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BGH - Entscheidung vom 16.03.2021

VI ZR 773/20

Normen:
BeamtStG § 26
VwGO § 121
BeamtStG § 26
VwGO § 121
BeamtStG § 26
VwGO § 121

Fundstellen:
DVBl 2021, 1310
MDR 2021, 899
NVwZ-RR 2021, 640
VersR 2021, 650

BGH, Urteil vom 16.03.2021 - Aktenzeichen VI ZR 773/20

DRsp Nr. 2021/5480

Bestimmung und Begrenzung des Umfangs der Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes von dessen Regelungsinhalt; Regelungsinhalt der Versetzung eines unfallverletzten Beamten in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit; Bindung der Zivilgerichte an rechtskräftige Entscheidungen von Verwaltungsgerichten im Rahmen der in § 121 Verwaltungsgerichtsordnung ( VwGO ) geregelten Rechtskraftwirkung

a) Der Umfang der Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes wird von dessen Regelungsinhalt bestimmt und durch diesen begrenzt. Der Regelungsinhalt der Versetzung eines unfallverletzten Beamten in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit erstreckt sich nicht auf die Frage, ob und für welchen Zeitraum die Dienstunfähigkeit eine adäquate Folge des Unfalls ist.b) An rechtskräftige Entscheidungen von Verwaltungsgerichten sind Zivilgerichte nur im Rahmen der in § 121 VwGO geregelten Rechtskraftwirkung gebunden. Gegenüber Personen, die an dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt waren und denen somit in diesem Verfahren auch kein rechtliches Gehör gewährt wurde, kann eine gerichtliche Entscheidung in einem späteren Schadensersatzprozess grundsätzlich keine Bindungswirkung entfalten.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 7. Mai 2020 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Normenkette:

BeamtStG § 26 ; VwGO § 121 ;

Tatbestand

Die klagende Gemeinde macht als Dienstherrin des durch einen Dienstunfall geschädigten Beamten G. Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht gegen den Beklagten geltend.

Am 2. August 2010 kam es zwischen dem als Ordnungsbeamten eingesetzten G. und dem alkoholisierten Beklagten zu einer Auseinandersetzung, im Rahmen derer G. nach hinten auf den Boden fiel. G. war in der Zeit vom 3. August 2010 bis zum 31. März 2012 krankheitsbedingt nicht im Dienst. In diesem Zeitraum zahlte die Klägerin Bezüge in Höhe von 65.915,68 € an G. Mit Bescheid vom 1. März 2012 wurde G. mit Wirkung zum 1. April 2012 in den Ruhestand versetzt; ab diesem Zeitpunkt wurde die Zahlung der Bezüge von der Rheinischen Versorgungskasse (RVK) übernommen. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 30. September 2014 wurde G. ab dem 1. April 2012 ein erhöhtes Unfallruhegehalt nach § 37 Beamtenversorgungsgesetz ( BeamtVG ) gewährt, da G. aufgrund des Dienstunfalls dauernd dienstunfähig und bei Versetzung in den Ruhestand infolge des Dienstunfalls in der Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 % beschränkt gewesen sei.

Mit der Behauptung, dass der Beklagte den Beamten G. bei der Auseinandersetzung geschlagen habe, weshalb dieser körperliche und psychische Folgeschäden erlitten habe, die zur Dienstunfähigkeit sowie zur Versetzung in den Ruhestand geführt hätten, hat die Klägerin im Wege der Leistungsklage von dem Beklagten Ersatz der von ihr an G. gezahlten Bezüge in Höhe von 65.915,68 € nebst Zinsen und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt. Ferner hat sie die Feststellung begehrt, dass der Beklagte zum Ersatz weiterer Aufwendungen verpflichtet sei, die die Klägerin infolge des Vorfalls vom 2. August 2010 an G. bereits erbracht habe oder noch erbringen werde.

Der Beklagte hat behauptet, dass G. nicht aufgrund des Vorfalls vom 2. August 2010 dienstunfähig geworden sei, sondern seinen Dienst nicht mehr habe verrichten wollen.

Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 17.283,48 € nebst Zinsen zu zahlen sowie sie von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es ist aufgrund der Beweisaufnahme davon ausgegangen, dass G. von dem Beklagten geschlagen wurde und dadurch Prellungen im Wirbelsäulenbereich und am Kiefer davontrug. Nach dem eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten sei aber lediglich ein Dienstunfähigkeitszeitraum von sechs Monaten adäquat kausal auf das Schadensereignis zurückzuführen, so dass der Beklagte die von der Klägerin an G. gezahlten Bezüge nur für sechs Monate nach dem Vorfall zu erstatten habe. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung des Beklagten zurückgewiesen. Gegen die Zurückweisung ihres Rechtsmittels wendet sich die Klägerin mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe

I.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat das Landgericht der Klägerin zu Recht Erstattungsansprüche beschränkt auf einen Zeitraum von sechs Monaten ab dem Unfallereignis zugesprochen und weitergehende Ansprüche abgewiesen. Etwas anderes ergebe sich weder aus der Bestandskraft der Bescheide vom 10. Januar und 1. März 2012 über die Zurruhesetzung des Beamten G. noch aus der Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 30. September 2014. Die Verwaltungsakte und das Urteil seien gegenüber dem Beklagten nicht wirksam, weil er an den Verfahren in keiner Weise beteiligt gewesen sei. Der Verwaltungsakt über die Zurruhesetzung könne über die rechtsgestaltende Wirkung hinaus, das heißt über den Umstand, dass der Beamte in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit versetzt worden sei, keinerlei Bedeutung und Bindung für das vorliegende Verfahren entfalten. Das Landgericht habe zu Recht unabhängig von den Festlegungen in den Verwaltungsakten eine eigenständige Prüfung der durch das schädigende Verhalten des Beklagten herbeigeführten Folgen vorgenommen und sich insoweit gutachterlich beraten lassen. Die Zivilgerichte hätten selbst zu prüfen, ob die Pensionierung adäquate Folge des Unfalls gewesen sei. Selbst wenn grundsätzlich von einer Bindungswirkung auszugehen wäre, führte dies im vorliegenden Fall nicht zu einer Abänderung des landgerichtlichen Urteils. Denn die von der Klägerin maßgeblich zugrunde gelegte Stellungnahme des Amtsarztes vom 16. Juni 2011 sei nur eine vorläufige Einschätzung und zeitlich der Entscheidung über die Zurruhesetzung weit vorgelagert. Neuere ärztliche Aussagen über die Dienstfähigkeit vor Zurruhesetzung seien nicht ersichtlich. Die aufgrund des Sachverständigengutachtens erfolgte Beschränkung von Erstattungsansprüchen auf einen Zeitraum von sechs Monaten ab dem Vorfall durch das Landgericht sei auch für das Berufungsgericht überzeugend.

Das Feststellungsbegehren habe keinen Erfolg, weil weder dargetan noch ersichtlich sei, welche Aufwendungen sich gerade auf den hier maßgeblichen Sechsmonatszeitraum nach dem Dienstunfall beziehen sollen.

II.

Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Entgegen der Ansicht der Revision lässt sich die Annahme einer unfallbedingten Dienstunfähigkeit des G. von mehr als sechs Monaten nicht aus einer Bindungswirkung der "Bescheide" vom 10. Januar und 1. März 2012 und des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 30. September 2014 herleiten.

1. Dem Beamten G. steht gegen den Beklagten dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch wegen der von den Vorinstanzen festgestellten Körperverletzung aus § 823 Abs. 1 BGB zu, der auch den unfallbedingten Verdienstausfall erfasst. Dieser Anspruch ist gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 Beamtengesetz Rheinland-Pfalz auf die Klägerin als Dienstherrin insoweit übergegangen, als diese während einer auf der gesundheitlichen Schädigung beruhenden Dienstunfähigkeit oder infolge der gesundheitlichen Schädigung dem G. gegenüber zu Leistungen (hier: Fortzahlung der Bezüge) verpflichtet ist. Die Klägerin hat daher neben ihrer Leistungspflicht zur Fortzahlung der Bezüge darzulegen und zu beweisen, dass dem Beamten G. gegen den Beklagten für den gesamten von der Klägerin geltend gemachten Zeitraum vom 3. August 2010 bis zum 31. März 2012 ein Anspruch auf Ersatz des (normativen, vgl. Senatsurteile vom 22. November 2016 - VI ZR 40/16, VersR 2017, 304 Rn. 15; vom 16. Oktober 2001 - VI ZR 408/00, BGHZ 149, 63 , 67, juris Rn. 12) Verdienstausfallschadens aus § 823 Abs. 1 BGB zusteht, dass also die Dienstunfähigkeit des G. während dieses gesamten Zeitraums eine adäquate Folge der Körperverletzung war (vgl. Senatsurteil vom 23. Juni 2020 - VI ZR 435/19, NJW 2020, 3176 Rn. 10). Da es sich dabei um eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität handelt, die den ursächlichen Zusammenhang zwischen der primären Rechtsgutsverletzung und weiteren Schäden des Verletzten (Sekundärschäden) betrifft, gilt das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO (Senatsurteil vom 23. Juni 2020 - VI ZR 435/19, NJW 2020, 3176 Rn. 13 mwN). Die revisionsrechtlich ohnehin nur eingeschränkt überprüfbare Beweiswürdigung der Vorinstanzen, dass lediglich eine Dienstunfähigkeit von sechs Monaten adäquat kausal auf die Auseinandersetzung vom 2. August 2010 zurückzuführen sei, greift die Revision nicht an. Sie meint aber, dass aus rechtlichen Gründen wegen der Bindungswirkung der bestandskräftigen "Bescheide" vom 10. Januar und 1. März 2012 sowie des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 30. September 2014 von einer unfallbedingten Dienstunfähigkeit des G. bis zum 31. März 2012 auszugehen sei. Dies trifft nicht zu.

