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BSG - Entscheidung vom 29.12.2021

B 3 P 6/21 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 29.12.2021 - Aktenzeichen B 3 P 6/21 B

DRsp Nr. 2022/4342

Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach Pflegestufe III Differenzierungen bei Härtefallregelungen Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 17. Dezember 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Kläger tragen auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 75.176,98 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe

I

Das LSG Niedersachsen-Bremen hat mit Urteil vom 17.12.2020 den Anspruch der Kläger verneint, ihnen als Rechtsnachfolger aus der Versicherung ihres im Februar 2013 verstorbenen Vaters Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegstufe III ( SGB XI aF) sowie Leistungen wegen eingeschränkter Alltagskompetenz und zur Vermeidung von Härten für die Zeit vom 25.9.2010 bis 23.2.2013 zu gewähren.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil haben die Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie rügen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, eine Rechtsprechungsabweichung und Verfahrensmängel 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG ).

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, da die Kläger das Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und einer Divergenz sowie von Verfahrensfehlern den gesetzlichen Anforderungen entsprechend nicht hinreichend dargetan haben 160a Abs 2 Satz 3 SGG ). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).

Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Die Kläger halten folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:

"Ebenso ist zu prüfen, ob hierbei eine Regelungslücke dadurch gegeben ist, dass die der Wechsel von Straßenkleidung bzw. das An- und Ausziehen von Straßenkleidung beim 'Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung' nicht ausdrücklich in den Begutachtungsrichtlinien unter 'An- und Auskleiden' aufgeführt wird, dies als grundsätzliche Rechtsfrage klärungs- und entscheidungsbedürftig ist, was hiermit beantragt wird" (S 56 Beschwerdebe gründung).

"Diese Frage nach der Entbehrlichkeit der Verrichtung des Treppensteigen im Katalog des § 14 Abs. 4 SGB XI ist als grundsätzliche Rechtsfrage klärungs- und entscheidungsbedürftig, was hiermit beantragt wird" (S 69 Beschwerdebegründung).

"Diese Frage der Berücksichtigung von An- und Ausziehen von Straßenkleidung und Straßenschuhen ist nicht vorgesehen im Katalog der Verrichtungen des § 14 Abs. 4 SGB XI und ist als grundsätzliche Rechtsfrage klärungs- und entscheidungsbedürftig, was hiermit beantragt wird" (S 95 Beschwerdebegründung).

"Diese Frage der Berücksichtigung von An- und Ablegen der Prothese, über das morgendliche und abendliche dem Aufstehen und Zu-Bett-Gehen zuzuordnende, was im Laufe des Tages z.B. im Zusammenhang mit Arztbesuchen bzw. Therapeutenbesuchen und Dialyse oder im Zusammenhang mit anderen Verrichtungen anfällt, ist nicht vorgesehen im Katalog der Verrichtungen des § 14 Abs. 4 SGB XI und ist als grundsätzliche Rechtsfrage klärungsund entscheidungsbedürftig, was hiermit beantragt wird" (S 95 Beschwerdebegründung).

"Diese Frage der Berücksichtigung von An- und Ausziehen der Bekleidung beim Therapeutenbesuch, der über den morgendlichen und abendlichen Wechsel von jeweils Tag- auf Nachtwäsche und umgekehrt und diesem zuzuordnen ist, und der im Laufe des Tages auch z.B. im Zusammenhang mit Arztbesuchen und Dialyse sowie Therapeutenbesuchen oder im Zusammenhang mit anderen Verrichtungen anfällt, ist nicht vorgesehen im Katalog der Verrichtungen des § 14 Abs. 4 SGB XI und ist als grundsätzliche Rechtsfrage klärungsund entscheidungsbedürftig, was hiermit beantragt wird" (S 98 Beschwerdebegründung).

"Die Kläger haben einen Anspruch auf Gewährung zusätzlicher Leistungen aufgrund eines sogenannten 'Härtefalls' gem. §§ 36 Abs. 4 , 38 , 43 Abs. 3 SGB XI a.F. Es bestehen verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Härtefallregelungen… Daher ist das Verfahren gem. Art. 100 Grundgesetz ( GG ) auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, was hiermit beantragt wird, zur Klärung einer grundsätzlichen Rechtsfrage" (S 122 Beschwerdebegründung).

