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BVerwG - Entscheidung vom 22.01.2024

5 B 11.23

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1
BRKG § 2 Abs. 1

BVerwG, Beschluss vom 22.01.2024 - Aktenzeichen 5 B 11.23

DRsp Nr. 2024/3546

Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache; Voraussetzungen einer Beschwerde wegen Divergenz

1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist schon dann nicht ausreichend dargelegt, soweit sich in der Beschwerdebegründung keine hinreichenden Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen finden. 2. Mit der Geltendmachung einer angeblich fehlerhaften Rechtsanwendung durch das Oberverwaltungsgericht im Einzelfall kann eine Rechtssatzdivergenz nicht erfolgreich dargelegt werden. 3. Im Übrigen kann in Fällen, in denen ein Urteil auf mehrere die Entscheidung selbstständig tragende Begründungen gestützt ist, die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jedes dieser tragenden Gründe ein Zulassungsgrund vorliegt.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. März 2023 wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 222 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 ; BRKG § 2 Abs. 1 ;

Gründe

Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (1.) noch wegen Divergenz (2.) zuzulassen, weil die Beschwerde das Vorliegen dieser Zulassungsgründe nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gemäß dargelegt hat.

1. Die Beschwerde ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Eine ausreichende Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) einer Rechtssache setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Frage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Dabei verlangt die Begründungspflicht des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO unter anderem, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt und aufzeigt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der aufgeworfenen Frage zugrunde liegt, zu folgen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. November 2011 - 5 B 45.11 - juris Rn. 3 und vom 12. März 2018 - 5 B 26.17 D - juris Rn. 3 m. w. N.). Soweit sich die Vorinstanz mit der Frage beschäftigt hat, gehört zu der erforderlichen Durchdringung des Prozessstoffes die Erörterung sämtlicher Gesichtspunkte, die im Einzelfall für die erstrebte Zulassung der Revision rechtlich Bedeutung haben könnten (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2019 - 5 B 40.18 - juris Rn. 3 m. w. N.). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

a) Die Beschwerde hält zunächst "in Bezug auf reisekostenrechtliche Maßstäbe" folgende Rechtsfragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:

"1. Gelten die reisekostenrechtlichen Maßstäbe, wie sie die bisherige Rechtsprechung des BVerwG, insbesondere in seinen Urteilen vom 26.06.1981, BVerwG 6 C 85.79, und vom 26.06.2014, BVerwG 5 C 28.13, für Beamte mit einer 'Dienststätte' entwickelt hat, gleichermaßen für reisekostenrechtliche Streitfälle von solchen Vollzugspolizisten,

- die im Rahmen des konkreten Amtes im funktionellen Sinne übertragene Aufgaben ständig oder zeitweilig ohne oder außerhalb einer Dienststätte erledigen (etwa Personenschützer im Rahmen von Begleitkommandos oder sog. Zielfahnder oder sog. Observanten; vgl. auch Sachlage im Verfahren BVerwG 5 B 7.23)

oder

- welche die ihnen funktionell übertragenen Aufgaben zeitweilig (noch) nicht in ihrer Dienststätte erledigen (können), wie im Falle des Klägers, als er vor Eröffnung des B. im Oktober 2020 seine hauptsächlichen Aufgaben im Rahmen der Verfügungsgruppe noch nicht auf dem Gelände des B. bzw. in der Dienststelle des B. erledigen konnte und zu Objektschutzmaßnahmen am auswärtigen Geschäftsort P. beim M. eingesetzt wurde (sog. 'Verlege-Fahrten')?

2. Können für sog. 'Verlege-Fahrten' wie im vorliegenden Streitfall, bei denen sich Beamte von ihrer Dienststelle oder ihrer Wohnung zu einem auswärtigen Ort begeben, um erst dort überhaupt ein Dienstgeschäft vorzunehmen (wenn also der Fortbewegung von der Dienststelle zu einem bestimmten Ziel, mithin dem Reiseelement, eine eigenständige Bedeutung zukommt), auch die reisekostenrechtlichen Maßstäbe wie für sog. Fahndungs- oder Begleitfahrten angelegt werden, bei denen der Fortbewegung [...] keine eigenständige Bedeutung beigemessen werden kann, weil die Fortbewegung außerhalb der Dienststätte mit einer dienstlichen Tätigkeit untrennbar verbunden ist, die nach dem Zuschnitt des Dienstpostens für das konkret-funktionelle Amt des Beamten wesentlich und prägend ist (etwa die Fahndungsfahrt nach einem Straftäter bzw. [die] Begleitfahrt im Rahmen des Personenschutzes)?

