsam bezeichneten Fragen,

wann ein GbR-Vertrag eine auslegungsbedürftige Lücke aufweist und wie ein GbR-Vertrag, für den Fall, dass er auslegungsbedürftig ist, richtig auszulegen ist im Hinblick auf die Bestimmung seines Zwecks. Dürfen insoweit andere Regelungen des GbR-Vertrages, außerhalb der Regelung über den Zweck der Gesellschaft herangezogen werden, bevor bzw. ohne, dass die übrigen Gesellschafter dazu befragt worden sind, was sie unter den verwendeten Begrifflichkeiten bei der Zweckbestimmung verstanden haben?,

nicht dar.

Die zunächst angesprochene Feststellung einer Lücke im Gesellschaftsvertrag führt nicht auf eine klärungsfähige Rechtsfrage, sondern auf eine Tatsachenfrage. Sie ist die erste Stufe der Auslegung des Vertrags durch die Feststellung des gewollten Inhalts von Willenserklärungen und damit Teil der dem Tatsachengericht vorbehaltenen Sachverhaltsermittlung (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 31. August 2011 - 8 C 16.10 - BVerwGE 140, 300 Rn. 24, vom 7. November 2018 - 7 C 18.18 - Buchholz 451.224 § 36 KrWG Nr. 2 Rn. 28 und vom 18. Mai 2021 - 4 C 6.19 - NVwZ 2021, 1713 Rn. 14; Beschluss vom 24. Januar 1991 - 8 B 164.90 - Buchholz 316 § 54 VwVfG Nr. 6 S. 13 f.).

Die Auslegung wird allerdings rechtlich gesteuert und begrenzt durch die Denkgesetze, die allgemeinen Erfahrungssätze und die allgemeinen Auslegungsregeln (§§ 133 , 157 BGB ); ein Verstoß hiergegen lässt die Bindungswirkung entfallen (BVerwG, vgl. etwa Urteile vom 19. Februar 1982 - 8 C 27.81 - BVerwGE 65, 61 <69>, vom 19. November 2019 - 1 C 41.18 - BVerwGE 167, 98 Rn. 27 und vom 18. Mai 2021 - 4 C 6.19 - NVwZ 2021, 1713 Rn. 14). Die Auslegungsregeln sind als Rechtssätze zwar tauglicher Gegenstand einer Grundsatzrüge. Mit dem auf die zweite Frage bezogenen Vorbringen zur Auslegung eines Gesellschaftsvertrags einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts - und nachfolgend der Reichweite der zur Geschäftsführungsbefugnis akzessorischen Vertretungsmacht des Geschäftsführers - im Hinblick auf die Zweckbestimmung der Gesellschaft wird eine weitere Klärungsfähigkeit im Wege einer abstrahierenden Rechtssatzbildung, die Voraussetzung der Revisionszulassung ist, aber nicht substantiiert aufgezeigt.

Nach §§ 133 , 157 BGB ist bei der Auslegung eines Vertrags nicht bei den Buchstaben des Vertragstextes stehen zu bleiben, sondern der Sinn der vertraglichen Regelung unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zu erforschen. Dabei sind die allgemeinen Grundsätze über die Auslegung einer Willenserklärung heranzuziehen (BVerwG, Urteile vom 19. Januar 1990 - 4 C 21.89 - BVerwGE 84, 257 <264 f.>, vom 4. Dezember 2001 - 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274 <289> und vom 6. Dezember 2022 - 4 C 7.21 - ZfBR 2023, 374 Rn. 17 sowie vom 19. November 2019 - 1 C 41.18 - BVerwGE 167, 98 Rn. 28). Danach kommt es neben dem Wortlaut und dem daraus zu entnehmenden objektiv erklärten Willen der Vertragschließenden auf den mit dem Rechtsgeschäft verfolgten Zweck der Regelung, die Interessenlage der Beteiligten und die Begleitumstände der Vereinbarung an. Angesichts dieser in der Rechtsprechung geklärten Grundsätze und Maßstäbe ist nicht dargetan, dass die Vorgaben für eine interessengerechte Auslegung eines Gesellschaftsvertrags in einer von den Umständen des Einzelfalls losgelösten und verallgemeinerungsfähigen Weise weiter geklärt werden könnten. Mit den Erläuterungen in der Beschwerdebegründung wendet sich der Kläger vielmehr in der Art eines zugelassenen oder zulassungsfreien unbeschränkten Rechtsmittels gegen die Vertragsauslegung durch das Berufungsgericht.

2. Die ebenfalls auf die Auslegung des Gesellschaftsvertrags bezogenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Ein Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ausreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (etwa BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO <n. F.> Nr. 26 S. 14). Dem wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht.

Der Kläger rügt als Gehörsverstoß (Art. 103 Abs. 1 GG , § 108 Abs. 2 VwGO ), der Sache nach aber als einen - insoweit als Verfahrensmangel einzuordnenden - Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ), dass das Oberverwaltungsgericht bei der Auslegung einen fehlerhaften Sachverhalt zugrunde gelegt habe, indem es die im Vertragstext verwendeten Begriffe "Nutzung" und "Verwaltung" als "wertneutral" bezeichnet und so deren Bedeutungsgehalt nicht richtig erfasst habe. Das Oberverwaltungsgericht hat damit aber, was der Kläger letztlich nicht verkennt, den Wortlaut zutreffend zur Kenntnis genommen. Die Beschwerde legt nicht dar, dass es bei der daran anknüpfenden Auslegung des Gesellschaftsvertrags die oben genannten rechtlichen Grenzen überschritten hat.

Mit dem Vorbringen, der angegriffene Beschluss verstoße gegen den in § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO niedergelegten Amtsermittlungsgrundsatz, dringt die Beschwerde ebenso wenig durch. Der Kläger rügt, das Oberverwaltungsgericht habe zu Unrecht festgestellt, dass im Vorfeld der Abgabe der Baulasterklärung keine hierauf bezogene Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und den Eigentümern des begünstigten Grundstücks getroffen worden sei; entsprechende Nachforschungen durch Befragung der Beteiligten habe es unterlassen. Damit legt er einen Aufklärungsmangel schon deswegen nicht dar, weil es hierauf nach der insoweit maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119> und zuletzt Beschluss vom 10. Mai 2023 - 4 B 19.22 - juris Rn. 7) nicht ankommt. Denn das Oberverwaltungsgericht hat tragend darauf abgestellt, dass die Baulast eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber der Behörde sei.

Das Vorbringen, eine solche isolierte Betrachtung sei "denklogisch" unzutreffend, die Abgabe der Verpflichtungserklärung gegenüber der Behörde sei vielmehr "nur das Erfüllungsgeschäft einer vorher mit den Eigentümern des begünstigten Grundstückes getroffenen schuldrechtlichen Vereinbarung", ist unbeachtlich. Dieser Einwand führt nicht auf einen Verfahrensfehler, weil er sich gegen eine materiell-rechtliche Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts wendet. Insoweit könnte selbst ein Fall objektiver Willkür nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 10. Februar 2022 - 4 B 20.21 - juris Rn. 19 m. w. N.)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 , § 52 Abs. 2 GKG .

Vorinstanz: OVG Sachsen-Anhalt, vom 06.12.2022 - Vorinstanzaktenzeichen 2 L 25/20