"Insofern wird beantragt, zur Klärung dieser grundsätzlichen Rechtsfrage, das Verfahren zu unterbrechen und diese Frage, ob die Nichtberücksichtigung der Hilfe bei den Vitalfunktionen bei den gesetzlichen Verrichtungen der Pflegeversicherung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, dem Bundesverfassungsgericht zur Klärung und Entscheidung vorzulegen" (S 130 Beschwerdebegründung).

a) Mit diesen Fragen haben die Kläger keine abstrakten Rechtsfragen formuliert, die klärungsbedürftig und klärungsfähig im angestrebten Revisionsverfahren sein könnten. Zum Teil enthalten die Fragen Tatsachenfeststellungen, die keinen normativen Inhalt im Sinne von revisiblen Bundesrecht 162 SGG ) aufweisen. Zum anderen aber beziehen sich sämtliche Fragestellungen auf ausgelaufenes Recht der sozialen Pflegeversicherung (§§ 14 , 15 , 36 , 38 , 43 SGB XI in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung - aF). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist die Auslegung von Rechtsnormen, bei denen es sich um ausgelaufenes Recht handelt, regelmäßig nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage daraus erwächst, dass ihre Klärung nicht nur für den Einzelfall, sondern im Interesse der Fortbildung des Rechts oder seiner einheitlichen Auslegung erforderlich ist (vgl BSG vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 10). Bei Rechtsfragen zu bereits außer Kraft getretenem Recht kann eine Klärungsbedürftigkeit nur anerkannt werden, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage dieses ausgelaufenen Rechts zu entscheiden ist oder wenn die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihrer Auslegung aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung hat (stRspr vgl nur BSG vom 15.3.2012 - B 3 KR 13/11 R - BSGE 110, 222 = SozR 4-2500 § 116b Nr 3, RdNr ). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG in der Beschwerdebegründung darzulegen (vgl nur BSG vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 10 mwN). Selbst die bloße Behauptung, es sei noch eine erhebliche Anzahl von Altfällen nicht bestandskräftig abgeschlossen, genügt nicht (vgl nur BSG vom 24.9.2003 - B 6 KA 57/03 B - juris RdNr 10). Hier haben die Kläger aber noch nicht einmal behauptet, dass eine solche Prozesslage nach altem Recht vorliegen könnte. Sie haben die Problematik des ausgelaufenen Rechts in ihrer umfangreichen Beschwerdebegründung (145 Seiten) insgesamt nicht thematisiert und keine Ausführungen zur fortgeltenden Bedeutung des ausgelaufenen Rechts gemacht.

b) Die grundsätzliche Bedeutsamkeit der letzten beiden aufgeworfenen Fragen ergibt sich auch nicht deshalb, weil sie meinen, wegen der dort aufgezeigten Problematiken sei das Verfahren nach Art 100 Abs 1 GG auszusetzen und dem BVerfG zur Entscheidung vorzulegen. Denn wer sich auf die Verfassungswidrigkeit einer Regelung beruft, muss im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde darlegen, dass die gestellte Frage unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG und des BVerfG noch nicht beantwortet ist bzw woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX, RdNr 183 mwN).

Hier haben sich die Kläger nicht hinreichend mit der von ihnen selbst benannten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 10.4.2008 - B 3 P 4/07 R - SozR 4-3300 § 43 Nr 2) auseinandergesetzt. Es fehlt an substanziell neuem Vorbringen zu den vom BSG bereits als rechtmäßig erachteten Differenzierungen bei den Härtefall-Regelungen zwischen dem Pflegegeld von in häuslicher Umgebung lebenden Pflegebedürftigen einerseits und bei Sach-und Kombinationsleistungen oder bei vollstationären Leistungen für Pflegebedürftige andererseits (vgl BSG vom 10.4.2008 - B 3 P 4/07 R - SozR 4-3300 § 43 Nr 2 RdNr 18; vgl bereits BSG vom 26.11.1998 - B 3 P 16/97 R - SozR 3-3300 § 38 Nr 1 = juris RdNr ). Zur Geltendmachung einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung iS von Art 3 Abs 1 GG ist es nicht ausreichend, lediglich zu behaupten, es sei verfassungswidrig, dass beim Einsatz selbst beschaffter Pflegekräfte, von Angehörigen, Nachbarn oder Freunden oder ehrenamtlichen Personen zusätzlich entstandene Kosten für den Pflegebedürftigen als Härtefall keine Berücksichtigung fänden, während dies beim Einsatz professioneller Pflegekräfte zur Vermeidung finanzieller Härten möglich sei (Beschwerdebegründung Seite 124 ff).

