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BGH - Entscheidung vom 14.06.2022

VIII ZR 311/20

Normen:
ZPO § 552 Abs. 1
BGB § 312c Abs. 1
BGB (i.d.F.v. 21.03.2016) § 312g Abs. 1
BGB § 355 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 14.06.2022 - Aktenzeichen VIII ZR 311/20

DRsp Nr. 2022/11838

Widerruf einer auf Abschluss eines Leasingvertrags mit Kilometerabrechnung über ein Kraftfahrzeug gerichteten Willenserklärung

Bei einem auf ein Widerrufsrecht nach § 506 Abs. 1 BGB aF in Verbindung mit § 495 Abs. 1 BGB gestützten Rückabwicklungsanspruch und einem Rückzahlungsverlangen nach § 312c Abs. 1 BGB (bzw. § 312b BGB ) in Verbindung mit § 312g Abs. 1 BGB [aF] handelt es sich um zwei rechtlich selbständige und abtrennbare Teile des Gesamtstreitstoffs, die voneinander unabhängig beurteilt werden können. Während das Widerrufsrecht nach § 312g BGB an die Art und Weise des Zustandekommens des Verbrauchervertrags anknüpft, stellt § 506 BGB ausschließlich auf den Inhalt des jeweiligen Vertrags ab.

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers und die insoweit vorsorglich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

Normenkette:

ZPO § 552 Abs. 1 ; BGB § 312c Abs. 1 ; BGB (i.d.F.v. 21.03.2016) § 312g Abs. 1 ; BGB § 355 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Der Kläger schloss als Verbraucher im Sommer/Herbst 2016 mit der Beklagten einen Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung über ein Kraftfahrzeug V mit einer Laufzeit von 24 Monaten, beginnend ab dem 28. Oktober 2016. Der Vertrag sieht eine Leasingsonderzahlung von 1.000 €, die Zahlung monatlicher Raten in Höhe von 144 € sowie von dem Lieferanten zu berechnende Werksauslieferungskosten in Höhe von 430,01 € vor. Die jährliche Fahrleistung sollte 15.000 Kilometer betragen. Zudem trifft der Vertrag Regelungen zur Abrechnung von Mehr- oder Minderkilometern und zum Ausgleich eines etwaigen Minderwerts bei Vertragsende. Eine Restwertgarantie ist nicht vereinbart.

Der Vertragsurkunde waren eine Widerrufsinformation sowie die LeasingBedingungen der Beklagten beigefügt. Der Vertragsschluss wurde von einem Mitarbeiter der Verkäuferin des Fahrzeugs, der V. GmbH (im Folgenden: Verkäuferin), in deren Räumlichkeiten vermittelt.

Mit Schreiben vom 4. Juli 2018 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Leasingvertrags gerichteten Willenserklärung und kündigte an, die weiteren Raten nur noch unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu entrichten. Nach Ablauf der vereinbarten Leasingzeit übergab der Kläger das Fahrzeug an die Beklagte.

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Beklagte auf (Rück-)Zahlung der von ihm erbrachten Leasingzahlungen in Höhe von 4.456 € nebst Zinsen sowie auf Zahlung der Werksauslieferungskosten nebst Zinsen unter Abzug eines von ihm errechneten Nutzungswertersatzanspruchs der Beklagten in Höhe von 240,90 € (insgesamt 4.645,11 €) in Anspruch genommen. Ferner hat er von der Beklagten die Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen, hilfsweise an seine Rechtsschutzversicherung, und weiter hilfsweise die Freistellung von diesen Kosten nebst Zinsen begehrt.

Gegen die Klageforderung hat die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit den ihr aus ihrer Sicht zustehenden Ansprüchen auf Zahlung von Sollzinsen in Höhe von 236,91 €, auf Zahlung von Wertersatz in Höhe des insgesamt gezahlten "Leasing-Entgelts" und auf Ausgleich des merkantilen Minderwerts in Höhe von 2.313,63 € erklärt.

Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe sein Widerrufsrecht nicht fristgerecht ausgeübt, weil die ihm erteilte Widerrufsbelehrung nicht zu beanstanden sei. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht unter Hinweis, dem Kläger habe bereits kein Widerrufsrecht zugestanden, zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision und der vorsorglich für den Fall einer nur beschränkt zugelassenen Revision eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

II.

1. Die Revision, mit der der Kläger ein ihm nach seiner Auffassung zustehendes Widerrufsrecht nach § 355 Abs. 1 , § 312c Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 312g Abs. 1 BGB in der vom 21. März 2016 bis zum 30. Juni 2018 geltenden Fassung (inhaltlich identisch mit heutiger Fassung, daher im Folgenden [aF]) geltend macht, ist als unzulässig zu verwerfen (§ 552 Abs. 1 ZPO ). Sie ist bereits nicht statthaft (§ 542 Abs. 1 , § 543 Abs. 1 Nr. 1 , 2 ZPO ), weil sie - entgegen der Ansicht der Revision - vom Berufungsgericht diesbezüglich nicht zugelassen worden ist.

Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision wirksam auf die Frage beschränkt, ob Leasingverträge mit Kilometerabrechnung einer entsprechenden Anwendung des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB in der vom 21. März 2016 bis zum 9. Juni 2017 geltenden Fassung (inhaltlich identisch mit der heutigen Fassung, daher im Folgenden [aF]) unterfallen, und damit einen möglichen Anspruch des Klägers auf Rückabwicklung des streitgegenständlichen Leasingvertrags aufgrund eines gesetzlichen Widerrufsrechts nach § 495 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 506 Abs. 1 BGB in der vom 21. März 2016 bis zum 9. Juni 2017 geltenden Fassung (im Folgenden aF) und § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB [aF] begründen.

a) Eine solche Beschränkung der Zulassung der Revision muss nicht im Tenor des Urteils angeordnet sein, sondern kann sich auch aus den Entscheidungsgründen ergeben, wenn sie sich diesen mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnehmen lässt. Hat das Berufungsgericht die Revision wegen einer Rechtsfrage zugelassen, die nur für einen eindeutig abgrenzbaren Teil des Streitstoffs von Bedeutung ist, kann die gebotene Auslegung der Entscheidungsgründe ergeben, dass die Zulassung der Revision auf diesen Teil des Streitstoffs beschränkt ist (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile vom 29. April 2020 - VIII ZR 355/18, NJW 2020, 1947 Rn. 15 f.; vom 15. September 2021 - VIII ZR 76/20, WM 2021, 2046 Rn. 19; vom 10. November 2021 - VIII ZR 187/20, NJW 2022, 686 Rn. 26, zur Veröffentlichung in BGHZ 232, 1 bestimmt; Senatsbeschlüsse vom 9. Februar 2021 - VIII ZR 372/20, juris Rn. 8; vom 30. November 2021 - VIII ZR 81/20, juris Rn. 7; jeweils mwN).

aa) So verhält es sich auch hier. Das Berufungsgericht hat die Revision ausweislich seiner Ausführungen in den Entscheidungsgründen wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, weil sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen die Frage stelle, ob Leasingverträge mit Kilometerabrechnung der entsprechenden Anwendung des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB [aF] unterfielen, und hierzu widerstreitende obergerichtliche Entscheidungen vorlägen.

bb) Diese von dem Berufungsgericht aufgeworfene Frage stellt sich - wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat - ersichtlich nur dahingehend, ob dem Kläger aufgrund einer analogen Anwendung von § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB [aF] auf Kilometerleasingverträge ein Widerrufsrecht nach § 506 Abs. 1 BGB aF in Verbindung mit § 495 Abs. 1 BGB zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung zugestanden hat und er infolgedessen eine Rückzahlung der von ihm zur Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Leasingvertrag erbrachten Leistungen verlangen kann. Sie stellt sich hingegen nicht im Hinblick auf einen auf ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht nach § 312c Abs. 1 BGB , § 312g Abs. 1 BGB [aF] oder auf ein Widerrufsrecht nach § 312b BGB in Verbindung mit § 312g Abs. 1 BGB [aF] gestützten Rückabwicklungsanspruch. Denn bei dem zuletzt genannten Widerrufsrecht geht es um die Frage, in welcher Situation der Leasingvertrag geschlossen worden ist, hingegen geht es bei der Anwendung des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB [aF] allein darum, ob die dort zum Ausdruck gekommene gesetzgeberische Wertung auch auf Kilometerleasingverträge anzuwenden ist. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision deshalb auf einen Rückzahlungsanspruch nach §§ 355 ff., 495 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 506 Abs. 1 BGB aF und § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB [aF] beschränkt.

