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BVerwG - Entscheidung vom 17.09.2019

1 B 41.19, 1 PKH 20.19

Normen:
VwGO § 166
ZPO § 114
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1-2
AsylG § 3a Abs. 2 Nr. 5

BVerwG, Beschluss vom 17.09.2019 - Aktenzeichen 1 B 41.19, 1 PKH 20.19

DRsp Nr. 2019/15937

Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten; Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision; Annahme eines hinreichenden Zusammenhanges zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund

Die Revision kann nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden, wenn die Frage von einer tatsächlichen Annahme ausgeht, die von der Vorinstanz nicht festgestellt wurde.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. Februar 2019 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Normenkette:

VwGO § 166 ; ZPO § 114 ; VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 -2; AsylG § 3a Abs. 2 Nr. 5 ;

Gründe

I. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO ).

II. Die auf eine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) und auf einen Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Revision ist nicht wegen der vom Kläger geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) zuzulassen.

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung entscheidungserhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt und im Einzelnen aufzeigt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der Frage zugrunde liegt, zu folgen ist (BVerwG, Beschlüsse vom 8. Juni 2006 - 6 B 22.06 - NVwZ 2006, 1073 Rn. 4 f. und vom 10. August 2015 - 5 B 48.15 - juris Rn. 3 m.w.N.). Die Darlegung muss sich auch auf die Entscheidungserheblichkeit des jeweils geltend gemachten Zulassungsgrunds erstrecken. Gemessen daran hat die Beschwerde keinen Erfolg.

a) Soweit die Beschwerde eine Klärung der Frage erstrebt

"Ist für die Annahme eines hinreichenden Zusammenhanges zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund eine - objektive oder subjektive - Zielrichtung der befürchteten Verfolgungshandlung notwendig oder ist es ausreichend, wenn die schutzsuchende Person aufgrund des Vorhandenseins geschützter Merkmale gefährdet ist? Sollte dies auf grundsätzlicher Ebene bejaht werden: Muss etwas anderes im Rahmen von Art. 9 (2)(e) der Richtlinie 2011/95/EU gelten?",

hat sie deren Entscheidungserheblichkeit nicht ausreichend dargelegt. Die Beschwerde möchte der Sache nach geklärt wissen, dass eine Bestrafung für eine erfolgte Militärdienstentziehung dann den notwendigen Zusammenhang mit einem Verfolgungsgrund aufweist, wenn die Militärdienstentziehung aufgrund eines geschützten Merkmals wie z.B. den politischen oder religiösen Überzeugungen erfolgte bzw. wenn derartige Überzeugungen zur Gefährdung des Antragstellers beigetragen haben (vgl. Beschwerdebegründung S. 3). Diese Frage stellt sich in entscheidungserheblicher Weise aber nur, wenn von der Vorinstanz festgestellt wurde, dass der Kläger seine Wehrdienstentziehung mit einer politischen oder religiösen Überzeugung begründet hat. Dies ist weder dargelegt noch ersichtlich. Die Beschwerde führt hierzu lediglich an, der Kläger habe bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen, dass er den Reservistendienst nicht ableisten wolle, weil er nicht bereit sei, sich am Bürgerkrieg und an der Verübung von Kriegsverbrechen zu beteiligen (siehe auch Berufungsbeschluss Abdruck S. 2). Das bloße "Nicht-Wollen" bzw. "Sich-Weigern" besagt aber noch nichts über die dafür maßgeblichen Gründe, die vielfältiger Art sein können, und enthält daher - anders als die Beschwerde meint - nicht schon als solches die Berufung auf eine politische Überzeugung. Die Revision kann nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden, wenn die Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung von einer tatsächlichen Annahme ausgeht, die - wie hier - von der Vorinstanz nicht festgestellt wurde (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2006 - 6 B 27.06 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 35 Rn. 8).

b) Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zuzulassen:

"Erfordert Art. 9 (2)(e) der Richtlinie 2011/95/EU, dass die schutzsuchende Person eine militärische Einheit benennen kann, der sie zugeordnet wurde und die in internationale Verbrechen i.S.v. Art. 12(2) dieser Richtlinie involviert war oder sein wird, oder kann jedenfalls in Fällen, in denen internationale Verbrechen i.S.v. Art. 12(2) dieser Richtlinie in regelmäßiger und systematischer Weise begangen werden, bereits die drohende Einberufung zum Militärdienst eine hinreichende Gefahr der Involvierung in derartige Verbrechen begründen?"

Dieser Frage fehlt die Entscheidungserheblichkeit, nachdem die zur Voraussetzung einer Verknüpfung der - unterstellten - Verfolgungshandlungen mit einem Verfolgungsgrund aufgeworfene Grundsatzfrage nicht zur Zulassung der Revision führt (siehe oben unter a). Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung (auch) in diesem Zusammenhang selbstständig tragend darauf gestützt, dass eine etwaige Bestrafung oder Strafverfolgung wegen Wehrdienstentziehung nicht an einen Verfolgungsgrund anknüpft (Beschlussabdruck S. 28). Ist die vorinstanzliche Entscheidung aber auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund dargelegt wird und vorliegt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 2013 - 4 BN 18.12 - juris Rn. 2).

2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) zuzulassen. Ohne Erfolg rügt der Kläger, die Ablehnung der schriftlich angekündigten Beweisanträge im angefochtenen Beschluss verletze sein Recht auf rechtliches Gehör und begründe einen Aufklärungsmangel. Die angekündigten Beweisanträge zu der Frage, ob die Militäreinheit "Ibrahim/13" Kriegsverbrechen begangen hat bzw. begeht und der Kläger daran voraussichtlich beteiligt wäre, zielten auf die Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung nach § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG . Das Berufungsgericht hat seine Ablehnung, die angebotenen Beweise zu erheben, unter anderem - selbstständig tragend - damit begründet, die Frage sei nicht entscheidungserheblich, weil es jedenfalls an einem Verfolgungsgrund fehle. Gegen diese Ablehnungsbegründung ist prozessrechtlich nichts zu erinnern. Ob auch die weitere Begründung, es handele sich um eine "Ermittlung ins Blaue hinein", prozessrechtlich tragfähig wäre, was die Beschwerde in Abrede stellt, ist damit nicht mehr entscheidungserheblich.

3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG ; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Vorinstanz: OVG Niedersachsen, vom 25.02.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 2 LB 709/18