Gleiches gilt auch für die aufgeworfene Frage, ob die Nichtberücksichtigung der Hilfe bei den Vitalfunktionen im Rahmen der Verrichtungen der sozialen Pflegeversicherung gegen Art 3 Abs 1 GG verstoße. Auch hier setzen sich die Kläger nicht hinreichend mit der teilweise selbst zitierten und fortbestehenden BSG -Rechtsprechung (vgl BSG vom 17.3.2005 - B 3 KR 9/04 R - BSGE 94, 192 = SozR 4-2500 § 37 Nr 3 und fortgeführt BSG vom 28.9.2017 - B 3 P 3/16 R - juris) auseinander. Die vorgetragene pauschale Ungleichbehandlung von Versicherten mit Kompressionsstrümpfen und beatmungspflichtigen Versicherten (Beschwerdebegründung Seite 130) bietet keinen Anlass, die ständige Rechtsprechung des BSG zu revidieren und die Differenzierung zwischen Maßnahmen der verrichtungsbezogenen Behandlungspflege nach dem SGB V und denen der Grundpflege nach dem SGB XI aF aufzugeben.

2. Wenn die Kläger mit den unter 1. wiedergegebenen Fragen zugleich eine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG aufzeigen wollen, so genügt dieser Vortrag nicht den Anforderungen an die Darlegung einer Rechtsprechungsabweichung. Dazu müssen nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abstrakte Rechtssätze aus dem Urteil des LSG und einem Urteil des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG bezeichnet und einander gegenübergestellt werden. Ferner ist darzulegen, dass sie nicht miteinander vereinbar sind und dass das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (stRspr; vgl nur BSG vom 29.11.1989 - 7 BAr 130/88 - SozR 1500 § Nr 67 ).

Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung schon deshalb nicht, weil es dem Senat nicht möglich ist, aus den sehr umfangreichen und wenig übersichtlichen Ausführungen (Seite 32 bis 56, Seite 131 ff Beschwerdebegründung) hinreichend tragfähige abstrakte Rechtssätze zu entnehmen, die die Kläger als voneinander abweichend gegenübergestellt wissen wollen. Nach ständiger Rechtsprechung ist es auch nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens aus der umfangreichen Beschwerdebegründung selbst die betreffenden Elemente herauszusuchen, um die hinreichende Darlegung oder Bezeichnung von Revisionszulassungsgründen iS von § 160 Abs 2 SGG prüfen zu können. Das Revisionsgericht soll vielmehr umgekehrt auf der Grundlage einer Vertretung durch rechtskundige Bevollmächtigte 73 Abs 4 SGG ) und durch Einhaltung der Anforderungen an Form und Inhalt der Nichtzulassungsbeschwerde in die Lage versetzt werden, die Begründetheit des Rechtsmittels grundsätzlich aus sich heraus beurteilen zu können (vgl nur BSG vom 17.11.2000 - B 4 RA 97/00 B - juris RdNr 6; BSG vom 20.12.1999 - B 7 AL 30/99 B - juris). Das ist vorliegend anhand der Beschwerdebegründung und im Hinblick auf die Divergenzrüge aber nicht der Fall.

3. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist auch insofern unzulässig, als die Kläger den geltend gemachten Zulassungsgrund des Verfahrensmangels nicht formgerecht aufgezeigt haben 160a Abs 2 Satz 3 SGG ).

