Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BVerwG - Entscheidung vom 07.03.2024

6 B 64.23

Normen:
JAPO § 9 Abs. 3 S. 1
DRiG § 5d Abs. 1 S. 2
GG Art. 12

BVerwG, Beschluss vom 07.03.2024 - Aktenzeichen 6 B 64.23

DRsp Nr. 2024/4181

Zulassung zur mündlichen Prüfung im Rahmen der staatlichen Pflichtfachprüfung der ersten juristischen Prüfung; Wiederholung einer schriftlichen Aufsichtsarbeit bzw. deren Neubewertung

1. Es ist geklärt, dass Rechtsfragen zu auslaufendem oder ausgelaufenem Recht oder zu Übergangsrecht trotz anhängiger Fälle regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutunghaben, weil mit der Zulassung der Revision keine für die Zukunft richtungsweisende Klärung erreicht werden kann. 2. Im Übrigen ist geklärt, dass die in § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG enthaltene bundesrechtliche Vorgabe der Einheitlichkeit sowohl der Prüfungsanforderungen als auch der Leistungsbewertung keine strikte Uniformität der Ausgestaltung der Bestehensanforderungen in den landesrechtlichen Prüfungsordnungen gebietet. Vielmehr gestattet die Vorschrift begrenzte Abweichungen zwischen den Prüfungsordnungen der Bundesländer. § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG könnte - ließen sich der Norm subjektive Rechte der Prüflinge entnehmen - allenfalls solchen Bestehensanforderungen entgegenstehen, die sich in gravierender Weise vom bundesüblichen Standard abheben, so dass sich in ihnen ein regelrechter Systembruch manifestiert.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Mai 2023 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7 500 € festgesetzt.

Normenkette:

JAPO § 9 Abs. 3 S. 1; DRiG § 5d Abs. 1 S. 2; GG Art. 12 ;

Gründe

I

Die Klägerin begehrt die Zulassung zur mündlichen Prüfung im Rahmen der staatlichen Pflichtfachprüfung der ersten juristischen Prüfung, hilfsweise die Möglichkeit der Wiederholung einer schriftlichen Aufsichtsarbeit bzw. deren Neubewertung.

Die Klägerin fertigte in der Zeit vom 16. bis 24. August 2021 sechs schriftliche Aufsichtsarbeiten der staatlichen Pflichtfachprüfung an. Im Öffentlichen Recht erreichte sie 3 und 2 Punkte, im Strafrecht 2 Punkte und im Zivilrecht 6, 8 und 4 Punkte. Mit Bescheid vom 10. Dezember 2021 stellte der Beklagte fest, die Klägerin habe die Prüfung gemäß § 9 Abs. 3 der Rheinland-Pfälzischen Juristischen Ausbildungs- und Prüfungsordnung ( JAPO ) trotz einer Gesamtdurchschnittsnote von 4,16 Punkten nicht bestanden, weil nicht mindestens drei ihrer Aufsichtsarbeiten aus zwei verschiedenen Pflichtfächern mit mindestens 4,00 Punkten bewertet worden seien. Den dagegen erhobenen Widerspruch hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 2022 zurückgewiesen.

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Entscheidung im Kern darauf gestützt, dass die zur Zeit der Prüfung geltende Regelung des § 9 Abs. 3 Satz 1 JAPO weder gegen § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG noch gegen Art. 12 GG verstoße.

Dahinstehen könne, ob eine prüfungsrechtliche Bestehensanforderung als Prüfungsanforderung im Sinne des § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG anzusehen sei und dieser bundesrechtlichen Regelung überhaupt Schutznormcharakter zuzumessen sei. Jedenfalls stehe das Gebot der Einheitlichkeit der Prüfungsanforderungen und der Leistungsbewertung aus § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG der landesrechtlichen Bestehensregelung inhaltlich nicht entgegen. § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG verpflichte die Bundesländer nicht zum Erlass identischer Bestehensregelungen, sondern nur zur Herstellung gleichwertiger Abschlüsse. Im Übrigen sei zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter ein gewisser, sich in vernünftigen Grenzen haltender "Überschuss" an Prüfungsanforderungen grundsätzlich hinzunehmen. Auch in anderen Bundesländern sei eine Mindestanzahl an Aufsichtsarbeiten zu bestehen, um zur mündlichen Prüfung zugelassen zu werden. Gemäß § 5a Abs. 2 Satz 3 DRiG stünden die Pflichtfächer gleichberechtigt nebeneinander.

Die Regelung des § 9 Abs. 3 Satz 1 JAPO verletze auch nicht die Berufsfreiheit, da keine zum Zweck der Prüfung außer Verhältnis stehenden Anforderungen gestellt würden. Der Normgeber habe seinen Einschätzungsspielraum nicht überschritten. Zweck der juristischen Ausbildung sei die Feststellung, ob die Prüflinge zum Richteramt befähigt seien (vgl. § 5 Abs. 1 DRiG ). Dies erfordere neben gewissen Mindestanforderungen bei der Ausarbeitung schriftlicher juristischer Falllösungen auch eine fächerübergreifende Kompetenz, da jedenfalls Richtern auf Probe und Richtern kraft Auftrags Dienstleistungsaufträge in sämtliche Gerichtsbarkeiten erteilt werden könnten.

Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz könne nicht damit begründet werden, dass in anderen Bundesländern niedrigere Voraussetzungen für die Zulassung zu mündlichen Prüfungen gälten. Denn Art. 3 Abs. 1 GG erfasse nur Ungleichbehandlungen desselben Hoheitsträgers.

