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BSG - Entscheidung vom 14.09.2022

B 8 SO 7/22 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
BGB § 133

BSG, Beschluss vom 14.09.2022 - Aktenzeichen B 8 SO 7/22 B

DRsp Nr. 2022/16888

Übernahme ungedeckter Heimkosten als Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Januar 2022 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Beschluss Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt H beizuordnen, wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; BGB § 133 ;

Gründe

I

Im Streit ist noch, ob ein Bescheid des Beklagten Gegenstand des Verfahrens gewesen ist.

Der Beklagte bewilligte dem im März 2021 verstorbenen Ehemann der Klägerin die Übernahme ungedeckter Heimkosten als Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ( SGB XII ) ab März 2019 (Bescheid vom 11.10.2019; Widerspruchsbescheid vom 7.2.2020). Monatliche Kostenbeiträge für die stationäre Hilfe zur Pflege setzte der Beklagte gesondert gegenüber der Klägerin (Bescheid vom 11.10.2019; Widerspruchsbescheid vom 10.2.2020) und ihrem Ehemann (Bescheid vom 11.10.2019; Widerspruchsbescheid vom 6.2.2020) fest. Vor dem Sozialgericht ( SG ) Heilbronn legten die anwaltlich vertretenen Kläger mit der Klageschrift die beiden Widerspruchsbescheide vom 6.2.2020 und 10.2.2020 hinsichtlich der Kostenbeitragsfestsetzung vor und beantragten deren Abänderung. Auf den Hinweis des SG in der mündlichen Verhandlung vom 13.4.2021, der Bewilligungsbescheid vom 11.10.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.2.2020 sei nicht Gegenstand des Verfahrens, beantragte der Prozessbevollmächtigte (nur) die Aufhebung, hilfsweise Abänderung des Bescheids vom 11.10.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.2.2020 und des Bescheids vom 11.10.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.2.2020. Die Klage hat Erfolg gehabt. Das SG hat die Bescheide aufgehoben (Urteil vom 13.4.2021). Die Berufung der Klägerin ist als unzulässig verworfen worden (Beschluss des Landessozialgerichts <LSG> Baden-Württemberg vom 24.1.2022). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin sei nach dem Obsiegen vor dem SG nicht beschwert, da die angefochtenen Bescheide aufgehoben worden seien. Der Bewilligungsbescheid vom 11.10.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.2.2020 sei nicht Gegenstand des Verfahrens geworden. Jedenfalls in der mündlichen Verhandlung sei die Klage eindeutig auf die beiden anderen Bescheide vom 11.10.2019 beschränkt worden.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Beschluss wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde und macht einen Verfahrensmangel 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) geltend. Zugleich hat sie einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten gestellt.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) nicht in der gebotenen Weise bezeichnet worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.

Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB Bundessozialgericht <BSG> vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; BSG vom 24.3.1976 - 9 BV 214/75 - SozR 1500 § 160a Nr 24; BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § Nr 36). Hieran fehlt es.

Die Klägerin macht als Verfahrensfehler geltend, die Vorinstanzen hätten den Streitgegenstand bzw ihr eigentliches Begehren 123 SGG ) verkannt und das LSG hätte daher zu Unrecht ein Prozessurteil statt eines Sachurteils erlassen. Gerade im Hinblick auf die zuvor erfolgten Hinweise der Kammervorsitzenden des SG zum Streitgegenstand fehlen indes Ausführungen der Klägerin zur Auslegung ihres eigenen Klageantrags in erster Instanz (vgl zur Feststellung des mit der Klage bzw der Berufung verfolgten Prozessziels, im Wege der Auslegung in entsprechender Anwendung des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB> etwa BSG vom 22.3.1988 - 8/5a RKn 11/87 - BSGE 63, 93 , 94 = SozR 2200 § 205 Nr 65 S 180; BSG vom 8.12.2010 - B 6 KA 38/09 R; zur Bedeutung von Begleitumständen einer Erklärung vgl BSG vom 25.6.2002 - B 11 AL 23/02 R - juris RdNr 21; BSG vom 23.2.2017 - B 11 AL 2/16 R - RdNr 15). Da bei der Auslegung von Prozesserklärungen von Rechtsanwälten oder vergleichbar qualifizierten Prozessbevollmächtigten in der Regel davon auszugehen ist, dass diese das Gewollte richtig wiedergeben (vgl BSG vom 17.9.2020 - B 4 AS 13/20 R - SozR 4-1500 § 88 Nr 3 RdNr 23; BSG vom 12.12.2019 - B 10 EG 3/19 B - RdNr 9), hätte zur Darlegung einer hiervon abweichenden Würdigung entsprechender Vortrag im Hinblick auf die Hinweise der SG -Kammervorsitzenden zum Streitgegenstand und die hierauf erfolgte Antragstellung der Klägerseite erfolgen müssen (vgl zu § 123 SGG und zum Grundsatz "ne ultra petita" BSG vom 23.3.2021 - B 8 SO 14/19 R - SozR 4-3500 § 42a Nr 1 RdNr 24; BSG vom 30.4.2020 - B 8 SO 1/19 R - SozR 4-3500 § 85 Nr 2 RdNr 22 mwN).

Aus den dargelegten Gründen kann auch PKH der Klägerin nicht bewilligt werden. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung <ZPO>); daran fehlt es hier. Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 24.01.2022 - Vorinstanzaktenzeichen L 2 SO 1488/21
Vorinstanz: SG Heilbronn, vom 13.04.2021 - Vorinstanzaktenzeichen S 2 SO 445/20