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

a) Die Kläger haben keinen Verfahrensmangel nach Art 101 Abs 1 Satz 2 GG (gesetzlicher Richter) hinreichend bezeichnet, wenn sie meinen, es liege eine fehlerhafte Besetzung des Spruchkörpers vor bzw es liege eine Entscheidung durch den unzuständigen Senat vor (Beschwerdebegründung Seite 22 bis 24). Hierzu führen sie aus, dass die Berufung im Jahr 2015 dem 15. Senat des LSG (unter dem Az L 15 P 26/15) zugewiesen worden sei, während das Berufungsurteil durch den 12. Senat ergangen sei.

Regelungen eines Geschäftsverteilungsplans müssen generell-abstrakt die Zuständigkeit der Spruchkörper und die Zuweisung der einzelnen Richter im Voraus regeln, damit die einzelne Sache aufgrund vorab festgelegter allgemeiner Merkmale an die zuständigen Richter gelangt. Wenn bereits anhängige Verfahren von einer Neuverteilung bestehender Zuständigkeiten in der Geschäftsverteilung eines Gerichts erfasst werden, muss die Neuverteilung durch solche generell-abstrakte Regelungen im Geschäftsverteilungsplan selbst erfolgen (stRspr; vgl nur BVerfGE 4, 412 , 416; 82, 286, 298; 95, 322, 329). Das ist nach den Ausführungen der Kläger der Fall gewesen. Sie tragen selbst vor (Beschwerdebegründung Seite 24), dass ihnen das LSG mitgeteilt habe, Verfahren auf dem Gebiet der Pflegeversicherung seien durch den Geschäftsverteilungsbeschluss des Präsidiums des LSG zum 1.1.2020 dem 12. Senat zugewiesen worden. Dagegen haben sie nicht behauptet, dass diese Zuweisung willkürlich oder von anderen sachfremden Gesichtspunkten geleitet gewesen sei.

b) Soweit diverse "Anträge" der Kläger unberücksichtigt geblieben seien, weitere medizinische Ermittlungen aufzunehmen bzw medizinische Befunde bzw Gutachten bei Ärzten einzuholen, haben die Kläger die Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG durch einen übergangenen Beweisantrag nicht hinreichend aufgezeigt. Die Kläger haben schon nicht dargelegt, einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG gestellt und bis zuletzt vor dem Berufungsgericht aufrechterhalten haben. Ein anwaltlich vertretener Beteiligter kann nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt (stRspr; vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr RdNr mwN). Nach Sinn und Zweck des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG soll die Sachaufklärungsrüge die Revisionsinstanz nur dann eröffnen, wenn das Tatsachengericht vor seiner Entscheidung durch einen Beweisantrag ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass ein Beteiligter die Sachaufklärungspflicht des Gerichts 103 SGG ) noch nicht als erfüllt ansieht (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21; Nr 31 S 52).

Daran fehlt es vorliegend. Die Kläger führen lediglich an, dass sie Beweisanträge im Vorfeld der mündlichen Verhandlung schriftsätzlich angekündigt haben, denen das LSG nicht nachgegangen sei (Beschwerdebegründung Seite 18 ff, 114 ff, 119 ff). Sie tragen jedoch nicht vor, dass sie an diesen - sofern es sich um prozessordnungsgemäße Beweisanträge handeln sollte - bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG festgehalten haben bzw dass das LSG einen abgelehnten Beweisantrag in seinem Urteil wiedergegeben habe.

c) Von vornherein können sich die Kläger hinsichtlich der weiteren Beweiserhebung nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG berufen (Seite 4, 7, 121, 140 f Beschwerdebegründung), da eine etwaige Verletzung dieser Norm keinen Revisionszulassungsgrund darstellt. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BSG ausnahmslos (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 34), wenn wie hier im Kern eine Verletzung des § 109 SGG gerügt wird. Dies stimmt mit der Intention des Gesetzgebers überein, von einer Revisionszulassung grundsätzlich alle Entscheidungen auszuschließen, mit denen die fehlerhafte Anwendung von § 109 SGG geltend gemacht wird, unabhängig davon, worauf dieser Verfahrensmangel im Einzelnen beruht (vgl dazu nur BSG vom 7.3.2000 - B 9 V 75/99 B - juris).