a) Bei dem im Berufungsurteil konkret in Bezug genommenen Schreiben der Klägerin vom 10. Januar 2012 handelt es sich lediglich um die Mitteilung der Absicht, den Beamten G. wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen und damit (entgegen der Bezeichnung im Berufungsurteil) nicht um einen Verwaltungsakt, der in Bestandskraft erwachsen und Bindungswirkung entfalten könnte.

b) Mit dem im Berufungsurteil konkret in Bezug genommenen Verwaltungsakt vom 1. März 2012 ist G. wegen dauernder Dienstunfähigkeit gem. § 26 BeamtStG in der Fassung vom 17. Juni 2008 in den Ruhestand versetzt worden. Dieser Verwaltungsakt ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bestandskräftig geworden. Der Regelungsinhalt des Verwaltungsakts erstreckt sich indes nicht auf die hier entscheidende Frage, ob bzw. für welchen Zeitraum die Dienstunfähigkeit adäquat-kausal auf der Schädigung durch den Beklagten beruht; er kann insoweit - unabhängig von der Frage seiner persönlichen Reichweite - schon inhaltlich keine Bindungswirkung für den vorliegenden Rechtsstreit entfalten.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt die Nachprüfung von Verwaltungsakten den ordentlichen Gerichten grundsätzlich nicht zu (vgl. BGH, Urteil vom 4. August 2020 - II ZR 174/19, z.V.b. in BGHZ 226, 329 Rn. 35 mwN). So hat der Bundesgerichtshof etwa entschieden, dass die ordentlichen Gerichte an die Anerkennung eines Unfalls als Dienstunfall durch eine Verwaltungsbehörde bei der Entscheidung darüber, ob ein Schadensersatzanspruch durch § 46 BeamtVG ausgeschlossen ist, gebunden sind, selbst wenn es an einer ausdrücklichen Bestimmung zur Bindungswirkung fehlt (BGH, Urteil vom 14. Januar 1993 - III ZR 33/88, BGHZ 121, 131 , 134 ff., juris Rn. 10 ff.). Der Umfang der Bindungswirkung eines bestandskräftigen Verwaltungsakts wird aber von dessen Regelungsinhalt bestimmt und durch diesen begrenzt (vgl. BGH, Urteil vom 4. August 2020 - II ZR 174/19, z.V.b. in BGHZ 226, 329 Rn. 36; BVerwG, NVwZ 2011, 120 Rn. 21; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG , 9. Aufl., § 43 Rn. 56 ff.). Nur mit der in ihm verbindlich mit Wirkung nach außen getroffenen Regelung kommt dem Verwaltungsakt die sog. Tatbestandswirkung zu (vgl. BVerwGE 74, 315 , 320, juris Rn. 19).