3. Sind in derartigen Fällen ('ohne Dienststätte') vielmehr besondere Maßstäbe anzulegen oder kommt es - wie nach der Auffassung des hier angegriffenen OVG-Urteils - in derartigen noch ungeklärten besonderen Fallgruppen, wie auch im vorliegenden Fall, ausschließlich darauf an, ob die Fortbewegung außerhalb 'der Dienststätte' zu den wesentlichen und prägenden Aufgaben des dem Beamten übertragenen Dienstpostens zählt und damit zur Dienstausübung im eigentlichen Sinne gehört (so OVG-Urteil, S. 7 letzter Absatz unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2014, 5 C 28.13, juris Leitsatz und Rn. 9; und Martini, ZBR 2015, 7 ff.)?

4. Sind sog. 'Verlege-Fahrten' von der Dienststelle zur Erledigung von Dienstgeschäften hin zum auswärtigen Einsatzort als 'Dienstreisen' i. S. des Reisekostenrechts anzusehen? Wie ist die 'Dienstreise' ggf. reisekostenrechtlich neu zu definieren?

5. Kann für 'Verlege-Fahrten' zum Ausschluss von Dienstreisen auf das Einsatzgebiet des Dienstbezirks der Behörde zurückgegriffen werden?"

Es kann dahinstehen, ob die Beschwerde den Darlegungsanforderungen schon deshalb nicht genügt, weil die aufgeworfenen Fragen mangels eines konkretisierten Bezugs zur Auslegung eines gesetzlichen Merkmals keine hinreichend bestimmten Rechtsfragen darstellen. Ebenso kann offenbleiben, was unter dem Begriff der sog. Verlege-Fahrten, der sich weder im Gesetz findet noch vom Oberverwaltungsgericht aufgegriffen oder gar als für die rechtliche Lösung bedeutsam angesehen worden ist, zu verstehen ist. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist jedenfalls deshalb nicht ausreichend dargelegt, weil sich in der Beschwerdebegründung keine hinreichenden Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen finden. Sie zeigt nicht nachvollziehbar auf, aus welchen Gründen die auch vom Oberverwaltungsgericht der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Maßstäbe aus der von ihr zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Anwendung des § 2 Abs. 1 BRKG für die von ihr angesprochenen Fallkonstellationen nicht anwendbar sein sollten oder einer Fortentwicklung bedürfen. Die bloße Behauptung, die "auswärtige Reisetätigkeit ab und zurück zur Dienststelle" sei (entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts) nicht "untrennbar" mit den genannten dienstlichen Tätigkeiten verbunden, sondern besitze eine "eigenständige Bedeutung" und zähle nicht zu den wesentlichen und den Dienstposten des Beamten prägenden Aufgaben des Beamten, genügt insofern nicht.

b) Ebenso wenig genügt die Beschwerde den Darlegungsanforderungen, soweit sie "bzgl. des Verhältnisses von Reisekostenrecht und Polizeizulage" folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam hält:

"1. Deckt die sog. Polizeizulage i. S. v. Nr. 8.3 der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B (Bbg BesG Anlage 1) den Verpflegungsmehraufwand auch in Fällen sog. auswärtiger 'Verlege-Einsätze' von Polizeivollzugsbeamten für den jeweiligen Reisetag ab, so dass - aus systematischen Gründen [-] Tagegeld nach Reisekostenrecht (§ 6 BRKG ) ausgeschlossen ist und vom Beamten daher nicht beansprucht werden kann?

2. Können die vom BVerwG entwickelten Maßstäbe, etwa zur Beanspruchung eines ausgestatteten Dienstzimmers für einen Lehrer in einer Schule, hilfsweise der Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer (vgl. OVG-Urteil S. 11, 1. Absatz unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 24. Januar 2013, 5 C 12.12, juris Rn. 26) in Fällen wie vorliegend für die Beanspruchung von Tagegeld herangezogen werden?"

Denn in der Beschwerdebegründung finden sich zu diesen Fragen keine Ausführungen. Insbesondere wird ihre Klärungsfähigkeit nicht ansatzweise dargelegt. Die von den gestellten Fragen losgelösten allgemeinen Behauptungen der Beschwerde zum Vorliegen der Voraussetzungen des Zulassungsgrundes sind nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aufzuzeigen.