d) Soweit die Kläger meinen, der Tatbestand des angegriffenen Urteils enthielte unrichtige Darstellungen (zB "§ 18a Abs 1 Satz 3 BVG " anstelle "§ 18 Abs 1 Satz 3 BVG ", Beschwerdebegründung Seite 3), hätte die Fehlerberichtigung beim LSG beantragt werden müssen (vgl § 138 Satz 1 bis 3 SGG ). Wenn sie überdies meinen, der Tatbestand des Urteils habe weitere oder andere Tatsachen enthalten müssen (Beschwerdebegründung Seite 14, 97), so wären solche Fehler über die Tatbestandsberichtigung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nach Zustellung des angefochtenen Urteils beim LSG geltend zu machen gewesen (vgl § 139 Abs 1 , § 153 Abs 1 SGG ; stRspr; vgl nur BSG vom 23.2.2010 - B 13 R 457/09 B - juris RdNr 6 und BSG vom 2.9.2014 - B 9 V 17/14 B - juris RdNr 7 mwN). Die Kläger haben aber nicht vorgetragen, rechtzeitig einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung gestellt zu haben.

e) Soweit die Kläger sinngemäß ein fehlerhaftes Protokoll 122 SGG iVm § 164 ZPO ) rügen, wenn sie die unterbliebene Protokollierung der Annahme eines Teil-Anerkenntnisses geltend machen (Beschwerdebegründung Seite 108 f), hätten die Kläger die Berichtigung des Protokolls zu dem als unzureichend erachteten Punkt beantragen müssen (vgl dazu BSG vom 6.5.1999 - B 8 KN 7/98 U B - juris RdNr 4). An solchem Vortrag fehlt es aber. Im Übrigen lässt sich dieser Verfahrensfehler auch bereits deshalb nicht hinreichend nachvollziehen, weil es an Darlegungen der Kläger fehlt, was das LSG genau festgestellt und auf der Basis der gestellten Anträge entschieden hat.

f) Es liegt auch keine Bezeichnung eines Verfahrensfehlers darin, dass die Kläger wiederholt vortragen, die Urteilsgründe seien mangelhaft (iS von § 128 Abs 1 Satz 2 SGG , vgl insbesondere Beschwerdebegründung Seite 24 f, 98 ff, 122, 129, 133 ff). Sie verkennen den Regelungsgehalt von § 128 Abs 1 Satz 2 SGG , da nach dieser Vorschrift in dem Urteil die Gründe anzugeben sind, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das bedeutet, aus seinen Entscheidungsgründen muss ersichtlich sein, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Entscheidung beruht. Dafür muss das Gericht aber weder jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abhandeln (vgl bereits BVerfG vom 1.8.1984 - 1 BvR 1387/83 - SozR 1500 § 62 Nr 16), noch jeden, den die Kläger nach ihrer Ansicht für bedeutend erachten. Das Gericht muss auch nicht zu jedem Beteiligtenvorbringen Stellung nehmen, wenn es offensichtlich unerheblich ist oder sich aus dem Urteil zweifelsfrei ergibt, dass das Gericht das Vorbringen auch ohne ausdrückliche Erwähnung für unerheblich gehalten hat ( vgl BSG vom 23.6.2016 - B 3 KR 4/16 B - SozR 4-1500 § 140 Nr RdNr ). Eine Verletzung von § 128 Abs 1 Satz 2 SGG ist aber nicht bereits deshalb aufgezeigt, weil Urteilsgründe nicht den Vorstellungen der Kläger entsprechen.

g) Sofern die Kläger zugleich auch eine Verletzung von § 128 Abs 1 Satz 1 SGG rügen (Beschwerdebegründung Seite 68, 108 f), verkennen sie, dass nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ein Verfahrensmangel im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde von vornherein nicht auf § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) gestützt werden kann. Die Würdigung unterschiedlicher Gutachtenergebnisse oder unterschiedlicher ärztlicher Auffassungen zur Pflegebedürftigkeit des Versicherten gehört, wie die sich anderer widersprechender Beweisergebnisse, zur Beweiswürdigung selbst 128 Abs 1 Satz 1 SGG ).

