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BGH - Entscheidung vom 23.06.2022

VII ZB 43/21

Normen:
ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2-4

BGH, Beschluss vom 23.06.2022 - Aktenzeichen VII ZB 43/21

DRsp Nr. 2022/11755

Anforderungen an die inhaltliche Berufungsbegründung i.R.e. Schadensersatzanspruchs eines Käufers eines Gebrauchtfahrzeugs wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung

Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung jede tragende Erwägung angreifen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 23. Juni 2021 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Gegenstandswert: bis 13.000 €

Normenkette:

ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 -4;

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz im Zusammenhang mit einem bei einem Autohaus als Gebrauchtwagen im August 2014 erworbenen und im November 2020 weiterveräußerten Pkw BMW 118d in Anspruch.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen, da die Berufungsbegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO genüge. Es fehle unter anderem an einer ausreichenden Auseinandersetzung des Klägers mit der Erwägung des Landgerichts, der Schaden sei durch den Weiterverkauf des Fahrzeugs entfallen.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Insbesondere ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ) nicht erforderlich. Die Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzt den Kläger nicht in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG ) sowie Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip).

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Berufungsbegründung des Klägers entspreche inhaltlich nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO , ist nicht zu beanstanden.

1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben; nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO muss sie konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen zwar nicht; auch ist es für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen in erster Instanz zu verweisen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 11. Februar 2020 - VI ZB 54/19 Rn. 5 m.w.N., NJW-RR 2020, 503 ). Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 11. Februar 2020 - VI ZB 54/19 Rn. 6 m.w.N., NJW-RR 2020, 503 ).

2. Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung des Klägers nicht gerecht.

a) Das Landgericht hat sein Urteil tragend auf zwei Erwägungen gestützt. Außer auf die fehlende Substanz des Vortrags zu einer im Klägerfahrzeug verbauten unzulässigen Abschalteinrichtung hat es die Abweisung auch darauf gestützt, dass der Schaden durch die Weiterveräußerung des Fahrzeugs entfallen sei. Es sei unangemessen, trotz Veräußerung des Fahrzeugs ohne Mindererlös im Nachhinein die Rückzahlung des kompletten Kaufpreises unter Abzug gezogener Nutzungen und Anrechnung des Verkaufserlöses (nur) deshalb vorzunehmen, weil sich dieser Weg später als wirtschaftlich interessanter erweise. Die mit dem ungewollten Erwerb einhergehende Zweckverfehlung des Erwerbsvorgangs begründe die Haftung ebenso, wie sie diese auch begrenzen müsse. Anderenfalls komme es zur nicht gerechtfertigten Überkompensation. Der Kläger habe sich des ungewollten Erwerbs ohne weitere Nachteile entledigen können, wenn und soweit die Veräußerung gegenüber einem normalen Verkauf nicht wirtschaftlich nachteilig gewesen sei. Derartige Nachteile seien vorliegend nicht ersichtlich. Der Kläger habe zwar pauschal vorgetragen, ohne die Manipulation hätte er einen deutlich höheren Verkaufspreis erzielen können. Einen konkreten Mindererlös habe er aber trotz Hinweises des Gerichts nicht dargelegt.

b) Dass der Kläger diese selbstständig tragende Erwägung des Landgerichts mit der Berufung angegriffen hat, legt die Rechtsbeschwerde nicht dar. Soweit sie dazu allein Vortrag des Klägers in seinem als Berufungsbegründung bezeichneten 134-seitigen Schriftsatz vom 13. April 2021 konkret in Bezug nimmt, hat der Kläger dort lediglich ausgeführt, er habe einen "Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises [...] Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Hiervon abzuziehen ist der erzielte Erlös aus dem Verkauf des Fahrzeugs." Nachfolgend hat er ausschließlich zur Anrechenbarkeit von Nutzungen vorgetragen. Eine Auseinandersetzung mit dem tragenden Aspekt der landgerichtlichen Entscheidung, wonach der Schaden grundsätzlich wegen der Weiterveräußerung des Fahrzeugs entfallen und der Vortrag zu einem etwaig erzielten Mindererlös unschlüssig sei, liegt hierin, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, nicht.

Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung darüber hinaus pauschal auf erstinstanzliches Vorbringen in einem "Schriftsatz vom 20. Januar 2021" verwiesen hat, reicht eine solche Bezugnahme, auf die sich die Rechtsbeschwerde zu Recht nicht beruft, nach ständiger Rechtsprechung schon grundsätzlich nicht für eine zulässige Berufungsbegründung aus (vgl. nur BGH, Beschluss vom 11. Februar 2020 - VI ZB 54/19 Rn. 5 m.w.N., NJW-RR 2020, 503 ). Zudem existiert kein Schriftsatz vom 20. Januar 2021.

Vorinstanz: LG Trier, vom 17.02.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 5 O 165/20
Vorinstanz: OLG Koblenz, vom 23.06.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 3 U 365/21