2. Die Beschwerde ist nicht wegen Divergenz zuzulassen.

Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz liegt nur vor, wenn das vorinstanzliche Gericht in Anwendung derselben Vorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen ist. Die Beschwerdebegründung muss darlegen im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO , dass und inwiefern dies der Fall ist (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2022 - 5 B 8.21 - juris Rn. 9 m. w. N.). Danach wird eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht aufgezeigt.

a) Eine Divergenz sieht die Beschwerde zunächst zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 1981 - 6 C 85.79 -, dem sie (bezogen auf den Urteilsabdruck bei juris aus den Randnummern 13, 14 und 16) folgende Rechtssätze entnimmt:

"Die Zulagenregelung der Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B verdrängt nicht solche Vorschriften, die einen Ausgleich für bestimmte individuelle Besonderheiten des Dienstes der mit vollzugspolizeilichen Aufgaben betrauten Beamten regeln und dass die Gewährung der Polizeizulage lediglich das Verlangen ausschließt, Aufwendungen, die typischerweise mit der Wahrnehmung vollzugspolizeilicher Aufgaben verbunden sind und deren Erstattung nicht ausdrücklich vorgesehen ist, zusätzlich zur Besoldung abgegolten zu erhalten. Die Polizeizulagenregelung steht der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen, die gesetzlich besonders vorgesehen sind und deren Voraussetzungen im Einzelfall nachzuweisen sind, nicht entgegen."

Die Beschwerde genügt den Darlegungsanforderungen insofern schon deshalb nicht, weil sie keine Rechtssatzdivergenz aufzeigt. Sie benennt bzw. formuliert jedenfalls keinen abstrakten Rechtssatz, den das Oberverwaltungsgericht aufgestellt haben und mit dem es von den dem Bundesverwaltungsgericht zugeschriebenen Rechtssätzen abgewichen sein soll. Sie rügt zwar, das angegriffene Urteil weiche von der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab, weil das Oberverwaltungsgericht unter anderem für seine klageabweisende Entscheidung darauf abgestellt habe, der behauptete höhere Verpflegungsaufwand sei rechtlich unerheblich, da er durch die Polizeizulage pauschal abgedeckt sei. Damit macht die Beschwerde aber lediglich eine angeblich fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Oberverwaltungsgericht im Einzelfall geltend, mit der eine Rechtssatzdivergenz nicht erfolgreich dargelegt werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Januar 2022 - 5 B 12.21 - juris Rn. 4 m. w. N.). Abgesehen davon berücksichtigt sie auch nicht, dass nach den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts die Erstattung von Verpflegungskosten durch die Polizeizulage (anders als bei Fahrtkosten) gerade normativ ausdrücklich vorgesehen ist und daher auch der Sache nach ein Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht ersichtlich ist.

b) Soweit die Beschwerde sich im Zusammenhang mit der Frage, ob es sich bei den streitigen Fahrten um Dienstreisen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 BRKG handelt, außerdem auf eine Abweichung von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 2014 - 5 C 28.13 - (BVerwGE 150, 108 ) beruft, ist sie schon deshalb unzulässig, weil das Oberverwaltungsgericht die Ablehnung des erstrebten Tagegeldes nicht nur auf das Fehlen der Voraussetzungen der § 63 Abs. 1 Satz 1 LBG BB, § 2 Abs. 1 Satz 1 BRKG , sondern auch auf den weiteren tragenden Grund ("Es kommt hinzu [...]") stützt, der vom Kläger geltend gemachte Mehraufwand sei bereits mit der dem Kläger gewährten Polizeizulage abgegolten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann in Fällen, in denen ein Urteil auf mehrere die Entscheidung selbstständig tragende Begründungen gestützt ist, die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jedes dieser tragenden Gründe ein Zulassungsgrund vorliegt (vgl. z. B. BVerwG, Beschlüsse vom 17. April 1985 - 3 B 26.85 - Buchholz 451.90 EWG-Recht Nr. 53 und vom 17. Juni 2013 - 5 B 10.13 - juris Rn. 4 m. w. N.). Daran fehlt es hier, weil weder die diesbezüglich erhobene Grundsatzrüge noch die Divergenzrüge den Zulässigkeitsanforderungen genügen (vgl. oben unter 1. b) und 2. a)).

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 , § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Berlin-Brandenburg, vom 14.03.2023 - Vorinstanzaktenzeichen 4 B 17/22