Handelt es sich bei dem Verwaltungsakt um die Versetzung eines unfallverletzten Beamten in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit, so erstreckt sich sein Regelungsinhalt nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht auf die Frage, ob die Zurruhesetzung adäquate Folge des Unfalls ist; diese Frage unterliegt - anders als etwa die Frage, ob die Zurruhesetzung von der Verwaltungsbehörde zu Recht ausgesprochen wurde - daher der selbständigen Prüfung durch die ordentlichen Gerichte, die über den auf den Dienstherrn übergegangenen Schadensersatzanspruch des dienstunfähigen Beamten zu entscheiden haben (Senatsurteile vom 18. Februar 1969 - VI ZR 2/68, VersR 1969, 538 , 539; vom 29. Oktober 1968 - VI ZR 136/67, VersR 1969, 75 , 76, juris Rn. 23; vom 24. September 1963 - VI ZR 107/62, VersR 1963, 1207 , 1208; vgl. auch Senatsurteil vom 13. Juni 1972 - VI ZR 83/71, VersR 1972, 975 , 977, juris Rn. 17 a.E.; OLG Celle, Urteil vom 7. Dezember 2006 - 14 U 99/06, juris Rn. 22; OLG Koblenz, VersR 1997, 1289 , juris Rn. 14; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteile vom 27. Februar 2020 - 7 U 93/19, juris Rn. 46 und vom 23. Mai 2019 - 7 U 82/18, juris Rn. 30). Ebenso wenig regelt die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit, ob und für welchen Zeitraum die Dienstunfähigkeit des Beamten (als Voraussetzung für die Zurruhesetzung) eine adäquate Folge des Unfalls ist.

bb) Die Versetzung des G. in den Ruhestand durch Bescheid der Klägerin vom 1. März 2012 stützt sich auf § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG in der Fassung vom 17. Juni 2008. Danach sind Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Darauf, ob und inwieweit die Dienstunfähigkeit auf einen vorangegangenen (Dienst-)Unfall zurückzuführen ist, kommt es für die Versetzung in den Ruhestand gemäß § 26 BeamtStG nicht an. Der Regelungsinhalt des Bescheids vom 1. März 2012 erfasst dementsprechend nicht die Frage, ob und für welchen Zeitraum die Dienstunfähigkeit des G. adäquate Folge des Dienstunfalls (gewesen) ist. Anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Bescheid vom 1. März 2012 auf das Schreiben vom 10. Januar 2012 und dieses wiederum auf die Stellungnahme des Amtsarztes vom 16. Juni 2011 Bezug nimmt, die die Ursache der festgestellten Gesundheitsschäden in dem Unfall sieht. Denn insoweit handelt es sich allenfalls um ein Begründungselement, das von dem Regelungsinhalt und damit der Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts selbst nicht erfasst wird (vgl. Senatsurteil vom 24. September 1963 - VI ZR 107/62, VersR 1963, 1207 , 1208; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG , 9. Aufl., § 43 Rn. 59).

cc) Damit war in diesem Rechtsstreit von den Vorinstanzen eigenständig zu prüfen, ob die Dienstunfähigkeit über den gesamten von der Klägerin geltend gemachten Zeitraum bis zum 31. März 2012 eine adäquate Unfallfolge war. Diese Prüfung hat das Landgericht sachverständig beraten vorgenommen und, vom Berufungsgericht gebilligt, eine adäquat kausal auf den Unfall zurückzuführende, also unfallbedingte Dienstunfähigkeit nur für die Dauer von sechs Monaten ab dem Vorfall vom 2. August 2010 bejaht. Eine länger andauernde, krankheitsbedingte Dienstunfähigkeit, die zur Versetzung des G. in den Ruhestand durch den bestandskräftigen Verwaltungsakt vom 1. März 2012 führte, ist damit nicht in Frage gestellt.

dd) Da der Bescheid vom 1. März 2012 schon aufgrund seines Regelungsinhalts keine Bindungswirkung für die hier entscheidende Frage der Kausalität zwischen der Körperverletzung und der Dienstunfähigkeit des G. entfalten kann, kommt es auf die von der Revision angegriffenen Hilfserwägungen des Berufungsgerichts dazu, dass eine Bindungswirkung auch aus anderen Gründen ausgeschlossen sei, nicht an.

c) Das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 30. September 2014, mit dem die dortige Beklagte (hiesige Klägerin) verpflichtet wurde, G. ab dem 1. April 2012 ein erhöhtes Unfallruhegehalt nach § 37 BeamtVG zu gewähren, entfaltet in diesem Rechtsstreit unabhängig von der Frage, wie weit die materielle Rechtskraft des Urteils inhaltlich reicht, gegenüber dem hiesigen Beklagten schon deshalb keine Bindungswirkung, weil der Beklagte an dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt war.