h) Soweit die Kläger wiederholt die Verletzung rechtlichen Gehörs 62 SGG iVm Art 103 GG ) rügen, haben sie einen solchen Verfahrensfehler nicht hinreichend bezeichnet. Sie meinen, dass die unterbliebene Mitteilung von später verwerteten Ergebnissen der Beweisaufnahme einen Verstoß gegen ihr rechtliches Gehör darstelle. Wenn die Kläger in diesem Zusammenhang einen Verstoß gegen § 108 SGG (Pflicht zur Mitteilung von Schriftsätzen an die Beteiligten) rügen, ist auch dadurch ein Verfahrensfehler nicht dargelegt. Sie führen selbst aus (Beschwerdebegründung Seite 21 f), dass sie Kenntnis von den relevanten Gutachten durch Übersendung durch das LSG erlangt haben. Dass sie an rechtzeitigem Vorbringen zu Beweisergebnissen vor der mündlichen Verhandlung gehindert gewesen wären (vgl dazu BSG vom 23.10.2003 - B 4 RA 37/03 B - SozR 4-1500 § 62 Nr 1 RdNr 7), haben sie hingegen nicht behauptet.

Die Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs bedeutet aber nur, dass den Beteiligten die vom Gericht seiner Entscheidung zugrunde liegenden Tatsachen und Beweisergebnisse bekannt sein müssen. Dies haben die Kläger nicht in Abrede gestellt, vielmehr selbst ausgeführt, von den relevanten Gutachten Kenntnis erhalten zu haben. Das LSG musste ihnen aber nicht vorab mitteilen, welche Schlussfolgerungen es aus den eingeholten Beweisen ziehen werde (stRspr; vgl nur BSG vom 17.7.2017 - B 6 KA 14/07 B - juris RdNr 7). Denn es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht stets verpflichtet, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf seine in Aussicht genommene, bestimmte Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründen zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (stRspr; vgl nur BSG vom 21.9.2006 - B 12 KR 24/06 B - juris RdNr 9; BSG vom 5.3.2007 - B 4 RS 58/06 B - juris RdNr 9; vom 4.8.2014 - B 13 R 83/14 B - RdNr 10; vgl aber auch BSG vom 26.3.2020 - B 3 P 14/19 B - SozR 4-1500 § 62 Nr 22). Das Vorliegen einer Prozesslage, in der abweichend hiervon eine Hinweispflicht hätte in Betracht kommen können, lässt sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen.

i) Es liegt auch kein hinreichend bezeichneter Verfahrensmangel darin, wenn die Kläger meinen, das LSG habe die Krankenkasse fehlerhaft nicht notwendig zum Rechtsstreit gemäß § 75 Abs 2 und Abs 1 Satz 2 SGG beigeladen. Die Kläger tragen selbst vor, dass das LSG ausgeführt habe, dass Leistungen der häuslichen Krankenpflege vorliegend nicht Gegenstand des Rechtsstreits gewesen seien (Beschwerdebegründung Seite 127). Daher ist nicht plausibel aufgezeigt, aus welchem Grund die Krankenkasse zu diesem Rechtsstreit habe beigeladen werden müssen.

j) Letztlich nicht nachvollziehbar sind die Rügen der Kläger hinsichtlich "der Verkennung des Rechtswegs und der Zuständigkeit" (Beschwerdebegründung Seite 125 ).

4. Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat schließlich ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ). Dies gilt auch für alle von den Klägern umfangreich weiter vorgetragenen, aber hier nicht im Detail dargestellten Punkte aus ihrer Beschwerdebegründung. Der Senat hat indes auch diese bei seiner Entscheidung berücksichtigt.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO .

6. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 , § 52 Abs 1 und 4, § 47 Abs 3 GKG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 17.12.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 15 P 26/15
Vorinstanz: SG Hannover, vom 28.04.2015 - Vorinstanzaktenzeichen S 29 P 96/13