b) Diese Beschränkung der Zulassung ist auch wirksam.

aa) Zwar ist eine Beschränkung der Revision auf einzelne Rechtsfragen und Anspruchselemente unwirksam. Das Berufungsgericht hat jedoch die Möglichkeit, die Revision nur hinsichtlich eines tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teils des Gesamtstreitstoffs zuzulassen, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteile vom 15. September 2021 - VIII ZR 76/20, WM 2021, 2046 Rn. 20; vom 7. Juli 2021 - VIII ZR 167/20, WuM 2021, 621 Rn. 14; Senatsbeschlüsse vom 30. November 2021 - VIII ZR 81/20, juris Rn. 10; vom 8. Dezember 2020 - VIII ZR 271/18, juris Rn. 23).

bb) Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn bei einem auf ein Widerrufsrecht nach § 506 Abs. 1 BGB aF in Verbindung mit § 495 Abs. 1 BGB gestützten Rückabwicklungsanspruch und einem Rückzahlungsverlangen nach § 312c Abs. 1 BGB (bzw. § 312b BGB ) in Verbindung mit § 312g Abs. 1 BGB [aF] handelt es sich um zwei rechtlich selbständige und abtrennbare Teile des Gesamtstreitstoffs, die voneinander unabhängig beurteilt werden können (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 2014 - IV ZR 5/13, juris Rn. 8, und IV ZR 296/12, juris unter II 1 [jeweils zur Abgrenzung einer Widerspruchserklärung nach § 5a VVG aF zu einem nach §§ 495 , 355 BGB erklärten Widerruf]). Während das Widerrufsrecht nach § 312g BGB an die Art und Weise des Zustandekommens des Verbrauchervertrags anknüpft, stellt § 506 BGB ausschließlich auf den Inhalt des jeweiligen Vertrags ab. Die hier maßgebliche Vorschrift des § 506 Abs. 1 BGB aF billigte einem Verbraucher - unabhängig von der Art und Weise der Situation des Vertragsschlusses - ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB bei Verträgen zu, durch die ein Unternehmer einem Verbraucher einen entgeltlichen Finanzierungsaufschub oder eine sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe gewährte. Dabei bestimmte § 506 Abs. 2 Satz 1 BGB [aF] für Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher über die entgeltliche Nutzung eines Gegenstands im Wege einer enumerativen Aufzählung, unter welchen Voraussetzungen diese als entgeltliche Finanzierungshilfe (im Sinne des Abs. 1) gelten sollten (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 2021 - VIII ZR 36/20, BGHZ 229, 59 Rn. 21 [zu § 506 BGB in der vom 13. Juni 2014 bis zum 20. März 2016 gültigen Fassung]). Die Gefahr eines Widerspruchs zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs besteht im Fall der Zurückverweisung daher nicht. Die von dem Kläger eingelegte und ausschließlich auf ein ihm nach seiner Auffassung zustehendes fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht gestützte Revision ist deshalb unzulässig.

2. Soweit der Kläger mit seiner vorsorglich eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde eine Zulassung der Revision in vollem Umfang erstrebt, ist diese ebenfalls unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ). Die von dem Kläger begehrte Hauptforderung beläuft sich lediglich auf 4.645,11 €. Die hierneben geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Zinsen sowie auf Zahlung beziehungsweise Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind als Nebenforderungen im Sinne von § 4 Abs. 1 ZPO bei der Bemessung der Beschwer nicht zu berücksichtigen.

III.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

Hinweis: Das Revisions- und Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ist durch Rücknahme erledigt worden.

Vorinstanz: AG Braunschweig, vom 01.03.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 116 C 2481/18
Vorinstanz: LG Braunschweig, vom 21.10.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 5 S 116/19