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BSG - Entscheidung vom 04.09.2018

B 11 AL 15/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 133
BGB § 157

BSG, Beschluss vom 04.09.2018 - Aktenzeichen B 11 AL 15/18 B

DRsp Nr. 2019/748

Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Klärungsfähige Rechtsfrage Angriff auf die Beweiswürdigung durch das LSG

1. Greift ein Kläger die individuelle Vertragsauslegung durch das LSG an, weil er im Ergebnis meint, dass bestimmte Umstände bzw. rechtliche Gesichtspunkte in einer anderen Weise in die Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht hätten einfließen müssen, wird damit keine klärungsfähige Rechtsfrage benannt. 2. Zur Überprüfung von revisiblem Recht führt im Rahmen einer geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache in diesem Zusammenhang jedoch nur eine Rechtsfrage, die auf die Auslegung von Inhalt und Umfang der materiell-rechtlichen Auslegungsregeln der §§ 133 , 157 BGB an sich zielt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Dezember 2017 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; BGB § 133 ; BGB § 157 ;

Gründe:

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 SGG ).

Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ggf sogar des Schrifttums, angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Die Beschwerdebegründung des Klägers wird diesen Darlegungserfordernissen nicht gerecht.

Der Kläger formuliert zwar folgende Rechtsfragen:

"1. Ist die Leistung einer in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbarten und als Abfindung bezeichneten Zahlung des Insolvenzverwalters an den Arbeitnehmer dem Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne der §§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV , 115 Abs. 1 SGB X und 157 Abs. 3 S. 1 SGB III zu subsumieren bzw. dem Beschäftigungsverhältnis zeitlich zuzuordnen, wenn es sich bei den unerfüllten Ansprüchen auf Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers einzig um Alt-Masseverbindlichkeiten nach §§ 55 Abs. 1 Nr. 2 und 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO handelt?

1a. Kann eine Zahlung zur Erfüllung von Alt-Masseverbindlichkeiten nach §§ 55 Abs. 1 Nr. 2 und 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO befreiende Wirkung im Sinne des § 157 Abs. 3 Satz 2 SGB III haben? Kann insoweit überhaupt Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB eintreten, die zu genehmigen wäre?

2. Gehört es bei der Beurteilung einer Zahlung im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs als Arbeitsentgelt oder als echte Abfindung zu den maßgeblichen Umständen, dass durch den Vergleich auch eine Schadensersatzforderung des Arbeitnehmers nach § 113 Satz 3 InsO erledigt wird?"

Sämtliche von dem Kläger aufgeworfenen Fragen stellen sich jedoch im Zusammenhang mit der Auslegung des Vergleichs vor dem Arbeitsgericht Koblenz vom 21.10.2015 im Kündigungsschutzverfahren. Hierzu hat das LSG in seinem Urteil vom 14.12.2017 die ausdrückliche Feststellung getroffen, dass in dem Betrag in Höhe von 16 955,85 Euro auch Arbeitsentgelt enthalten sei. Ob das Berufungsgericht damit die Inhalte des Vergleichs zutreffend gewertet hat, betrifft die nicht revisible Beweiswürdigung im Einzelfall. Der Kläger greift die individuelle Vertragsauslegung durch das LSG an, weil er im Ergebnis meint, dass bestimmte Umstände bzw rechtliche Gesichtspunkte in einer anderen Weise in die Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht hätten einfließen müssen. Zur Überprüfung von revisiblem Recht hätte im Rahmen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache jedoch nur eine Rechtsfrage führen können, die auf die Auslegung von Inhalt und Umfang der materiell-rechtlichen Auslegungsregeln der §§ 133 , 157 BGB an sich gezielt hätte ( BSG vom 21.2.2001 - B 4 RA 35/00 B - juris RdNr 20; BSG vom 22.11.1994 - 8 RKn 1/93 - SozR 3-2200 § 1265 Nr 13 S 89). Der Kläger befasst sich in seiner Beschwerdebegründung mit den Besonderheiten einer "insolvenzrechtlichen Einkleidung" einer Abfindungsvereinbarung, er trägt jedoch nicht dazu vor, weshalb die Auslegung des LSG gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze (zB Denkgesetze) verstößt bzw hier Klärungsbedarf besteht.

Auch eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG hat der Kläger nicht formgerecht dargetan. Hierzu ist aufzuzeigen, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 21, 29 und 54). Zwar bezeichnet der Kläger zwei Passagen in der angegriffenen Entscheidung des Berufungsgerichts, die von BSG -Rechtsprechung aus seiner Sicht abweichen. Es wird jedoch nicht ausreichend dargetan, dass hier ein Widerspruch im Grundsätzlichen vorliegt, also das Berufungsgericht eine abweichende tragende Rechtsansicht entwickeln wollte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 14.12.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 AL 73/16
Vorinstanz: SG Koblenz, vom 12.10.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 9 AL 11/16