Gemäß § 121 VwGO binden rechtskräftige Urteile der Verwaltungsgerichte, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, nur die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger (Nr. 1) sowie im Fall des § 65 Abs. 3 VwGO die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben (Nr. 2). Nur im Rahmen dieser gesetzlich geregelten Rechtskraftwirkung sieht der Bundesgerichtshof etwa in Amtshaftungsprozessen auch die Zivilgerichte an rechtskräftige Entscheidungen von Verwaltungsgerichten gebunden (BGH, Urteile vom 18. April 2019 - III ZR 67/18, NJW 2019, 2400 Rn. 17; vom 12. Juni 2008 - III ZR 38/07, VersR 2010, 529 Rn. 15; vom 7. Februar 2008 - III ZR 76/07, BGHZ 175, 221 Rn. 10), was aus der grundsätzlichen Gleichwertigkeit der Gerichtszweige gefolgert wird (BGH, Urteil vom 7. Februar 2008 - III ZR 76/07, BGHZ 175, 221 Rn. 10). Eine weitergehende persönliche Reichweite der Rechtskraft verwaltungsgerichtlicher Urteile lässt sich § 121 VwGO weder für Amtshaftungsprozesse noch für sonstige Schadensersatzprozesse entnehmen. Gegenüber Personen, die an einem gerichtlichen Verfahren nicht beteiligt waren und denen somit in diesem Verfahren auch kein rechtliches Gehör gewährt wurde, kann eine gerichtliche Entscheidung in einem späteren Schadensersatzprozess grundsätzlich keine Bindungswirkung entfalten (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2019 - III ZR 67/18, NJW 2019, 2400 Rn. 18).

Selbst in Bereichen, in denen die Bindung von Zivilgerichten - sachlich beschränkt - an rechtskräftige Urteile von Gerichten anderer Gerichtszweige gesetzlich ausdrücklich angeordnet ist, wie etwa in § 108 Abs. 1 , § 112 SGB VII in Bezug auf Urteile der Sozialgerichtsbarkeit, gilt dies nur gegenüber denjenigen, die in der gebotenen Weise (vgl. § 12 Abs. 2 SGB X ) an dem Verfahren beteiligt worden sind (vgl. Senatsurteile vom 20. April 2004 - VI ZR 189/03, BGHZ 158, 394 , 397, juris Rn. 10; vom 30. Mai 2017 - VI ZR 501/16, VersR 2017, 1014 Rn. 15). Denn deren Rechte, insbesondere das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs, dürfen durch die Bindungswirkung nicht verkürzt werden (vgl. Senatsurteil vom 30. Mai 2017 - VI ZR 501/16, VersR 2017, 1014 Rn. 15).

d) Soweit die Revision auf die in § 118 SGB X angeordnete Bindungswirkung verweist, wonach Gerichte, die über einen nach § 116 SGB X übergegangenen Anspruch zu entscheiden haben, an eine unanfechtbare Entscheidung gebunden sind, dass und in welchem Umfang der Leistungsträger zur Leistung verpflichtet ist, verhilft ihr auch dies nicht zu Erfolg. Unabhängig davon, dass hier nicht über einen nach § 116 SGB X auf einen Sozialversicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe, sondern über einen gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 Beamtengesetz Rheinland-Pfalz auf den Dienstherrn übergegangenen Anspruch zu entscheiden ist, erstreckt sich die Bindungswirkung des § 118 SGB X inhaltlich nur auf die Verpflichtung des Leistungsträgers zur Leistung (übertragen auf den Anspruchsübergang gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 Beamtengesetz Rheinland-Pfalz wäre das die Verpflichtung des Dienstherrn zur Fortzahlung der Bezüge bei Dienstunfähigkeit), nicht aber auf die zivilrechtlichen Haftungsvoraussetzungen wie die Kausalität zwischen der Schädigungshandlung und dem eingetretenen Schaden (Senatsurteil vom 5. Mai 2009 - VI ZR 208/08, VersR 2009, 995 Rn. 13).

2. Da die Beurteilung des Berufungsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass die Dienstunfähigkeit des G. lediglich für einen Zeitraum von sechs Monaten adäquate Folge des Vorfalls vom 2. August 2010 war, hat auch die Revision gegen die Abweisung der Feststellungsklage, die den Ersatz weiterer Aufwendungen betrifft, keinen Erfolg. Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die geltend gemachten weiteren Aufwendungen nicht dem hier maßgeblichen Zeitraum von sechs Monaten zugeordnet werden können, wendet sich die Revision nicht.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 16. März 2021

Vorinstanz: LG Trier, vom 04.06.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 11 O 162/15
Vorinstanz: OLG Koblenz, vom 07.05.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 1 U 1158/19
Fundstellen
DVBl 2021, 1310
MDR 2021, 899
NVwZ-RR 2021, 640
VersR 2021, 650