Das Berufungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde, der der Beklagte entgegentritt.

II

Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Die Klägerin wirft die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 3 Satz 1 JAPO auf und zieht dessen Bundesrechtskonformität im Hinblick auf die Vorgaben des § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG in Zweifel. Denn der Landesgesetzgeber habe selbst eine Änderung der Zulassungsvoraussetzungen für die mündliche Prüfung erforderlich gehalten und die Regelung in § 9 Abs. 3 JAPO mittlerweile geändert. Nunmehr sei nur noch erforderlich, dass in der schriftlichen Prüfung mindestens drei Aufsichtsarbeiten mit mindestens jeweils 4,00 Punkten bewertet worden seien und die Gesamtpunktzahl der schriftlichen Prüfung mindestens 22,50 Punkte betrage. Mit diesem Vorbringen kommt eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht in Betracht.

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juli 2016 - 6 B 35.16 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 425 Rn. 3 und vom 21. Dezember 2017 - 6 B 43.17 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 198 Rn. 6 m. w. N.). Die Rüge der Nichtbeachtung von Bundes(verfassungs)recht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht vermag die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur dann zu rechtfertigen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. Januar 2000 - 6 BN 2.99 - Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 334 S. 3 und vom 1. März 2016 - 5 BN 1.15 - NVwZ 2016, 618 Rn. 6; Kraft, in: Eyermann, VwGO , 16. Aufl. 2022, § 132 Rn. 17). Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 6 B 43.14 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 421 Rn. 8). Auch Rechtsfragen zu auslaufendem oder ausgelaufenem Recht oder zu Übergangsrecht haben nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts trotz anhängiger Fälle regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung, weil mit der Zulassung der Revision keine für die Zukunft richtungsweisende Klärung erreicht werden kann (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. November 2009 - 6 B 33.09 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 169 Rn. 11 f. und vom 15. März 2021 - 6 BN 2.20 - juris Rn. 6).

Im vorliegenden Fall scheitert die Zulassung der Revision wegen Grundsatzbedeutung bereits daran, dass die aufgeworfene Rechtsfrage ausgelaufenes Recht betrifft. Denn der rheinland-pfälzische Verordnungsgeber hat die für die Prüfung der Klägerin im August 2021 intertemporal maßgebliche Juristische Ausbildungs- und Prüfungsordnung vom 1. Juli 2003 (GVBl. S. 131), zuletzt geändert durch Verordnung vom 13. September 2021 (GVBl. S. 523), durch eine Neuregelung ersetzt. Seit 1. August 2023 gilt die Juristische Ausbildungs- und Prüfungsordnung vom 6. Juli 2023 (GVBl. S. 211), in der die Zulassungsvoraussetzungen zur mündlichen Prüfung des § 9 Abs. 3 JAPO in der von der Beschwerde beschriebenen Weise abgeändert worden sind. Das von der Klägerin in der Altfassung als bundesrechtswidrig beanstandete Erfordernis, dass mindestens drei Aufsichtsarbeiten aus zwei verschiedenen Pflichtfächern mit mindestens 4,00 Punkten bewertet worden waren, ist weggefallen. Damit lässt sich eine für die Zulassung der Grundsatzrevision in der Regel erforderliche prospektive Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht mehr erreichen.

Zudem betreffen die von der Beschwerde formulierten Rechtsfragen nicht das revisible Recht im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO . Das ist - wie oben dargelegt - bei der Geltendmachung von Normkonflikten zwischen Bundes- und Landesrecht nur dann der Fall, wenn die revisiblen Maßstabsnormen ihrerseits ungeklärte Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen. Solche Rechtsfragen werden von der Beschwerde aber nicht formuliert.

Schließlich lässt die Beschwerdebegründung mit Blick auf die vom Berufungsgericht wiedergegebene Rechtsprechung des beschließenden Senats zu § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG keinen die Durchführung eines Revisionsverfahrens rechtfertigenden Klärungsbedarf erkennen. Denn der Senat hat entschieden, dass die in § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG enthaltene bundesrechtliche Vorgabe der Einheitlichkeit sowohl der Prüfungsanforderungen als auch der Leistungsbewertung keine strikte Uniformität der Ausgestaltung der Bestehensanforderungen in den landesrechtlichen Prüfungsordnungen gebietet. Vielmehr gestattet die Vorschrift begrenzte Abweichungen zwischen den Prüfungsordnungen der Bundesländer. § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG könnte - ließen sich der Norm subjektive Rechte der Prüflinge entnehmen - allenfalls solchen Bestehensanforderungen entgegenstehen, die sich in gravierender Weise vom bundesüblichen Standard abheben, so dass sich in ihnen ein regelrechter Systembruch manifestiert (BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2013 - 6 C 18.12 - NVwZ 2014, 86 Rn. 15; Beschluss vom 9. Juni 1995 - 6 B 100.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 350 S. 80). Mit dieser Rechtsprechung setzt sich die Beschwerde nicht auseinander und lässt deshalb keinen weiteren Klärungsbedarf erkennen. Das Gleiche gilt im Hinblick auf den von ihr gerügten Verstoß des § 9 Abs. 3 JAPO a. F. gegen Art. 12 Abs. 1 GG .

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ). Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an Ziffer 36.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

Vorinstanz: OVG Rheinland-Pfalz, vom 26.05.2023 - Vorinstanzaktenzeichen 10 A 10029/23